Bärbel, Du gibst hier ein Beispiel, mit dem Du ohne meine Erklärung zeigst, warum ich fotografiere: ich erfahre, fühle etwas, und gleich droht es mir damit vergessen zu werden, noch ehe ich es nieder schreiben kann. Ich sehe mich um, wie kann ich es festhalten? Dann, was mir vorkommt, als wäre es eine Tür, durch die ich mein Erinnern zurückrufen kann. Ein Motiv, ein Foto, eine Notiz, Eintrag ins Tagebuch der Gefühle. Doch bei solchen Äußerungen wie dieser gibt es welche, die meinen ich wolle mich nur selbst darstellen. Natürlich zeigt sich auch noch in der kleinsten Äußerung der Mensch. Und
je mehr er sich zeigt, um so angreifbarer wird er.
Diese Skulptur, gepresster weißer Zementstaub, ich fand sie, verworfen in der glühenden Sonne von Samos in einer Manufaktur, wo man Abbilder von Göttinnen ihresgleichen für die Touristen aufstellte; zum Verkauf. Als ich hinter die Brennerei ging lagen da die Abgelegten, Weggeworfenen, Unfertigen, nicht Vollendeten, die nicht zum Verkauf taugten. Diese auf dem Foto dort lag zwischen den Nadeln der Alleppokiefern, der Kiefern die immer wieder auf der Insel brennen. Als ich sie sah war das Gedicht darauf schonschemenhaft in mir. Ich dachte an den Herbst, an den Winter danach. So entließ ich sie für einen liebenden Gott, auch einem aus Marmor, beide im Winter, weiß.
Du hast mir etwas sehr Kostbares geschenkt, liebe Bärbel.Was Du fühlst, dass kann man sich nicht anstudieren.
Liebe Grüße,
otto.