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Runner's high - Teil 2

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.12.2008 15:44
von Schreiberling (gelöscht)
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das Zurückbleiben vor irgendwelchen Haustüren nichts Romantisches hatte und auch nichts Interessantes, nur etwas Einsames und Zurückgebliebenes hatte es, aber Franz gab nicht auf, viel Zeit verbrachte Franz in der Nähe von Frauen, viel erzählten ihm diese Frauen von ihren Wünschen und Ängsten, von ihren Sehnsüchten und ihren Träumen, und in einem fort tänzelnd neben den Frauen hörte Franz ihnen zu, Franz nickte, Franz sagte, er würde sie sehr gut verstehen, und wenn es ihm notwendig erschien, dann rief Franz Automatismen ab, mit denen er auch dann Verständnis vorheucheln konnte, wenn Frauen begannen, ihm von besonders schlimmen Schicksalsschlägen zu berichten, mit Hilfe dieser Automatismen gelang es Franz stets, seine eigene Verständnislosigkeit zu verbergen, die Frauen erklärten Franz sogar immer wieder, wie verständnisvoll er doch wäre im Gegensatz zu all den anderen Männern, und Franz hörte die Frauen über all diese anderen Männer erzählen, hörte sie berichten von ihren Problemen mit all diesen anderen Männern, hörte sie reden von ihrer Sehnsucht nach Männern, mit denen sie jene Probleme nicht hätten, „vielleicht sollten wir es einmal miteinander probieren“ schlug Franz einer der Frauen vor, die sich besonders über ihre Probleme mit all den anderen Männern beklagte, Franz sah sie erwartungsvoll an, und sie fing an zu lachen, „ach, nein“, kicherte sie, und sie strich Franz nicht einmal über die Wange, sie ergriff nicht einmal seine Hand, aber Franz ließ sich nicht durch Situationen wie diese in seinem Werben beirren, wie ein Hund lief er manchmal um die von ihm umworbenen Frauen herum, Schwanz wedelnd und in einem fort darum bemüht, den von ihm umworbenen Frauen zu gefallen, und Franz hörte den Frauen nicht nur zu, Franz erzählte den Frauen auch gerne Geschichten aus seinem eigenen Leben, immer die selben Geschichten erzählte Franz den von ihm umworbenen Frauen, jedes Mal jeweils um das eine oder andere Erlebnis der letzten Tage ergänzt, immer geübter wurde Franz im Erzählen seiner immer gleichen Geschichten, humorvoll gelang es Franz diese Geschichten zum Besten zu geben, bei manchen Pointen hätte Franz eine Analyse des Lachens von Frauen machen können, andere Anekdoten erzählte Franz mit dem nötigen Pathos, um das Mitleid der Frauen zu erregen, ab und zu streichelte ihm eine Frau sogar über die Hände, dem armen, doch stets ohne dass Franz daraus Kapital schlagen konnte, und wenn die Frauen müde wurden, dann brachte Franz die Frauen nach Hause, ein Gentleman war er, Franz wusste, was sich gehörte, doch insgeheim hoffte Franz nur, von den Frauen mit nach Hause, mit in ihre Wohnung, in ihr Bett genommen zu werden, lief Schwanz wedelnd um die Frauen herum, gelegentlich zögerlich ihre Rücken berührend, und die Frauen warfen ihm Stöckchen, sie lobten ihn, wenn er sie brachte, ab und zu kraulten sie ihm seinen Kopf und zogen ihn an seinen Lefzen, dass sein Sabber über ihre Finger floss, und ihre feuchten Hände klopften sie dann an seiner muskulösen Flanke trocken, küssten ihn vor der Haustüre zum Abschied zwischen die Ohren auf die Stirn, und keuchend, manchmal auch winselnd und mit Aussprüchen wie „mit dir ist es immer so nett“ im Ohr blieb Franz alleine auf der Straße zurück, dabei wollte Franz gar nicht nett sein, ficken wollte Franz diese Frauen, ficken und lecken und einschlafen wollte Franz in ihren Armen, aber Franz gab nicht auf, denn Franz war schließlich davon überzeugt, dass er nur wollen müsse, dass er nur an sich glauben müsse, und Franz wollte, und Franz glaubte an sich, und Franz blieb in Bewegung, lief auf Bibliotheken, nicht aus Interesse am Lesen, nicht auf der Suche nach bestimmten Meisterwerken der Weltliteratur, Franz lief allein deshalb auf Bibliotheken, um sich dort Bücher für bestimmte Übungen und Vorlesungen auszuborgen, denn einen Zweck hatte alles im Leben von Franz zu erfüllen, und so erfüllte auch der Besuch von Bibliotheken einen Zweck, diente nicht der Unterhaltung oder gar der Entspannung, Franz lief auf Bibliotheken, um sich dort jene Literatur zu besorgen, die er lesen musste, um sein Studium