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Am Hauptbahnhof
#1
von sEweil (gelöscht)
Am Hauptbahnhof
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 14.02.2005 15:17von sEweil (gelöscht)
Am Hauptbahnhof
„Sehen sie. So wird das gemacht.“
Der kleine Mann, wohl durch einen Glücksfall erst an seine neue Position gekommen, stellte sich neben seinen Bediensteten. Ein dürrer, eher an einen Zahnstocher Erinnernden, der eine Hand, nicht freundschaftlichen Ursprunges, oder gar mit helfender Absicht, sondern mit hartem Griff, die folgernde Beschwerde zu unterdrücken, auf die Schulter des Bankangestellten gelegt hat. Und dabei waren sie vor einigen Wochen noch Gleichgestellte, die über die vermeintlichen Ungerechtigkeiten ihres Chefs herzogen, ehe dieser frühzeitig und unerwartet in den Ruhestand ging.
„Aber ich habe es doch vor einer Woche genau so abgegeben und da..“
Vom lauten Seufzer seines Vorgesetzten unterbrochen hielt er inne. “Ich gebe dir einen gutgemeinten Rat, wenn ich dir sage, dass du dich in Zukunft etwas mehr anstrengen solltest.“ Er machte auf einem Absatz kehrt und eilte in sein Büro zurück.
Herr S. sah auf die Uhr; Viertel vor Vier. Die letzte viertel Stunde begann er seine Stifte nach Farben und Größe zu sortieren, um sie dann wieder auf einen Haufen in den Becher zu stellen.
Der Stuhl rutschte nach hinten, er stemmte die Hände auf den Tisch und richtete sich auf.
„Ach und Herr S.!“ schallte es aus dem Büro des Direktors heraus.
„Morgen bringen sie mir das Gesuch des Bäckers ausgearbeitet vorbei!“
„Natürlich Herr Direktor.“ antwortete er matt, im Gehen.
Er öffnete die Tür, er schloss die Tür.
Er nahm im Vorbeigehen seinen Mantel von der Stange.
„Pünktlich auf die Sekunde Herr S. Beachtlich ihr Tagesrhythmus, man könnte die Uhr nach ihnen stellen.“ sagte seine Sekretärin, die ihn mit ihren gebleichten Zähnen anlächelte, während sie ihm die Tür aufhielt.
„Einen schönen Tag noch, Herr S.!“ rief sie ihm hinterher.
Als er seinen Fuß auf den Gehsteig setzte schlug es gerade zur Stunde. Ein Mann mit einer Mütze ging an ihm vorbei. „Morgen zur selben Stunde?“ scherzte dieser, als er sich im Gehen umdrehte und mit dem Finger auf Herrn S. zeigte. Sein Grinsen verschwand, als er sich wieder nach vorne richtete. Es war ihm unangenehm, als hätte er etwas Peinliches an sich, worüber dieser junge Mann zu lachen hätte.
Dabei sah er ihn doch jeden Tag zur selben Stunde.
Sein Weg zum Bahnhof war mit Vorgärten, Blumenbeeten und spielenden Kindern gesäumt. Geschäftig eilten Menschen durch die Straße. Einige zum netten Kreisler vom Eckladen, andere vorbei an ihm, aus dem Sinn.
Allen war ihr Beruf, ihr Alltag anzusehen. Der Dame mit dem gelben Kleid und Hut, an der Hand ihr Kind führend, dem Uniformierten an der Kreuzung, der jungen Frau, mit dem kurzen Blumenrock , dem ärmellosen Oberteil und der aufgesteckten Frisur. Man konnte den Haarlack förmlich riechen. Und auch ihm, dem Bankangestellten.
Ein Bus fuhr gefährlich nahe an ihm vorbei. „Zwei Minuten zu spät.“ murmelte er vor sich hin, nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr.
Über eine Reihe von Häusern hinweg konnte man das Umland, mit den dichten Wäldern erkennen. Vor ihm der Bahnhof. Er ging durch eine kleine Halle zum ersten Bahnsteig, wo sein Zug schon bereitstand.
