#1

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 05.04.2006 11:32
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Tigerland


Der Schrecken, den ich fürchte, kauert
mit gelbem Blick im Unterholz.
Ich darf nicht schlafen, denn er lauert
auf meine Schwäche, meinen Stolz.

Ich muss entscheiden, will ich laufen?
Dann lauf’ ich bis zum Jüngsten Tag.
Um diesen Preis mir Freiheit kaufen,
ob ich das lebenslang ertrag’?

Und wenn er mich am Ende finge
und kläglich endete die Flucht?
Dann griff’ ich lieber jetzt zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

und kämpft und zwar aus freien Stücken
und stirbt und nicht am Zahn der Zeit,
denn mag auch Überleben glücken,
im Laufrad kommt man rum, nicht weit.

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#2

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 18.04.2006 17:50
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
Hallo Mattes,

ich mag deine Art zu schreiben bei diesem gedicht.es klingt so schön fließend. und es hat mich nachdenklich gestimmt... die letzte zeile ist ein schöner ausklang, obwohl ich sie noch nicht richtig zu deuten weis.
sobald ich mehr weis melde ich mich wieder.

Gruß Franzi

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#3

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 18.04.2006 18:09
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Franzi und Mattes

Ich würde sagen, dass man sich seinen Dämonen stellen muß, um weiter zu kommen und sich zu befereien. Die Flucht ist nur ein Aufschub und birgt die Gefahr, dass das Spiel von vorne losgeht. Bis der Zahn der Zeit den Menschen dahin rafft.
Naja, So in etwa. Obwohl ich zwar weiß, wie es zu verstehen ist, vermochte ich es nicht genau zu beschreiben.

LG Gem

Ps.: Aber is doch nett jeworden

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#4

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 18.04.2006 18:20
von Maya (gelöscht)
avatar
Ich denke, es geht im Gedicht um die Herausforderungen des Lebens, denen man sich entweder stellen, oder vor ihnen flüchten kann. Bis zu einem gewissen Grad (er-)scheint die Flucht das leichtere Übel zu sein, als die Auseinandersetzung mit Problemen. Klar wirkt es zunächst verlockend, einfach davonzulaufen und sich durch die Flucht von den Ansprüchen zu befreien.

Doch währt diese scheinbare Freiheit nur kurzzeitig, denn das ganze Leben auf der Flucht zu sein, kann zu einer weitaus größeren Belastung werden, als sich dem Kampfe gleich zu stellen („ob ich das lebenslang ertrag’“).
Strophe 3 spielt wohl darauf an, dass es besser sei, sich den Anforderungen sofort zu stellen und lieber *kämpfend* unterzugehen, als aus Feigheit (hat was sehr Heroisches, diese Stelle).

Strophe 4 setzt den Gedanken nur fort, zwar kann man auch „flüchtend“ überleben, doch wird einen das nicht weit bringen. Das Laufrad könnte sich auf die Zeit beziehen, oder auf das von meinem Hamster.
Mein Hamster rennt zwar wie Bolle in dem Ding umher, doch weit kommen tut er damit nicht. Vielleicht ist damit auch gemeint, dass man doch immer wieder an die gleiche Stelle gelangt, man dreht sich im Kreise, die Probleme lassen sich nicht einfach so abschütteln.

Ich mag das Gedicht auch .

LG, yamaha

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#5

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 19.04.2006 11:53
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Xxx

xXxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX

alle Strophen gleich, im vierhebigen Jambus. schöner Kadenzwechsel.
den Titel las ich als Daktylus.

hallo Mattes

ich pick mir mal die letzten zwei Strophen raus, an denen man eventuell noch arbeiten könnte.

Zitat:

Mattes schrieb am 05.04.2006 11:32 Uhr:
Und wenn er mich am Ende finge
und kläglich endete die Flucht?
Dann griff’ ich lieber jetzt zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

und kämpft und zwar aus freien Stücken
und stirbt und nicht am Zahn der Zeit,
denn mag auch Überleben glücken,
im Laufrad kommt man rum, nicht weit.




am auffälligsten stört der unreine Reim, Flucht-súcht. "sucht" als Strophenabschluß ist stark, wie bei den restlichen Strophen auch. ich hab seit gestern Abend versucht darauf eine Paarung zu finden aber auch kein befriedigendes Ergebnis bekommen.

das viermalige "und" am Zeilenbeginn könnte viell. auch ein wenig aufgemischt werden. in der letzten Strophe stört es weniger, da es sich in eine gelungene Aufzählung einfügt. inhaltlich beißt sich dort aber dann das Sterben am Zahn der Zeit und das Überleben. aber bei so viel Schwung beim Griff zur Klinge ist man als Leser gerne geneigt diese winzige Disharmonie zu übersehen.
das Laufrad will dann schon weniger und unschöner in das gewählte metaphorische Biom passen.
die Assoziation Hamster oder Rennmaus, wie sie nicht nur mir, sondern auch yamaha und anderen aufkommen dürfte, erscheint mir nicht besonders glücklich.
vor allem da man da ja wahrlich auf der Stelle bleibt und nicht rumkommt.
Vorschlag: beim Laufen/Rennen kommt man rum, nicht weit.

