hallo GW, ich fand es gar nicht so einfach, mich zwischen deinen beiden noch unkommentierten gedichten zu entscheiden - sie wirken beide durchdacht um einen interessanten zentralen punkt herum komponiert, was mich anspricht und an die lyrischen prosaskizzen eines japaners erinnert, den ich letztes wochenende im kellerraum eines leipziger antiquariats entdecken durfte.
die mich aufmerksam machende idee ist die besondere wahrnehmung des lyrischen ichs, das sich anscheinend als eine in einem handlungsstrang spielende figur empfindet. damit verknüpfst du - geschickt, wie ich finde - das trotz oder vielleicht grade wegen (zuviel) farbe und surround sound als grau und hoffnungslos empfundene leben. ein leben, in dem man sich nichts erarbeiten muss, in dem man den wert der dinge nicht zu schätzen weiß - zivilisationskritik.
eine figur in einem handlungsstrang spielt ja eigentlich nicht, gespielt wird im theater, wo der schauspieler sich selbst mit einbringt, wohingegen bspw eine romanfigur und das, was sie tut, vom autor erdacht wird. die eher seltenen werke, in denen autoren ihre figuren "zum leben erwecken" und mit ihnen kommunizieren, lasse ich jetzt außer acht. natürlich werden ja auch dramen geschrieben und die haben sicher einen handlungsstrang, aber sobald die stücke auf der bühne sind, heißt es anders. kurz: wegen der romanassoziation wirkt das bild auf mich nicht ganz kongruent.
das gefühl der fremdbestimmung lässt sich an den letzten beiden versen ablesen, wo dem tag sozusagen der horizont genommen wird, die titelgebende aussicht existiert nicht mehr, wodurch der letzte satz rückbezüglich zynisch wird und noch mal ein zusätzliches gewicht auf das gesamte gedicht legt.
mir gefällt das "glotzen wir" nicht. die zeilen bringen aus der inhaltlichkeit ne menge atmosphäre mit, da sticht dieses wort wie ein neongrüner punkt auf einem grauen mantel hervor - es passt nicht und schmälert für mich die wirkung.
grüße
Kjub