#1

Spiegelverkehrt

in Diverse 04.12.2007 15:42
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte

Spiegelverkehrt



Ich führte deine Hand und lenkte dich hinab
zur Quelle und du trankst.

Ich war dir Stecken, Brücke, Weg - bergan, bergab -
den ganzen Fluss entlang und weiter
war ich dir Flamme in der Nacht und Schein am Tag.

- Wonach du auch verlangst! -
Ich war es dir, in jeder gottverdammten Stunde.

Und als du endlich sprangst,
- dich fragend mir entgegenreckst - in der Sekunde
zerbrach ich: Ließ dich einfach gehen.

Ich kann dir fließen, wachsen, wehen, scheinen.
Doch deine Tränen kann ich dir nicht weinen.



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#2

Spiegelverkehrt

in Diverse 04.12.2007 15:56
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Hallo Simone,

ich finde das sehr gelungen! Es spricht mich in einer Sprache an, die gleichzeitig poetisch und auch wieder einfach daherkommt, in regelmäßigem Metrum und ungewöhnlichem Reimschema, das jedoch nicht mutwillig erscheint, sondern von spielerischer, unaufdringlicher Eindringlichkeit ist.

So auch der Inhalt. Unabhängig, ob es sich um zwei Personen oder nur eine handelt, das lyrDu ist jedenfalls von aufreizender Passivität, es nimmt ausschließlich bzw. lässt es sich besorgen. In dieser Partnerschaft interpretiert ausschließlich das lyrI die Gefühlswelt des lyrDu und es leistet im Grunde schon Unmögliches, was in der vorletzten Zeile wunderbar deutlich wird.

Nun aber, am Ende des gemeinsamen Weges, soll das lyrI auch noch die Trauerarbeit für das lyrDu leisten und endlich kommt es zur Emanzipation: Bis hierhin und nicht weiter! Deine Tränen kann ich dir nicht auch noch weinen.

Hat mich überzeugt, weil es mich anspricht, zugegebenermaßen auch auf einer irrationalen Ebene, daher möge man mir meine eventuell unsachliche Euphorie nachsehen.

LG
nizza
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#3

Spiegelverkehrt

in Diverse 04.12.2007 17:14
von bas[ti]an (gelöscht)
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hallo simone,

ich komme ehrlich gesagt, mit dem Gedicht nicht zu Recht. Ich komme einfach nicht da hinter, was damit ausgedrückt werden soll..ich las mir auch nizzas Kommentar durch, der mir auf den ersten Blick sehr einleuchtend klang und dennoch trieb es mich immer wieder in eine Form von Unwissenheit, verstehen wollen, aber nicht können..

mit der Form kann ich mich nizza nur anschließen, denn es scheint...in gekreuzten und gepaarten Reimen und auch umschlossenen Reimen geschrieben zu sein...wobei einige noch Assonanzen sind die sehr weit voneinander liegen. abgesehen von der Form, will ich jetzt den Inhalt besprechen..

Spiegelverkehrt, ist ja etwas was eben andersherum daherkommt, bei näherer Betrachtung aber nicht ist, es ist ja nur gedreht und halt ein Wahrnehmungsphänomen...auf dieses Spiegelbild wird noch einmal in Z10 zurückgekommen, wo das Bild nunmehr bricht..ok aber zunächst zu den Strophen....

Ich führte deine Hand und lenkte dich hinab
zur Quelle und du trankst.

hier kann man es schon so sehen, dass das LI sozusagen sagen wir das Ruder in den Händen hält..es lenkt das Gegenüber. ein Rätsel für mich, ob es sich dabei um eine Lebensquelle handelt oder vllt ist Wasser der Spiegel

Ich war dir Stecken, Brücke, Weg - bergan, bergab -
den ganzen Fluss entlang und weiter
war ich dir Flamme in der Nacht und Schein am Tag.

ich denke eher dass es hier um kein Ldu an sich geht, sondern ein Zwiespalt des LI`s, denn wie soll etwas jemanden begleiten..oder sagen wir besser ausgedrückt..was begleitet eigentlich ein Ldu..ist für mich absolut nicht herauslesbar..es könnte metaphorisch gesehen, das eigene Ich sein..aber vllt. ist dies auch zu weit hergeholt, denn weiter heißt es..

