#1

Saline

in Liebe und Leidenschaft 10.06.2006 00:02
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Saline

Dunkle Tropfen meiner Seele,
Meere, Meere, Meere,
saugt die Silberwolkenkehle
bis aufs Weiße, Leere.

Salzkristalle bleiben liegen,
warten auf die Nächte,
wenn die Regenpfeifer fliegen
und der Sehnsucht Mächte.

Küss Kristall von meinen Wangen,
Sommersprossentränen,
lass mein Salz in Dich gelangen,
silbern wie mein Sehnen.



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#2

Saline

in Liebe und Leidenschaft 12.07.2006 14:25
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Alcedo

Ich war mal – noch zur Schulzeit – in einer Saline, daher war ich neugierig, wie du ein Salzbergwerk bzw. eine Anlage zur Gewinnung von Salz in Zusammenhang mit Liebe und Leidenschaft bringst. Nun, das gelingt dir eigentlich ganz gut, wenn ich es so auf mich wirken lasse, kann ich mich aber eines Schauderns nicht erwehren. Du fragst warum? Salz in meinem Innern …huch … Brennen! Schmerz! Aua! Kleiner Scherz, aber ich bin nun mal Frau und stelle mir das (den Akt) plastisch vor.

Was einem natürlich sofort ins Auge sticht, ist die 3malige Wiederholung von Meere. Da musste ich sofort an Max und Moritz denken: Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe! Wiederholungen sind ja ein probates Mittel, um Eindringlichkeit zu erzeugen. Hier dünken sie mich aber fast etwas zu üppig und haben den leichten Hauch von Füllwörtern. Ist natürlich aber Geschmackssache.
Der Regenpfeifer passt, vogelmässig, gut zum Meer und dem Salz, ist er ja ein Watvogel, aber leider fliegt er nur am Tag. Tja, blöd! Aber wer will schon kleinlich sein.
Was sind denn Sommersprossentränen? Kristall für das Salz, das habe ich begriffen, aber die Sommersprossentränen? Lediglich eine Wiederholung? Keine Ahnung.....

Was ich nicht so glücklich finde, ist die letzte Zeile in S1. …. bis aufs weisse … soll sicher heissen: bis zur Neige, juste? Dann müsste es aber gross geschrieben werden. Als Adjektiv zu Leere sehe ich es weniger, dann würde ich aber nicht bloss ein Koma machen, eher einen Gedankenstrich oder gar einen Doppelpunkt.

Das war’s von meiner Sommersprossenseite!
Gruss
Margot

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#3

Saline

in Liebe und Leidenschaft 17.07.2006 13:11
von Fabian Probst (gelöscht)
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Ich finde das durchaus gut geschrieben.

Die Problemzonen hat Margot schon angesprochen, dennoch
hat mich das Gedicht überzeugt.

Die Regenpfeifer, die in der Nacht fliegen, können ein Ausdruck für das losgelöste Glück sein, wo die Realität verschwimmt, denke ich.
Etwas abgehoben, aber für mich passend.

Die Wiederholung mit den Kristallen/Sommersprossentränen stört mich auch nicht sonderlich. Es sind zwei verschiedene Bilder in meinen Augen.

lg,Fabian

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#4

Saline

in Liebe und Leidenschaft 17.07.2006 14:51
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hallo Alcedo.. schließe mich den anderen beiden an.

Die Silberwolkenkehle.. gefällt mir.. ist das quasi der Raum, durch den der Sonnenschwamm scheint? Ich nehme es jedenfalls so. Am Ende kommt ja nochmal der Hinweis auf die Kehle.. durch das "silbern" - also die Vebindung zwischen Natur und Liebe.. zwischen dem "Verursacher" und dem "Lindernden". Oder so ähnlich.. ich glaube, man ahnt, wohin ich will.

