#1

von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 16.04.2009 09:20
von franz | 33 Beiträge | 33 Punkte
.
du tust mich kitzeln
und ich bespitzle dich
schon seit den frühen stunden
. reibe meine flächen deckend
. unter deiner will ich schlafen

schon voll von freuden
vergeud ich auch mein soll
noch mich in dir zu runden
.teile meinen atem leise
.folge ich in deinen hafen



05.April 2009

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>> Jetzt kann man schreiben was man will
(Oskar Pastior)
zuletzt bearbeitet 16.04.2009 23:46 | nach oben

#2

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 16.04.2009 18:48
von Maya (gelöscht)
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Hi franz,

so, nun sollst du auch einen Kommentar von mir erhalten. Auffällig sind ja zunächst die etwas eingerückten Zeilen 4 und 5 sowie die eingestreuten Reime, die mal zufällig gesetzt, mal beabsichtigt scheinen.

du tust mich kitzeln

Die Eingangsformulierung klingt aufgrund der "tut"-Konstruktion in meinen Ohren etwas unbeholfen, es sei denn, dass diese Formulierung einen Hinweis darauf geben soll, dass es sich beim lyrischen Ich um einen Eingewanderten handelt. Doch finde ich für diese Sicht keine weiteren Anhaltspunkte im Folgetext. Daher vermute ich mal ganz vorsichtig, dass du auf diese Formulierung aufgrund der Silbenzahl zurückgegriffen hast? Denn offensichtlich wurden die Silbenzahlen der beiden Strophen ja einander angeglichen, weshalb sich das Ganze auch recht flüssig liest.

In der zweiten Zeile hast du dich vertippt, denn es müsste "bespitzle" heißen (Verben auf -eln verlieren das -e des Infinitivs und erhalten ein "-e" als Endung). Betrachtet man Z1 und 2 zusammen, fällt die gleiche Lautfolge "itzel" auf; das ist kein Zufall, was man spätestens in der S2 entdeckt, wo wir auf "Freud/vergeud" stoßen und demzufolge ebenfalls eine gleiche Lautfolge vorfinden. Zusätzlich wurden in den Zeilen 1 und 2 beider Strophen auch folgende Binnenreime eingestreut: S1/Z1,2 "mich", "dich" sowie in S2: "voll", "soll". Solche Ideen finde ich immer wieder toll. Man könnte auch auf die Idee kommen, dass ursprünglich folgende Endreime geplant waren:

kitzeln/bespitzeln, freuden/vergeuden

...und dies dann doch nicht umgesetzt wurde oder werden konnte. Aber ich glaube, diese typische Endreimumsetzung hätte ich weniger interessant gefunden (da überall praktiziert), als diese lockere Alternative.

Vers 3 der S1 bildet dann den Reimpartner zu Vers 3 der S2 (stunden/runden). Die vierten Verse beider Strophen reimen unsauber auf "reibe/teile", wobei ich nicht sicher bin, ob dieser Anfangsreim gewollt ist oder zufällig zustande kam. Und die fünften Zeilen beider Strophen sind dann wieder eindeutig als Reim zu identifizieren ("schlafen/hafen").

Und jetzt, wo ich mich noch einmal mit diesen Einrückungen beschäftige, fällt auf, dass sich auch folgende Lesart offenbart:

du tust mich kitzeln
und ich bespitzel dich
schon seit den frühen stunden
schon voll von freuden
vergeud ich auch mein soll
noch mich in dir zu runden

...reibe meine flächen deckend
...unter deiner will ich schlafen
...teile meinen atem leise
...folge ich in deinen hafen


Die folgenden Verse empfinde ich vom sprachlichen Ausdruck her wundervoll:

reibe meine flächen deckend
unter deiner will ich schlafen

vergeud ich auch mein soll
noch mich in dir zu runden
teile meinen atem leise


(Wobei ich lieber "vergeude ich mein soll" lesen würde, aber dennoch ist auch dieser Vers eine schöne Idee.)
Eine letzte Anmerkung zur Sprache: Vielleicht ließe sich ein "schon" vermeiden.