absolvieren zu können, um Magister zu werden und nach dem Magister dann Doktor, um Doktor werden zu können, wie sein Vater und wie seine Schwester und wie die meisten seiner Onkeln und Tanten, und wie schon manche seiner Cousins und Cousinen, und wie es auch sein kleiner Bruder einmal werden wollte, nur dass sein Vater und seine Schwester und die meisten seiner Onkeln und Tanten wie auch seine Cousins und Cousinen den Doktor in Fächern verliehen bekommen hatten, die in der Familie von Franz gemeinhin als „sinnvoll“ erachtet wurden, sein Vater war Arzt und seine Schwester Juristin, und die meisten seiner Onkeln und Tanten waren entweder Ärzte oder sie waren Juristen, und auch sein kleinerer Bruder wollte einmal ein Arzt werden, um die Praxis seines Vaters übernehmen zu können, wie dessen Vater die Praxis seines Vaters übernommen hatte, und so weiter, die Familie von Franz bestand entweder aus Medizinern oder aus Juristen, und dazwischen gab es noch ein paar Künstler, keine bedeutenden Künstler, mehr waren sie gescheiterte Künstler, gescheiterte aber in der sonst so auf Erfolg pochenden Familie akzeptierte Künstler, denn Kunst, zumindest die Musik wurde in der Familie von Franz als etwas Schönes und Wichtiges akzeptiert, und allein den Künstlern, zumindest den Musikern und den Komponisten war es erlaubt, an ihren Ansprüchen und vor allem an ihrem Können zu scheitern, was ein Arzt niemals durfte und auch kein Jurist, Ärzte und Juristen hatten immer erfolgreich zu sein, durften nicht an ihren Ansprüchen scheitern und schon gar nicht an ihrem Können, allein den Künstlern in der Familie von Franz war es erlaubt, erfolglos zu bleiben, die Künstler hatten in der Familie von Franz den Status von Narren, die man gerne einlud, damit sie die Familie mit ihrem zwar nicht genügenden aber im kleinen Kreis doch ansprechenden Können unterhielten, so wurde auch die Mutter von Franz gerne von den Familienangehörigen gebeten, sich an den Flügel zu setzen, und die Familienangehörigen lobten ihr Spiel, das sicher nicht schlecht aber für eine Konzertpianistin doch nicht ausreichend war, die Mediziner und Juristen applaudierten ihr trotzdem, sie erklärten ihr trotzdem, wie sehr sie sie für ihre Begabung beneiden würden, wie gerne sie selber ein Instrument in ähnlicher Perfektion beherrschen würden, denn die Künste, so meinten die Mediziner und Juristen in der Familie von Franz, wären einfach das Schönste, was es gebe auf dieser Welt, zumindest die Musik wäre das, nicht so zum Beispiel die Malerei, die sie für schmutzig hielten, oder die Literatur, der sie unterstellten, dass sie zur Derbheit neige, zumindest die moderne Literatur, die Musik hingegen wäre immer rein und von Grunde her edel, so meinten die Mediziner und Juristen in der Familie von Franz, und wäre Franz Pianist geworden, so wäre seine Berufswahl in seiner Familie akzeptierter gewesen, doch dass sich Franz dafür entschieden hat, ein Doktor der Philosophie zu werden, indem er Publizistik studierte, das gefiel seiner Familie, allen voran seinem Vater und seinen Onkeln und Tanten zuerst überhaupt nicht, „Liebhaberei“ nannte ein Onkel von Franz dieses Studium immer, um danach zu betonen, dass man mit diesem Studium keinen anständigen Beruf ergreifen könne, mit diesen Studium weder Jurist werden könne wie er, noch Arzt wie sein Bruder, und der Vater von Franz wurde nicht müde, Franz zu erklären, dass man wuchern müsse mit seinen Talenten, und das würde im Falle von Franz nicht bedeuten, sein Talent für etwas so Sinnloses wie die Publizistik und für etwas so Nutzloses wie die Philosophie zu verschleudern, die Philosophie, so erklärte der Vater von Franz, wäre ein Hobby, dem man sich in der Pension widmen könne oder möglicherweise während des Urlaubs, wo es erlaubt ist, sich für ein paar Tage dem Müßiggang und damit auch dem Grübeln über die Zusammenhänge der Dinge zu widmen, auch am Wochenende wäre dies möglich oder in intellektuellen Zirkeln, in denen man einmal monatlich zusammenfindet, um sich philosophischen Themen über Vorträge, Referate und vor allem durch Diskussionen anzunähern, aber als Lebensinhalt oder gar als Ausbildung tauge die Philosophie nicht für einen so talentierten jungen Mann wie seinen Sohn, der doch wuchern müsse mit seinen Talenten und sie nicht verdorren lassen dürfe auf den vertrockneten Feldern des