#1

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 20.08.2007 09:36
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte

Dreimal die Woche. Von Früh bis Mittags. Für Fünf Wochen Vertretung spielen - einen Urlaub lang. Dafür zwei Mille, black auf die Hand. Das war der Deal.

Eine leere, abgearbeitete Ablage, ein Telefon, ein Anrufbeantworter, eine Handwerkerliste, ein Hausmeister und seine Mutti. Das war das Werkzeug.

H., der humpelnde Verwalter, schärfte mir noch ein: Lass Dich da draußen bei den Häusern niemals, nie nicht blicken. Du machst alles per Telefon und mit dem Hauswart. Ich hatte keine Ahnung von Hausverwaltung oder dergleichen, aber H. meinte: „Macht nichts. Du musst nur den Anrufbeantworter abhören, Hausmeister anrufen oder Handwerker bestellen. Was soll sein? Die paar Wochen sind wie nix vorbei und jeden morgen wird Mutti Dir Frühstück bringen. Du kannst hier auch pennen. Ist vielleicht sogar besser. Aber mach wie Du denkst, die Ablage ist abgearbeitet.“

Sein Büro war auch seine Wohnung und seine Wohnung lag über der von seiner Mutter. Praktisch.

Als ich am Montag in der ersten Woche früh morgens zu seiner Wohnung rausfuhr, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Auf dem Weg waren ein paar Ampelanlagen ausgefallen und ich vermisste die großen Müllwagen. Stattdessen quollen die Mülleimer immer noch über. Kaum Fußgänger waren zu sehen und der Verkehr schien mir auch ruhiger als sonst.

„Sie sind der Neue?“, fragte mich Mutti, die mit einem Frühstückstablett hereingekommen war und mir einen dampfenden Kaffee vor die Nase stellte.
„Ich bin die Vertretung und im Augenblick habe ich ein Problem.“
Sie sagte nichts und schaute mich nur sehr liebenswürdig an. Sie war klein und dicklich und hatte graue, glatte schulterlange Haare. Sie erinnerte mich an Frau Igel aus der Hase und Igel Geschichte in ihrem einfachen Kleid und der Schürze.
„Wissen Sie zufällig wie der Anrufbeantworter funktioniert?“
„Ach, das olle Ding? Das weiß ich nicht. Nein, nein mit Technik, da kenne ich mich nicht mit aus. Wissen Sie denn nicht wie der funktioniert?“
Ich überlegte kurz. Und antwortete kurz: „Nein. Keine Ahnung.“
„Trinken Sie man Ihren Kaffee, dann geht das gleich besser.“, sprachs und verschwand.

Sie hatte recht nach dem Genuss des Kaffees fühlte ich mich besser und siehe da ich entlockte dem schlichten Kasten seine Nachrichten. Das erste Glücksgefühl löste sich sehr schnell auf und wich jähem Entsetzen.
„Nachricht eins von hundertdreiundachtzig...“
Ich wiederholte die Zahl ein paar Mal in meinem Kopf. Das war unmöglich. Ein Scherz, aber die Nachrichten klangen nicht nach Scherzen. Da war eine Steckdose kaputt, der nächste jammerte über eine kaltes Wasser, oder Lecks im Dach, Ratten im Hof und Huren als Nachbarn.“
Wild schmierte ich Zettel voll mit Vermerken der Wohnung, der Lage und des gemeldeten Problems. Ich begann zu schwitzen und verfluchte den Tag an dem ich mich von H. zu diesem Job hatte überreden lassen. Was soll schon sein? Was soll denn schon passieren? Seine schnöselige Antwort auf meine Bedenken wiederholte ich während meiner Notizen wieder und wieder. Da ging die Tür ein weiteres Mal auf und Mutti erschien wieder. Sie hatte einen Wäschekorb dabei. Der Korb war voll.
„Was soll das sein?“, fragte ich verzweifelt, weil ich die Antwort schon wusste.
„Die Post. Das geht doch noch. Ist weniger als sonst.“

Ich schloss die Augen. Es war zuviel. Ich griff zum Telefon und wählte die Handynummer von H. the person you have called is temporarily not available

