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Blumenmann

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 04.12.2008 10:28
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Der Blumenmann



Es war nicht November, aber es war auch kein Sommer, als sie von ihm Abschied nahm. Es war nicht warm, nicht kalt, noch trocken oder feucht, der Tag fühlte sich nach nichts an: geschmacksneutral. Sie konnte nicht umhin zu registrieren, dass alle anderen diesen Tag so lebten wie alle Tage: gewöhnlich. Dass um die Ecke einer in die Grube fuhr? Wen sollte das bekümmern? Das Aufhebens wäre nur dann von Belang gewesen, wenn es sein Herz mitten am Tage auf der Straße und nicht mitten in der Nacht auf dem Weg zur Toilette zerrissen hätte.
Nun war er fort. Nein, nicht fort gegangen sondern in eine Holzkiste gesteckt und vergraben und verbuddelt worden. Sie fühlte sich wie eine Verräterin und ahnte schon, als sie die letzte Hand am Grab geschüttelt hatte, dass sie nicht willens war, aufzuarbeiten oder Trauerarbeit zu leisten. Sie hatte in ihrem Leben gelernt, dass es vorrangig darauf ankam zu funktionieren. Die inneren Dämonen? Gingen keinen was an.

Nun waren nach seinem Tod die Monate ins Land gegangen und sie hatte ihre Pflicht erfüllt und sehr gut funktioniert. Sie sah nicht, dass sie verhärmter wirkte als zuvor und wenn sie jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, dann hätte sie wohl auch nur den Kopf geschüttelt, weil sie so eine dusslige Feststellung für nicht der Rede wert gehalten hätte. Wie, so hätte sie gedacht, sollte es auch anders sein, wenn einem der Mann, Freund, Partner und Geliebter aus Jahrzehnten einfach so wegstirbt? Aber es machte sie auch keiner aufmerksam, so dass sie sich hätte rechtfertigen müssen. „Hauptsache, du gibst nicht nach und lässt dich nicht gehen; Hauptsache du gießt die Blumen, machst die Wäsche, wechselst Gardinen, putzt den Flur und pflegst dich anständig“, dass war ihr Mantra, wenn es zu still in den Zimmern ihrer Wohnung geworden war und die Dinge nur das waren was sie sind: stumm.


I.

An einem Nachmittag, mitten in der Woche, klingelte es plötzlich an ihrer Tür. Sie war irritiert und gestört zugleich, denn das Klingeln platzte herein in ihre blaue Stunde, die sie sich schon immer gönnte. Damals noch mit Vogel und Katze. Es war ihre Mittagspause, die sie zu einer stillen Einkehr überhöht hatte. Damals hatte sie sogar noch geraucht, aber ganz diszipliniert, nur drei, vier Zigaretten am Tag und sehr gepflegt, dazu genehmigte sie sich einen Fingerbreit guten Scotch und lächelte über die, die ihre Figur und ihren Verstand mit süßlichem Zeug vergeudeten und vermanschten und freute sich lieber über guten Geschmack und die Anhänglichkeit ihres Vogels.
Die Katze hatte er angeschafft, der Vogel, ein Nymphensittich, war schon immer ihrer gewesen. Die Katze lag abends auf seinem Schoss und schnurrte, und ihr Ari saß auf ihrer Schulter und gab ihr Köpfchen.
Ihr Mann hatte vor seinem Tod viel und lang in der Filterfabrik gearbeitet, war wortkarg vom Wesen aber immer zuverlässig und tüchtig. Diese Tugenden schätzte sie an ihm. Phantasie aber ging ihm dafür ab. Katze hieß Katze bei ihm und auch alle anderen Dinge, Gegenstände, Menschen und sein Weib – oder auch mal fast zärtlich sein Mädchen - pflegte er in den allgemeinen oder oberflächlichen Namen zu benennen oder zu rufen. Nur manchmal, wenn Katze um ihn herumscharwenzelte, wenn er sich seinen „Stinkerkäse“, wie sie ihn despektierlich nannte, zubereitete und auf Brot mit Zwiebel, Salz, Pfeffer und Paprika genoss und nebenher einen Finger in ein Schälchen Kräuterquark tunkte (“der Gaumen muss geschmiert sein, Weib“) und ihn ableckte oder ihn von Katze unter beiderseitigen gutturalen Geräuschen ablecken ließ, da konnte es bisweilen geschehen, dass er Katze lächelnd Schnurri nannte.


Vogel, Scotch und Zigarette fehlten schon seit langem an ihren blauen Mittagen, als die Klingel sie aus ihrer Einkehr brachte. Sie fand das Geräusch der Klingel immer schon hässlich, aufdringlich und ohne Takt. Langsam erhob sie sich aus ihrem Sessel, rieb sich die Augen und während erneut der Summer noch zweimal gequält ertönte, war sie zum Plattenspieler gegangen, hatte den Tonarm gelupft und unterbrach das wunderbare Orgelkonzert von Helmut Walcha. Auf den Geschmack von Whiskey oder Tabak konnte sie in ihrer blauen Stunde verzichten, aber niemals auf gute Musik. Unerträglich fand sie das Bild eines Plattentellers, der unter der nahen, aber doch entfernten Nadel kreist, die Einsamkeit und Stille in Musik verwandeln kann. Aber nut wenn es einer höheren Macht gefällt. Ansonsten kreist der Teller um seine Mitte und hört nur sich selbst. .

Friederike Helm lugte durch den Spion und sah vor ihrer Tür niemanden mehr; was ihre Zornwütigkeit steigerte, aber bevor sie unter extremer Contenance und ohne Hast den Sichtverschluss wieder vor den Spion geschoben hatte, gewahrte sie vor der gegenüberliegenden Wohnungstür einen breiten Rücken gewandet in ein buntes, regenbogenfarbenes Hemd, dass über den Bund herüberschlabberte. Der Herr stand leicht vornüber gebeugt und schien Mühe zu haben, seine Tür, so es denn seine war, zu öffnen.

Dieser feiste, junge Kerl mit seinem kurzen, borstigen Haar war wohl ihr neuer Nachbar und seine Kleidung verriet Friederike, dass er keinen nennenswerten Geschmack oder Verstand haben konnte. Ausgerechnet so ein Knilch war der Nachmieter des vor Jahresfrist pleite gegangenen Bibliothekars mit seinem Antiquariat im Erdgeschoss. Sie hatte schon bemerkt gehabt, dass die alte Eingangstür zum Antiquariat, durch die sie eine handvoll mal gegangen war, seit dem sie hier eingezogen waren, seit längerem schon zugeklebt und dichtgemacht worden war und gemunkelt wurde, dass ein Blumenladen bald seine Pforten dort eröffnen würde.

Nicht mal einen Tag, einen Einkauf beim Reichelt oder beim Edeka, hatte es gebraucht, um ein mit Büchern und Regalen voll gestopftes Ladenlokal abzuräumen, leer zu machen und zum Verkauf anzubieten, hatte Friederike noch gedacht, als sie mit ihrem prall gefüllten Einkaufsnetz an ihrer Haustür stand und den Schlüssel suchte und dabei gewahrte, dass es keinen Bücherladen und keinen stillen Nachbarn mehr gab. Wann hatte sie den Antiquar, ihren Etagennachbarn, das letzte mal gesehen, wann seinen Laden betreten und nicht nur vor dem Schaufenster schmunzelnd seine unbeholfenen Werbungsversuche verfolgt? Sie wusste es nicht.


Nun haderte sie ob sie ihre Wohnungstür öffnen sollte und war eigentlich schon abgeneigt das Gesicht zum Hintern, der sich in der dunkelblauen, an den Nähten arg gespannten Jeans ihrem Blick durch den Spion entgegenreckte, sehen zu wollen, aber dann entschied sie sich doch dafür, die Augen dieses Kerls kennen lernen zu wollen, der es gewagt hatte, sie in ihrer Mittagsruhe zu stören.

Sie hätte es sich selbst nicht zugestanden, dass sie zur Theatralik und zum Auftritt neigte, aber sie hatte definitiv Spaß daran, als sie ihre Türkette beiseite schob und mit größtmöglichen Schwung die Tür aufmachte und mit einem Timbre aus allen je genossenen Scotchs und Zigaretten ein souveränes „Junger Mann? Haben Sie mich aus meiner Mittagsruhe gerissen?“ herauszuhauen.

Der wackelpuddingartige Körper des Fremden zuckte konvulsivisch zusammen, dehnte sich, spannte sich in grotesk kurzen Spannen und vor Schreck flutschte ihm der Schlüssel aus seinen dicklichen Fingern und schepperte viel zu laut auf die Fließen des Treppenhaus.
Seine Verrenkungen, sein sich deutlich in den Achselhöhlen abzeichnender Schweiß und seine hervorquellenden Augen bereiteten ihr Vergnügen und seufzend wie kopfschüttelnd ergänzte sie noch: „Für diesen Lärm habe ich mein schönes Konzert unterbrochen.“

Nachdem sich ihr neuer Nachbar, der in ihren Augen ein „Kalb Moses“ war, sich und seinen Schlüssel wieder unter Kontrolle gebracht hatte, stand dieser dicke, unbeholfene Junge vor ihr und strahlte aus kleinen aber klaren Augen und sprach sie ohne Scheu oder Distanz an.

„Was soll ich sagen Frau Helm?“, begann er, machte eine Pause, nur um dann „Männer!“ zu gurgeln und dabei seine Augen zu verdrehen.
Friederike Helm sah ihn irritiert an und fragte sich wovon er sprach.
„Männer“, wiederholte er, als hätte er schon ihre Zustimmung, „kommen im unpassenden Moment und können es nicht erwarten, ihren Hintern wieder aus der Schusslinie zu nehmen.“

Wieder machte er eine Pause, suchte Augenkontakt und erwartete vielleicht einen Lacher, aber Friederike war, obwohl sie der Knabe einen kurzen Moment lang positiv anrührte, sprachlos. Als beide den Moment verpasst hatten, eine Gesprächspause nicht peinlich werden zu lassen, plapperte ihr Gegenüber los.

