#1

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in Liebe und Leidenschaft 07.07.2007 23:21
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
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Ich und die Liebe wir
habens getrieben -
kräftige Sehnsüchte
wuchsen daraus.

Ich blickte gleichgültig,
ohne zu lieben
über die Zärtlichkeit
träumend hinaus.

Ich schlug dein Angebot
heftig mit Hieben
kältester Abweisung
leichtfertig aus.

Ich gab Gelegenheit,
lüsternen Dieben,
ausmirzuschlachten mein
kostbares Haus.

Ich war der Einsamkeit
hörig geblieben.
Alles was wichtig war,
alles war aus.


e-Gut
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#2

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in Liebe und Leidenschaft 08.07.2007 14:59
von Maya (gelöscht)
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Hallo Alcedo,

ich habe Schwierigkeiten damit, den Text zu verstehen. Das beginnt schon mit der ersten Strophe:

Ich und die Liebe wir
habens getrieben -
kräftige Sehnsüchte
wuchsen daraus.


Steht „Liebe“ hier als Synonym für eine Frau oder tatsächlich für die Liebe an sich? Die Formulierung, es mit der Liebe zu treiben, wirkt etwas ungelenk auf mich. Stünde dort, dass man mit der Liebe nur ein Spiel oder aber es „miteinander“ getrieben hätte, wäre es für mich verständlicher. Jedenfalls interpretiere ich die Zeilen so, dass das lyrI – im Gegensatz zum Du – keine tieferen Gefühle hegte, sondern lediglich am sexuellen Austausch seine Freude hatte. Aber wonach sehnt sich das lyrI in den letzten beiden Versen, nach der wahren Liebe oder nach weiteren Stunden zu zweit?

Ich blickte gleichgültig,
ohne zu lieben
über die Zärtlichkeit
träumend hinaus.


Zu Anfang der S2 wird die Gefühlslosigkeit des lyrI bestätigt, das Du ist ihm gleichgültig, im Grunde als Person austauschbar. Abermals klingt aus den letzten beiden Zeilen die Unzufriedenheit über die Situation, das lyrI träumt von etwas anderem als von den Zärtlichkeiten, die ihm das Du zu geben vermag.

Ich schlug dein Angebot
heftig mit Hieben
kältester Abweisung
leichtfertig aus.


In diesem Abschnitt erfolgt die Erklärung des gewählten Titels, nehme ich an. Das Du verlangte mehr als körperliche Nähe und wurde kalt abgewiesen. Die Formulierung der mittleren Verse gefällt mir nicht, es klingt ziemlich hölzern. Der Begriff „leichtfertig“ deutet bereits darauf hin, dass das lyrI seine harten Worte bereut.

Ich gab Gelegenheit,
lüsternen Dieben,
ausmirzuschlachten mein
kostbares Haus.


Mit dieser Strophe habe ich die größten Verständnisschwierigkeiten. Mal davon abgesehen, dass ich die Neuschöpfung „ausmirzuschlachten“ ganz grausam finde, bleibt für mich die Frage offen, wer mit den lüsternen Dieben gemeint ist, irgendwelche Konkurrenten, die dem lyrI das Du abspenstig gemacht haben? Aber warum denn gleich mehrere, ist es so begehrt? Und wer oder was ist mit dem kostbaren Haus gemeint, auch das Du oder steht es vielmehr für eine gemeinsame Zukunft? Hat der Protagonist erst im Nachhinein, als es zu spät war, bemerkt, dass auch er das Du liebte? Fragen über Fragen.

Ich war der Einsamkeit
hörig geblieben.
Alles was wichtig war,
alles war aus.


Der letzte Abschnitt erklärt im Ansatz, warum das lyrI sich nicht näher mit dem Du eingelassen hat, es lebte vielleicht schon zu lange alleine und hatte einfach Angst, sich enger zu binden. Ihm ist das (nun) bewusst und er bereut die vergebene Chance auf ein gemeinsames Leben. Und eigentlich noch mehr, er sieht ein, dass mit dem Du alles fort ist, was wirklich wichtig war.

Ein sehr trauriger Text, den ich von seiner sprachlichen Umsetzung her aber nicht für sonderlich gelungen halte.

Grüße, Maya
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#3

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in Liebe und Leidenschaft 08.07.2007 16:31
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Alcedo


Zitat:

Ich und die Liebe wir
habens getrieben -
kräftige Sehnsüchte
wuchsen daraus.

Wollust, Gier nach Befriedigung : "kräftige Sehnsucht". So lese ich und das Wort "Liebe" scheint mir seltsam fehl am Platz. Wahrscheinlich liegt es daran, das LI es mit der Liebe treibt, nicht Liebe betreibt, so wie man ein Grundbedürfnis stillt. Ich und die Sättigung: wir haben es gemacht. So etwa, dadurch wird die Liebe verdinglicht und distanziert.
Das "Es", um das es geht, versteckt sich zudem noch am Verb.
Es zeigt sich eine große Entfernung zwischen "Liebe" und LI, die erst in den Sehnsüchten, die dem LI erwachsen, persönlich verstanden wird.