“Wissen Sie was Ihr Sohn ist? Ein Arschloch.“
„Mein Sohn?“
„Den würde ich auch verleugnen.“
Das Telefon klingelte.
„Ich geh dann wieder. Sie schaffen das schon.“
Ja, hau bloß ab dachte ich noch und griff zum Hörer.
„Hausverwaltung H.K.“, meldete ich mich ordungsgemäß.
„Arbeiten Sie oder bohren Sie in der Nase!?“
„Bitte?“
„Bitte? Der Baum brennt und Sie fragen bit-te?! Tun Sie endlich was. Machen Sie Ihre Arbeit. Kassieren Sie meine Mieten. Aber zackig!!“
Klack.
Das war der Eigentümer. Offensichtlich kein sensibler und mitfühlender Mensch. Der Boden schien sich unter mir aufzutun. Es war hoffnungslos. Aber was sollte ich machen? Ich griff in den Korb voll Post und begann mit der Ablage. Viele Schreiben verstand ich überhaupt nicht. Sie landeten auf einem Extrastapel. Abrechnungen und Auszüge. Seltsame Kontostände, Wohnungsbewerbungen, Handwerkerrechnungen, Mahnungen. Endlos. Zwischendurch klingelte das Telefon und ich erweiterte meine ToDo Liste stetig. Aber ich kam durch und hatte nach mehrere Stunden mir einen Ablauf zusammengelegt, welche mir die dringlichsten Probleme schienen und ich erreichte sogar meinen Hausmeister. Er klang etwas schüchtern, stellte aber keine Fragen. Wenigstens einer der meinen Befehlen folgte. Zwischendurch versuchte ich immer wieder K. zu erreichen. Aber er war immer noch temporarily not available.
Ich hätte ihn allzu gern erreicht, um ihm die Meinung zu geigen und ihm zu verklickern, dass er seinen Urlaub abbrechen müsse, wenn er an seiner Hausverwaltung hängen würde. Aber ich wollte auch wissen, was es mit dieser Universal Bude auf sich hatte, die diese kryptischen Schreiben schickte und der den größten Batzen der mir unverständlichen Schreiben bildete. Aber H. war nicht da. Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor elf Uhr Abends war es mittlerweile geworden und ich war hundekaputt. Ich griff mir noch mal eines dieser Universal Schreiben. Unterzeichnet waren sie alle mit M.O.T.U. Es waren zumeist Aufstellungen und sie erhoben M-Zonen, Licht und Materie Gebühren. Sie waren wohl was besonders, diese Universalbrüder, dass ihnen Material zu profan erschien. Schnell schlief ich ein.

Vom Klingeln des Telefons wurde ich wieder wach. Es war gegen halb sechs Uhr in der Frühe. Wir hatten Sommer, aber draußen war es nicht wirklich hell geworden. Es würde wohl Regen geben. Ich griff zum Hörer.
„Ja?“
„Fang endlich an zu arbeiten! Der Wald brennt! Was machen die Mieten? Die Abrechnung für Juni? Wo bleibt die? Warum ist bei Familie G. noch immer nicht das Leck gestopft, und in der S.-Allee das Dach defekt? Na? Ich höre.“
„Ich bin dran, das geht alles seinen Gang.“
„Das ist klar. Aber das muss schneller gehen – verstehen Sie? Das muss viel schneller gehen.“
Ich hörte wie er mit den Fingern schnippste und hinzufügte:
„So schnell muss das gehen. Schnell wie ein Schnipp.“
„Sind Sie M.O.T.U.?“
Er schien verunsichert.
„Sind Sie M.O.T.U.?“, wiederholte ich.
„Ja.“
Klack. Das Gespräch war beendet und just in diesem Moment, drehte sich der Schlüssel im Schloss und Frau Igel erschien mit Kaffee und Frühstück. Die gleiche Litanei wie Tags zuvor, sie sagte ich solle trinken und essen und brav meine Arbeit machen. Ich würde das schon schaffen. Ich sei doch ein kluger Junge. Ihre Liebenswürdigkeit kotzte mich schon nach vierundzwanzig Stunden an aber noch mehr kotzten mich die etlichen Nachrichten an, die wieder bearbeitet werden musste und der obligatorische Korb voll Post. Als sie die Post reingebracht hatte, hatte sie sich danach noch ans Fenster gestellt und den Kopf geschüttelt. Das Wetter war aber auch beschissen. Dunkel und zugezogen. Ich machte das Licht an. Es würde bestimmt ein großes Gewitter geben. Bestimmt würden dann alle verwalteten Häuser vom Blitz getroffen werden. Wie zur Bestätigung begann das Licht meiner Lampe zu flackern. Aber es regnete den ganzen Tag nicht und die Luft wurde immer drückender, genauso wie meine Probleme mit den Häusern. Aber ich biss mich jetzt rein. Keine Ahnung ich wollte es irgendwie schaffen. Das Telefon klingelte wieder.



