#1

Lateralus

in Liebe und Leidenschaft 17.06.2005 15:33
von Aenima (gelöscht)
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Lateralus
Für Jeanette Bevermann alias Nirthelu
- 4. Version -



Du wundersame Eleganz
Linderst sanft die Hauptsymptome
Meiner Geisteskarzinome
Du hilfst gegen jeden Malus
Eines Lebenslateralus
Doch zu sehr herrscht Diskrepanz
Zwischen Nähe und Distanz
In einer surrealen Zone
Die Depressionshypertonie
Und jede Seelenagonie:
Geheilt durch deine Therapie

Wo führen unsre Wege hin
Du holde Seelenstreichlerin?


© Benjamin Stadler

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#2

Lateralus

in Liebe und Leidenschaft 20.06.2005 14:24
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hallo Benne,

schon oft habe ich dieses Werk gelesen - schon oft hat es mir in dne Fingern gejuckt, etwas dazu zu schreiben. Heute will ich mal die noch verbleibende Zeit im INternet-Cafè dazu nutzen
Lateralus, ein etwas anderes Liebesgedicht. Es wird eine Eleganz angesprochen, die wohl eine geliebte Frau des lyr. Ich darstellt.

Ein Karzinom ist ein aggressives Krebsgeschwür. Also werden die Sympthome eine Geisteswucherung durch das lyr. Du gelindert. Ein Malus ist ein Punktenachteil oder ein Abstieg. Also hilft das lyr. Ich gegen jeden Fall des lyr. Ich, welches sich selbst als Lateralus bezeichnet. Lateral = Lat. zur Seite hin, seitlich. Also bezeichnet sich das lyr. Ich selber als jemand, der im Leben neben sich steht.
Doch belastend für die Beziehung des lyr. Ich ist der Gegensatz der Nähe (wohl auf die seelische Nähe bezogen) und der Distanz (--> Internetbeziehung) im Internet als surreale Zone.
Depressionshypertonie: Hypertonie = lat. Übersättigung, also eine übermäßige Depression im lyr. Ich. Ähnlich hält es sich mit der Seelenagonie.
All diese Probleme werden durch die Beziehung als Therapie der beiden geheilt. Das lyr. Ich fragt abschließend, wo die Wege der beiden nach diesen Hürden hinführen.

Noch kurz ein Kritikpunkt: Die Depressionshypertonie ist zwar alleine ein tolles Wort, aber ich finde sie für dieses Gedicht zu lang und sie springt zu sehr aus dem allgemeinen Betonungsrahmen. Dies ist mir schon öfters aufgefallen und das wollte ich hier nochmal zur Sprache bringen

Außerdem kann ein Nicht-Mediziner kaum wissen, was eine Hypertonie ist.

Soviel von mir, ich muss zum Zug

Liebe Grüße,
Littleshine

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#3

Lateralus

in Liebe und Leidenschaft 20.06.2005 18:11
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo MasterAdam,

das gefällt mir. Sprachlich ansprechend gestaltet lässt es inhaltlich genügend Raum zum Grübeln, mit ein bisschen Überlegung kann man Deinen Zeilen jedoch gut folgen...

Littleshines Überlegungen stimme ich überwiegend bei, auch wenn sie einige Deiner Fachtermini in einen leicht anderen Kontext setzt. Deshalb gehe ich Dein Gedicht auch noch mal vollständig durch, auch wenn ich damit teilweise die Ausführungen Littleshines wiederhole...


Zitat:

Du wundersame Eleganz
Linderst sanft die Hauptsymptome
Meiner Geisteskarzinome


Ein schöner Abschnitt, der schön die Mäßigung umschreibt, die das lyrische Du auf die Geisteswucherungen (die man sowohl als Spinnereien als auch als Charakterschwächen verstehen kann) des lyrischen Ichs ausübt.