„Es tut mir leid, Frau Helm“ begann er und haspelte sich ab, „wenn ich so aufdringlich geklingelt habe, aber ich dachte mir, dass es gut ist, dass es richtig ist, wenn ich mich vorstelle. Wer macht das noch? Wenn ich mir überlege was nicht passieren würde, wenn wir, wie Menschen das doch tun sollten, einfach – einfach so und gradheraus – aufeinander zugingen und sich die Hand gäben und sich einander vorstellten und“
„Ja, dann machen Sie es doch!“, unterbrach ihn Friederike jäh, weil die Plapperei ihres Nachbarn, ihr zunehmend auf die Nerven ging. Die kleinen Augen ihres Gegenübers wurden groß und kalbsartig.
„Was denn?“, echote er tonlos.
„Sich vorstellen.“, entgegnete sie kalt, streckte dabei ihre Hand zur Begrüßung aus und ergänzte „Friederike Helm, und mit wem habe ich das Vergnügen?“

Sein teigiges Gesicht wurde blass, dann rot.
„Briegel“ antwortete er wie ferngesteuert.
„Angenehm, Helm. Und weiter?“, half sie mit maliziösem Vergnügen aus, während sie seine Hand ergriff, die sie instinktiv für eine Flosse hielt.
„Oh? Entschuldigung : Piet.“, ergänzte er tranig wie eilfertig.
„Fein, Briegel Piet, es hat mich gefreut, Sie kennen lernen zu dürfen. Auf gute Nachbarschaft und auf Wiedersehen.“
Und mit einem ordentlichen „Rrrumms“ ließ Friederike die Tür wieder ins Schloss fallen.

Piet Briegel stand noch wie bestellt und nicht abgeholt geraume Zeit geistesabwesend vor ihrer Tür. Natürlich genoss es Friederike, dass belämmerte Gesicht ihres Nachbarn aus der Perspektive ihres Türspions, noch ein Weilchen beobachten zu können, bis ein Schütteln durch Piets schweren Körper ging und seine Augen wieder Glanz und Fokus erhielten. Piet Briegel war aus seiner Verdatterung erwacht, kratzte sich kurz am Kopf und ging dann endlich seiner Wege.


II.

„Briegel’s Blumenlyrik – Gestecke, Blumen und gebundene Worte.“, las Friederike eines Vormittages auf einem Werbeprospektchen und war sowohl verärgert als auch ein wenig resigniert. Obwohl sie auf ihrem Briefkasten einen Aufkleber angebracht hatte, der in unmissverständlichen Worten den Zustellern mitteilte „Keine Werbung!“, schien der Zusteller dieser Sendung, des Lesens nicht mächtig gewesen zu sein. Wunderte das Friederike? Nein. Denn schon das apostrophierte ‚s’ in Briegels hatte sie erschauern lassen. „Schreiben kann er also auch nicht“, murmelte sie und wunderte sich warum ein solcher Analphabet in seinem im Erdgeschoss neu eröffneten Laden nicht nur Blumen sondern auch Gedichte an den Mann bringen will? Aber das die Welt seltsam ist, das war für Friederike wahrlich nichts Neues und es war auch seltsam, dass sie trotz dieser aufdringlich bunten Werbung schnurstracks in Briegels Laden ging, um Blumen zu kaufen; sofern er denn ein paar Anständige zu einem guten Preis im Sortiment haben sollte. Aber so seltsam war es auch wiederum nicht, denn Friederike wollte zum Grab ihres Mannes, sie war in Eile und es fehlten noch Blumen. So ergab es sich, dass sie den Laden von Briegel betrat, ein wenig verweilte und überrascht, gut gelaunt, schönen Blumen und einer besonderen Karte im Gepäck, bald darauf den Laden wieder verließ.


Als sie im Bus zum Friedhof saß, dachte sie unentwegt an diesen völlig veränderten Mann. Er kannte sich sehr gut mit Blumen aus und seine Gebinde waren akkurat und einfach top. Von seiner Unbeholfenheit, über die sie sich bei ihrer ersten Begegnung im Treppenhaus noch lustig gemacht hatte, war ebenso wenig zu merken wie von seinen dicklichen Fingern und seinem schwabbeligen Leib. Im Korsett seiner grünen Schürze beherrschte er seinen Körper wie ein Instrument und wirkte souverän. Aber am allererstaunlichsten waren seine Worte, seine Gedichte. In den besten Gestecken steckten Karten auf denen in schöner Kaligraphie ausgezeichnete Sonette standen. Die Blumen und die Worte bildeten eine wundervolle Einheit und bei einem musste sich Friederike verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischen. Famos, ganz famos, hatte sie ein- ums andere mal in ihre Hand genuschelt und hätte sie sich umgedreht, dann hätte sie gesehen, dass Briegel sie dabei beobachtete und ein verschmitztes Lächeln sich nicht verkneifen konnte.

Dass er sie nach Strich und Faden und bester Schule um den kleinen Finger gewickelt hatte, dass er eine neue Stammkundin gewonnen hatte, als er ihr Gesteck und Gedicht nicht umsonst hergab, denn sie sei eine Frau, die von einem Fremden und obendrein einem Händler nichts umsonst haben will, aber nach der Unannehmlichkeit, die er ihr so tölpelhaft bereitet hatte, könne sie es ihm nicht abschlagen, dass er sie zu Lilien und Versen einlade dürfe, dass er sie spätestens da im Sack hatte, hätte Frau Helm weit von sich gewiesen. Sie hatte sich in dem Mann einfach getäuscht, na und? Ihr neuer Nachbar hatte einfach Klasse. Basta.



Babylon, du hast drei Wunder verloren,
die steinernen Zeugnisse weltlicher Macht:
den Turmbau, die Mauer, doch wirkliche Pracht
wird einzig und ewig aus Eden geboren.

Denn Pflanzen und Blumen hat Gott auserkoren,
dass Liebe im Menschen erst keimend erwacht,
dann wächst und gedeihet und schließlich entfacht
die Blüte der Leidenschaft, unausgegoren.

Ob himmelbunt heischend, ob bauschend, girlanden,
hie kindlich und sanft, hüben sinnliche Härten
so trotzte das Täubchen dem Tod und es fanden

und brachten des Nebukadnezars Gefährten
Semiramis Samen aus all jenen Landen
und Huld wuchs aus Hades in Hängenden Gärten.

B.



III.

Friederike pflegte Kurts Grab sorgsam. Niemand hätte ihr sowohl in Anzahl ihrer Grabbesuche, der Verweildauer und der Auswahl der Blumen einen Vorwurf machen können. Nein, sie war sich sicher, dass alles pikobello war. Aber als sie mit der Gedichtkarte an seinem Grab stand, zögerte sie, das Sonett in den Kranz zurückzustecken. Viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf, ob sich Kurt je etwas aus Worten gemacht hat? Kurt und Worte? Kurt hatte in der Filterfabrik gearbeitet und Maschinen betreut, die vollautomatisch Kaffeefilter produzierten. Nein, Worte hatte Kurt nie viele gemacht. Zärtlich konnte er zwar sein, aber seine Zärtlichkeit war spärlich und ungerecht verteilt. Piet hatte, in Piets Worten gesprochen, Friederike eingeladen und nicht Kurt. Es war ihr Sonett, so wie es ihr Ari war und Katze eben zu Kurt gehörte. Ein leichter Schauder ging ihr über den durchgedrückten Rücken, als sie an Katze dachte und wie sie sich von Katze verabschiedet hatte.



Das Tier hatte panische Angst. Die Schwärze der Pupillen füllten die Augen komplett aus. Das Vieh schrie zum Gott erbarm. Aber vor Katze saß nicht Gott sondern Friederike. Die Welt war seltsam. Zur Zeiten der Kinderlandverschickung war Friederike als junges Mädchen auf einem Hühnerhof gelandet und hatte viel gelernt.
Aber die kopflosen Hühner, die wie bescheuert über den Hof rannten, waren nicht das Seltsamste was die kleine Friederike gesehen oder erlebt hatte. Vielleicht waren es die steifgefrorenen Piloten, die in schneebedeckten Äckern steckten oder die Stunden im Kartoffelkeller, eingezwängt zwischen dem Bangen der Lebenden und dem Erbeben der Erde, die unter ihren Füßen, so fest Friederike sie auch in den Boden stemmte, weggezogen werden drohte. Sie überlebte die Bombennacht. Doch als sie danach, als sich der Rauch zu legen begann, wieder ins Elternhaus wollte, musste Friederike lernen, dass es das Haus, ihr Zimmer, ihre Erinnerungen nicht mehr gab. Es gab nichts mehr, außer den paar Habseligkeiten, die ihr Vater noch geborgen hatte. Aber diese Dinge waren herausgerissen worden aus ihrer gewohnten Umgebung und intimen Vertrautheit. Sie verstummten, obwohl sie gerettet worden waren, für immer. Kurz nach der Zerstörung des Elternhauses saß Friederike im Zug zum Hühnerbauern, dessen Familie als ihre Pflegefamilie vorgesehen war.
Diese Erfahrungen, ließen Friederike früh lernen, dass es mächtigere, unbekannte Kräfte gab, die darüber entschieden ob sie leben oder sterben würde.

Als Stunden später die Katze im Schuppen ausgeblutet war, stand Friederike auf und verscharrte das Tier. Sie hatte die Katze verbluten lassen, nicht weil sie sich Befriedigung verschaffen wollte, was sie pervers gefunden hätte, sondern um den Mord an Ari zu sühnen.