Zum Inhalt:

Dieses Kitzeln der S1 deute ich als erotisches Signal. Das lyrische Ich spürt einen Reiz und reagiert darauf mit Bespitzelung, was zugleich andeutet, dass die beiden Personen wohl noch nicht in engerer Beziehung stehen, sondern man dem anderen erstmal aus der Distanz "heimlich" nachschaut und guckt, was der so treibt. Auch der Wunsch aus der S1, Z6 unterstreicht diese Sicht, denn offensichtlich schläft man noch nicht unter gleicher Decke.

S2 dreht sich um die Vorfreude des lyrI auf die Zusammenkunft mit dem Du. Es vergeudet darüber sein "soll". Hm, also mit der Interpretation der S2 tue ich mich etwas schwer. Steht das Soll für die Arbeit, die das lyrI aufgrund der Vorfreude etwas vernachlässigt und schleifen lässt? Aber nein, dieses "soll" bezieht sich ja auf "noch mich in dir zu runden", was ich nun als sexuellen Akt deute. In Verbindung mit Hafen - da denke ich automatisch an Ehehafen - könnte diese Strophe auch Bezug auf die sexuelle Vorfreude nehmen, wobei der Vollzug an eine Eheschließung gebunden ist.

Und folge ich jetzt mal der anderen Lesart und stelle nicht eingerückte und eingerückte Verse (wie ich es oben schon tat) als "neues Gedicht" zusammen, dann erschließe ich mir daraus einen entgegengesetzten Inhalt: Das lyrI wacht neben seinem/seiner Partner/-in auf, beobachtet ihn/sie schon seit den frühen Morgenstunden und wird dabei "spitz", um es mal lapidar zu formulieren. Die Uhr zeigt, dass man aufstehen und sich für die Arbeit bereit machen müsste; doch lässt man Fünfe gerade sein und dreht noch eine Runde im Bett.^^

Ja, das gefällt mir. :D Doch fürchte ich, etwas neben der Spur deiner Intention zu liegen.

Wie gesagt, mit dem Inhalt habe ich Schwierigkeiten, aber vielleicht kommt noch ein hellsichtigerer Kommentator vorbei, der mir die Augen öffnet. Auf jeden Fall hat dein Text mein Interesse und Gefallen geweckt, sonst hätte ich mich gar nicht so intensiv mit ihm befasst.

Liebe Grüße, Maya

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#3

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 16.04.2009 23:45
von franz | 33 Beiträge | 33 Punkte

Hallo Maya & vielen Lieben Dank für dein Komment,

Den Weg hierher habe ich zufällig gefunden, und nach kurzem Zögern habe ich mich doch registriert.

Die von dir angesprochenen Reime sind eigtl. nicht zufälliger Natur, sondern schon dort festgelegt wo sie sind. Jeweils in den ersten beiden Versen einen Halbreim/Assonanz/ wie auch immer von Vers eins auf zwei, und in der zweiten Hälfte der jeweiligen Strophe einen sauberen Reim auf die nächste Strophe.
Das die Silbenzahl einen tieferen Sinn impliziert hast du ganz richtig erkannt, denn ich bin ein Freund von sauberem Versmaß, bzw. hänge hier noch gern in der Klassik fest. Die von dir angesprochene Formulierung entstand aber nicht aus diesem Zusammenhang, sondern entspringt eher meiner Freundin aus Bayern. Denn dort tut man wohl recht gern tut gebrauchen. Davon abgesehen hatte ich zuerst die ersten beiden Verse der ersten Strophe als Grundbild im Kopf, und fand auch dass das tut hier irgendwo verniedlicht klingt.
Das vergeud fand ich persönlich galanter als vergeude, und auch der ganze Vers vergeude auch mein soll will mir vom Klang her nicht so gefallen, was aber lediglich Geschmackssache ist.
Warum findest du denn das schon nicht so gut gewählt?
Was deine Idee an Bild angeht liegst du eigtl. ganz richtig wenn du von Morgenstunden usw. sprichst, denn das was ich hier angesprochen habe ist lediglich die Sonne, als ich morgens auf dem Balkon saß ^^

P.s.: und ich bespitzle jetzt auch

Hab vielen lieben Dank für deine netten Worte und die investierte Zeit an meinem Gedicht!

