#1

Monolog der Büglerin

in Diverse 30.09.2005 14:55
von Loki (gelöscht)
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    Monolog der Büglerin

    ich bügle glatt mein Leben
    Tränenregen durchtränkten es
    und es verdünnte sich

    ich bügle glatt mein Leben
    die Jahre zerknitterten es Tag und Nacht
    sie zerrten und rissen daran

    ich bügle glatt mein Leben
    ich ging durch ölene Gassen
    sie tupften Flecken darauf

    ich bügle glatt mein Leben
    die Sonnenstrahlen bleichten es
    als es am rostigen Nagel hing

    ich bügle glatt mein Leinengewand

    A. Funk





    Woman Ironing, 1904. Oil on canvas,
    45 3/4 x 28 3/4 inches. Solomon R. Guggenheim Museum,
    Thannhauser Collection, Gift, Justin K. Thannhauser. 78.2514.41.
    © 2003 Estate of Pablo Picasso/Artists Rights Society (ARS), New York.




    für einen Wettbewerb im UNICUM Magazin

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#2

Monolog der Büglerin

in Diverse 30.09.2005 15:47
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Hallo Loki,

ich weiss nichts um die Vorgaben des Wettbewerbs aber ich gehe davon aus dass man ein gedicht zu dem Bild verfassen sollte. Ich muss sagen, das was du da ablieferst gefällt mir sehr, was ich gerne begründen möchte:

Sofort prägt sich der zentrale Vers des Gedichtes "ich bügle glatt mein Leben" ein. Diese Art von "Inversionstrick" wird auch in der Werbung benutzt. "Action pur" prägt sich besser ein als "pure Action", genauso wie dein Vers sich besser einprägt als "Ich bügele mein Leben glatt." Obendrein wird natürlich das "glatt" besonders hervorgehoben. Etwas Glattbügeln wird im im Allgemeinen in Situationen verwendet, in denen man geschehenes Unheil mildern will, oder etwas erheben will, dass offensichtlich nicht astrein ist im Auge des Betrachters.

S1:

ich bügle glatt mein Leben
Tränenregen durchtränkten es
und es verdünnte sich


"ich" wird kleingeschriben. Ein erstes Indiz für die mangelnde Selbstachtng/Realitätsfluchttendenzen der Frau.
Der Tränenregen weist auf unsägliches Leid und viel Unglück hin. Wie das Gewand, so nützt sich das Leben ab, es wird dünner, was hier wohl im Sinne von schwächer werden, schwinden zu sehen ist.

ich bügle glatt mein Leben
die Jahre zerknitterten es Tag und Nacht
sie zerrten und rissen daran


Wie der jugendliche Körper eines Menschen altert und langsam zerschleisst so zerschleisst das Hemd. Klar und deutlich.


ich bügle glatt mein Leben
ich ging durch ölene Gassen
sie tupften Flecken darauf


Sie wurde beschmutzt. Die Gassen erinnern an dunkle, enge Orte. Sie könen auch für Scheidewege im Leben stehen, bei denen die Wahl besonders schwierig und verhängnisvoll war. Das Öl lässt sich nicht mehr herausswaschen, geschweige denn herausbügeln. Sie bleiben ewig auf dem Hemd haften.

ich bügle glatt mein Leben
die Sonnenstrahlen bleichten es
als es am rostigen Nagel hing


Sie war gefangen. Wurde sie misshandelt? Hatte sie einen gestrengen EheMann? Das ist wahrscheinlich, aber kaum belegbar. Es wirkt aber so als hätte sie der Mann quasi im Haus gefangen gehalten. Die Sonne lockte sie, doch da sie nicht hinausdurfte bleichte sie an ihrer Gefangenschaft aus. Der rostige Nagel steht für den gewaltsamen, unumgänglichen Zwang der Gefangenschaft. Das stets kleingeschriebee "ich" und das Bild lassen mir aber keinen anderen Schluss zu. sie war eine Dienerin, und musste ihr Leben für ihren Herrn verschwenden.

Die Frau hat also ein Leben lang ihr Totenhemd gebügelt. Beeindruckende Metaphorik! Ich wäre froh davon zu erfahren wie du bei dem Wettbewerb abscheidest.

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#3

Monolog der Büglerin

in Diverse 01.10.2005 14:55
von Loki (gelöscht)
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salve Arni - vielen dank für deine inerpretation.

viele von deinen deutungen gefallen mir sehr gut, und einiges in diesem Gedicht erschließt sich mir selber erst durch sie, danke. einen genauen lebensinhalt für diese frau habe ich nicht im kopf gehabt. ich wollte andeutungen machen und diese verflechten.

nun hoffe ich jedoch, dass aus dem gedicht noch mehr rauszuholen ist. immerhin ist es ein text zu dem Bild selbst und nicht nur zu dem Inhalt dieses Bildes.

wäre interessant weitere Meinungen zu lesen.

