#1

Vagant

in Philosophisches und Grübeleien 20.06.2006 10:23
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Vagant

Gedichte aus anderen Foren*


Ach, wenn ich doch nur präpotenter litte,
ich bräuchte alles Blut zum Schwellen.
Mein Zentrum stände deutlich in der Mitte,
ich würde wieder beißen und nicht bellen.

Ich weiß, das ist ein pubertäres Denken,
das kann Erwachs’nen nicht gefallen.
Die wollen ihre Glieder nicht verrenken,
da ohne Druck die Korken nicht mehr knallen.

Auch ich genieße Sanftheit in den Worten,
will jeden Kompromiss bereiten.
Doch ließe sich kein Widerspruch mehr orten,
ich würde um des Streites willen streiten.

Du aber wirst mir ewig fremd erscheinen,
willst du den Zorn im Keim ersticken.
Du meinst, man darf nur formvollendet meinen,
doch glaubst, du könntest impotent beglücken.

Nicht mich! Wer will schon ohne Ende kuscheln
und in der Zärtlichkeit verrohen?
Ich schreie lieber laut, wo and’re tuscheln;
mir kann man nicht mit Liebesentzug drohen.


* Nach Usermeinung mit Tümpel- und/oder Userbeleidigungspotential

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#2

Vagant

in Philosophisches und Grübeleien 20.06.2006 12:23
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Lösche meinen Nik aus dem Posting

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#3

Vagant

in Philosophisches und Grübeleien 03.07.2006 19:31
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Mattes

Das gefiel mir so gut, dass ich es nominieren musste. Jetzt will ich natürlich auch noch etwas dazu sagen. Zum Inhalt und der Aussage, ein kleines Rollenspiel:

Wenn ich das lyr. Ich mal kurz auf die Couch bitten darf? Gut, liegen Sie bequem? Bestens, dann mal los.
Sie möchten also wieder Ihre Krallen zeigen? Gut, das ist verständlich. Durch die Jahre werden aus Tigern lahme Kätzchen und nicht selten kommt der Wunsch auf, wieder zum Rebell zu werden. Das drücken Sie hier in schönen Metaphern aus. Doch, wie Sie selber anfügen, beissen bellende Hunde nicht. Von daher ist Ihr Sehnen lediglich das, was es ist, ein Wunsch, der nicht in Erfüllung geht. Sie fragen mich wieso? Sehen Sie doch selber.... Sie geniessen doch die Sanftheit, den Kompromiss, das Streiten um des Streitens Willen und nicht, weil Sie sich eine Veränderung wünschen. Sie tun nämlich bloss so. Schliesslich ist das doch auch alles sehr bequem. Nicht wahr? Und weil Sie sich so grämen, dass Sie selber nicht (mehr) in der Lage sind, die Krallen zu zeigen, klagen Sie auf einmal das lyr. Du an, das da etwas bedächtiger und weniger aggressiv seine Probleme löst. Tja, das ist natürlich der einfache Weg. Schuld ist sowieso immer der Andere, nicht? Vielleicht ist es auch der einzige Weg, mit Ihnen umzugehen oder kann es sein, dass Sie das lyr. Du vielleicht gar, um seine Einstellung und Haltung, beneiden? Nicht? Könnte aber sein, oder? Denken Sie mal darüber nach.
So, die Zeit ist um. Sie dürfen Ihre Schuhe wieder anziehen und bis zum nächsten Mal. Hat mich gefreut. Die Rechnung kommt binnen einer Woche.