Ari und Katze waren lange beisammen gewesen. Ari war schon da, als Kurt Katze anschleppte. Nie hatten sie sich gesorgt, ob die Katze Ari angreifen würde, denn Ari wusste sich zu wehren, wenn die Katze zu aufdringlich wurde. Aber dann, als Friederike und Kurt an einem ihrer runden Jubiläen sich gegönnt hatten, länger auszubleiben und zu schwofen, was sowieso selten genug vorkam, obwohl Kurt ein guter Tänzer war, und Friederike beschwor – und Kurt es später bezweifelte – das Bäuerchen von Ari geschlossen zu haben, fanden sie, als sie lachend und gutgelaunt wie lange nicht mehr, die Wohnungstür aufgeschlossen hatten, den einstmals schönen, weißen Nymphensittich Ari mit blutverschmierten Flügeln und verdrehtem Kopf im Flur und Katze kam, so als sei nichts geschehen, mit hocherhobenem Schwanz auf Kurt zu, scharwenzelte um seine Beine und schnurrte, dass es nur so eine Art hatte.

Kurt und Friederike waren alt genug, hatten beide Schlimmeres gesehen, als tote Tiere und Kurt hatte sich in diesem Moment ganz tadellos verhalten. Wenigstens konnten wir erwachsen werden, pflegte Kurt nicht selten, wenn es Rück- und Schicksalsschläge gegeben hatte, zu sagen. Wenigstens konnten wir erwachsen werden, um das alles durchzustehen.

Friederike konnte es nicht nur durchstehen sondern auch warten. Solange, bis Kurt – was selten genug vorkam – zu einer Schulung des Kaffeefiltermaschinenherstellers für eine Woche in ein Nest irgendwo am Neckar musste. Es war vielleicht ein Jahr nach Aris Tod vergangen und am dritten Tage von Kurts Abwesenheit, rief Friederike im Schulungszentrum an und musste Kurt berichten, dass seine Katze seit seiner Abfahrt verschwunden sei und sie befürchte, weil sie doch so anhänglich, dass sie ihm hinterhergelaufen sei und sie sich Vorwürfe mache, nicht besser aufgepasst zu haben.

„Weib“, wollte er Friederike zu harsch beruhigen, machte dann aber eine Pause und sagte zärtlich: „Mädchen, Friede, wenn Katze weg ist, dann wollte sie es so. Bleib ruhig. Wir sind erwachsen. Was immer passiert, wir stehen es durch und jetzt stell Deine Füße wieder auf den Boden. Und? Spürst Du den Boden?“, und ohne abzuwarten, ob seine Frau ihre Füße auf den Boden stellt oder selbigen fühlt, schloss er zufrieden: „Na, siehst Du. Wie sage ich immer: solange wir, nicht den Boden verlieren, kann uns nichts passieren. Wirst sehen: Katze kommt irgendwann wieder.“

Als sie aufgelegt hatte, dachte Friederike: „Das ist mein Kurt. Tadel- aber Phantasielos.“ Ihre Schuldgefühle, dass sie unter anderem mit Rattengift die Katze verrecken ließ, hatten sich nach dem Gespräch mit Kurt minimiert, denn Kurts Verhältnis zur Katze war erwachsen.


Hätte Kurt Lyrik das Prädikat Erwachsen oder das Prädikat Kinderkram verpasst?, fragte sich Friederike. Würde er sich nicht sogar vergackeiert vorkommen, wenn eine „Biene mit Stich“ – wie er Frauen im Allgemeinen gerne nannte, weil er die meisten – bis auf Friederike – für generell unsortiert oder geradezu verquer gehalten hat? „Worte bedeuten Dir doch nichts, Kurt“, flüsterte sie und verstand nicht, warum sie innerlich so aufgewühlt war; ihr Herz am Grab bis zum Hals klopfte und sie das Zittern ihres Körper nicht beherrschen konnte? Die Strophen des Sonetts schmückten am Ende des Tages nicht Kurts Grab.


IV.

Nun waren nach Kurts Tod mehr als Monate ins Land gegangen und sie hatte nicht nur ihre Pflicht erfüllt und funktioniert, nein, sie hatte einen Verbündeten gefunden, für den Ästhetik, Schönheit und Kunst nicht nur Worthülsen sondern Elixiere des Lebens und der Vernunft waren.
Sie merkte nicht, dass sie frischer und lebendiger wirkte, als je zuvor und wenn sie jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, dann hätte sie wohl nur den Kopf geschüttelt, weil sie so eine dusslige Feststellung für nicht der Rede wert gehalten hätte.

Gerne verbrachte sie ihre Tage im Wechsel zwischen Blumenladen, Grab und Café Metropol, dass unter neuer Bewirtschaftung kurz nach Briegels Blumenparadies genau gegenüber eröffnet hatte und tiptop Marmor-, Zitronen und Blaubeerkuchen im Programm hatte. Der Kaffee, war eine Wucht, wie Friederike oft mit Schmackes sagte und die ihre blaue Stunde jetzt öfters im Café, nebst einem Sonett und Irish Coffee und zwischen Nippen, Quartetten, Terzetten und den neuesten Blumenarrangements im Schaufenster gegenüber, genussvoll verbrachte.


An einem Sonntag, als Friederike mit sich haderte, ob sie Kurts Grab besuchen oder sich einen gemütlichen Vormittag bereiten sollte und dergestalt unentschlossen nichts richtig begonnen, geschweige denn zu Ende gebracht hatte, passierte es, dass sie noch gegen Mittag im Schlafanzug in der Küche saß und mit einem male Hunger bekam. Zum Bäcker wollte und konnte sie nicht in ihrem Aufzug. Deshalb war sie froh, dass sie noch Brötchen im Froster fand. Sonntagsbrötchen, die sie sich sonst regelmäßig frisch geholt hatte. Heute wollte sie darauf verzichten und sich das Übrig gebliebene von letzter Woche in ihrem Toast und Grill Apparat, den Kurt vor langer Zeit mal angeschafft hatte und den sie bis dato noch nicht einmal benutzt hatte, aufbacken.

Friederike legte das Brötchen auf den Grillaufsatz, schob den Schieber nach unten und erschrak fürchterlich.
„Küss mich“ schepperte es blechern aus dem Toaster, als sie den Schieberegler gerade über die Mitte gedrückt hatte.
Entsetzt riss Friederike ihre Hand hoch, der Schieber schnalzte zurück und der Toaster war wieder stumm. Friederike atmete tief durch, sah an sich herunter und vergegenwärtigte sich ihr Mantra: Lass Dich nicht gehen, bleib stark und pflege dich! Friederike ging duschen.

Nach einer guten halben Stunde, stand sie wieder in der Küche und schmunzelte über sich selbst. „Da hast Du Dich schön ins Bockshorn jagen lassen“, dachte Sie und wiederholte lachend, während sie den Küchentisch für ein ordentliches Frühstück eindeckte, die Liebesbotschaft ihres Toasters: „Küss mich.“ Sie betonte es übertrieben tief und rauchig und amüsierte sich prächtig, behielt den Aufbackautomaten aber stets, wenn auch verstohlen, im Blick. Der Tisch war bald gedeckt, der Kaffee durch und eingeschenkt - es fehlte nur das Brötchen.

„So, du Blechtrottel, wag es noch mal mein Don Juan de Toast zu sein.“ dachte sie, während sie den Hebel zitternd, aber dennoch kräftig herunterdrückte.
Der Hebel rastete ein und die Heizspiralen begannen unmittelbar darauf zu glühen.
„Na, siehste. Geht doch.“, murmelte Friederike, setzte sich auf ihren Küchenstuhl und schlürfte mit Genuss ihren Kaffee.

Zehn Minuten werden lang, wenn man still auf sein Brötchen warten muss. Nach dem Erlebnis von vorhin, hörte Friederike das Knacken jeden Krümels und schrak jedes Mal zusammen, wenn ein Geräusch aus Richtung des Toasters kam. Trotz oder wegen ihrer Schreckhaftigkeit, ärgerte sie sich über ihre Feigheit, den Automaten nicht gleich nach der Dusche, wieder in Betrieb genommen zu haben, denn dann hätte sie das Brötchen schon auf dem Teller und würde jetzt nicht das Gras wachsen hören. Sie war dem Problem ausgewichen und das war kindisch gewesen.

„Wie hältst Du das eigentlich aus?“
„Gar nicht.“ antwortete Friederike spontan, hielt aber sofort inne und stellte ganz langsam wieder ihre Kaffeetasse ab. Sie hatte Mühe, Luft zu bekommen und starrte mit großen Augen zum Toaster. Es war zweifellos der Toaster gewesen, der sie gefragt hatte, wie sie es aushalten würde. Aber das, sie war erwachsen, konnte beim besten Willen nicht sein.
„Wie meinst Du Das?“, hakte der Brotgrill ungeniert nach.
„Ich bin verrückt geworden.“, flüsterte Friederike. Ihr Herz pochte wie verrückt und sie ließ den Toaster keinen Augenblick aus den Augen.
„Alte Schachteln mit aufdringlichem Parfüm, blauen Haaren, rot geschminkten Lippen, Leguanhälsen und faltigen Fingerchen und angepinselten Fingernägeln? Wie meine ich das wohl?“, insistierte der Apparat und Friederike wiederholte spontan den letzten Satz in Gedanken und es entging ihr nicht, dass der Automat immer anders klang, mal männlich wie anfangs, als er einen Kuss haben wollte, mal weiblich, als er wissen wollte, wie sie es aushalte.
Friederike kniff ihre Augen zusammen. Es musste eine Erklärung für diesen Unfug geben. Es muss ein Schabernack sein, dachte sie und fand diesen Gedanken weitaus beruhigender, weil er nicht danach klang, eine verrückte, alte Schachtel zu sein.
„Ich halte gar nichts aus. Die Omas bringen Umsatz - das ist alles. Na gut: sie bringen sehr viel Geld.“, sagte das Haushaltsgerät im Tonfall des Mannes und Friederike meinte, trotz der schlechten Qualität, die Stimme erkannt zu haben, was ihre Laune nicht verbesserte. Die Feder schnalzte zurück, die Brötchen waren unten angebrannt und die Übertragung war beendet.