Zitat:

Ich blickte gleichgültig,
ohne zu lieben
über die Zärtlichkeit
träumend hinaus..

Hier taucht die Liebe im adverbialen Kontext erneut auf und wird negiert, da will ich eigentlich schon nicht mehr mitkommen. Das Wort Zärtlichkeit tritt hinzu und wird gleichgültig überblickt, bessergesagt: übersehen. Ob ich mit dieser Sicht der Strophe gerecht werde kann ich aber nicht sicher sagen. Beim Lesen sagt mir die Zärtlichkeit zunächst nichts. Sind die Punkte am Ende des V4 wie ein Fragezeichen zu verstehen? Das, oder ob da noch etwas ist?


Zitat:

Ich schlug dein Angebot
heftig mit Hieben
kältester Abweisung
leichtfertig aus.

Hier hege ich den Verdacht, bei dem Angebot des LD handelte es sich um eine "Intimisierung" der Beziehung. Die Abweisung, die ich aufgrund S1und S2 eher als Desinteresse oder Egomanie gedeutet hätte, wird nun scheinbar aktiv gegen die Nähe des LD gesetzt. Wäre es möglich, dass das nicht ganz so gemeint war? Wenn nicht, dann wäre ein "durch Hiebe" passender als "mit Hieben".


Zitat:

Ich gab Gelegenheit,
lüsternen Dieben,
ausmirzuschlachten mein
kostbares Haus.

Hu - was für'n Wort! Mittlerweile hat Maya kommentiert, da schaue ich mal nach, wie sie es versteht..
Ja, so ähnlich verstand ich es auch: dass dem LI das LD abhanden kam, auf das es drei Strophen lang abgesehen von Befriedigungszwecken - keinen besonderen Wert legte, dem es die kalte Schulter zeigte.
Nun, den Plural habe ich nicht hinterfragt, der anonymisiert die Diebe..


Zitat:

Ich war der Einsamkeit
hörig geblieben.
Alles was wichtig war,
alles war aus.

Kein Sex mehr wegen der Ichbezogenheit des LI - ja, das ist die Strafe.
Die Einsamkeit wird hier als ursächlich gesetzt...schwierig. Ich persönlich würde sie als Wirkung sehen.
Ursache ist wahrscheinlich, das alles - also, ich meine jede Strophe - mit dem Ich anfängt.
Die Egozentrik zeigt sich ja auch darin, dass das LI nicht selbst an der Situation schuld ist, sondern die böse Einsamkeit, der es hörig war.

Das Attribut "traurig" hätte ich wohl nicht gefunden. Ich sehe nicht so sehr ein Ausgeliefertsein vor dem Schicksal als eine egomanische Selbstlüge dargestellt. Was ich, wie gesagt, in den Ichs zum Strophen Anfang auch besonders gekennzeichnet finde. Das man da möglicherweise nur mit einem LD herauskommt, und sei es der Psychiater, wird nicht angedeutet. LI kippt in sich zusammen.

In diesem Zusammenhang kommt der Titel irgendwie passend falsch herüber.

So gesehen finde ich den Text in sich ganz rund und stimmig.
Aber ausser dem lowlight in S4 bietet er mir nicht viel, weder sprachlich noch thematisch noch wie auch immer...


Lieber Gruß
Ulrich
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#4

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in Liebe und Leidenschaft 08.07.2007 23:24
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
danke für die Kommentare

ich wollte sehen was ich mit dieser ersten Strophe hinbekommen kann, die mir tagelang durch den Kopf geisterte. jetzt bin ich sie los, halleluja. und allein schon, dass ihr die erste Zeile und den durchgezogenen lieben-trieben-Reim nicht explizit verrissen habt, will ich schon als Erfolg ansehen. ansonsten bleibt ja, abgesehen von einer gewissen Traurigkeit, eh nicht mehr viel auf der Habenseite zu verbuchen.

dein "grausam" bei diesem Wortungetüm in Z4 nahm ich ja noch gefasst zur Kenntnis, Maya, aber dass Ulrich dieses lowlight als einziges highlight des Textes identifiziert, stürzt mich in tiefste Fassungslosigkeit.

ich zählte neun Fragezeichen in euren Kommentaren. da ich schon gleich die erste Frage nach Frau oder Liebe nicht beantworten kann, lass ich es lieber bleiben. nur ein Hinweis, Ulrich: die zwei Punkte sind eine Fata Morgana.
ach herrje! jetzt such ich schon in eurem Geschrieb nach Fehlern... Zeit aufzuhören.

fassungslose Grüße
Alcedo



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