#1

Melanie Mühl: Die Patchwork–Lüge - Eine Streitschrift

in Literatur 15.11.2013 13:39
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

Eine Buchempfehlung:
Melanie Mühl "Die-Patchwork Lüge -Eine Streitschrift"


Hat man sich durch die ersten Seiten mit Prominez-Einleitung und daraus aufdrängen wollendem Befindlichkeits-Zynismus (m.E.) gelesen, wird es immer besser.
Frau Mühl hätte auf ein bisschen die Schweigers, die Wulfs & Co verzichten sollen, da so der Eindruck schwebt, dass dieses Buch nur auf Grund dieser, leserheischend, vom Verlag veröffentlicht wurde.

Danach wird es sehr passabel: ein Spiegel der Entfremdung, des Auseinanderbrechens der Insel Familie mit allen Konsequenzen - der wachsenden Vereinsamung des Ichs, dem zunehmenden egoistischen bis hin zum narzistischem Wahn des gleichen, als Selbstschutzmaßnahme oder aber gegenteilig die Verirrung in die Orientierungslosigkeit, basierend auf ewiger Unverbindlichkeit unserer neuen, ach so schön gefaselten, Gesellschaftsstruktur, welche sich von der Verbindlichkeit an sich trennt, frei nach dem Motto "Besser ein Ende mit Schrecken..." und der Darstellung der immer häufiger anvisierten kampflosen Kapitulation in allen Bereichen, dem leichteren Weg, gegen welche sich diese Streitschrift positioniert.

Es ist eine Reflektion des Wandels, zu dem was Kindheit und Familie darstellten. -
Das Resumee der absoluten Austauschbarkeit, Entscheidungsfreiheit, der Wertlosigkeit, des Verfalls der Loyalität und Ethik im engsten wie im weitesten Kreis, der Effizienz des Einzelnen in seiner selbstoptimierten kleinen Welt, der auf alles übertragenen Ergebnisse dieser Anpassungen, selbst auf die Schutzzone des Heranwachsens und Geborgenseins, die programmierte Gefühlsstarre, die gewollte Anpassung und damit Gesellschaftskonformität, und wir leben im Kapitalismus, im Eigentlichen: dem Wettrennen, dem Gewinn, der kontinuierlichen Steigerung der Produktivität des losgelösten Darstellers, dieses geschaffenen allzeit überall einsatzbaren Nomaden.

Es schwingen in den Darstellungen Frau Mühls die Möglichkeiten wohin sich diese Strukturen entwickeln könnten, auf Grundlage des journalistischen Vergleichs, recherchierend soziologisch, literarisch, philosophisch.
Was bleibt wenn dem Menschen seine sozialen Bindungs- und Handlungsfäden entzogen werden, er der permanenten Selbstoptimierung unterliegt, medienwirksam suggeriert wird was "normal" und erstrebenswert ist, das Model Familie öffentlich auf Zweckgemeinschaft reduziert wird, (Woll-)Lust und Völlerei als der lebenswertere Weg bezeichnet werden?
Wozu soll man an etwas arbeiten, was sich doch abschreiben lässt, der nächste kurze K(l)ick ist schon in Sichtweite zumindest bis Verbindlichkeiten gefordert werden.

Das Buch ist im Wesentlichen gelungen. -
Für manchen vielleicht verzerrt, für mein Empfinden verdammt realitätsnah.
Hier sei nochmals erwähnt, dass dieses Buch KEIN Ratgeber ist, es also keine Antworten oder Zukunftsmodelle gibt, braucht der Rezipient ein solches sollte er sich selbst finden und positionieren!

Die Buchaufmachung täuscht, sie macht den Eindruck ein fröhlicherer Lebensratgeber zu sein.
Es handelt sich allerdings um durchaus ernst zu nehmenden Inhalt, nicht nur aus soziologischer Betrachtung.

Lesens- & bedenkenswert.


©


Edit: ...viel, Verzeihung! - zeitlos.


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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
zuletzt bearbeitet 15.11.2013 16:21 | nach oben

#2

RE: Melanie Mühl: Die Patchwork–Lüge - Eine Streitschrift

in Literatur 16.11.2013 16:46
von alba | 645 Beiträge | 720 Punkte

hallo gedichtbandage,

klingt anschaffenswert. literaturtips vorm freßfest zwecks optimierung meiner imagepflege durch
solch ausgeschlafene präsentanwärter machen sich weniger kontraproduktiv als mein vokabular
nahelegt. außerdem fetze ich gerne mit sachen herum, die anderen die laune verderben können.
muß ja nicht immer paddelmich crazy technik sein, lyriklines oder katzenfutter. miau alba

zuletzt bearbeitet 16.11.2013 16:48 | nach oben


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