Friederike erhob sich, öffnete eine Schublade, nahm Stift und Zettel heraus, setzte sich wieder an den Küchentisch und schrieb sorgfältig alles auf, was die Brotröstungsmaschine ihr gesagt hatte. An Frühstück war ihr nicht mehr gelegen.
Als sie alles zu Papier gebracht hatte, nahm sie sich den Toaster und seine Erzeugnisse wieder vor. Nach einem kurzen Befühlen der Konsistenz, einer Überprüfung des Geruches, schmiss sie die Brötchen in den Abfall. Essen würde sie das angebrannte Zeug im Leben nicht. Unschlüssig stand sie in der Küche. Kein Zweifel, sie hatte Piet Briegel gehört. Ihren hauseigenen Poeten. Und nicht nur das, sie hatte mitbekommen Piet war nicht Piet sondern ein Betrüger. Er tat nur so als ob. „Funktioniert das Ding auch ohne Brötchen?“, dachte Friederike kurz und bevor sie für und wider abgewogen hatte, drückte sie mit einem innerlichen „Was soll’ s?“ den Schieber wieder nach unten.

Statt einem Dialog hörte die alte Dame nur Fetzen, Rückkopplungen und Knarzen. Alle Geräusch taten fürchterlich in ihren Ohren weh und so zog sie kurzerhand den Stecker und die Geräusche brachen ab.
Wieder trat die alt gewohnte Stille ein, in dem nur ihr inneres Geräusche produzierte, so als sei sie in einem Raumanzug und durchquerte ohne Nabelschnur das Weltall.

„Vielleicht ist es wie beim Fernseher“, dachte Friederike, „und ich muss nur die Antenne, den Toaster etwas verrücken um einen besseren Ton zu erhalten?“
Misstrauisch wie sie war, schob sie vorsichtig ein Papier unter den Automaten, fixierte es und umrahmte das Gerät, um die Position, die zumindest einmal Empfang geboten hatte, nicht zu verlieren.

Die Stunden verflogen nur so an diesem Sonntag und Friederike stellte um, markierte, probierte, wartete und notierte das Ergebnis. Alle Versuche schlugen fehl und gegen Abend, erinnerte sie sich, dass sie dringend trinken müsse und ärgerte sich, dass ihr nicht früher eingefallen war, dass es Sonntag und der Herr Poet vielleicht längst schon seinen Laden verlassen hatte. Als sie ihre Küchenplatte ansah, die übersäht war mit Markierungen und an die vielen Notizen dachte, war Friederike fürs Erste bedient. „Dieser elende Knilch“, zischte Friederike, löschte das Licht und ging zu Bett. Es war ein Rückzug keine Kapitulation.


V.

Obwohl sie am nächsten Morgen vor Neugier brannte, zwang Friederike sich, zuvorderst die wichtigen Dinge zu erledigen. Eine ordentliche Morgentoilette, ein gutes Frühstück mit einem schönen Kaffee und ein anschließender Besuch bei Kurt – zwar ohne Blumen geschweige denn Versen – aber sie und Kurt waren beide erwachsen.

Erst am frühen Nachmittag dieses Montags, begann Friederike damit die Versuchsreihen vom Sonntag zu wiederholen. Sie blieb ruhig, selbst wenn sie Kontakt zur Stimme des Schamlosen bekam. Sie notierte die Qualität, stoppte die Zeit des Empfangs bis zum Abbruch und die Dauer bis sie wieder erneut auf der Position Kontakt bekam. Sie arbeitete systematisch alle Positionen ab und wiederholte diese Experimente am Dienstag, am Mittwoch und bis zum Ende der Woche und nächsten Woche. Natürlich immer erst dann, wenn sie ihr Pflichtenheft: Blumen gießen, Wäsche machen, Gardinen wechseln, viel trinken, Kurt besuchen, Flur putzen und sich selbst pflegen, erfüllt hatte.

Am Ende der diversen Versuche hatte Friederike die perfekte Position. Das Elektrokabel der Brotröstungsmaschine war begrenzt und in diesem Radius, gab es eine Position, die sechs Minuten, zweiunddreißig Sekunden gute Qualität bot und nur, vier Minuten, zwölf Sekunden brauchte, um wieder hundertsiebzehn Sekunden lauschen zu dürfen. Das Hauptproblem, schloss Friederike, war die Temperatur. Außen-, Innentemperatur und eigentlich auch die Temperatur im Blumenladen. Aber die zu messen und zu verifizieren war ihr zu aufwendig und erschien ihr auch unmöglich.

Natürlich hatte Friederike alles notiert, wenn sie zufällig „On Air“ war und Briegel und seinen Freunden bis zum Verbindungsabbruch lauschen durfte. In einem eigens dafür vorbereiteten Heft – PB Mitschnitte (bereinigt) – hatte Friederike die mitgehörten Dialogfetzen eingetragen, die nicht als belangloses Verkaufsgespräch für dumme Hühnchen erkennbar waren, sondern im Gegenteil von Briegels verderbtem Charakter zeugten.

„Das Schlimmste ist die Verstellung.“, seufzte Friederike an einem Mittwoch, als sie Blumen an Kurts Grab legte und fügte schuldbewusst hinzu: „Ach Kurt, ich weiß ja, ich bin eine Biene mit Stich . Ganz genau wie Du es immer gesagt hast.“ Friederike sammelte sich und wischte sich wie beiläufig eine Träne aus dem Augenwinkel und sprach weiter, so als ob Kurt sie hören könnte: „Aber Bienen haben nicht nur einen Stich, sie haben auch einen Stachel.“ Und plötzlich lächelte Friederike, denn sie dachte an den Kaktus Song der Comedian Harmonists. Aber so leicht, würde sie es Piet nicht machen.

Zu vieles hatte sich in ihrem Heft, der Mitschnitte angesammelt und zuviel Überwindung hatte es Friederike in den letzten Monaten gekostet, spätestens nach zwei, drei Wochen, bei Briegel Blumen zu kaufen. Irgendwann musste damit Schluss sein. Friederike wusste, dass Piet nicht nur sie selbst, sondern viele andere betrogen hatte.

Betrogen hatte, wie Anna Amalia, die ihm die Gedichte schrieb und sicher schon einen Verlag gefunden hätte, wenn er sie nicht hinhalten würde mit ominösen Kontakten zu großartigen Verlegern und wenn Amalia nicht so verhuscht, wie abgebrannt und süchtig wäre. Es war ihre Stimme gewesen, die sie an jenem Sonntag zuerst aus dem Toaster gehört hatte.
Obendrein betrog der Schubiak sie mit diesem Lustknaben und Schauspielschüler Jan Eric und machte sich mit ihm auch noch lustig über Anna. Immer wieder schüttelte Friederike ihr Haupt, wenn sie zum wiederholten Male in ihrem schlauen Buch nachlas, welche Unverschämtheiten die Beiden miteinander abzogen:

„Die dumme Gans merkt nicht, dass Du sie verarscht?“
„Nenn sie nicht so, Jan.“
„Aber Du bist schwul Piet, Du bist Florist und hast von Literatur keine Ahnung. Das muss sie doch gemerkt haben?“
„Jan! Dreh dich bitte wieder um und sei nicht so zickig. Amalia muss schreiben und ich bin ihre Muse.“
„Muse? Du bist ihr Schneemann.“
„Wenn ich schon was bin, dann bin ich: Schneemann mit Möhre, für meine Poesiemöse.“
„Weißt Du was Du bist Piet?“
„Behalt es für dich Jan und bleib jetzt endlich liegen! Dauernd fällt mir die Rose wieder aus Deinem Arsch. Hast Du Blähungen?“
„Was geilt Dich eigentlich daran so auf, wenn ich mit dieser schwarzen Rose im Hintern rumlaufe?“
„Gar nichts - ich habe es mal im Fernsehen gesehen.“
„Au!“
„Stell Dich nicht so an.“



VI.

Der Blumenmann war schwul. Alle Welt wusste das, nur Amalia nicht - die Poetin, die Friederike ins Herz geschlossen hätte, wenn sie nicht Drogen nehmen würde. Aber was dem Fass den Boden ausschlug war die Stiftung: „Das Anonyme Grab“ und Ralphi.

Den kleinen Spendentopf „Stiftung Anonyme Gräber“ auf Piets Tresen, hatte Friederike schon bei ihren ersten Besuchen bemerkt gehabt. Wenn sie sich von Piet unbeobachtet gefühlt hatte, hatte sie schon mal einen Fünfer in die Box gestopft.
An sich hielt Friederike nichts von diesen Klingeltöpfen, die ihrer Meinung nach kein Mensch kontrollierte. Vor der eigenen Türe kehren, gerade sein und Rücken durchgedrückt halten, darauf kam es nach Frau Helm an. Sollten doch die Katholiken ihre Ablasspfennige wegwerfen. Nein, Friederike war protestantisch. Sie war davon überzeugt, dass der Pförtner des Himmelreiches, nicht wegen fünf Euro die Tore öffnen würde. Da brauchte es andere Qualitäten. Aber bei Briegels Büchse hatte sie anfangs und auch noch später und dann und wann, eine Ausnahme gemacht und fünf Euro in die Büchse des Anonymen Grabs gestopft.