Zischend öffneten sich die hydraulischen Türen und ein kleines Pedal fuhr aus, um den Einstieg zu erleichtern. Herr S. stockte, stieg auf, zog sich hoch, trat ein. Zwei Schritte, den Koffer auf den gegenüberliegenden Sitz. Weich sank er, als er sich auf seinen Platz setzte. Er war der einzige im Zug und nach einem kurzen Blick aus dem Fenster verriet ihm die Anzeige, dass er noch zehn Minuten hatte, bis das Schienenfahrzeug mit seinen zwei Waggons die Reise auf den glänzenden Geleisen antrat.
– 16:25
Die Lehne war seinem Genick angepasst, er machte es sich gemütlich und seine gesamte Verspanntheit begann sich mit einem langen Atemzug zu lösen.
Er wandte sich wieder dem Fenster zu, doch schien er gar nicht hinaus zu sehen. Das Unbehagliche in ihm wich, als langsam, er hatte den nebenstehenden Zug fixiert, das Gefühl des Ziehens, des Gezogenwerdens in ihm aufkam.
Er fuhr.
Der Waggon war mit der Zahl 13 beschriftet.
Die Geleise entlang, dachte er, hin zu einer neuen Stadt, einer neuen Welt. Veränderung. Es kam ihm vor, wie ein Lichtblick, weg von der schnöden Welt in der er hauste, weg von all dem Unerträglichen.
Er passierte Waggon Nummer 14.
Seine Hand wanderte, ohne sein Zutun, als würde sie nach etwas fassen, das nun greifbar schien. Sein Geist wurde getragen, während sich im Inneren ein behagliches Gefühl mit dem der Freude zu mischen begann. Er war nicht länger eingesperrt in ein Zimmer mit vier Wänden, wo die Jalousien den Blick aus dem Fenster versperrten.
Nummer 15 wurde passiert. Seine Gefühlswelt erhob sich auf eine neue Ebene, von wo aus er mehr betrachten konnte, als vom Fuß des Berges. Die innerliche Gleichrichtung wurde zerbrochen. Wünsche, Vorstellungen wurden wiedergeboren.
Rasch zog er an der Waggon Nummer 17 vorbei.
Nun schien ihm nichts mehr etwas anhaben zu können. Der heimliche Liebhaber seiner Frau, der kleingewachsene, ehemalige Freund, sein Chef, die täglichen Strapazen und Enttäuschungen. Seine, ihn zu Recht, verachtenden Kinder.
in diesem Moment war er frei von derartigen Sorgen. Hoffnung und Lebenslust nahmen ihn für einen Augenblick gefangen. Hier, auf den glänzenden Geleisen.
- 16:34
Herr S. griff nach seiner Tasche und stieg aus dem Fahrzeug. Sein Zug, nun gänzlich gefüllt mit fremden Menschen, die er in seinem Zustand gar nicht wahrnahm, zischte, während sich die Räder zu drehen begannen.
„Ein Tag wie jeder andere, ha?“ rief ihm der Mann mit der Mütze zu, gefolgt von einem breiten Grinsen.
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Hat sich endlich überarbeiten lassen.
„Sehen sie. So wird das gemacht.“
Der kleine Mann, wohl durch einen Glücksfall erst an seine neue Position gekommen, stellte sich neben seinen Bediensteten. Ein dürrer, eher an einen Zahnstocher Erinnernden, der eine Hand, nicht freundschaftlichen Ursprunges, oder gar mit helfender Absicht, sondern mit hartem Griff, die folgernde Beschwerde zu unterdrücken, auf die Schulter des Bankangestellten gelegt hat. Und dabei waren sie vor einigen Wochen noch Gleichgestellte, die über die vermeintlichen Ungerechtigkeiten ihres Chefs herzogen, ehe dieser frühzeitig und unerwartet in den Ruhestand ging.
„Aber ich habe es doch vor einer Woche genau so abgegeben und da..“
Vom lauten Seufzer seines Vorgesetzten unterbrochen hielt er inne. “Ich gebe dir einen gutgemeinten Rat, wenn ich dir sage, dass du dich in Zukunft etwas mehr anstrengen solltest.“ Er machte auf einem Absatz kehrt und eilte in sein Büro zurück.
Herr S. sah auf die Uhr; Viertel vor Vier. Die letzte viertel Stunde begann er seine Stifte nach Farben und Größe zu sortieren, um sie dann wieder auf einen Haufen in den Becher zu stellen.
Der Stuhl rutschte nach hinten, er stemmte die Hände auf den Tisch und richtete sich auf.