- Wonach du auch verlangst! -
Ich war es dir, in jeder gottverdammten Stunde.

also entweder ist das LI sehr wandelbar oder es dient einem höheren Zweck, denn wie kann jemand so in Demut versinken und alles machen..was auch immer das heißt...aber vllt ist es auch nur ein gedachtes machen, um sich selbst zu sagen...was verdammt noch ich habe doch alles gemacht...für mich stellt sich die Frage, Was hat dein LI gemacht? war es dem gegenüber zu diensten, jedoch könnte es auch sich nur gedient haben und war Sklave seiner selbst..schwer herauslesbar.

Und als du endlich sprangst,
- dich fragend mir entgegenreckst - in der Sekunde
zerbrach ich: Ließ dich einfach gehen.

und hier wird doch eindeutig der innere Zweifel des LI`s offenbar...eine Frage wird an dies LI gerichtet, welche das LI zerbricht..und dann ist das angenommene Ldu verschwunden?

Ich kann dir fließen, wachsen, wehen, scheinen.
Doch deine Tränen kann ich dir nicht weinen.

dann folgt wie auch nizza schon sagte, ja ich kann alles für dich machen und sein, doch deine Tränen kann ich dir nicht weinen....nun Tränen sollen ja sehr befreiend sein, was ich durchaus damit verbinden könnte...doch irgendwie sieht mir das ganze eher wie eine Selbstbefreiung aus...ich finde einfach nicht den Schlüssel zu dem Werk und das macht mich schon ein wenig..

so das sich als abschließendes Fazit ein mir " Ich war du jedoch nicht ich selbst" herauskristallisiert, wobei das Du auch als eigenes Ich verstanden werden könnte..jedoch wirklich schwer zu sagen

LG basti

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#4

Spiegelverkehrt

in Diverse 05.12.2007 12:59
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo ihr Zwei

jetzt krieg ich gleich eins aufs Horn. denn so ganz sicher bin ich mir auch nicht, ob es nun zwei Personen sind, oder LI und LD ein und dieselbe Person. aber ich denke es passt beides.
also meine Gedanken gehen in diese Richtung: LI ist das Spiegelbild von LD, das kann es selbst, oder eine andere Person sein. das LD erlebt seine Gefühle irgendwie von außen durch sein Spiegelbild, das LI handelt/lebt für LD. dann sucht LD sich selbst im Spiegel und als es erkennt, das man zwar vieles von Außen erleben kann, aber seine Gefühle selbst fühlen muss, zerspringt das Spiegelbild und das LD ist frei.
ja o.k., es ist wirr … aber ich mag es irgendwie.

das Reimschema war nicht direkt Absicht, das hat sich irgendwie so zusammengefügt bis es sich am Ende für mich richtig angehört hat. (so was nennt man wohl professionelle arbeitsweise ... )

@nizza

Zitat:

Hat mich überzeugt, weil es mich anspricht, zugegebenermaßen auch auf einer irrationalen Ebene, daher möge man mir meine eventuell unsachliche Euphorie nachsehen.


und mir möge man nachsehen, dass ich das noch mal zitieren muss.
und dir sehe ich persönlich auf jeden Fall jegliche Euphorie nach, ob nun sachlich oder nicht.

@basti
deine Interpretation hört sich doch ganz passend an. es ist ja nun auch nicht gerade eindeutig. und muss man alles unbedingt haarklein erklären können? solange keine groben Unstimmigkeiten drin sind, kann ich wohl erstmal damit leben.