„Haben Sie sich eigentlich mal im Spiegel angeschaut? Sie sehen nicht gut aus.“
Ich konnte mir schon denken, was Mama Igel meinte. Ich schmunzelte und fuhr mir durch meinen dichten Bart. Meine Haare hatte ich hinten zu einem kleinen Zopf gebunden. Gut und gerne fünfzehn Kilo werde ich wohl in den letzten Wochen verloren haben. Meine Hose schlodderte um meine Beine. Ich musste sie mit einer strammen Kordel an meinen Hüften festbinden, damit sie mir nicht mehr ständig herunterrutschte. Wahrscheinlich hatte ich auch tiefe Augenringe. Mit diesem ätzenden Telefon schlief es sich schlecht.
„Sie sehen wirklich nicht gut aus.“, stellte Mutti mit besorgtem Ton fest.
„Ja, denke ich mir.“
„Wissen Sie eigentlich noch wie Ihre Ablage funktioniert?“
„Natürlich. Es ist sehr ausgeklügelt.“
„Aha.“, quittierte sie nicht sehr überzeugt meine Ausführungen.

Sie sah mich in einem hüfthohen Labyrinth stehen. Die Wände des Labyrinthes bestanden aus den zahlreichen Briefen. Im Zentrum des Labyrinths hatte ich die Universal Briefe zu einem futuristischen Wolkenkratzer aufgetürmt. Es gefiel mir. Aber ich hatte natürlich keinen Überblick mehr.
„Trinken Sie jetzt erstmal“
„Bitte!“, unterbrach ich sie unwirsch, „Bitte, nicht.“ Ich konnte diese Litanei einfach nicht mehr ertragen.
„Oh, Entschuldigung. Kann ich Ihnen irgendwie noch helfen?“
Sie – mir? Ich musterte die kleine, merkwürdige Frau. Ja, da war etwas was sie für mich tun könnte.
„Sagen Sie mir nur wann Sie das letzte Mal die Sonne gesehen habe?“
„Och, das ist schon lange her. Das Schietwetter geht einem ja auch auf die Nerven.“
„Nicht nur das Wetter.“ Murmelte ich in meinen Bart. „Nicht nur das Wetter.“
Das Telefon klingelte und Mutti verschwand wieder. Das Klingeln kannte ich: M.O.T.U.

„Sie wünschen?“
„Frechheit. Sie machen alles kaputt. Alles. Wir können das nicht zulassen. Das geht nicht.“
„Was heißt M.O.T.U.?“
„Das geht Sie nichts an.“
„Mich geht vieles nichts an.“
„Machen Sie endlich Ihre Arbeit. Fangen Sie endlich an.“
Klack.
Jeden Tag das gleiche Gespräch. Ich fragte nach dem Sinn der Initialen, er antwortete nicht und beschwor mich stattdessen, den Laden endlich zu schmeißen. Aber das war mittlerweile vollkommen unmöglich geworden. Ich erreichte nämlich meinen Hauswart seit über einer Woche nicht mehr. Ich war vollkommen allein und draußen war es dunkel und heiß. Zu allem Überfluss war es zur Glückssache geworden, ob das Licht funktionierte oder nicht. Anscheinend gab es Stromabschaltungen. Im Radio fand ich dazu nichts, denn der Empfang war so schlecht, dass ich nur einen Erweckungssender reinbekam. Mit unzuverlässigem Personal konnte ich nicht arbeiten, legte ich kurzerhand fest und feuerte meinen Hauswart. Schriftlich. Den Brief würde Frau Igel zur Post bringen.


Die Fünf Wochen waren längst um und H. war nicht wiedergekommen. Mutti wunderte sich darüber nicht. Schließlich war H. ja nicht Ihr Sohn oder ihr Rechtschaffenheit schuldig. Wie sei ich denn auf die dusslige Idee – so hat sie es buchstäblich gesagt : dusslige Idee – gekommen? Und dann forderte sie mich wieder auf, Ihren Kaffee zu trinken. Jeden Tag, mittlerweile neunundvierzig an der Zahl, hatte sie mich aufgefordert, doch ihren Kaffee zu trinken. Warum bestand sie darauf so unerbittlich? Was war mit dem Kaffee? Ich wollte keinen Kaffee mehr trinken und ich wollte von ihr dazu nicht mehr aufgefordert werden. Ich hatte doch irgendwo im Schreibtisch das Teppichmesser gesehen.