Aber bei einer dieser Gelegenheiten, wo sie sich unbemerkt gewähnt hatte und spendete, stand auf einmal Piet in ihrem Rücken und raunte mit tiefem Timbre: „Es gibt viele, die sich ihrer Stimme nicht bedienen – aber noch viel mehr gibt es, die stumm bleiben müssen. Um sie nicht zu vergessen, schmücken wie ihre letzte Heimstatt.“ Piets Stimme, hatte ihr die Nackenhaare zu Berge stehen lassen und sie fühlte sich ertappt vom Wildrosenhüter. Die Vernunft verdrängte schnell den Schauder. Die Situation war Friederike peinlich gewesen. Auf Nachfrage hätte sie zugeben müssen, dass es ihr egal gewesen war, welcher Zweck mit der Dose verfolgt wurde, aber Rechenschaft ablegen wollte sie auch nicht, denn warum sie wem, was, wie schenkt, ging schließlich keinen was an.
Sie brauchte nicht lange, um die Situation wieder zu kontrollieren und zwischen sich und dem Blumenmann einen gesunden Abstand zu verschaffen. Sie hörte nur scheinbar interessiert zu, wie Piet ihr die Spendenaktion erklärte:

„Es gibt so viele stumme, triste Gräber. Ungepflegt und teilnahmslos wie ein Massengrab. Ein Stein, ein Name - das ist nicht mehr als eine Erkennungsmarke.“,
auch Briegel ging wieder von sich aus auf Distanz zu Frau Helm, vielleicht weil auch er gespürt hatte, dass er ihr zu nah gekommen war. Im moderaten Ton, so als führe er vor Fremden ein Verkaufsgespräch, fuhr er fort:“ Aber dahinter stehen Schicksale und keine Wegwerfartikel. Meine Kollegen und ich sammeln mit diesem Fond Geld, um in den Verscharrungswüsten Oasen zu schaffen. Und wenn es nur ist, um denjenigen, die wirklich Anteil nehmen, sie in ihrer Verbundenheit mit den Verstorbenen zu bestätigen: Niemand ist alleine.“

Die Botschaft hörte Friederike gerne, aber schon damals zweifelte ihr Magen am Wahrheitsgehalt. Auch wenn sie sich sicher war, danach nie wieder was in die Büchse getan zu haben, hatte der Schmeichler es doch geschafft, ihre unangenehmen Empfindungen zu zerstreuen.


Dank des Toasters wusste sie nun, welch übles Spiel Briegel und seine angeblichen Kollegen spielten. Kollegen? Die Kollegen hörten nur auf einen Namen : Ralphi. Ralphi gehörte der Blumenladen an der Rennbahn und Ralphi hatte die Ideen, wie den alten Mütterlein, das Geld aus der Tasche gezogen werden kann. Ralphi brauchte ständig Geld, denn Ralphi zockte.


„Piet, die Dose hier reicht nicht. Das Rad müssen wir wieder größer drehen. Wir haben damals drei Mille auf einen Schlag gemacht.“
„Nein.“
„Hallo? Was bist Du für ein Sparkassengesicht geworden?“
„Die Alte war senil gewesen und hat nie eine Quittung verlangt. Leichtes, viel zu leichtes Spiel.“
„Bedenkenträger - Du kannst doch Computer, Piet? Das sehe ich doch. Dann bastelst Du eben eine. Wenn die tot sind, dann interessiert die das doch nicht.“
„Du bist gierig, Ralph.“
„Oh, Mann! Alle sind gierig und die, die bescheiden bleiben, werden gemolken. OK, dann machen wir eben keinen Bestattungsvorsorgevertrag mehr, sondern einen Grabpflegebetreuungsdingsbumsvertrag. Aber nicht mehr diesen Fünf Euro Beschiss hier. Das bringt doch nichts voran.“
„Hundert, zweihundert und wenn eine alte Lady schwach wird, auch mal mehr, mein lieber Ralph. Und keiner fragt nach. Nur hier und da einen alten Kranz hingelegt und ein Foto als Beweis gemacht. Was willst Du?“
„Mehr.“
„Sag mir wie.“
„Es läuft über meinen Namen.“
„Und?“
„Du hast die Kunden und denen verkaufen wir meinen Grabpflegeservicevertrag mit einem kombinierten Bestattungsvorsorgevertrag und, und, und, gesiegelt und gestempelt vom Kuratorium deutscher Grabpfleger. Aber Minimum Fünfhundert im voraus und fünf Jahre Laufzeit.“
„Und für jeden vermittelten Vertrag kassiere ich eine Provision?“
„Jepp“
„Kriegt Du es denn hin, Ralphi, mir gut gemachte Gütesiegel zu präsentieren?“
„Wieso? Du kannst das doch mit dem PC machen. Nicht ich.“
„Das kostet aber extra.“
„Hauptsache, Piet, wir können diese Dose wegschmeißen.“
„Lass die Dose stehen!“
„Die brauchen wir doch nicht mehr. Das ist doch billig.“
„Stell sie wieder hin. Wir brauchen sie dringender denn je.“



Ralphi tauchte häufig bei Piet auf und jedes mal hatte er eine neue Geschäftsidee. Oder einen sicheren Tipp von der Rennbahn. Erstaunlicherweise war Ralphi nicht ständig knapp im Geld. Seine Trabrennbahnnase brachte ihm nicht selten genug dickes Geld, dass er hätte aufhören wollen oder müssen. So war es ihm auch jüngst wieder mit der 582:10 Siegwette auf Florino gelungen, fette Beute zu machen. Eine Beute, die Piet nicht entgangen war, der geduldig für Ralph und seine Bestattungs-vorsorgeverträge mit Gütesigel bei seinen alten Tanten geworben hatte. Und Friederike wusste alles. Wusste, dass Piet ein Windhund war, wenn es ums Geschäft ging. Ralphi dagegen war ein Träumer und Spieler. So blieb es nicht aus, dass Piet dreitausend Euro an Ralphi mit der rechten Hand überwies und mit der linken viertausend Euro Provision und Bearbeitungsgebühren – der PC und so – bei Ralphi einforderte und die Florino Siegwette, Ralphis bester Rennbahn Coup, so schnell schmolz wie Schnee im April.


Diese beiden falschen Brüder konnte Friederike schlecht wie Katze in den Schuppen entführen und an Rattengift verbluten lassen. Sie konnte dem Blumenmann nicht eigenhändig den Kopf abschlagen, so wie damals dem Huhn, als sie es selbst mal probiert hatte. Aber sie konnte ihr Wissen teilen. Sie konnte aus ihrem schlauen Buch zitieren und Briefe schreiben und sie konnte dafür sorgen, dass sie, wenn die Fluten über dem Blumenmann zusammenschlagen würden, den besten Platz hatte, um seinen Untergang zu verfolgen. Friederike wusste auch wann der Tag des Herrn oder ihrer sein würde. Erst kürzlich hatte ihr das Radio im Toaster den Tag und die Stunde verraten.

„Was hast Du bestellt, Piet?“
„Einen Federkiel, Jannilein.“
„Nenn mich nicht so albern. Ich bin immer noch ein Kerl.“
„Pah. Du hast keine Phantasie, mein Freund.“
„Wenn es das ist, was Dich Rosen in meinen Arsch stecken lässt, will ich davon auch nicht allzu viel haben.“
„Die Rose kommt später. Aber erst der Federkiel. Drei Meter lang. Wow. Mit echter Spitze. Hör zu Jan, und die Spitze bewegt sich und schreibt elektronisch in leuchtender aber blassblauer Frauenhandschrift : Gedichte. Quer über meinen Laden.“
„Das kostet doch ein Vermögen, Piet?“
„Weißt Du, manchmal setze ich eben alles auf Sieg. Das unterscheidet uns. Vielleicht bist Du deswegen noch der Lustknabe vom Regisseur dieses Kleinkunstkellerkabaretts?“
„Du bist ein Arschloch, Piet.“
„Vergöttern wir nicht Arschlöcher?“
„Nein, Piet. Tun wir nicht. Also, ich nicht. Ich weiß Du kapierst es nicht, deswegen erkläre ich’s Dir auch nicht. Nimm’s einfach hin: Ich liebe Dich.“
(Geräusche – Anm.:FH)
“Piet. Piet! Sieh mich an. Du bist sensibel. Du bist kein Klotz. Wärst Du ein Klotz, wäre ich nicht hier. Du kannst so wunderbar sein. Ein Zauberer. Du hast Ideen und Du machst Dein Ding. Ich bewundere Dich. Also, wann kommt Dein Superduperfederkiel?“
„Samstag in acht Tagen.“
„Soll ich kommen?“
„Nein.“
„Neien!?“
„Jan, ich habe es Anna versprochen. Bitte, sei nicht böse.“
„Ich vertraue Dir, Piet.“
„Ich weiß das.“
„Und?“
„Bitte, Jan.“





VII.

Samstag in acht Tagen war also Premiere für Frau Helm. Der Plan war schnell gestrickt, die alte Olympia Schreibmaschine aus dem Koffer geholt, das Papier eingespannt und natürlich, die kluge Frau baut vor, fand sie, im von Kurt so getauften Siedlerschrank, ein frisches Farbband.

Den ersten Brief schrieb sie Anna Amalia. Sie sei eine stille Bewunderin Ihrer Kunst und kenne die Anna schon länger als die Anna sich das vorstellen könne, weshalb es ihr jedes mal in der Seele schmerze, wenn sie den Herrn Briegel mit Annas wunderbaren Versen hausieren gehen sehe. Und obendrein betrüge Briegel Sie, weil der eigentlich nur Männer liebe. Wie sie aus sicherer Quelle weiß, kommt Sie zur Installation des großen Federkiels am kommenden Samstag und an diesem Tage wird sich Anna von der Wahrheit ihrer Zeilen überzeugen können. Es täte ihr leid, Anna schreiben zu müssen, dass Piet Briegel nie einen Verleger angeschrieben hätte, nie versucht hätte Ihre Karriere ernsthaft zu fördern, denn Sie hätte ihr Herz vor langer Zeit wirklich berührt.