Nochmal Strophe drei: "wenn er mich am Ende finge"
hier fehlt eine zeitliche Relativierung. das Ende kann ja unter Umständen sehr spät gekommen sein, manche sollen auch jahrelang flüchtend Spass gehabt haben. ich denke die Richtung wolltest du sicher vermeiden. außerdem wiederholt sich das Ende.

einige Versuche:
Und wenn er mich dann doch schnell finge,
beendend kläglich meine Flucht?
Dann greif ich lieber gleich zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

Und wenn er mich dann doch bald finge,
beendend kläglich meine Flucht?
Dann greif ich lieber gleich zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

Und wenn er mich schlussendlich finge,
gestolpert kläglich und verflucht?
Dann greif ich lieber jetzt zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

Titelvorschlag: Im Land des Tigers

Fazit: ich hoffe du nimmst mir meine Erbsenzählerei nicht übel. es ist nicht leicht aus deinen Gedichten optimierungswürdiges rauszulesen. und einfach so lobend daherkommen wollt ich auch nicht. denn auch bei diesem hier überwiegt das Gefallen, die lange nachwirkende Beschäftigung mit dem Inhalt und Wohlklang.

Gruß
Alcedo


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#6

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 19.04.2006 18:15
von Fabian Probst (gelöscht)
avatar
Ich finde das Gedicht gelungen. Schöne Aussage.

lg,Fabian

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#7

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 27.04.2006 14:22
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
@Non: Jetzt gehe ich davon aus, dass dir nichts weiter eingefallen ist, daher kann ich mich nun wohl auch bedanken. Danke.

@Gemini: Wieso weißt du nicht, es zu beschreiben? Du tatest es doch. Und sogar janz nett.

@yamaha: Du beschreibst es, als hättest du es geschrieben. Oder dein Hamster. Nein, ernsthaft, das mit dem Laufrad hielt ich für super eindeutig und bei dir hat es auch funktioniert. Danke für deinen Kommentar.

@Alcedo: Wie sollte ich dir das übel nehmen? Im Gegenteil: Vielen Dank. Ich verstehe das sehr gut, wenn du die Strophen teilweise umdichtest/umstellst und nehme das frecherweise einfach mal als Lob. Wenn mich der Drang überkommt, fremde Gedichte zu verändern, dann nur, wenn sie mich grundsätzlich ansprechen. Insofern fand ich das alles sehr interessant, wenn auch nicht meinen Vorstellungen entsprechend. Die Laufradkritik gibt mir zu denken, da ich das – wie oben gesagt – eindeutig und eindeutig gut fand. Deine Vorschläge haben alle etwas für sich, nur den Titelvorschlag, den lehne ich rundheraus ab. Das geht nicht anders.

@Fabian: Danke.

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#8

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 29.04.2006 23:49
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
ja doch, meinen Titelvorschlag lehne ich mittlerweile auch ab.

aber bei deinem Laufrad fallen mir immer noch lediglich solche gefangenen Hamster ein oder pralle Pusteblumen, die von der ganzen Laufradlauferei unberührt auf den Wiesen prangen.

___________________________

löwenzahn im tigerland
blüht noch außer rand und band
rennt man immer hin und her -
pusteblumen gibts nicht mehr


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#9

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 30.04.2006 00:10
von kein Name angegeben • ( Gast )
Nein, da mir das Gedicht so wie es da steht sehr gut gefällt, sage ich eindringlich: das Laufrad muss bleiben. Die letzte Zeile verdichtet wunderbar die Aussage des Gedichtes und wenn man auch nur ein Jota verändert, geht viel verloren, fürchte ich.

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#10

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 30.04.2006 08:04
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Nein, das Laufrad kann man hier nicht entfernen, da sonst das Ganze Bild zerstört werden würde.

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#11

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 30.04.2006 08:41
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
oh schön! widersprüchliche Meinungen.

dann will ich mal mit einem letzten Laufradausmerzungsversuch gegenhalten, mal sehn obs was bringt:

Und wenn er mich schlussendlich finge,
gestolpert kläglich und verflucht?
Dann greif ich lieber jetzt zur Klinge;
wohl dem, der die Entscheidung sucht

und kämpft und zwar aus freien Stücken,
sich stellt und bricht den Zahn der Zeit
dann mag ein wehrhaft Sterben glücken,
beim Dasein lebt man lang, nicht weit.