Auf Wiedersehen!
Dr. Eisenbart

Zum Formalen:
Da gibt’s nichts zu meckern. Du ziehst hier dein Ding ohne Fehl und Tadel durch. Schwellen/bellen und kuscheln/tuscheln finde ich gut gewählt und originell, das mildert den ersticken/beglücken-Reim etwas ab. Wo ich Verständigungsprobleme habe ist folgende Stelle (S4). ….Will jeden oder will jedem Kompromiss bereiten. (?) Wenn’s ersteres wäre, dann bin ich damit nicht glücklich, denn Kompromisse bereitet man doch nicht (vor)? Die geht man doch ein, oder? Und in Str. 4 habe ich auch ein Problem. Wird es fremd erscheinen, wenn es den Zorn ersticken will (also in Zukunft, da dies noch nicht geschehen ist) oder sollte es heissen, dass es fremd erscheint, weil es das ständig tut? Recht schwierig zu erklären, merke ich gerade, ich hänge aber dort fest (was kaum an mir liegen kann *g).

Ansonsten, wie gesagt, ein schönes Gedicht, das ich gerne gelesen und (wieder *g) kommentiert habe.
Ein besonderes Lob für den Titel. Herrliches Wort! Hier (in der CH) noch oft gebraucht, meist mit einem wohlwollenden Unterton für den Genannten.

Gruss
Margot


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#4

Vagant

in Philosophisches und Grübeleien 03.07.2006 22:39
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Hi Mattes,
wieder ein Gedicht das mich anspricht. Zum Formalen hat Marg alles gesagt aber der Inhalt hat es in sich.
Hier sehe ich im lyrI und Du eine gespaltene Persönlichkeit, die einerseits der jungenhaften Bosheit die Zügel geben will aber vermeintlich durch das LDu , immer mehr daran gehindert wird. Das lDu ist der Erwachsene Teil der Person, dressiert, getrimmt auf die sog. guten Umgangsformen mit dem Zwang zum Kompromiss. Hier kann man deutlich den Unterschied zwischen Mann und Frau erkennen, der Mann der ewig Junge bleiben will und spontan seine Umwelt attakiert und das Weibliche, dass schon als kleine erwachsene Frau geboren wird. (stammt nicht von mir ist aus einem Artikel der Zeit) Sehr schön präsentiert und man kann sich nur wünschen, dass der Junge in uns erhalten bleibt, denn ohne Agressivität gibt es keine Veränderung.
Gern gelesen,
Gruss
Knud

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#5

Vagant

in Philosophisches und Grübeleien 19.07.2006 09:11
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hi Marge!

Ich danke dir für dein „Rollenspiel“, das ja auch zeigt, dass das Dichten autotherapeutische Züge hat. Das mit dem Kompromiss habe ich jetzt einmal recherchiert und muss dir nolens-koblenz zustimmen, dass man dafür dichterische Freiheit benötigt. Sieh es bitte als Ellipse an, dass das lyrI jeden Weg zum Kompromiss zu bereiten bereit ist oder – schlichter –gerne jeden Kompromiss vor-bereiten möchte. Für mich klingt es immer noch ganz normal, kann man mal sehen.

Das andere ist natürlich auch eine Ellipse: Willst du auch weiterhin jeden Zorn im Keim ersticken, wirst du mir in dieser Frage auch weiterhin fremd erscheinen. Das lyrDu ist ja nicht wirklich fremd, dieser Unterschied aber entfremdet die beiden immer wieder. Auch diese Sequenz empfinde ich als total normal. Vielleicht lese ich zu viele viel zu alte Bücher?

Ansonsten vielen Dank für das schöne Lob, hat mich sehr gefreut.


Hi Knud!

Dieser Widerstreit der beiden Persönlichkeitsmuster gefällt mir noch besser, auch wenn der vielleicht immer noch therapiebedürftig ist. Auf jeden Fall ist das Gedicht als (An-)klage gegen ein separates lyrDu ziemlich einseitig, was Eisenbarts Analyse ja auch zeigt.

Ich stimme dir zu, dass es ohne Aggression nicht vorangeht und ich finde es fatal, dass bereits die verbale Auseinandersetzung geradezu verpönt wird. Ebenso sicher bin ich, dass wir beide Naturen benötigen, die weibliche, wie die männliche. Der Unterschied zwischen Frauen und Männern mag in den meisten Fällen so sein, aber es ist natürlich auch bereits ein Allgemeinplatz, dass jede/r von uns beides in sich trägt.

DG
Mattes

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