Sommersprossentränen heißt für mich einfach, dass die Kristalle so gelagert sind, dass sie (silbernen) Sommersprossen ähnlich sind. Übersetzt könnten sie die Punkte des Leidens sein. So viele Male (im Doppelten Sinne), dass man sich verzehrt hat.

LG,
arno.

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#5

Saline

in Liebe und Leidenschaft 18.07.2006 19:55
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
freut mich dass meine Kombination von Überschrift und Rubrikwahl Leser anlocken konnte.

@Margot:
auf eine Salzbergwerk hatte ich mich nicht bezogen. ich denke die (wiederholte) eindeutige Wortwahl, sollte diesen Bezug schnell ausräumen.
ich frage mich nun auch grad ob meine Verse wirklich einen mit Salzkristallen panierten Phallus bildhaft entstehen lassen? das stört mich zwar nicht, war aber nicht vordergründig meine Absicht gewesen. ich wollte auf einen Salztransfer(!) hindeuten. das Pronomen in der vorletzten Zeile ist sehr wichtig und möchte nicht überlesen werden. dies schliesst für mich den Akt an sich sogar aus, (zumindest ist er mir hier nachrangig) denn Samenflüssigkeit enthält ja fast k e i n Salz, im Gegensatz zu anderen Sekreten, wie Schweiss oder Tränen. ich gebe ja zu dass es sehr schwierig ist die Art meines beabsichtigten Transfers zu verstehen, aber es hat mit sehr viel Nähe zu tun, mit nackter Haut und eher mit Mund-Schleimhäuten als mit anderen.
Zitat:

Der Regenpfeifer passt, vogelmässig, gut zum Meer und dem Salz, ist er ja ein Watvogel, aber leider fliegt er nur am Tag. Tja, blöd! Aber wer will schon kleinlich sein.

erzähl bitte nicht son Quatsch. Regenpfeifer sind durchaus dämmerungs- und nachtaktiv. vor allem bei Regen. sie machen sich im Dunkeln durch ihre charakteristischen Rufe kilometerweit bemerkbar.

schade, dass meine Wiederholungen bei dir nicht die erhoffte Wirkung erzielen. das gibt mir ein wenig zu denken, da ich selber auch unsicher gewesen war, gerade beim Gebrauch der Meere. ich hatte ursprünglich auch "dunkle, dunkle, Meere" und noch andres, hab mich aber dann doch für die monotone Dreihebigkeit entschieden.

Sommersprossentränen, sind in der Tat auch eine Wiederholung, diesmal nicht gleichlautend, für eingetrockneten Schweiß, in der Sonne.

Zitat:

bis zur Neige, juste?

das ist aber jetzt mal ein Volltreffer! ja so wars gemeint. "Weiße" muss ich wohl Großschreiben, soll ja sowas wie ein Synonym zu Leere sein. merci für den Hinweis.


@Fabian:
Zitat:

Die Regenpfeifer, die in der Nacht fliegen, können ein Ausdruck für das losgelöste Glück sein, wo die Realität verschwimmt

das hast du sehr schön gesagt, es trifft sich gut und ich nehme es gern um meine Intentionen zu unterstreichen.

freut mich, dass dir die anderen Wiederholungen zusagen. hatte dich die zweite Zeile auch gestört?


@Arno:
interessant, dass du bei meinen Wechselwirkungen zwischen "Verursacher" und "Lindernden" unterscheidest. das gefällt mir unds befriedigt mich.
die optische Ähnlichkeit von Salz- oder Quarzkristallen auf der Haut, mit Sommersprossen, ist natürlich naheliegend. Schwitzen als "leiden in der Sonne" zu bezeichnen, hat mich überrascht, aber es passt sehr gut.

ich danke euch!

liebe Grüße
Alcedo



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#6

Saline

in Liebe und Leidenschaft 18.07.2006 21:20
von Fabian Probst (gelöscht)
avatar

Zitat:

Alcedo schrieb am 18.07.2006 19:55 Uhr:

hatte dich die zweite Zeile auch gestört?