Besten Dank an euch beide
Gruß Simone

Nachtrag
@basti
(hab ich eben vergessen)
das Wasser (Quelle+Fluß) soll das Leben sein.


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#5

Spiegelverkehrt

in Diverse 05.12.2007 15:16
von bas[ti]an (gelöscht)
avatar
hallo simone,


Zitat:

jetzt krieg ich gleich eins aufs Horn. denn so ganz sicher bin ich mir auch nicht, ob es nun zwei Personen sind, oder LI und LD ein und dieselbe Person. aber ich denke es passt beides.



nein es gibt keine Schelte, war zwar irgendwie schwer herauslesbar, aber vllt kommt damit auch, das es zwei in einem oder einer in zweien Gefühl besser zur Geltung...nun es ist ein wenig wirr aber das soll auch so sein, weil man sich ja einem inneren Zwiespalt ausgesetzt ist...die Vernunft sagt halt so und andersherum das Gefühl usw..hängt wohl mit Erziehung Erfahrung zusammen, dass man dann so etwas einfach nicht wahrhaben will und dennoch nicht leugnen kann, dass es da ist...


Zitat:

das Reimschema war nicht direkt Absicht, das hat sich irgendwie so zusammengefügt bis es sich am Ende für mich richtig angehört hat. (so was nennt man wohl professionelle arbeitsweise ...



ach ich find das total süß, dass Reimschema hat sich irgendwie zusammengefügt ...ach um ehrlich zu sein mir gehts auch nicht anders und es passt sich dann alles irgendwie zusammen und an...weiß nicht ob das nicht professionell ist...wenn es als Endprodukt dort steht finde ich es eigentlich schon...jemand der Heizungsrohre installiert sagt man ja ach nicht du kannst nicht erklären warum Wärme in Menschen ein wohlgefühl schafft, dass ist aber nicht äußerst professionell...jetzt nur als simples Bsp.


Zitat:

und muss man alles unbedingt haarklein erklären können?



nun dies ist zB ein Zwiespalt zwischen Leser und Schreiber...der Leser der es liest will unbedingt einen Sinn dahinter erkennen, der Schreiber hingegen will die Intention oder das was das Werk für den Leser ausdrückt erfahren..nein man muss nicht alles haarklein erklären können, jeder muss eine Erklärung für sich selber finden..das ist denke ich das Prinzip


Zitat:

(hab ich eben vergessen)
das Wasser (Quelle+Fluß) soll das Leben sein.



leben ist schön

LG basti
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#6

Spiegelverkehrt

in Diverse 07.12.2007 10:04
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Simone,

was mir an Deinem Gedicht besonders gefällt zum einen die Form, zum Anderen die Wendung am Schluss. Die ungewöhnliche Form trägt mich beim Lesen neugierig durch den Text, denn inhaltlich, muss ich gestehen, reißt mich der Beginn nicht unbedingt gleich mit, insgesamt inklusive Schluss, gibt der Text doch aber etwas sehr rundes Ganzes, das mir gut gefällt.
Der Titel lässt mich noch rätseln. Da steige ich nicht ganz hinter, was aber den Reiz des Textes für mich eher erhöht.
Vielleicht äußert sich ja noch ein kluger Mensch zu diesem Teil des Textes.
Ich interpretiere den Text als die Sicht eines lyrischen Ichs auf eine Beziehung, die von großer gegenseitiger Abhängigkeit geprägt ist bzw. war mit den Rollen Fürsorger und "Fürgesorgter" (Weiß nicht, wie man das besser bezeichnet). Am Ende steht der Bruch. Das Du gibt sich auf, nimmt sich vielleicht gar das Leben. Das konkrete ist offen, und das ist auch gut so.
Gefällt mir gut.

Grüße,
GerateWohl

_____________________________________
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#7

Spiegelverkehrt

in Diverse 07.12.2007 13:22
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo GW

Freut mich, dass dir die Form gefällt, die ist ja doch recht ungewöhnlich, denke ich. und ehrlich gesagt hab ich die auch nicht bewusst gewählt, sondern es ist einfach so geworden, aber als es fertig war, fand ich es irgendwie richtig so.