„Ach und Herr S.!“ schallte es aus dem Büro des Direktors heraus.
„Morgen bringen sie mir das Gesuch des Bäckers ausgearbeitet vorbei!“
„Natürlich Herr Direktor.“ antwortete er matt, im Gehen.
Er öffnete die Tür, er schloss die Tür.
Er nahm im Vorbeigehen seinen Mantel von der Stange.
„Pünktlich auf die Sekunde Herr S. Beachtlich ihr Tagesrhythmus, man könnte die Uhr nach ihnen stellen.“ sagte seine Sekretärin, die ihn mit ihren gebleichten Zähnen anlächelte, während sie ihm die Tür aufhielt.
„Einen schönen Tag noch, Herr S.!“ rief sie ihm hinterher.
Als er seinen Fuß auf den Gehsteig setzte schlug es gerade zur Stunde. Ein Mann mit einer Mütze ging an ihm vorbei. „Morgen zur selben Stunde?“ scherzte dieser, als er sich im Gehen umdrehte und mit dem Finger auf Herrn S. zeigte. Sein Grinsen verschwand, als er sich wieder nach vorne richtete. Es war ihm unangenehm, als hätte er etwas Peinliches an sich, worüber dieser junge Mann zu lachen hätte.
Dabei sah er ihn doch jeden Tag zur selben Stunde.
Sein Weg zum Bahnhof war mit Vorgärten, Blumenbeeten und spielenden Kindern gesäumt. Geschäftig eilten Menschen durch die Straße. Einige zum netten Kreisler vom Eckladen, andere vorbei an ihm, aus dem Sinn.
Allen war ihr Beruf, ihr Alltag anzusehen. Der Dame mit dem gelben Kleid und Hut, an der Hand ihr Kind führend, dem Uniformierten an der Kreuzung, der jungen Frau, mit dem kurzen Blumenrock , dem ärmellosen Oberteil und der aufgesteckten Frisur. Man konnte den Haarlack förmlich riechen. Und auch ihm, dem Bankangestellten.
Ein Bus fuhr gefährlich nahe an ihm vorbei. „Zwei Minuten zu spät.“ murmelte er vor sich hin, nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr.
Über eine Reihe von Häusern hinweg konnte man das Umland, mit den dichten Wäldern erkennen. Vor ihm der Bahnhof. Er ging durch eine kleine Halle zum ersten Bahnsteig, wo sein Zug schon bereitstand.
Zischend öffneten sich die hydraulischen Türen und ein kleines Pedal fuhr aus, um den Einstieg zu erleichtern. Herr S. stockte, stieg auf, zog sich hoch, trat ein. Zwei Schritte, den Koffer auf den gegenüberliegenden Sitz. Weich sank er, als er sich auf seinen Platz setzte. Er war der einzige im Zug und nach einem kurzen Blick aus dem Fenster verriet ihm die Anzeige, dass er noch zehn Minuten hatte, bis das Schienenfahrzeug mit seinen zwei Waggons die Reise auf den glänzenden Geleisen antrat.
– 16:25
Die Lehne war seinem Genick angepasst, er machte es sich gemütlich und seine gesamte Verspanntheit begann sich mit einem langen Atemzug zu lösen.
Er wandte sich wieder dem Fenster zu, doch schien er gar nicht hinaus zu sehen. Das Unbehagliche in ihm wich, als langsam, er hatte den nebenstehenden Zug fixiert, das Gefühl des Ziehens, des Gezogenwerdens in ihm aufkam.
Er fuhr.
Der Waggon war mit der Zahl 13 beschriftet.
Die Geleise entlang, dachte er, hin zu einer neuen Stadt, einer neuen Welt. Veränderung. Es kam ihm vor, wie ein Lichtblick, weg von der schnöden Welt in der er hauste, weg von all dem Unerträglichen.
Er passierte Waggon Nummer 14.
Seine Hand wanderte, ohne sein Zutun, als würde sie nach etwas fassen, das nun greifbar schien. Sein Geist wurde getragen, während sich im Inneren ein behagliches Gefühl mit dem der Freude zu mischen begann. Er war nicht länger eingesperrt in ein Zimmer mit vier Wänden, wo die Jalousien den Blick aus dem Fenster versperrten.