Gruß, Loki

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#4

Monolog der Büglerin

in Diverse 01.10.2005 15:30
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
hallo Loki,

auch ich finde dein werk sehr gelungen, das du hier schlechte lebenserfahrungen mit knitter in der leinenkleidung vergleichst finde ich sehr interessant.. wie bist du darauf gekommen? beim bügeln?

Wiederum gut finde ich die wiederholungen und auch das es frei geschrieben ist, das sich da nichts reimt finde ich auch nicht störend... alles wunderbar, ich würde nichts verändern wollen...

eine weile werde ich wohl noch nachsinnen... das kann sich tagelang hinziehn

Sehr gern gelesen,
gruß nonverbal

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#5

Monolog der Büglerin

in Diverse 03.10.2005 22:01
von Loki (gelöscht)
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danke Nonverbal.

freut mich, dass es dir zusagt. wie ich auf die idee gekommen bin, weiß ich nicht mehr so genau. vieleicht über assoziationen. bügeln-gewand-tun-tat-leben. vieleicht auch nicht

die wiederholung war mir wichtig, da ich monotonie einer solchen beschäftigung noch verstärken wollte. schön, dass es dir gefällt. den freien rhythmus und die reimlosigkeit habe ich eher so gewählt, weil die bügelnde frau keinen Monolog in versen abhalten würde, zumindest meine nicht

ich freue mich über weitere gedanken von dir.

gruß, Loki

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#6

Monolog der Büglerin

in Diverse 06.10.2005 14:05
von KediosRache (gelöscht)
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Hallo

ich bügle glatt mein Leben
Tränenregen durchtränkten es
und es verdünnte sich


"und es verdünnte sich" gefällt mir hier nicht. Zum einen wegen des "Und", zum anderen, weil nur in dieser Strophe das Leben sich selbst verändert - denn es verdünnt sich ja selbst (was nur bedeuten kann, dass die "Tränenregen" ein (regulärer?) Teil des Lebens sind)
Tränenregen ist ein etwas verbrauchter Begriff, find ich. Und ein Tuch wird nicht dünner, weil Wasser drauf kommt, sondern weil etwas daran reibt - wäre nicht irgendwas in der Richtung passender?


ich bügle glatt mein Leben
die Jahre zerknitterten es Tag und Nacht
sie zerrten und rissen daran


Hier gehts ab, Action, zerkniTTertenn, zeRRten, riSSen.
Und hier wird am besten klar, warum gebügelt wird
(weswegen bügelt man sonst, wenn nicht, um was glatt zu bekommen?)


ich bügle glatt mein Leben
ich ging durch ölene Gassen
sie tupften Flecken darauf


Ölene Gassen? Also, sind das Straßen aus Öl oder Straßen im Öl?
Sonst müsstens ja ölige Gassen sein.


ich bügle glatt mein Leben
die Sonnenstrahlen bleichten es
als es am rostigen Nagel hing


Der rostige Nagel hat keinen Bezug zu den Sonnenstrahlen, insofern unterscheidet sich der Bau dieser Strophe von den vorgehenden.
Für diese Abweichung finde ich keinen Grund.


ich bügle glatt mein Leinengewand

Der Schluss. Wiederholung und Variation.

Ich finde die vielen Personalpronomen nicht gut, genauso das darauf und daran. Evtl. wärs interessant, da einen andernen Bezug einzubauen, der die Strophen nochmal miteinander verbindet, so dass alles noch mehr wie "aus einem Tuch" wirkt.

Nur eine Meinung.

Grüße, Tom

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#7

Monolog der Büglerin

in Diverse 07.10.2005 19:02
von Loki (gelöscht)
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danke Dir, KediosRache.

das "und" stört mich ebenfalls. wenn ich es jedoch weglasse, prallen die zwei "es" aneinander. ich werde schauen, ob ich das "glätten" kann .

ich möchte darauf hinweisen, dass ich den stoff nicht nur als metapher für das Leben der büglerin sehe, sondern auch als zeichen für die Leinwand des Bildes selbst. ich hoffe, ich konnte damit eine weitere ebene schaffen. das wort "verdünnte" bezieht sich auf das verdünnen der farben beim malen und malern.
wenn mir diese weitere ebene geglückt ist, so sollte sich auch die frage des "rostigen Nagels" erübrigen.

grüße, Loki

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