#1

Schattenlicht

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2009 13:27
von Aichi (gelöscht)
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Schattenlicht


Den Hauch meiner Existenz unterbrochen,
um die Klagen meiner seelischen Leiche anzuhören

Die Bitterkeit des Lebens
durchtrennt jede Faser meines Körpers

Die Augen rot glänzend,
halte ich inne…

Im Schatten des Tages Gegenstück


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#2

RE: Schattenlicht

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2009 16:20
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte

Hallo Aichi,

na, diesem Text hier kann ich wesentlich mehr abgewinnen als dem ersten, auch wenn wir es auch hier mit einem gerade mal noch klinisch und geistig lebendigen, aber ansonsten wohl verstorbenen lyrischen Ich zu tun. Die Existenz ist unterbrochen, die Seele schon tot. Wäre da nicht die Bitterkeit des Lebens, die zwar nur gründlich die Fasern des Körpers des Ichs durchtrennt, aber immerhin ein Lebenszeichen darstellt, wäre in dem Ich wohl nichts mehr los. Das Ich hält inne, unterbricht seine Existenz mit rot glänzenden Augen. Na, wenn da mal nicht einer Drogen genommen hat. Das scheint ja nach dem, wie das Ich es hier betrachtet nicht sehr genussvoll zu sein.

Der letzte Vers ist mehrdeutig, da er auf ein Prädikat verzichtet. Im einfachsten Fall sagt er einfach: Der Schatten ist des Tages Gegenstück.
Komplizierter wäre es, wenn es bedeutete "Im Schatten der Nacht (da Nacht des Tages Gegenstück)". Das klingt so nach dem Titel einer Vampirgeschichte, aber das würde ja zu der Untotenselbstbeschreibung des lyrischen Ichs passen. Vielleicht fühlt es sich durch die Drogen wie ein lebender Toter. Wer selbst in der dunklen Nacht noch im Schatten weilt, um den ist es wahrlich finster. Die Verwendung der Bezeichnung "des Tages Gegenstück" für Nacht könnte implizieren, dass es dem Ich schwer fällt, die Nacht beim Namen zu nennen. Oder es will noch mal darauf hinweisen, dass es sich nicht nur in einer Unterbrechung des Tages, sondern auch in einer Unterbrechung seiner Existenz befindet.

Wie auch immer. Das ganze ist ganz schön desolat. Die Schilderung des Leidens und der Bitterkeit schwelgt sehr in sich selbst und seinen Bildern, was zwangsläufig dazu führt, dass ein Mitfühlen durch den Leser ausgeschlossen ist. Das ganze wirkt übertrieben, weil das lyrische Ich zum einen, wie schon bei dem Anderen Gedicht zwischen der Schilderung todesählicher Zustände und dem Verschwinden aller Emotionen schwankt und der Erwähnung größter Schmerzen und Bitterkeit, was aus meiner Sicht absolut nicht zusammenpasst. Entweder ich bin fast tot und abgestumpft oder ich leide Schmerzen. Und ich glaube, das durchtrennen jeder Faser des Körpers verursacht Schmerzen, insbesondere, wenn es die Bitterkeit tut.

Ein Kommentar von jemandem der die Sicht des Ichs hier nciht nachempfinden kann, aber das Bild der unterbrochenen Existens und den letzten Vers gelungen findet. Lyrische Qualitäten hat das gewiss. Aber inhaltlich lässt es mich unberührt zurück.

Grüße,
GerateWohl


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#3

RE: Schattenlicht

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2009 16:32
von Aichi (gelöscht)
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Hallo GerateWohl!

Danke für deine ausführliche Kritik.
Ich finde es immer sehr interessant, was die Leser in meinen Texten sehen.

Aber warum wäre es komplizierter, wenn man "Im Schatten der Nacht" schreiben würde?
Ich meine, im Endeffekt meine ich ja nur die Nacht hier.

Ist eben auch immer Geschmackssache, ob der Inhalt nun berührt oder nicht.
Damit muss ich dann eben leben. :D

Und eigentlich beschreibe ich hier nicht jemanden, der Drogen genommen hat.
Aber vllt kommt es dem Zustand schon recht nahe.

Es ist einfach eine innere Zerissenheit, durch die Bitterkeit des Lebens ausgelöst.

Gruß

Aichi

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#4

RE: Schattenlicht

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2009 17:04
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte

Hallo Aichi,

ich meinte gar nicht, dass es komplizierter wäre, wenn man im Schatten der Nacht schriebe, sondern nur, wenn man den Satz in dem Sinne interpretiert, wie Du es ja jetzt als Deine Intention bestätigt hast. Allerdings frage ich mich dann auch, warum Du nicht einfach im Schatten der Nacht geschrieben hast.

Das mit den Drogen, ja. Da habe ich die roten Augen vielleicht überbewertet. Vielleicht bedeutet das Innehalten ja auch nur, dass das lyrische ich mal einen Moment aufhört, darüber zu flennen, dass das Leben so bitter ist.

Begriffe wie die Bitterkeit des Lebens sind ja sehr schwer greifbar, zeugen ggf. von einer im Grunde durch nichts ausgelösten negativen Einstellung gegenüber dem Leben. Mich berührt es ja an der Stelle wo es konkret wird. Wenn zum Beispiel ein Anlass, wie der Verlust eines geliebten Menschen, eine schwere Krankheit, ein Unfall oder so etwas. Natürlich kann ein Mensch auch einfach depressiv sein. Aber das ginge eher mit dem Gefühl der Abgestumpftheit und nicht mit Bitterkeit einher meines Wissens nach. Na, wie auch immer. Du bist ja der Dichter. Und in Deinem Gedicht ist das nunmal so wie es ist. Da muss ich mich als Rezipient hinten an stellen. Aber das allgemeine, unspezifische Schwadronieren über die Bitterkeit des Lebens trägt immer einen Anstrich von Jammerei und Selbstmitleid, was mir ener ein Augenrollen als Mitgefühl entlockt. Es ist allerdings hier, wie gesagt, in ganz feine Worte gekleidet.

Grüße,
GerateWohl


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