Nummer 15 wurde passiert. Seine Gefühlswelt erhob sich auf eine neue Ebene, von wo aus er mehr betrachten konnte, als vom Fuß des Berges. Die innerliche Gleichrichtung wurde zerbrochen. Wünsche, Vorstellungen wurden wiedergeboren.
Rasch zog er an der Waggon Nummer 17 vorbei.
Nun schien ihm nichts mehr etwas anhaben zu können. Der heimliche Liebhaber seiner Frau, der kleingewachsene, ehemalige Freund, sein Chef, die täglichen Strapazen und Enttäuschungen. Seine, ihn zu Recht, verachtenden Kinder.
in diesem Moment war er frei von derartigen Sorgen. Hoffnung und Lebenslust nahmen ihn für einen Augenblick gefangen. Hier, auf den glänzenden Geleisen.
- 16:34
Herr S. griff nach seiner Tasche und stieg aus dem Fahrzeug. Sein Zug, nun gänzlich gefüllt mit fremden Menschen, die er in seinem Zustand gar nicht wahrnahm, zischte, während sich die Räder zu drehen begannen.
„Ein Tag wie jeder andere, ha?“ rief ihm der Mann mit der Mütze zu, gefolgt von einem breiten Grinsen.
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Hat sich endlich überarbeiten lassen.
#2
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Am Hauptbahnhof
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 19.02.2005 08:41von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hi sEweil
Ich finde Du hast die Trostlosigkeit sehr gut beschrieben, manchmal bist Du für meine Begriffe etwas zu sehr in´s Träumerische abgedriftet.
Warum ist der Prot. nicht ein bisschen verbittert?
Fügt er sich einfach so seinem Schicksal?
Und im ersten Absatz, haben mich die langen Sätze etwas verwirrt.
Schöne Stelle war auch das mit dem Bus und der Uhr "zwei Minuten zu spät"...
Lg Gemini
Ich finde Du hast die Trostlosigkeit sehr gut beschrieben, manchmal bist Du für meine Begriffe etwas zu sehr in´s Träumerische abgedriftet.
Warum ist der Prot. nicht ein bisschen verbittert?
Fügt er sich einfach so seinem Schicksal?
Und im ersten Absatz, haben mich die langen Sätze etwas verwirrt.
Schöne Stelle war auch das mit dem Bus und der Uhr "zwei Minuten zu spät"...
Lg Gemini
#3
von MrsMerian (gelöscht)
Am Hauptbahnhof
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.02.2005 22:11von MrsMerian (gelöscht)
Mir gefällt Deine Geschichte. Der Typ ist nicht verbittert, er ist enttäuscht und ein Träumer.
Was hülfe es ihm verbittert zu sein?
Ich kannte die Geschichte schon und habe mich gefreut sie hie auch zu lesen.
Danke.
Mrs.
PS:
Das hier kommt mir etwas unlogisch vor:
Bahnhöfe befinden sich selten in Reihenhauswohnsiedlungen jedenfalls die die ich kenne.
Was hülfe es ihm verbittert zu sein?
Ich kannte die Geschichte schon und habe mich gefreut sie hie auch zu lesen.
Danke.
Mrs.
PS:
Das hier kommt mir etwas unlogisch vor:
Zitat: |
Über die Reihenhäuser hinweg konnte man das Umland, mit den dichten Wäldern erkennen. Vor ihm der Bahnhof. Er ging durch eine kleine Halle zum ersten Bahnsteig, wo sein Zug schon bereitstand. |
Bahnhöfe befinden sich selten in Reihenhauswohnsiedlungen jedenfalls die die ich kenne.
#4
von sEweil (gelöscht)
Am Hauptbahnhof
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 25.02.2005 18:42von sEweil (gelöscht)
Ich grüß euch und gleich mal Danke für euer Feedback.
Es freut mich sehr, dass es euch gefällt.
Seit dem letzten Mal hab ichs nochmal wild überarbeitet.
Mit den Reihenhäusern hast du recht, Mrs.
Ich änders zu: Über eine Reihe von Häusern[...]
Danke nochmals.
Es freut mich sehr, dass es euch gefällt.
Seit dem letzten Mal hab ichs nochmal wild überarbeitet.
Mit den Reihenhäusern hast du recht, Mrs.
Ich änders zu: Über eine Reihe von Häusern[...]
Danke nochmals.
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