Zitat:

Du hilfst gegen jeden Malus
Eines Lebenslateralus


Ich selbst nutze Malus oft i.S. von Fehler, bin mir jetzt aber gerade nicht sicher, ob das überhaupt richtig ist... Man könnte jedoch auch die lateinische Bedeutung "schlecht" zugrundelegen, also hier das Schlechte. Littleshines Interpretation des Lebenslateralus finde ich gelungen, würde es jedoch noch etwas variieren: in der topographischen Anatomie steht es für "seitlich" und für "von der Körpermitte abgewandt". Die Körpermitte selbst hat für mich so etwas ruhendes, sicheres. Ich verstehe daher den Lebenslateralus eher als Unzufriedenheit mit dem Leben - und gegen dieses Schlechte ist das lyrIch ebenfalls hilfreich.


Zitat:

Doch zu sehr herrscht Diskrepanz
Zwischen Nähe und Distanz
In einer surrealen Zone


Internetbeziehung ist eine gute Idee, aber so recht mundet mir dieser Teil nicht. Was sollte denn anderes herrschen zwischen diesen Gegensätzlickeiten Nähe und Distanz als Diskrepanz? Und wie sollte diese dann auch noch zu sehr herrschen? Irgendwie hakt das...


Zitat:

Die Depressionshypertonie
Und jede Seelenagonie:
Geheilt durch deine Therapie


Hypertonie ist im medizinischen Bereich, aus dem ja diverse Anleihen genommen werden, Bluthochdruck. Im Gegensatz zu Littleshine glaube ich nicht, dass das nur Mediziner wissen können... abgesehen davon, dass in diesem Gedicht Fremdwörter eines ganz anderen Kalibers benutzt werden. Wer bis hierher folgen konnte, kann das auch weiterhin. Und wer eh schon das Fremdwörterlexikon in der Hand hat... "Depressionbluthochdruck und Seelenqual" sind schon sehr hübsch, wobei die Depressionshypertonie fast schon Oxymoronqualität hat, heißt doch depressio "Niederdrücken".


Zitat:

Wo führen unsre Wege hin
Du holde Seelenstreichlerin?


Gerade mit dem bisherigen Vorlauf kommen die Schlusszeilen bezaubernd daher... und Seelenstreichlerin ist ein schönes Wort.

Noch ein Wort zur Form:
Du bleibst konsequent 4-hebig, das ist gut. Dennoch hakt der Vortrag Deiner Zeilen an den Stellen, an denen Du (wie es scheint zufällig) den Versfuß wechselst. Da rühren sicherlich auch Littleshines Bedenken bezüglich der Depressionshypertonie her. Die Zeile bleibt ja schließlich 4-hebig und ich zumindest finde das Wort Klasse...

Alles in allem gefällt mir diese pathologische Zustandsbeschreibung sehr gut. Da soll noch mal einer behaupten, dass Liebe krank macht!


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#4

Lateralus

in Liebe und Leidenschaft 22.06.2005 21:52
von Aenima (gelöscht)
avatar
Wunderschönen guten Abend zusammen,

ich bin immer wieder von neuem davon angetan, mit welcher Leidenschaft und Intensität sich die Tümpelanten mit den dargebotenen Werken auseinandersetzen: beispielhaft, beeindruckend - vielen Dank dafür vorab.
Dann muss ich doch mal schön der Reihe nach vorgehen:

Zu Littleshine:
Die Interpretation traf viele Punkte der Autorenintention ins Schwarze, sicherlich warst du durch deine Ausbildung mit Fachterminiwissen im Vorteil, doch es ging mir sicherlich nicht darum, mit all den Fachwörtern stumpfe Inhaltlosigkeit zu verschleiern Ich wollte Originalität beweisen, ein vergleichbares Werk habe ich zumindest noch nicht gefunden, ohne mich nun selbstbeweihräuchern zu wollen. Dass sich viele Worte dem Thema unsanft anschmiegen, steht außer Frage, aber ich finde das gleicht die Sprachrhythmik und nicht zu vergessen der abschließende Zweizeiler aus! Die "Depressionshypertonie" war im oxymoronischen (ist dieses Wort tolerabel? ^^) Sinne gemeint - lange Wörter sind schwierig in der Sprachrhythmik einzubringen, zugegeben. Allerdings kenne ich keinen anderen Begriff, der das gleiche auszudrücken vermag... naja, noch nicht, noch ist meine medizinische Ausbildung ja noch nicht zu Ende *lach*
Vielen Dank für die Mühe, die du dir im Internetcafé gemacht hast - immer wieder ein Vergnügen!

