#1

Verlassen

in Liebe und Leidenschaft 05.04.2008 15:34
von bipontina (gelöscht)
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Lieb! Hattest mich so ganz verlassen.
Ich wollte alle Wege mit Dir gehn.
Es treibt mich noch durch dunkle Gassen,
Bleib doch im Schauen nicht mehr stehn.

Laß hinter mir des Seins Entzücken
Im alten Dämmer meine stete Liebe.
Es gab danach nur Tageshiebe.
Brennend roh auf meinen Rücken.

Geh nicht, mein Lieb!
End nicht in meinen Träumen!
Heute brauche ich Dich sehr.

Noch traf mich nicht der letzte Hieb.
Ich möcht ihn gerne heut versäumen.
Es fällt, dennoch, das Warten nicht mehr schwer.


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#2

Verlassen

in Liebe und Leidenschaft 05.04.2008 21:54
von Feo (gelöscht)
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Hallo bipontina,

das könnte ein Sonett werden, wenn Metrik und Versmaß ein wenig mehr beachtet würden. Gleich beim ersten Vers habe ich Probleme bei der Betonung. Du beginnst die meisten Verse jambisch. Wie aber betont man einen eigentlich unbetonten Versauftakt, bei dem ein Ausrufezeichen betonend nach der ersten Silbe steht, woraufhin gleich beim "Hattest" eine betonte Silbe folgt?

Vers 1 bis 7 beginnen unbetont, Vers 8 betont, 9, 10, 13, 14 unbetont, Vers 11 hingegen betont. Natürlich könnte man annehmen, dass du diese Trochäen eingebaut hättest, um an diesen Stellen den Inhalt zu betonen, doch wäre dies recht platt und schadet dem Sprachfluss mehr, als diese zusätzliche Betonung bewirkt.

Das erste Quartett zeigt alternierend weibliche und männliche Kadenzen und Kreuzreim, vierhebig, das zweite durchgehend weibliche Kadenzen bei umarmenden Reimen. Vers 5 hat 9 Silben/4 Hebungen, Vers 6 hat 11 Silben/ 5 Hebungen, Vers 6 hat 9 Silben/ 4 Hebungen, Vers 10, Trochäus, hat 8 Silben, 4 Hebungen.

Hier wäre Gleichmaß und einheitliches Reimschema leicht zu erreichen und würden dem Wohlklang bestimmt nicht schaden - zumal ich keine inhaltliche Begründung für Versmaßschwankungen und den Wechsel des Reimschemas entdecken kann.

Die Terzette zeigen das Reimschema abc-abc und sprengen ansonsten ebenfalls die Sonettregeln. Vers 9 hat bei jambischem Auftakt nur 4 Silben/2 Hebungen, Vers 10 hat bei jambischem Auftakt 7 Silben, 3 Hebungen, Vers 11 beginnt trochäisch, zeigt 8 Silben/4 Hebungen, die Verse 12, 13 und 14 stehen im Jambus, 12 zeigt 8 Silben/4 Hebungen, 13 hat 9 Silben/4 Hebungen, Vers 14 hat 10 Silben, 5 Hebungen.

Für mich ist das nichts Halbes und nichts Ganzes, kann mich weder durch vollendete Sonettmelodie noch durch außergewöhnlichen Klang begeistern und auch inhaltlich wirklich mit sich ziehen.

Im ersten Quartett war LI erst verlassen, wollte aber lieber alle Wege mit LD gehen, wird zusammenhanglos durch dunkle Gassen getrieben um dann LD zu bitten, doch nicht stehen zu bleiben. Wo kam LD da her, wenn LI vorher ganz verlassen war?

Das zweite Quartett beginnt recht schwülstig, sagt aber nicht wirklich klar aus, wer oder was da des Seins Entzücken, was immer das auch sein mag, hinter LI lassen soll - und zwar im Dämmer von LIs steter Liebe, eine Bezeichnung, die eher komatös als dauerverliebt klingt.
Dafür gibt es danach dann nur Tageshiebe, wobei die Terminierung diffus bleibt, dafür aber der Rücken brennt, was auf das Ausleben einer SM-Beziehung hinweisen könnte, bei der LD anscheinend die beste Methode gefunden hat, LI zu quälen: durch rohe Rückenhiebe und rückschauendes Vorwärtsgehen.

Wenn das die These ist, müsste ja nun in den Terzetten die Antithese folgen, theoretisch. Im ersten soll Lieb nicht gehen, weil LI LD grade heute so sehr braucht, im zweiten ist dann zu lesen, dass LI der Ansicht ist, ihm würde noch ein letzter Hieb zustehen, den er aber gern verschieben würde, weil - oder obschon das Warten nicht mehr schwer fällt. Na, wenn das nicht nach Lust am Schmerz klingt!
Mein Ding ist es nicht.


Gruß, Feo
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