Alles Liebe, franz


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(Oskar Pastior)
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#4

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 17.04.2009 00:03
von Maya (gelöscht)
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In Antwort auf:
Warum findest du denn das schon nicht so gut gewählt?


Mir fiel beim Lesen auf, dass sich "schon" innerhalb von nur 4 Zeilen doppelt.

schon seit den frühen stunden
...reibe meine flächen deckend
...unter deiner will ich schlafen

schon voll von freuden


Meine Kleinkariertheit kennt keine Grenzen. Aber es stört mich auch nicht übermäßig.

Gruß zurück.

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#5

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 17.04.2009 00:20
von franz | 33 Beiträge | 33 Punkte

und nocheinmal Hallo,

das doppelte schon war voll beabsichtigt, denn hier kommen die Einschübe ihrem Sinn und Zweck zu:
die jeweiligen Verse sollen einfach stärker betont werden, und wurden deshalb so formatiert wie zu lesen.
Aus diesem heraus fand ich (finde noch) das Klangbild das entsteht recht 'ansehnlich'. Nach zwei recht 'selbstbewussten' Versen
schwächt der Ton wieder ab, und das zweite schon wird (übertrieben gesprochen!) etwas mehr als gehaucht.

Ich glaube eine Hörversion würde hier Aufschluss geben.

*lG franz


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#6

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 20.04.2009 12:14
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Franz,
was soll man zu soviel "feiner" Strickart noch sagen. Vielleicht, dass man in Bayern "du tuts mich ..." auch nur noch selten hört und dass der Hafen bildlich nicht zur Sonne passt (eher zum Schoß der Geliebten) und dass der Titel durch das Schwere ein wenig zu stark zum eher Leichten im Text polarisiert.
Gern in die Morgensonne geblickt.
LG
Perry

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#7

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 20.04.2009 16:51
von Maya (gelöscht)
avatar


Hi franz,

ja, dein Argument bezüglich der Doppelung von "schon" überzeugt mich. Ein Wort dient quasi als Markierung für Anfang und Ende des Einschubs - das ist ja wirklich eine gute Idee.

In Antwort auf:
Ich glaube eine Hörversion würde hier Aufschluss geben.


Das wäre toll, wir haben ja eine Audio-Abteilung.

Lieben Gruß, M.

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#8

RE: von stunden schwer

in Liebe und Leidenschaft 21.04.2009 10:00
von franz | 33 Beiträge | 33 Punkte

Hallo Perry,

naja, ob meine Strickarten dann so fein sind, das lasse ich mal grinsend im Raum zurück.
Den Hafen habe ich mir aus den zahlreichen Mondgedichten gestohlen, denn hier bekommt man sehr, sehr oft zu lesen,
dass der Protagonist dem ollen Mond in den Hafen folgt. Ein zeitloses Bild das ich sehr schätze! Hier sollte es
nicht viel anders zu lesen sein. Ging wohl nicht ganz so auf wie ich dachte.
Ja, der Titel kommt schon komisch, aber gemeint habe ich hier lediglich die Erschöpfung, welcher man sich nach
dem "Ergötzen" hingegeben hat. Vielleicht macht es jetzt mehr Sinn. Komisch zu lesen, das sehe ich ein...

p.s.: dann hinken die Leutchen in Oberfranken der Zeit wohl hinterher, denn dort tuts immernoch tut gebrauchen und das derb


Hallo Maya,

freut mich zu hören das meine schon-Ausführungen sich erklären konnten, denn ich habe ernsthaft gezweifelt
ob du verstehst was ich hier wie gemeint habe. Meiner seltsamen Ausführung halber...
aber es ging wohl gut.
Lyrik vertonen mag ich sehr, denn hier kann seinem Text sehr gut eine zusätzliche Verbildlichung anverleiben,
leider kann ich meine Stmme echt nicht hören wenn sie von Band kommt. ich bin so der tiefe Brummbär.
Will Quadflight für arme und mag das nicht wirklich. Aber gut zu wissen das man hier auch hören kann. Werd mich gleich mal auf die Suche
begeben.


Vielen lieben Dank euch beiden an diesem sonnigen Dienstag Morgen,

franz


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