Den zweiten Brief schrieb sie Ralphi. Ihre Zeilen waren mit : Heißer Tipp von der Rennbahn überschrieben. Friederike Helm gab sich im weiteren als einer aus, der schon vor Ralph von Piet mit angeblichen Zusagen und Provisionen über den Tisch gezogen worden war. Sie schrieb ihm von seinem Florino Tipp, den Sigeln des Kuratoriums deutscher Grabpfleger, den Rechenkünsten des Blumenmannes und machte ihm am Schluss eine Rechnung auf, die Ralphi zeigen sollte an welchem Ende die Enten fett waren. Wenn er sich selber davon überzeugen wolle, wie der Herr Briegel seinen Wetteinsatz, sein Risiko, seinen Gewinn für sich einsetze und auf Sieg spielt, solle er nur am nächsten Samstag kommen und sich vom Wahrheitsgehalt ihrer Zeilen überzeugen.

Denn Dritten an Jan. Wie lange wolle Jan sich selber verleugnen? Wie lange wolle er weder Fisch noch Fleisch, weder heiß noch kalt sein oder sich Rosen in den Hintern stecken lassen? Als ein Uli schrieb Friederike dem Jan Eric. Der Uli sei dem Illusionisten Piet schon vor Jan auf den Leim gegangen, aber dann hätte Uli begriffen, dass er nur seine Backen für Briegel hingehalten hätte, während Piet, hinter seinem Rücken, um einen anderen herumgetanzt sei, als sei der das goldene Kalb. Mittlerweile wisse Uli, dass der Andere schon immer Ralph heiße und Jan Eric könne sich von der Richtigkeit seiner Zeilen am kommenden Samstag überzeugen, wenn er den Biss hätte, das Vertrauen zu prüfen, dass er selbst bereitwillig und bedingungslos investiert hätte.


Mit gutem Gewissen, trotz der Lügen, leckte Friederike alle Briefumschläge mit Inbrunst ab und steckte sie am Freitag unfrankiert und eigenhändig in die Briefkästen der Empfänger. Die Adressen hatte sie nicht recherchieren müssen, denn ihr Toaster hatte sie alle schon ausgespuckt. Als sie alle Briefe eingesteckt hatte, reservierte Frau Helm im Cafe Metropol ihren Tisch, der genau gegenüber Briegels Blumenladen am Fenster stand, bestellte ihren Irish Coffee und den Kuchen der Saison vor. Alles für Samstags Zwölf Uhr Mittags. Friederike war schließlich erwachsen und hatte Stil. Sie wollte sehen, erleben und nicht nur via Grillradio hören was sie eingefädelt hatte.

Friederike hatte sich für Stummfilm statt Hörspiel entschieden, zumal die Technik ihres Toasters keine zehn Minuten live Übertragung garantieren konnte. Im Übrigen hatte Friederike genug Phantasie, sich anhand der Mimik vorstellen zu können, was ein Gesicht zum Anderen sagt. Erst recht, wenn sie sich des Kontextes sicher sein konnte, in dem sich die Figuren bewegen. Und Friederike hatte alles getan, um sich sicher zu fühlen. Friederike hatte den Käse, den falschen Briegel, ins Zentrum des Labyrinths platziert. Alle Ratten, die sie locken wollte, hatten die Fährte aufgenommen und waren dabei, sich den Weg zum Ziel zu erschnuppern. Zerbeißen aber würden sie ihn selbst müssen.


Als der dicke und der dünne Zeiger ihres Weckers übereinander fielen und den Alarm auslösten, blieben Frau Helm noch sechs Stunden. Zeit genug um die wichtigen Dinge zu erledigen und sich dann entspannt ins Cafe zu setzen. Was Friederike nicht wusste, was sie nicht wissen konnte, war der Zeitdruck unter dem das Transportunternehmen Yüksel & Wigotzki International den überdimensionalen Füller auf den Auflieger schnallen mussten. Was sie nicht wissen konnte, war, dass weder Yüksel noch Wigotzki noch nie ein solches Ding transportiert hatten und ihre Methoden der Befestigung aus Erfahrung resultierte. Natürlich waren sie im Vorgespräch überrascht gewesen, dass der Hersteller das Dingen am Stück und nicht in Einzelteilen produziert hatten. Aber mit der Flex konnten sie ihn schlecht zerschneiden. Zwanzig Minuten über der Zeit, fuhr der Auflieger mit Füllerspitze voran Samstag früh, endlich vom Hof des Herstellers.


Die Zigarette schmeckte ihr heute ganz vorzüglich. Ebenso der Irish Coffee. Friederike war in aufgeräumter Stimmung und grinste über Briegels roten Kopf, seine defensive Haltung, wie Anna ihn immer wieder mit dem Zeigefinger gegen seine Brust stieß und ihm offensichtlich die Leviten las. Und es kam noch besser als Friederike es hatte einfädeln können, denn Ralphi und Jan stießen, von unterschiedlichen Richtungen kommend, quasi in der Ladentür zusammen. Wäre es nicht unschicklich gewesen, Friederike hätte laut aufgelacht. Die Beiden sahen sich kurz an und sie konnte es von den Lippen lesen, dass Jan den Anderen ungläubig beim Namen nannte und der verdutzt nickte. Darauf war kein Halten mehr und Jan zog wie eine Zicke an Ralphs Haaren, während der den Schauspieler überrascht wie unbeholfen schultern und niederringen wollte, als sei er der Kran von Schifferstadt.

Anna Amalia, die das Treiben an der Ladentür nicht übersehen konnte, verlor jedwede Beherrschung und brüllte zwei-, dreimal „Du Schwein!“ in einer Lautstärke, die man der zierlichen Frau im Leben nicht zugetraut hätte. Endlich gelang es Piet, ihr den Mund zuzuhalten und den beiden Hähnen in der Tür zuzurufen, dass sie doch erstmal reinkommen sollten. Anna den Mund zuzuhalten, war nicht die Beste Idee, die Piet hatte. Anna musste es gelungen sein mit aller Macht in seine fleischige Hand zu beißen.
Piet schrie auf, riss seine Hand so beherzt weg, dass Blut spritzte. Piets Schmerzenschrei unterbrach den Kampf von Jan und Ralph. Verdutzt registrierten sie gleichzeitig, dass sie ihren Zorn zuvorderst auf den Blumenmann, den Zauberer und Strippenzieher richten sollten, bevor sie sich weiter selber schlugen. Piet fluchte immer noch vor Schmerz und hielt seine verletzte Pranke, während Anna befriedigt zu lachen schien. Natürlich blieben allmählich auch andere Leute vor dem Schaufenster stehen, um das Kampfknäuel im Laden zu beobachten und verdeckten Friederikes Sicht von ihrem Logenplatz. Das allerdings hatte Friederike nicht eingeplant gehabt. Sie beugte sich auf ihrem Stuhl links zur Seite, rechts zur Seite aber die Sicht blieb schlecht. Sie musste aber wissen, wie es weiterging und stand kurzerhand mit der Zigarette in der Hand auf.

Bevor sie Piets Blick ausweichen konnte, war es zu spät gewesen. Es war wie damals beim Blick durch den Türspion. Nur dass sie sich jetzt gegenseitig fokussierten und die Welt um sie herum in den Schatten trat.

Der Schmerz in Piets Hand ließ nach und der Lärm im Laden drang nur noch gedämpft an seine Ohren. Als er das Gesicht seiner Nachbarin, ihre blitzenden Augen, ihre gespielte aristokratisch herrische Figur sah und wie sie vom besten Platz aus sein Waterloo verfolgte, wusste Piet, dass Frau Helm die Quelle seines Ungemachs war. Er wusste es einfach, denn er hatte es vom ersten Tage an gespürt, welche Dämonen in diesem Leib ihren Wahnsinn trieben.

Piet stieß mit Macht Anna zur Seite und ebenso Ralphi und Jan. Alle drei spürten, als sich Piets schwerer Körper in Bewegung setzte, dass er ein Ziel hatte und sie ihn nicht aufhalten würden. Schwer wie eine Dampflok schob er sich an allen vorbei, zwängte sich aus der Ladentür und behielt dabei stets Friederike im Blick.

Nach einer Schreckensminute, in der sie sich wieder so ertappt fühlte, wie bei ihrer Spende für das anonyme Grab und sich nackt und verletzlich fühlte, legte Frau Helm wieder ihren Panzer an. „Was solls?“, dachte Friederike. „Soll er doch kommen. Soll er es doch wissen, dass ich ihm diese Suppe eingebrockt habe. Der Knilch hat doch kein Format.“ Und so blieb Friederike stehen und wich Piets Blick keinen Moment aus. Nur der Ober, der irritiert an ihren Tisch herangetreten, als sie aufgestanden war, bemerkte, wie Friederikes Körper zitterte.


„Scheiße“, durchfuhr es den PKW Fahrer, als er den massigen Mann bemerkte, der wie im Tran auf die Straße stapfte. Mit aller Wucht hieb er seinen Fuß aufs Bremspedal und riss am Lenkrad. Die Reifen quietschten brutal auf und der Fahrer hatte sein Gesicht so verzogen, als hätte er Piet schon wie einen Stier mit seinem Kühler aufgespießt.