Gruß
Alcedo

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#12

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 30.04.2006 11:08
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Also so wie du es beschrieben hast, ist die Botschaft verfälscht und sie ergibt auch keinen Sinn.
Mattes beschrieb, dass eine Flucht nicht der richtige Weg ist. Man sollte sich stellen und die Entscheidung suchen. Kämpfend untergehen, oder die Gefahr besiegen und dadurch wachsen.
Das Laufrad stellt hier dar, dass die Gefahr durch die Flucht nicht gebannt ist, sondern jederzeit wieder in Erscheinung treten kann.
Bricht man aber den Teufelskreis, ergibt sich die Möglichkeit zu neuem.
Was der Satz "Beim Dasein lebt man lang, nicht weit" bedeuten soll, verstehe ich nicht.
Das Dasein würde genau das Gegenteil darstellen. Den Stillstand.
Also so wie es Mattes beschrieben hat ist es für meine Augen und Ohren ein geschlossenes Bild.

LG Gem


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#13

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 11.09.2006 20:26
von Roderich (gelöscht)
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Hallo,

Gem hat mich auf dieses Werk aufmerksam gemacht und dafür bin ich ihm wirklich dankbar. Was mir hier wieder durch die Lappen gegangen ist - sapperlot!

Wie Gem schon geschrieben hat: Ein sehr stimmiges, in sich geschlossenes Bild. Sprachlich und formal brauchen wir bei dir eh nicht diskutieren - da passt jedes i-Tüpfelchen.

Habe ich jedenfalls sehr gern gelesen und wieder ausgegraben.

Viele Grüße

Thomas

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#14

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 11.09.2006 20:32
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Rod! Was tust du!




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#15

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 11.09.2006 20:33
von Roderich (gelöscht)
avatar
Ich lass' den Tiger raus! Aber nur keine Bange - ich behaupte einfach, dass mich ein anderer Gem darauf aufmerksam gemacht hat.

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#16

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 12.09.2006 07:52
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Wahrscheinlich hat er dich darauf aufmerksam gemacht, was für ein arroganter Hund ich bin, dass ich die letzten Kommentare nicht mehr beantwortete. Recht hat er. Also danke ich dir für das Lob, Gemini für seinen inhaltlichen Kommentar aber noch mehr, da er eindeutig beschrieb, worum es geht.

Wahnsinn, wenn so ein Gedichtlein nach vier Monaten wieder wie eine Wasserleiche an die Tümpeloberfläche ploppt.

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#17

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 10.10.2006 14:30
von levampyre (gelöscht)
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Es ist erstaunlich, wie jemand, der außerhalb der Poesie so durchgehend brav tut und das Gesetz scheinbar nicht nach seinen ethischen Unschärfen befragt, doch solche Gedichte schreiben kann. Für mich spricht daraus der Mut zum Kampf gegen die Unterdrückung, gegen die Beschränkung der eigenen Freiheit, also eben die Dinge, für die ich mich auch im relaen Leben einsetze. Gewiss könnte man das gerade vor dem Hintergrund des Polit-Schlagwortes Nummer eins - Terrorismusbekämpfung - auch durchaus allegoretisch auslegen. Aber dazu neige ich nicht.

Ich fürchte, ich darf auch diesen Text nicht auf meiner Seite veröffentlichen. Aber vielleicht sollte ich auch gegen meinen Tiger kämpfen und es einfach tun, ohne Rücksicht auf den Tiger...

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#18

Tigerland

in Philosophisches und Grübeleien 11.10.2006 11:53
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

levampyre schrieb am 10.10.2006 14:30 Uhr:
Es ist erstaunlich, wie jemand, der außerhalb der Poesie so durchgehend brav tut und das Gesetz scheinbar nicht nach seinen ethischen Unschärfen befragt, doch solche Gedichte schreiben kann.


Unüberbietbar, Lev, dein ganzer Kommentar! Nicht nur, dass du in ein vermeintliches Lob hinterfotzig einwebst, was für ein obrigkeitshöriges, angepasstes, unintelligentes Arschloch der Autor eigentlich ist, nein, du entblödest dich auch nicht, dich selbst zu einer Art Freiheitskämpferin zu stilisieren.

Deine Befürchtungen, wenn sie denn überhaupt ernst gemeint waren, treffen jedoch zu: Du darfst nicht.

Übrigens ist die Allegorese nicht erforderlich, um die Botschaft zu verstehen. Man darf und kann auch gerne von einem Hamster ausgehen, der nicht im offenen Käfig dennoch gefangen bleiben möchte, nur weil im nächsten Gebüsch ein Tiger lauert. Es ist auch auf der ersten Sinnebene zu verstehen, was ich für sehr wichtig erachte.

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