Bevor ich meine Mordphantasien am Igelchen ausleben konnte, klingelte wieder das Telefon. Das vermeintliche Opfer entfleuchte wieder mal ungeschoren. Ich marschierte stocksauer zum Hörer. Dem wollte ich den Marsch blasen.
„Ich lass den ganzen Laden auffliegen, verstanden!“, brüllte ich unaufgefordert in die Muschel.
„Bin ich da nicht bei Hausverwaltung H.K.?“
Ich hielt inne. Zum erstenmal nach langer Zeit erwischte ich jemanden am Telefon, der weder Mieter oder M.O.T.U war. Am anderen Ende war eine Frau mit einer sanften Stimme, die drauf und dran war aufzulegen:
„Entschuldigen Sie die Störung, ich leg“
„Nein!“, unterbrach ich Sie, und redete weiter „Doch Ja. Hier ist die Hausverwaltung H.K. Legen Sie nicht auf. Es ist nur so, dass Ich gedacht habe, aber das ist ja jetzt egal. Irgendwie. Mit wem spreche ich?“
„Bettina Baldachin-Birkenkötter. Ich rufe an, weil ich fragen wollte, ob Sie vielleicht noch eine freie Wohnung haben?“
Hatte ich? Hatte ich eine Wohnung für Baldachin-Birkenkötter? Aber natürlich hatte ich eine Wohnung.
„Sie ist sogar sofort bezugsfertig.“
„Ach, das ist ja wunderbar.", reagierte sie euphorisch.
„Vorausgesetzt Sie sind berufstätig.“, log ich frech.
„Ich bin Selbstständig. Ich arbeite als Glücksforscherin und Erleichterin.“
Ich blickte aus dem Fenster. Der Himmel war Pechschwarz und das Licht der noch funktionierenden Straßenlaternen war schwefelgelb. Der Müll quoll aus den Tonnen und marodierende Banden zogen umher. Eine Glücksforscherin war geradezu prädestiniert für den Job.
„Selbstständig? Das ist natürlich schlecht. Aber wenn Sie nebenher ein bisschen Post und Telefondienst machen würden, dann könnten Sie heute noch einziehen und die Wohnung wäre Miet- und Kautionsfrei.“
„Die wäre umsonst?“
„Ja, sicher. Sie müssten halt nur ein bisschen Bürodienst machen. Kaffee gibt’s auch frei Haus.“
„Das ist ja phantastisch.“
„Genau.“, bestätigte ich, gab die Adresse durch und sagte ihr wo sie den Schlüssel finden würde. Ein paar Müllsäcke später war die Ablage erledigt. Sollte sich die Erleichterin mit M.O.T.U. rumschlagen. Ich pfiff auf die Universal Gesellschaft und verpisste mich in die Dunkelheit.

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#2

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 20.08.2007 10:14
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hallo Brot!

Das erste, was ich dachte: kafkaesk. Nur ziehst du es nicht vollends bei einem Prot. durch, sondern stoppst vor dem unausweichlichen Strudel, der mit dem Mord eingeläutet worden wäre und verlagerst die wiederkehrende Misere aus einen anderen Prot.

Und wer weiß: vielleicht passiert der Mord ja noch - der ein vermeintlicher Ausweg wäre; aber doch denjenigen in die Tiefen ziehen würde.

Ich möchte jedoch gar nicht wissen, wie viele Menschen das tagtäglich erleben. Insofern ein Abbild, aber keine Lösungsmöglichkeit, das System, das dahinter steckt, zum Einsturz zu bringen. Es wird nur Verlagert - solang es nicht die eigene Hölle ist, reicht ein Achselzucken aus.

Gefällt mir ausgesprochen gut! (Genauso, wie die anderen 2, die ich gerade las: Frau Mo.. und Affen-Text.)

Beste Grüße,
arno.

http://arnoboldt.wordpress.com/
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#3

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.08.2007 10:44
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Die gefällt mir (als KG) eigentlich auch am Besten.

Ehrlich gesagt hatte ich die arme Frau schon erledigt und schleifte sie ins Bad, aber irgendwie fiel mir dann wieder die Glücksforscherin und Erleichterin ein und soetwas gibt es wirklich! Ich finde diese Berufsbezeichnung so spitze, dass ich einfach nicht mehr anders konnte, als sie in dieser Geschichte zu verwursten.

Beim Mord hatte ich schon das Gefühl beim Schreiben, dass kriege ich nicht recht unter die Füße. Vielleicht habe ich deshalb auch den anderen Weg gewählt.