Der Aufprall erfolgte nicht frontal sondern seitlich. Piet wurde, als wöge er nichts, in die Luft in Richtung der Gegenfahrbahn geschleudert. Sein Körper flog so hoch, dass Friederike hinter ihrer Glasleinwand für einen Moment Piet nicht mehr sehen konnte. Es ging alles zu schnell, dass sie hätte schockiert sein können. Mit einem heftigen Krachen, platschte Piet auf die Windschutzscheibe eines anderen Fahrzeuges der Gegenfahrbahn, das seine Geschwindigkeit auch nicht auf Null hatte reduzieren können. Friederike und der Kellner zuckten gleichzeitig zusammen und machten ein Gesicht, als spürten sie die Schmerzen Piets. Piet selbst schmierte wie ein Insekt von der Scheibe ab und sank auf den Bürgersteig genau unterhalb der Fassade vom Cafe Metropol.

Alle, die Piets unfreiwillige Straßenüberquerung verfolgt hatten, hielten die Luft an und trauten ihren Augen nicht. Der Bliumenmann lebte. Er war auf seinen Knien und robbte zum Fenster des Metropol hinter dem eine erstaunlich gefasste alte Dame und ein konsternierter Kellner stand.

Auch Wigotzki und Yüksel auf ihrem Bock hielten die Luft an. Sie hatten die Zeit fast herausgeholt, sahen sich schon wie sie sich gegenseitig Fünf gaben, wippten zu den mit voller Lautstärke aus dem Radio dröhnenden Seeds of Love, hatten ihren Leitspruch schon auf den Lippen „Schnell, günstig, pünktlich!“ und freuten sich darauf es doch noch pünktlich zum Anpfiff im Stadion zu schaffen.
Yüksel wie Wigotzki bemerkten beide viel zu spät, wie vor ihnen ein Auto nach dem Anderen in die Eisen ging und stehen blieb. Yüksel stemmte seine Arme gegen die Armaturen, presste die Beine gegen den Boden und hoffte damit vollkommen irrational Bremswirkung erzielen zu können und Wigotzki hatte das Bremspedal schon lange am Anschlag und seine Finger, Unter- und Oberarme kämpften mit dem Lenkrad, als wöge es soviel wie die Welt und er sei Atlas. Aber das Heck der ersten vor ihnen zum Stillstand gekommenen Karre, kam näher und näher. Beide waren sich sicher, sie würden die Kolonne vor ihnen weiter zusammenschieben und weiteres Ungemach verursachen.

Als der LKW stand und die Kabine wieder mit einem Ächzen hoch federte ohne, dass es gekracht hatte, sahen sich die Transporteure ungläubig an, als könnten sie ihr Glück nicht fassen. Mit bloßem Augen war nicht zu erkennen, dass sie ihren Vordermann nicht berührt hatten. Doch Fünf wollten sie sich nicht geben, denn beide hatten dieses schnalzende Geräusch gehört, kurz bevor ihr LKW zum stehen kam. Ein Geräusch wie ein Peitschenknall, oder das Reißen einer zu stramm gespannten Sehne.


Seine blutigen Finger sah Friederike als erstes. Langsam zog sich Piet an der Fensterkante des Metropols hoch. Er hatte keine bewussten Schmerzen, obwohl er sich jeden Knochen gebrochen haben musste. Aber er wollte ihr Gesicht sehen. Er wollte in ihre Augen sehen. In den Augen dieser alten Frau lag sein Schicksal und dem wollte er nicht ausweichen. Und Piet schaffte es tatsächlich, sich am Fenster des Cafes aufzurichten und Friederike wenigstens aus einem Augen anzusehen und mit dem Finger auf sie zu zeigen. Das war Piets letzte Tat.

Der Federkiel schoss nicht gerade, sondern seitlich versetzt aus seiner Halterung. So als versuchte sich ein Laie am Bogenschießen. Der Impuls war aber stark genug, dass der Kiel über alle Autos hinweg flog und - entgeistert verfolgt von denen, die das Unheil nahen sahen – mitten in ein seltsames Bulls Eye traf.


Die Scheibe erzitterte ordentlich als die Füllfederspitze Piet durch seinen Hintern hindurch an die Wand nagelte. Der Blumenmann ließ augenblicklich wie eine Marionette seine Glieder und seinen Kopf hängen. Nur noch ein Blutfleck erinnerte an den Finger Piets mit dem er auf Frau Helm gezeigt hatte.


Es dauerte nicht lange und Sirenen waren zu hören und die durch Ungläubigkeit, Furcht und Adrenalin ausgebremste Zeit tickte wieder im normalen Takt. Die Schaulustigen befreiten sich aus ihrer Starre und so wie Anna, Jan und Ralphi sammelten sie sich wie magisch angezogen, um den durch den Hintern gepfählten Blumenmann. Auch Friederike war wieder in der Zeit und der Bann gebrochen. Sie brauchte nicht lange um sich wieder zu ordnen und die Situation zu überblicken. Hier waren Dinge und Mächte am Werk, und das kannte Friederike von damals, die kein Mensch kontrollieren konnte. Eine Erfahrung, die ihrer Bedienung anscheinend fehlte, denn sie musste mehrmals ihren Zahlungswunsch wiederholen, ehe der Ober reagierte. „Was wollen Sie?“, fragte der noch völlig konsterniert, weil ihn dieser Wunsch vollkommen irreal erschien. „Zahlen oder soll ich mir ihrer Meinung diese Schweinerei länger ansehen?“

Für einen Moment wollte er Friederike so gehen lassen, aber dann kassierte er sie angewidert doch ab.



Epilog

Die Brutalität, die Verkettungen der Ereignisse und die ungewöhnliche Aufspießung Piets wurde in den Medien breit getreten und es blieb nicht aus, dass die Journalisten, die in Piets Vergangenheit gruben seine Poeme lasen und veröffentlichten. Bald war der Blumenmann Briegel ein berühmter Dichter und seine Sonette galten als Meisterwerke. Anna Amalia, die verzweifelt ihre Urheberschaft an den Stücken reklamierte, wurde nicht ernst genommen und ihre Sucht tat ein übriges, dass sie bald gänzlich von der Bildfläche verschwunden war. Ralphi hoffte, dass die gemeinsamen Unternehmungen mit Piet nicht wahrgenommen oder überprüft werden würden, schloss aber lieber seinen Laden und tauchte ab. Nur auf der Rennbahn sah man ihn noch dann und wann. Jan, der schnell als Muse Piets galt, gewann etwas an Status, aber auch dieser Ruhm verblasste schnell. Was blieb war ein schmales Bändchen mit Gedichten, das Piets Namen vergoldete und alle zu überdauern schien.

Und Friederike? Sie wurde nach Briegels Tod nicht einmal zu ihm befragt. Sie blieb alleine in den Zimmern ihrer Wohnung. Ihre Dämonen gingen keinen etwas an und der Toaster funktionierte auch nicht mehr. Die Dinge waren was sie sind: stumm. Ihr Leben lief ab wie eine Schallplatte, die vergeblich auf eine Nadel wartet. Friederike löschte das Licht und ging zu Bett. Sie war erwachsen.

ENDE

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#2

Blumenmann

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 09.12.2008 10:23
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hi Brot,

jetzt habe ich die Geschichte endlich gelesen. Das ist ja echt ein Kopper. Aus Geiz habe ich den Text so formatiert, dass er auf sechs ausgedruckte Seiten passt. Jetzt bin ich blind aber um eine Geschichte reicher.

Erstmal das was mir ausgesprochen gut gefällt: Die Charakterisierung der Figur Friederike ist sehr gelungen. Über den Weg mit der Beschreibung des Todes ihres Vogels, dann der Katze und schließlich des Ehemannes ist ihr Verhalten und ihre Reaktion zum Schluss absolut glaubwürdig.
Bei der Wendung mit dem Toaster musste ich zuerst an Susi Sorglos denken, aber das klärte sich ja schnell. Dennoch wirkt das Sprechende Haushaltsgerät doch sehr auf mich wie ein Kunstgriff, um die Story voranzubringen. Doch im Fortgang wird das gut in die Geschichte integriert, ist also in Ordnung.
Die Dramaturgie flutscht. Kein Teil ist zu lang oder zu kurz. Das Ding ist sehr spannend.
Was mich letztlich etwas enttäuschte, war der Showdown. Jetzt hast Du Deine Figuren so schön sorgfältig aufgestellt, und dann wird die erwartete Auseinandersetzung durch den Tod des Piet so abgewürgt. Bei dem Aufspieß-Splatter-Ende dachte ich gleich an diesen Hannibal-Film von Ridley Scott. Da war das auch so. Drei Personen steuern den ganzen Film über aufeinander zu, als sie aufeinander treffen, stirbt der eine gleich, der nächste wird unter Drogen gesetzt und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen und der Dritte frisst Gehirn und plappert. Polizei kommt, er flieht, Ende.
Ganz so schlimm ist es hier nicht, dennoch fand ich das Ende enttäuschend.
Hätte der Tod Piets wenigstens noch einen überraschenden Hinweis darauf zu Tage gebracht, dass Friederike vielleicht ihren Mann Kurt auch um die Ecke gebracht oder ähnlich hat verbluten lassen wie Piet oder die Katze, so hätte mich das Ende wahrscheinlich eher umgerissen, oder wenn es, wie gesagt, zu einer weiterführenden Auseinandersetzung zwischen den Figuren gekommen wäre.

Ein dagegen kleinerer Schwachpunkt ist, allerdings nur im Kontext der Geschichte, das Sonett. Das Sonett ist gut, sehr gut. Aber ob es nun die Art von Gedichten ist, mit der man die Herzen romantischer Ömchen gewinnt, wage ich zu bezweifeln. Dafür ist es zum einen zu anspruchsvoll, also nicht simpel, zum anderen nicht romantisch genug.
Es wäre auch ein gutes Stilmittel gewesen, mehr als dieses eine in den Text einfließen zu lassen, wenigstens Auszüge, einzelne Reime oder Verse. Jeweils ein komplettes Sonett wäre dann vielleicht doch etwas viel. Weiß nicht. Etwas mehr Kitsch hätte hier vielleicht gut getan.