Zu Don Carvalho:
Dein Kommentar war überwältigend, nicht ob der Länge und der intensiven Auseinandersetzung mit sowohl inhaltlicher als auch formaler Präsentation, sondern weil es viele Aspekte zum Tragen brachte, die andere Leser, Analytiker, Kritiker bislang noch nicht erkannten haben.
So z.B.:


Zitat:

Ein schöner Abschnitt, der schön die Mäßigung umschreibt, die das lyrische Du auf die Geisteswucherungen (die man sowohl als Spinnereien als auch als Charakterschwächen verstehen kann) des lyrischen Ichs ausübt.



Sehr schön: Liebe über Internet - (siehe "surreale Zone") eine absolute Kontroverse. Wie kann so ein unpersönliches Medium solche tiefen Emotionen auslösen, wie sie das lyrische Ich beschreibt? Liebe wird oft als Geisteskrankheit beschrieben und wenn sie dann noch so entsteht... ist diese Theorie doch sehr realitätsnah.


Zitat:

Ich selbst nutze Malus oft i.S. von Fehler, bin mir jetzt aber gerade nicht sicher, ob das überhaupt richtig ist... Man könnte jedoch auch die lateinische Bedeutung "schlecht" zugrundelegen, also hier das Schlechte.



Bingo Teil 2: Hier kann man erneut den Bezug zur Internetliebe schließen oder auch die von dir oben beschrieben Charakterschwäche des Lyrischen Ichs, welche es durch die (angebliche) Zuneigung des Lyrischen Dus "geheilt" (siehe V11) sieht.


Zitat:

Internetbeziehung ist eine gute Idee, aber so recht mundet mir dieser Teil nicht. Was sollte denn anderes herrschen zwischen diesen Gegensätzlickeiten Nähe und Distanz als Diskrepanz? Und wie sollte diese dann auch noch zu sehr herrschen? Irgendwie hakt das...



Hmm, stimmt es harkt inhaltlich etwas... da habe ich mich wohl zu sehr vom Wunsch eines angenehmen Leseflusses treiben lassen. Kritik berechtigt, gelobe Besserung


Zitat:

(...)wobei die Depressionshypertonie fast schon Oxymoronqualität hat, heißt doch depressio "Niederdrücken".



Bingo Teil 3: siehe dazu auch den Beitrag, den ich Littleshine gegeben habe. Desweiteren soll der Gegensatz das Gefühlsbad des Lyrischen Ichs darstellen: einerseits Depressionen aufgrund Internetdistanz, andererseits Herzflattern und Bluthochdruck aufgrund von stiller Hoffnung und "inniger Liebe".


Zitat:

Alles in allem gefällt mir diese pathologische Zustandsbeschreibung sehr gut. Da soll noch mal einer behaupten, dass Liebe krank macht!



Schöner Satz zu "Lateralus", werde ich mir notieren. Auch dir vielen herzlichen Dank!

Bis auf weitere Gestaden... und
Liebe Grüße,
Benne|Aenima

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#5

Lateralus

in Liebe und Leidenschaft 23.06.2005 12:34
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Ich wollte übrigens noch anmerken, dass mich die Widmung irgendwie an Jeanette Biedermann erinnert (mein Beileid hierfür, Jeanette ) und habe daraufhin ein bisschen "Netzforschung" betrieben... nun erklärt sich sogar die Herkunft der Seelenstreichlerin.


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