#1

halbwertszeiten

in Natur 24.07.2012 15:12
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

auf dem werksgelände vögel
nur bunte sind selten ein albinohase
hoppelt hakenschlagend durchs gras

die gießkannen auf dem friedhof
sind gefragter denn je das grün
auf frischen grabstellen zu wässern

es scheint als heult die sirene tiefer
seit der feind lautlos wie blutläuse
unsere paradiesapfelwelt befällt

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#2

RE: halbwertszeiten

in Natur 27.07.2012 05:34
von stray (gelöscht)
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eigenartige zeilen, perry,

deren fast harmlose wortwahl die zeichen der apokalypse dem leser zu deuten nahelegt.

sie gelten als omen, die albinos. ein hase, symboltier friedfertiger fruchtbarkeit, kündet vom
lautlosen wie unsichtbaren angriff schleichender zerstörung. fauna und flora sind nicht mehr
wie sie waren. lebensspendendes wasser auf einen friedhof getragen wird zum sinnbild der
gegenwart. ist der garten eden ein weiteres mal vertan?

der text vermittelt die stimmung einen kriegsschauplatz zu durchwandern. man liest sich stray

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#3

RE: halbwertszeiten

in Natur 27.07.2012 10:14
von Kokoschanell (gelöscht)
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hi perry,

werksgelände, sirene, die zur arbeit ruft- viele arbeitslose, entlassene, teilzeitarbeiter, die nur halb so viel wert sind wie die anderen. der feind ist die gier nach immer mehr mammon, gewinn.sirene bei fliegerlarm.
sterben von ausgesonderten- und die politik will uns verklickern, die arbeitslosenzahlen wären gesunken.
geschickt die wörter gemischt und eindrucksvoll geschrieben
suppi!
grüße von koko

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#4

RE: halbwertszeiten

in Natur 27.07.2012 11:25
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Stray,
deine Interpretation von einer weiteren Flucht aus dem Paradies gefällt mir gut, auch das Bild vom lebensspendenden Wasser auf dem Friedhof.
Die Auslegung des Albinobildes geht schon eher in die Richtung, die ich im Auge hatte. So hat man z.B. festgestellt, dass es im radioaktiv verseuchten Gelände um Tschernobyl, kaum bunte Vögel gibt, weil die strahlungsanfälliger sind. Zusammen mit der steigenden Sterberate, bekommt der unsichtbare Feind dann ein "strahlendes" Gesicht.
LG und danke fürs Interesse
Perry

Hallo Koko,
auch deine Interpretation mit den halbwerten Teilzeitarbeitern gefällt mir gut, sowie die Verlagerung der ganzen Szene ins Trostlose einer zunehmend unsozialer werdenden Arbeitswelt.
Danke fürs Hineinspüren in die Bilder und fürs "eindrucksvoll."
LG
Perry

zuletzt bearbeitet 27.07.2012 11:27 | nach oben

#5

RE: halbwertszeiten

in Natur 29.07.2012 03:29
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Ja das ist ein Werk perry.
Das lese ich gerne noch mal.

Gem

Ps.: Willst du eine Kritik oder nur mein Lob.


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#6

RE: halbwertszeiten

in Natur 29.07.2012 11:57
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Gem,
mir ist vorallem konstruktive Textarbeit wichtig, denn ich will ja an meinen Texten arbeiten, um sie druckreif zu machen. Über ein Lob freue ich mich natürlich auch und nehme es gern als Ansporn weiterzuarbeiten.
LG
Perry

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#7

RE: halbwertszeiten

in Natur 29.07.2012 19:09
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Tag, perry!

Ich bin Aussenseiter Deiner Form, deshalb mit den Zeileneinteilung nicht einverstanden.
Warum schreibst Du nicht einfach:

nur bunte sind selten
ein albinohase hoppelt hakenschlagend durchs gras


Das wäre meiner Ansicht nach klarer und logischer. Die von Dir bevorzugte Einteilung scheint mir nicht durch Sprechpausen begründbar zu sein, wären ausserdem nur verwirrend.

Sicher wirst Du froh sein, dass ich es nicht geschrieben habe, da es bei mir ungefähr so aussehen würde:

Auf dem Werksgelände vögel;
nur bunte sind selten.
Ein Albinohase hoppelt hakenschlagend um Grabsteine.

Längst nutzlose Gießkannen auf dem Friedhof
waren einst gefragt,
das Grün zu bewässern.


Mit Gruß
Joame

zuletzt bearbeitet 29.07.2012 19:12 | nach oben

#8

RE: halbwertszeiten

in Natur 30.07.2012 22:09
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Joame,
danke für deine Sicht, die durchaus auch seine Berechtigung hat.
Ich breche oft, um eine doppelte zeilenbezogene bzw. -übergreifende Lesbarkeit (Enjambements etc.) zu unterstützen oder wie Du selbst bemerkt hast, um entsprechende Betonungs- bzw. Lesepausen zu setzen.

Beispiel:

auf dem werksgelände vögel
nur bunte sind selten

nur bunte sind selten ein albinohase

ein albinohase
hoppelt hakenschlagend durchs gras

LG
Perry

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#9

RE: halbwertszeiten

in Natur 31.07.2012 13:57
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Danke, perry, für Deine Sichtweise.
Das Hakenschlagen um Grabsteine, um Gräber wäre
symbolisch, dem Tod zu entrinnen. Eine erstrebenswerte Kunst!

Gruß
Joame

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