Wovon die Geschichte auf jeden Fall lebt und sie trägt, ist, wie gesagt, die Friederike. Der Abschied fiel mir am Ende der Geschichte schwer. Gibt's eine Fortsetzung?

Viele Grüße,
GW

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#3

Blumenmann

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 09.12.2008 20:21
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hi GW

Danke fürs Lesen aber am Augenkrebs bin ich nicht schuld. Achtzehn Wordseiten, Schriftgrad 12 auf sechs zu komprimieren ist echt geizig. Aber total ungeil. Moment, ich schaus mir noch mal an... Wahh! Das geht gar nicht. Aber umso mehr freut es mich, dass Du es bis zu Piets bitterem Ende geschafft hast und bei mir keine Reparationszahlungen wegen vertaner Zeit abforderst oder gar Satisfaktion.

Du hast mit geschlossenen Augen ganz genau die Sollbruchstellen entdeckt und benannt, die mich beim Schreiben beschäftigt haben. Zunächst mal der Susi Sorglos Toaster. Stimmt genau. Mittel zum Zweck und die „Hallo Susi, ich bin Dein Fön“ Nummer ist einfach nicht zu leugnen. Gut, das war kein klassisches Zitat, wo der Entdecker mit der Zunge schnalzt. Mir fiel kein anderer Weg ein, Friederike in den Genuss oder den scheinbaren Genuss wichtiger Informationen kommen zu lassen. Aufenthalte im Cafe Metropol? In dem sich auch zufällig oder wiederkehrend der Piet und seine Freunde treffen? War noch die beste andere Idee, aber nachdem ich den Toaster dreimal verleugnet und immer noch keine bessere Lösung hatte, kaufte ich ihn, baute ich ihn ein. So viel als Erklärung.
Kunstvoll ist der Trick nicht, denn der Toaster ist so auffällig wie ein rosa Elefant. Vielleicht – das fällt mir gerade ein, hätte ich den Toaster schon an unverdächtigerer Stelle erwähnen sollen, vielleicht als Kurt ihn besorgt hat? Nein. Er bleibt ein Toaster.

Ich freue mich, dass Du aber deswegen nicht, die Geschichte mit der Bemerkung „Anfänger“ weggelegt sondern weiter gelesen hast.

Zweiter Makel ist das Ende. Ich weiß das Du Recht und ins „Bullseye“ getroffen hast. Ich war – nachdem ich das letzte Wort geschrieben hatte- froh, dass ich die Nummer bis zum Ende durchgezogen habe, spürte aber – mehr kann ich dazu auch nicht sagen – , dass das Ende zu schnell erzählt ist.

Das Tempo geht zu rasant, zu hoch. Friederike erfährt, protokolliert und ratzebumm ist Plan und Piet kaputt gemacht. Es haut nicht astrein hin. Ich nehme in Anspruch, dass es angeht, dass es nicht aus der Luft gegriffen ist, aber die Sargdeckel klappern zu schnell. Die Figuren haben keine Chance mehr. Das Schicksal, oder was auch immer, mag ja zuschlagen, aber es ist spannender, berührender, wenn Du als Leser etwas mehr Fleisch geliefert bekommst. Das Spektakuläre, die Zirkusnummer mit dem Federkiel, der konnte ich leider nicht widerstehen. Verbaut habe ich mir aber wahrscheinlich eine bessere Auflösung. Und nun zum meinem Lieblingsmakel:



Die fehlenden Sonette: Hah! Kürzlich bummelte ich durch die verschiedenen Fäden der Foren und in einer angeblich exquisiten Ecke, die dank ihrer Preise, menschenleer war, entdeckte ich einen schmucklosen Laden, dessen Auslage eher an einen Stinkefinger als eine Einladung erinnerte.
Sonettwerkstatt klebte quer auf dem speckigen Schaufenster. Nachdem ich den Straßendreck vom Fensterglas herunter gerieben hatte, konnte ich ein paar so genannte Werkstatt Sonette in der Auslage entdecken. Das musste mein Laden für Anna Amalias Sonette sein, die ich für den Blumenmann brauchte. Vor allem, weil er wie das Transportunternehmen in meiner Geschichte, versprach: Schnell, günstig, pünktlich. Ich ging hinein und ein ungeschlachter Wichtel von erstaunlicher Größe und Breite - in jeder Himmelsrichtung - begrüßte mich. Hätte er keine Brille getragen, hätte ich ihn niemals als Wichtel erkannt. Egal: don`t judge a book by it`s cover. Was rede ich? Du kennst den Laden, ja.

Der Sonettwerkstattwichtelmann versprach mir, dass es kein Problem sei, mir Sonette zu liefern. „Was? Nur Drei?“, fragte er dreimal nach und jedes mal bestätigte er: „Kein Problem“. Zwar zögerte er, als ich den Rahmen beschrieb, in dem die Werke gesetzt werden müssten, aber trotzdem – und da traf ich wohl eine Stelle, die den Ehrgeiz in ihm löckte, weil ich, der nicht ein Wort für diese Form beisteuern könnte, diese Aufgabe für un-lös-bar hielt – trotzdem wiederholte er stets : „Kein Problem“

So begann ich zu schreiben, gelangte zur ersten Stelle, machte ein – Sonett 1 Vermerk -, rief in der Werkstatt an und der Wichtelmann antwortete zäh, dass er mehr Inhalt bräuchte. „So ein Sonett, selbst für eine Werkstatt, müsse sich doch einfügen.“ Kein Problem. Ich sendete der Werkstatt meinen Text und hoffte, dass jetzt die Worthobel, Metrikräder und Zeilenfräsen mir ratzfatz, das erste Sonett liefern. Gebannt erwartete ich ein „You’ve got Mail“ but, da kam keine Mail. Anfragen meinerseits wurden mir beantwortet mit „Wir arbeiten dran.“ oder „Der Quartettenquirl sei kaputt und nicht lieferbar und der Hersteller hätte keine Traversterzinen als Ersatz.“ Ja, fuck.

Ich kam zum Sonett Nummer Zwei, erhielt die selben Antworten und als ich die ersten zwei Zeilen meines ersten Sonettes: „Nils Holgerson war ein großer Mann, denn er flog auf einem weißen Schwan“, geschrieben hatte, erhielt ich das Sonett was Du in der Geschichte gelesen hast und eine Absage für die nächsten beiden. Es ginge nicht. Ömmchens Schmachtsonette seien für des Wichtelmannes Werkbank, nicht zu sägen. Sowenig wie vermaledaite Genitive oder partizipiale Verbrechen. Was ich überhaupt wolle? Er mache, dass alles aus Liebe zur Kunst und nicht des Mammons Willen Nein, der Wichtel wollte kein Geld und ganz unzweifelhaft passte sein Sonett “Die Gärten Babylons“, sehr viel besser als mein Nils Holgersson.

Conclusio: Ich habe versagt, die Werkstatt hat mich nicht gerettet, aber die Idee war richtig: Ein Sonett reicht nicht. Drei sind besser, stimmiger, runder.
Dass Du die Phantomschmerzen dieser Geschichte entdeckt hast, finde ich faszinierend.

Gruß
Eckhard
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#4

Blumenmann

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 12.12.2008 11:00
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hi Eckhard,

nun mach die Geschichte mal nicht so runter. Abgesehen von meinen Kritikpunkten ist das ja ein astreines Ding. Und es hat den großen Vorteil, dass es echt noch ausbaufähig ist.

Ich muss jetzt übrigens mal Deinen Sonnett-Lieferservice in Schutz nehmen. Ich habe gleich nach dem Lesen Deiner Antwort ein Blumensonett geschrieben und gemerkt, dass, um so etwas gut in so eine Geschichte einbinden zu können, einpaar mehr Vorgaben erforderlich sind, der Art: In welche Richtung sollte das gerade gehen? Soll das Ding da eine Aussage unterstützen? Und wenn, dann welche? Soll es ein Liebes-, Pilosophisches oder Naturschutzgedicht sein? Sollen Menschen, Tiere, Länder drin vorkommen oder nur Blumen?
Je genauer hier die Vorgaben sind, desto besser lässt sich so ein Auftrag erledigen, insbesondere für einen Meister des Fachs. Es gibt ja bekanntlich keinen größeren Kreativitätskiller als die absolute Freiheit.

Viele Grüße,
GW

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#5

Blumenmann

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 02.01.2009 13:38
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
Hallo Brotnic2um,
anfangs zögernd, wegen des Umfangs, dann aber doch immer interessierter habe ich die Geschichte des Blumenmanns gelesen.
Als Fantasiefan stört mich persönlich der "sprechende Toaster" nicht, trotzdem finde ich, dass er die Ernsthaftigkeit deiner Story zerstört, genauso wie der überdimensionale Federkiel am Schluss.
Ich glaube, du hast einfach zuviel gewollt. Lebensbewältigung lyrisch garniert, Fantasiekrimimärchen und dazu schwarze Slapstick, das wird einfach zuviel. Könnte mir vorstellen, dass du daraus leicht drei verschiedene Kurzgeschichten stricken könntest.
Damit ich nicht nur altklug daherrede, hier noch ein paar Formalien, die mir aufgefallen sind:
"eine Handvoll" halte ich nicht für besonders treffend, wenn es darum geht eine Häufigkeit zu beschreiben.
Das Kalb, kalbig etc. kommt zuoft vor und
"in Tran", da fehlt vermutlich ein u für Traum.
Insgesamt ziehe ich aber trotzdem oder gerade wegen dieses einzigartigen Konglomerats meinen Hut.
LG
Perry
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