#1

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 10:32
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Am See

Der Schlaf spielt gern Streiche,
und Erinnerungen fallen irgendwann
wie überreife Früchte auf den Waldboden.

Doch es ist Tag.
Ein törichter greiser Windhauch,
der sich einst in langen dunklen Locken fing,
fällt aus meinem offenen Mund in beide Hände.

Ich spreize die Finger,
der See erwacht blinzelnd,
und im seichten Wasser weckt
ein stiller Sandsturm die Frösche.

Ein altes, mir vertrautes Lied
erzählt von einem Mädchen,
das Fische mit der Schürze fängt,
und es lächelt mir zu.

_____________________________________
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#2

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:16
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo GW

Also erstmal, ich kann zur Zeit mit Liebesgedichten nicht viel anfangen, deshalb nur kurz, aber der Text gefällt mir trotzdem gut.

Du verwendest hier einige Bilder, die ich wirklich sehr mag. Der See der durch die Finger betrachtet wird oder das Mädchen mit der Schürze. Das bringt Unbekümmertheit rüber, Jugend.
Insgesamt wirkt der Text auf mich wie ein schönes Gefühl von Erinnerung an einen Sommer und die erste Liebe.

Was ich nicht einordnen kann ist der Sandsturm. Da ist Wald und ein See und dann ein Sandsturm?

In der letzten Zeile hätte ich evtl geschrieben „es lächelt mir zu“ denn die Erinnerung ist im Jetzt und das Lächeln gerade gegenwärtig. Aber nur so ne Idee.

Grüße
Simone
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#3

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:26
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Simone,

danke Dir für Deinen Kommentar.
Das mit dem Präsenz im letzten Satz ist eine gute Idee. Ich überlege zudem, ob es nicht sogar rechtens wäre, zu schreiben "sie lächelt mir zu".

Oh, ich dachte der Sandsturm sei klar. Da wird Sand unterwasser aufgewirbelt. Das ist der Sandsturm im seichten Wasser. Ich dachte, das sei klar.
Vielleicht erfahre ich ja noch, wie andere das lesen.

Vielen Dank Dir!

Grüße,
GW

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#4

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:34
von Fabian Probst (gelöscht)
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habe ich so gelesen, wie du meintest.

Gefällt mir auch gut, nur am Anfang der zweiten Strophe habe ich ein Rhythmus-Problem nach dem Punkt.
Würde auch Präsens schreiben.

Ansonsten schöne Bilder.

Gruß, Fabian
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#5

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:39
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hi GW

"sie lächelt mir zu" geht, denke ich, nicht, du schreibst ja das Mädchen.

Ja, ist eigentlich klar mit dem Sandsturm ... jetzt wo du's sagst, soweit hatte ich nicht gedacht, weil die Frösche über dem Wasser sind. Aber es ist ja nicht tief dann paßt das schon.

Gruß
Simone
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#6

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:42
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Fabian, Simone,

danke Euch für Euren Zuspruch, die Kritik und die Vorschläge. Bzgl. des Präsens habt Ihr wohl recht.

Bzgl. des "sie" bin ich mir nicht sicher. So ist es jedenfalls gewiss richtig.

@Fabian: Bzgl. des Rhythmus in der zweiten Strophe habe ich jetzt noch gefeilt. So passt es für mich auch besser.
Danke.

Grüße,
GW

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#7

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:46
von Fabian Probst (gelöscht)
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da es "das Mädchen" heißt, muss es auch "es" heißen. Da hat simone vollkommen Recht.

Sorry, wie war es denn vorher noch mal? Was hast du verändert?

Gruß, Fabian
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#8

Am See

in Liebe und Leidenschaft 04.06.2008 15:49
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Sorry, die zweite Strophe vorher:

Doch es ist Tag. Da fällt mir
ein törichter greiser Windhauch,
der sich einst in langen dunklen Locken fing,
aus meinem offenen Mund in die Hände.


Edit: Zum Mädchen. Es gibt in der deutschen Grammatik meines Erachten so etwas, das man "natürliches Geschlecht" nennt, das mir erlauben würde, da "sie" zu schreiben.

Nochmal Edit: Wiktionary sagt das gleiche: http://de.wiktionary.org/wiki/M%C3%A4dchen

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#9

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 10:16
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Tag, GerateWohl!

Vielleicht ist es gar nicht störend und fiel nur mir auf.
Ließe sich eines der beiden Wörter zu 'gleiten' ändern?

Zitat:

und Erinnerungen fallen irgendwann
wie überreife Früchte auf den Waldboden.

Doch es ist Tag. Da fällt mir



Gruß
Joame
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#10

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 10:21
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Danke Jaome!

Grüße,
GW

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#11

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 12:47
von Fabian Probst (gelöscht)
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ich meinte eigentlich genau die Stelle nach dem Punkt, also das "Da fällt mir". Das liest sich etwas abgehakt, aber der inhaltliche Bruch ist fast gravierender. Erst die Feststellung, dass es gerade Tag ist und dann das "Da". Vielleicht geht es auch nur mir so, aber es wirkt auf mich unpassend. Schwierig zu beschreiben, warum das so ist.
"Doch es ist Tag" wirkt so bestimmt, so bewusst und greifbar und es geht im Prinzip um das "jetzt". Dann folgt dieses so verwaschene "Da", das auf mich ganz anders wirkt. Unbestimmt, Irgendwie und auch zeitlich so hingeworfen.
Das erwarte ich, wenn man eine Idylle beschreibt, eine Landschaft und eine vor-sich-hin-dümpelnde Situation. Aber nicht nach diesem entschlosenen "DOCH ES IST TAG." Da erwarte ich automatisch etwas anderes.
Aber das ist sicher kein eklatanter Fehler, vielleicht eher eine verbohrte Ansicht von mir. Der erste Eindruck war so und den wird man ja oft nicht mehr los. ein wenig verstärkt wurde das auch durch das "törichter greiser". Dieses doppelte Adjektiv mit selber Endung hört sich auch nicht so schön an, finde ich.