Was mich allerdings besonders bei dem Text freut, ist, dass doch recht unterschiedliche Sachen raus gelesen werden, es aber bei euch doch stimmig ankommt.

zum Inhalt, hab ich oben schon mal was gesagt, vielleicht kannst du dann mit dem Titel eher was anfangen.

Besten Dank und Gruß
Simone


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#8

Spiegelverkehrt

in Diverse 08.12.2007 02:39
von bipontina (gelöscht)
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Hallo, Simone...

ich hab das jetzt auch mehrere Male gelesen und bin immer noch etwas verwirrt:

2 Zeilen sind in der Gegenwartsform geschrieben, der Rest durchgängig in Vergangenheit. Ist das so beabsichtigt?
"Wonach Du auch verlangst.. ich g a b es Dir... ist für mich nicht schlüssig. Sollte es nicht heißen "Wonach Du auch verlangtest... ich gab es Dir.."
ebenso "entgegenreckst" in Gegenwartsform, wo ein "entgegenrecktest" die fast durchgängige Vergangenheitsform trüge?
Je nun: verwirrend. Das "Spiegelverkehrt" bringt mich nicht weiter, da Spiegel zwar ein Bild, nicht aber die Zeit verkehren können.

LG von bipontina

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#9

Spiegelverkehrt

in Diverse 13.12.2007 19:59
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Simone,


das gefällt mir sehr. Es beginnt mit einer starken erotischen Komponente, um dann im urmütterlichen zu enden, bzw. eine Grenze zu ziehen.
Grade durch diesen Schlußsatz wird die ganze Bedeutung des Textes gekippt.

In sieben Zeilen wird der/die ideale (Über)partner/in, Lebensstütze des LD aus Sicht des LI beschrieben, aufgezählt, dann passiert etwas Merkwürdiges LD springt, reckt sich fragend, worauf LI zerbricht und LD abgeht.
Verstehe ich, offen gesagt nicht, bestenfalls ahnungsweise: LD macht eine Selbsterfahrung, gewinnt Selbstvertrauen und beendet sein Abhängigkeitsverhältnis?
Ja/nein, denn jetzt zählt LI wieder seine/ihre Vorbildlichkeiten auf, nur die Traue des LD kann nicht übernommen werden...
Dann steht alles in einem anderen Licht da: als LD sprang, sich fallen ließ, sich seiner Trauer überließ, mußte LI es gehen lassen, denn traurig ist man nur bei sich, und nicht gemeinsam oder nach Anleitung?

Ha. Ja, das gefällt mir. Vor allem, wenn ich es richtig verstand, so ist das doch gar nicht die Problematik des Textes. Mir scheint es eher um ein LyrÜberIch zu gehen, das sozusagen eine Schlappe erleidet.

Wenn dich mein Geschwafel merkwürdig anmutet: ich bin offline und habe mir Deinen Text als Hausaufgabe mitgenommen, kann also nicht aus den bisherigen Kommentaren lernen, was ich eh nicht mache. *)
Aber es soll ja auch der eigene Eindruck zum Ausdruck kommen.

LG
Ulrich

*) bei Texten andrer Leut': weil ich sie bestenfalls überfliege und selten richtig lese.
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#10

Spiegelverkehrt

in Diverse 14.12.2007 13:37
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo Ulrich

Hm, Erotik und urmütterlich ist ja mal ein ganz neuer Aspekt. Aber kann man sicher auch so sehen. Obwohl sich das dann ein bißchen nach Verführung Minderjähriger anhört.

Zum Inhalt habe ich weiter ober schon mal eine leicht verwirrte Angabe gemacht, aber, so ganz genau, kann ich es dir auch nicht erklären. und dein Geschwafel klingt nicht merkwürdiger als meins.

Besten Dank und Gruß
Simone



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