Was mich freut ist, dass Dich das leicht kafkaeske - wohl vorallem auch befördert durch eine Abkürzung wie K. - nicht abgestoßen hat oder als vollkommen verünglückt aufgefallen ist. Da habe ich wohl Schwein gehabt .

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#4

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.08.2007 23:36
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Nein, kein Schwein gehabt, sondern eine formidable Geschichte geschrieben. Hast du keinen Bock auf den Wettbewerb? Gut, das Ende war etwas zu schnell geschrieben bzw. wäre es für meine Begriffe besser gewesen, man hätte mehr darüber erfahren, wie dein Prot an die Arbeit gekommen wäre. Oder aber du hättest das Ende etwas offener gestaltet, so dass der Leser sich das Abwälzen selber hätte denken können.

Aber was soll ich mäkeln? Eine runde Geschichte, inhaltlich meinetwegen keine Offenbarung aber routiniert und gut erzählt. Ich habe es jedenfalls gerne und ohne Ermüdungserscheinung gelesen.
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#5

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 22.08.2007 08:32
von roux (gelöscht)
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Die Glücksforscherin und Erleichterin passt doch optimal in das Ende. Dort dürfte sie ihre wahre Berufung gefunden haben.
Ja, kafkaesk mutet die Geschichte an (hach, herrlich, ich wollte das Wort immer schon mal anwenden!), voller Naivität gerät der Protagonist, der sich eigentlich einen ruhigen Job versprochen hatte in dieses Chaos und verstrickt sich immer tiefer im Sumpf aus Zuschriften und Anrufbeantworterbändern.

Ich muss mal lobend erwähnen, dass dies hier auf jeden Fall eine der besten Kurzgeschichten ist, die ich in der letzten Zeit gelesen habe, der Spannungsbogen gut aufgebaut. Der Leser wird mit dem Protagonisten in dieses Zimmer geworfen und da ist es eigentlich egal, wie er an den Job kam, kennen wir doch alle das Gefühl, einer Aufgabe gewachsen zu sein, bis wir uns dann mitten im Chaos umschauen und erkennen, dass wir da wohl doch ein klein wenig zu optimistisch waren - erinnert mich auf faszinierende Weise an meine letzte Urlaubsvertretung.

Klasse auch M.O.T.U.s Anrufe, ein unsichtbarer Arbeitgeber, der für wenig Lohn Großes und Wunder erwartet, nicht mal bereit ist, dieses Buchstabenrätsel aufzulösen und immer wieder neue Heldentaten fordert. Spannend auch, dass nur einmal davon die Rede ist, dass unser Held überhaupt etwas in Angriff genommen hat, außer diesem letzten Akt der Verzweiflung, als er der anrufenden Dame sein "kostenloses Zimmer (ohne Aussicht) mit Frühstück andrehte. Nämlich dass er den schüchternen Hausmeister erreichte. Es ist allerdings nicht davon die Rede, dass ob dieser überhaupt tätig wurde oder ob unser Held nur der "MOTU" des Hausmeisters wurde, der eventuell auf ebenso verlorenem Posten ausgesetzt wurde - Rede ist nur davon, dass der Vertretungsverwalter den Eindruck hatte, jener würde Befehle befolgen. So wie sein ständiger Anrufer es vom ihm erwartete.

Wozu braucht Familie G. im Juli (es wird ja die Juniabrechnung angefordert) so dringend die Heizung?

Du schreibst, dass ständig das Telefon klingelt, aber es liest sich so, als würde M.O.T.U. nur einmal am Tage anrufen. Als die Glücksforscherin und Erleichterin (hihi, gute Bezeichnung für diesen Berufszweig) anruft erwähnst du, dass der Protagonist zum ersten Male einen Mieter am Telefon erwischt (sonst immer nur auf Band).

Witzig finde ich auch die Universal Bude, die Andeutung, dass alles von Außerirdischen/ höheren Wesen inszeniert wird, denen unser Held lt. Telefon- M.O.T.U. alles "kaputt" macht und dass nach und nach das ganze "Lügengebäude" einstürzt, H. nicht mal der Sohn der liebenswürdigen Mutter Igel ist u.s.w., immer neue kleine Lücken in der "Matrix" entstehen.


Aber ich wollte auch wissen, was es mit dieser Universal Bude auf sich hatte, die diese kryptischen Schreiben schickte und den größten Batzen der mir unverständlichen Schreiben bildete.