Aber das war wie gesagt die einzige Stelle, die ich nicht so gut fand. Der Rest war auch mir ein Lesegenuss.

Die Veränderung finde ich nicht unbedingt besser als die Urversion. Beides passt.

edit: Das "plumpsen" finde ich ja nun total unpassend.
edit2: Scheint so zu sein, wenn Wiki das sagt. Hätte ich nie gedacht. Danke für die Aufklärung.

Gruß, Fabian
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#12

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 13:06
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hi GW

also mir hat's erst auch besser gefallen.
"der früher sich in langen dunklen Locken fing"
klingt verdreht und das ist doch gar nicht nötig.
und "plumpsen" finde ich auch nicht schön.

warum ersetzt du nicht das "fällt" in S2 durch was anderes? wenn dich die Dopplung stört und stellst die Strophe einfach um.
zB. so oder was anderes:

Der Schlaf spielt gern Streiche,
und Erinnerungen fallen irgendwann
wie überreife Früchte auf den Waldboden.

Doch es ist Tag.
Ein törichter greiser Windhauch,
der sich einst in langen dunklen Locken fing,
gleitet aus meinem offenen Mund in beide Hände.

Gruß Simone
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#13

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 13:27
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Aaaaah. Jetzt ist es passiert, und ich fühle mich wieder vollkommen fremdgesteuert.

Moment, moment.
Ich merke wieder wie unsicher ich bei freieren Gedichten bin und für jede Anregung dankbar. Aber ab einem bestimmten Punkt werde ich wieder noch unsicherer.
So jetzt geht's wieder.

Simone Dein Vorschlag ist gut.
Bis auf das Gleiten. Denn ich wollte die Parallelität mit den Erinnerungen haben. Daher beidesmal Fallen.
So soll es sein.

Ich denke jetzt, die Variante von Simone mit dem Fallen ist für mich optimal.

Danke nochmal an alle.
Wieder viel gelernt.

Grüße,
GW


alte 2. Strophe:
Doch es ist Tag. Da fällt mir
ein törichter greiser Windhauch,
der früher sich in langen dunklen Locken fing,
aus meinem offenen Mund in beide Hände.




_____________________________________
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#14

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 13:31
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Nochmals schönen Tag!
Es kommt darauf an, wie die Erinnerung kommt und welche es ist.
Es könnte schon sein, daß eine poltert und plumpsend mit einemmal da ist,
den Betroffenen überfallsmäßig bewußt wird. - Im allgemeinen wird es nicht so sein.
Ich neigte dazu, gar nicht auszusagen, wie die Erinnerung kam, nur einfach da sein lassen

(Der Schlaf spielt gern Streiche,
Erinnerungen liegen/sind irgendwann [und streut Erinnerungen ...]
wie überreife Früchte auf den Waldboden.)?

Mir fällt es schwer, die richtige Ausdrucksweise zu finden, einen Vorschlag zu machen
oder richtig zu kritisieren, da ich das Gefühl nicht nachvollziehen kann,
das Beweggrund für diese Aussage ist.

Wenn es mir nicht übel genommen wird, verrate ich, daß ein derber Spassvogel die Stelle
Doch es ist Tag. Da fällt mir
ein törichter greiser Windhauch,
der früher sich in langen dunklen Locken fing,
aus meinem offenen Mund in beide Hände.


als elegante Umschreibung für Rülpsen bezeichnen könnnte.
(nur ein kleiner Scherz).

Gruß
Joame
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#15

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 13:54
von Fabian Probst (gelöscht)
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*lach* stimmt. Ist mir aber nicht aufgefallen.

wenn ich noch mal verunsichern darf, die Version gefällt mir deutlich besser, mein Stolperer ist ja ausgebaut.

Wäre es nicht aber auch noch eleganter, "töricht, greiser Windhauch" zu schreiben.

Sorry, ich teile mal mit, wie ich die Strophe am besten fände:

Doch es ist Tag.
Ein töricht, greiser Windhauch,
der sich einst in dunklen Locken fing,
fällt mir aus offnem Mund in beide Hände.

-----

Gruß, Fabian
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#16

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 14:03
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Neinneinnein, Fabian. (Jetzt hab ich wieder Boden unter den Füßen. )

Aus zwei Gründen:
1. töricht greise, ob mit Komma oder ohne, läse sich so, als wenn es auf törichte Art und Weise greise wäre. Das töricht bezöge sich auf das greise, soll es aber nicht. die sollen gleichberechtigt nebeneinander stehen.

2. "fällt mir aus offnem Mund in beide Hände" klingt wie schlechte, gebrochene Deutsch. Vor "offne Mund" muss Artikel und keine Grund für Elision bei "offne". Claro?

Aber danke Dir für den Vorschlag und die Auseinandersetzung nochmal.

@Joame: Verdammt Du hast vollkommen recht. Und ich mag das Gedicht selbst schon nicht mehr. Du hast mir da jetzt so ein ganz fieses Auge geöffnet. Vielen Dank.

Grüße,
GW

_____________________________________
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#17

Am See

in Liebe und Leidenschaft 05.06.2008 19:18
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Ach, GerateWohl, laß Dich nicht verdrießlich machen. Schiller hatte nur Glück, da ich nicht zu seiner Zeit war, ich hätte ihn vielleicht auch ein wenig gehänselt (so wie Dich, wenn Dir ein Satz mit wenn + wäre unterläuft).

Gruß
Joame
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