Sie ist auch für mich die schwächste Zeile des Gedichtes.
Liegt aber auch an der hohen Qualität der anderen.

Insgesamt hat es mich nicht so sehr gestört, aber wenn du etwas verbessern wolltest, dann würde ich dort anfangen - und danach dann aufhören.

lg,Fabian

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#7

Saline

in Liebe und Leidenschaft 18.07.2006 21:28
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hi Alcedo,

nach deinen Hinweisen fügt sich das Gedicht stimmig zusammen. Allein die "Siberwolkenkehle" bereitet mir noch ein paar Fantasiehindernisse. Eine Kehle, die saugt - meine erste Assoziation sind die durch Muskelkontraktionen sich im Augenwinkel sammelnden Tränen. Silberwolken sind nun aber auch eine Rhododendronart, was bei dir kein Zufalls sein kann, und stehen möglicherweise für seelische Blütenträume. die nicht in Erfüllung gehen. Aber ich fürchte fast, ich übersehe hier etwas Wichtiges.

Die salzigen Tränen als Extrakt einer unergründlichen See - des See-lenmeers, der Seelenmeere - die Verdreifachung finde ich absolut überzeugend. Nun sind Tränen, soweit ich weiß, durchsichtig, und das "dunkel" rechtfertigt sich nur durcjh die Analogie zu der "dunken Nacht der Seele". Am Ende verdunstet die ganze große Traurigkeit zu leeren weißen Spuren. "Ich spuckte Salz und kroch auf allen Vieren", schrieb einmal ein anderer Tümpler und kommt durch deine Zeilen erst an in der tiefenseelischen Dimension des Tränengewinns und - großartiger neuer Gedanke - Tränentransfers. Das ist Trans-Substantiation der höheren Art - Seele zu Salz und Salz zu Seele - mit der kein anderer Austausch von Körperflüssigkeiten mithalten kann, zumindest nicht metaphorisch.

Spricht mich sehr an, Saline. Bitte weise mich noch in die Feinheiten ein.

Lieben Gruß, Ulli

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#8

Saline

in Liebe und Leidenschaft 18.07.2006 23:18
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
lieber Ulli

schön, dass du die See, als Silbe, aus der Seele so anschaulich freigestellt hast. danke.

"Ich spuckte Salz und kroch auf allen Vieren"
diese Zeile in deinem Eisblumengedicht war mir ja auch sofort aufgefallen - ins Auge gesprungen, gewissermaßen!

die "Siberwolkenkehle" soll schlicht den in Dunst gehüllten, flimmernden weißen Vorhof unseres Zentralgestirnes personifizieren. wie man es nur an Gestaden wüster Inseln beobachten kann, Silber aus den "gouffres amers" gesogen, wie Baudelaire mal so schön gesagt hat. ein Kehle die entnimmt, aber aus der kein Donnergrollen erklingen wird, zumindest nicht gleich, vor Ort. natürlich fliesst bei alledem auch die Symbolik von Silber mit ein.

diese Rhododendronart kannte ich nicht. ich bin auch weitaus versierter in Ornithologie als in Pflanzenkunde (bei Ziergewächsen ja noch viel weniger bewandert). da überschätzt du mich also bei weitem.

beim Wegküssen von Tränen oder Schweiss gelangt Salz natürlich vorrangig über unsere Verdauungsorgane in unseren Blutkreislauf. geringste Mengen werden aber auch über die sogenannte Osmose ausgeglichen/transferiert. von einem tendentiellen Ungleichgewicht gehe ich aus.
anhaltende Nähe würde einen osmotischen Effekt (auch im übertragenen Sinne) begünstigen. das war der Grundgedanke meiner Saline. den weidete ich aus.

liebe Grüße
Alcedo

@Fabian:
merci für die Klarstellung


__________________________________
Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage
Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers,
Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
Le navire glissant sur les gouffres amers.

Charles Baudelaire (Les fleurs du mal) 1859


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