Vielleicht ein "der" zwischen "und" und "den Batzen" einfügen.

Ab und zu könnten noch ein paar Kommata hinzugefügt werden.

Keine Ahnung ich wollte es irgendwie schaffen.


Alles in allem eine Story, die ich mit viel Vergnügen gelesen habe.

Liebe Grüße,
roux



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#6

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 22.08.2007 11:46
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Danke Nizza für das Lob. Es ist richtig, dass ich inhaltlich nichts großartig Neues abliefere aber es freut mich, dass es trotzdem wieder schmeckte bzw. die Zubereitung in Ordnung war.

Dir, Roux, vielen Dank für das fette Lob und den Hinweis auf die Schnitzer. Das mit den Anrufen (wie nun: selten oder häufig?) ist fein erkannt und noch besser die Heizung im Sommer - da muß ich jetzt erstmal brezzeln, wie ich das korrigiere. Die Heizung dürfte nicht so das Problem sein. Den Satz mit dem Batzen, sollte ich vielleicht zu zweien aufdröseln. Liest sich eckig so.

Danke, Roux, dass dir das Ende mit der Glücksforscherin gefällt. Ich fürchtete schon, dass keiner mir über diese Brücke folgen will. Im Grunde ist das ja GWs schuld, der mir mal einen Steckbrief zeigte, wo genau das als Beruf drin stand. Das ließ mich nicht mehr los.

Danke für Kritik und Lob

PS: Mir ist jetzt auch aufgefallen, dass ich bei diesem Text einen häufiger genannten Wunsch aus der Schweiz nachkommen will, nämlich deutlicher zu machen, wer wann spricht.


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#7

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.08.2007 22:14
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Am Schlimmsten wirds wohl erst, wenn man versucht, andere Schreibstile oder Schemata zu kopieren. Dann kommt nur Mist raus - so oder so. Den Eindruck hatte ich hier allerdings nicht. Daher kam er bei mir ganz gut durch.

Grüße,
a.

http://arnoboldt.wordpress.com/
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#8

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 30.08.2007 22:08
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Schönen Abend, Brotnic2um, mögen für Dich, diesem noch viele weitere angenehme Tage folgen!

Erquickend lautet meine Stellungnahme. Etwas hat mich der Streß schon mitgenommen, aber ich hatte keinen stabileren Tag zur Verfügung, ich las es eben heute.

Fast gierig verschlang ich es, bin wahrscheinlich gerade mit irgend einem Storyphilus infiziert.

Mir fällt eine beachtliche Steigerung bei Deinen Geschichten auf; diese hier ist eine schöne runde und unterhaltsame.
Wenn nach dem Lesen plötzlich eine kleine Leere da ist, weil man sich wünschte, es hätte fortgesetzt werden sollen,
das ist ein wirklich gutes Zeichen.

Von Feinschliff will ich gar nicht reden, da sind größere Geister zuständig.
Mir fiel nur einmal ein, aber absolut zu dieser Geschichte passend, komischer Satz auf:
'der Empfang war so schlecht, dass ich nur einen Erweckungssender reinbekam'

Gruß von Joame
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#9

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.09.2007 08:17
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Danke Joame, und es freut mich natürlich, dass Dir dieser Satz mit dem Sender aufgefallen ist. Den find ich auch recht hübsch, aber den lasse ich deswegen auch drin. Der ist sozusagen bewußt bekloppt. Verändert habe ich aber endlich und daher jetzt auch erst die Antwort meinen Text mit Hilfe der Rouxschen Anmerkungen.

Du hast vollkommen recht, dass es ein schönes Kompliment ist, wenn der Leser sagt, davon hätte es mehr sein können. Das ist wirklich toll.
Es wäre schön wenn sich die Qualität kontinuierlich steigern ließe. Ich denke aber, dass es bei mir extrem abhängig davon ist ob ich ein gutes Thema habe und dem gewachsen bin, dann
kann es sein, daß es ganz gut "flutscht".

Danke, für Dein Lob und Deinen Kommentar.
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#10

Hausverwaltung

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.09.2007 10:07
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Es war mir von Anfang an klar, daß es sich um eine bewußte Einlage handelt, die nur flüchtigere Leser einfach überlesen können.

[Ich lese gerade
Der Geschichtenverkäufer von Jostein Gaardner
(phantasievoll frisch und locker, sehr empfehlenswert)]
Einigemale habe ich während des Lesens an Dich gedacht.

Mit Gruß
Joame
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