europäischen Geistes, und Onkeln und Tanten von Franz nickten und forderten, „wuchere und werde doch Arzt“, oder „wuchere und werde doch Anwalt“ oder „wuchere und werde doch Richter“, oder „wuchere und forsche in einem gentechnologischen Labor“, und Franz sagte „nein“, und im selben Atemzug sagte Franz „ja“, „ja, ich wuchere, und ich werde Doktor der Philosophie“, und die Onkel und Tanten und der Vater von Franz schlugen ihre Hände über ihren Köpfen zusammen, „wer kann schon einen Philosophen gebrauchen“ schrieen sie, und Franz erging es hier nicht viel anders, als es wohl seinem Freund Anton ergangen wäre, hätte sich sein Freund Anton nicht hinunterfallen lassen, einfach vorn über hinunterfallen lassen, hätte sich sein Freund Anton weiter nur um Computer gekümmert, denn auch sein Freund Anton stammte aus einer Familie, in der es nur Mediziner gab und Juristen und vereinzelt auch einige Künstler, auch wenn die Mediziner und Juristen in der Familie von Anton viel bedeutender waren, als die Mediziner und Juristen in der Familie von Franz, denn die Mediziner in der Familie von Franz waren nur praktische Ärzte, oder sie waren Spezialisten mit gewöhnlichen Ordinationen, kaum jemand unterrichtete auf der Universität, und keiner der Mediziner in der Familie von Franz hatte je eine wichtige Entdeckung gemacht, und auch die Juristen in der Familie von Franz waren ganz gewöhnliche Juristen, waren Anwälte und gewöhnliche Richter, arbeiteten in Rechtsabteilungen und in juristischen Beratungsstellen, es schien fast so, als gäbe es für die Karrieren in der Familie von Franz eine natürliche Grenze, mit der sich jedes Familienmitglied einverstanden erklärte, die niemals überschritten wurde, so erfolgreich und gut die Ärzte und Juristen in der Familie von Franz auch waren, sie gelangten niemals in höhere und bedeutende Positionen, die Mediziner in Antons Familie hingegen hatten Privatordinationen und sie ließen sich jeden Handgriff bezahlen, ohne für ihre Leistungen Krankenscheine welcher Krankenkassen auch immer von ihren Patienten zu akzeptieren, und einige der Mediziner in Antons Familie leiteten Spitäler, und viele von ihnen unterrichteten auf Universitäten und hatten schon so manche wichtige Entdeckung im Bereich der medizinischen Forschung gemacht, und auch die Juristen in Antons Familie waren Oberstaatsanwälte und Oberrichter und besonders reiche Notare und führende Funktionäre in der Anwaltskammer, und die meisten von ihnen unterrichteten auch auf der Universität und prüften den eigenen Nachwuchs, ob er auch tauge für die juridische Laufbahn, wie auch die Mediziner in der Familie von Anton das medizinische Wissen ihres Nachwuchs abprüften, und die, die in der Familie von Anton weder zu dem einen noch zu dem anderen taugten, die erhielten die Erlaubnis Künstler zu werden, doch durften sie nicht nur Musiker werden so wie in der Familie von Franz, die Familie von Anton war auch gegenüber den anderen Künsten sehr offen, und so gab es neben einem sehr bemerkenswerten Komponisten auch drei wichtige bildende Künstler und vier ausgesprochen anerkannte Literaten, von denen einer fast so etwas war wie ein Philosoph, auch wenn er von seiner Ausbildung her ein Mediziner war und ein Jurist, und einmal haben Franz und sein Freund Anton über ihre Familien gesprochen, waren sich kurz einig darin, dass sie es nicht so machen würden wie die anderen Mitglieder in ihren Familien, und Franz hat erklärt, dass er Publizistik studieren werde und Philosophie, nicht, dass ihn diese Studien besonders interessierten, aber schnell fertig wolle er werden, seinen Doktortitel wolle er haben, und Journalist wolle er werden, vielleicht auch Berater, und Franz hat sich und Anton wieder einmal ganz genau seine einzelnen Karriereschritte ausgemalt, „du siehst, ich handle zuwider“, hat Franz seinem Freund Anton gegenüber aufzutrumpfen versucht, aber der winkte ab „du machst es nur anders“, und daraufhin hat Franz von seinem Freund Anton erfahren wollen, was er denn so machen wolle aus seinem Leben, wie er denn meine, zuwider handeln zu können, „ich werde auch irgendwas machen“, hat sein Freund Anton lapidar festgestellt, und Franz hat dann vergeblich auf eine nähere Definition gewartet, „irgendwas“ hat Anton nur mit einem müden Lächeln auf den Lippen wiederholt, und dann hat sich sein Freund Anton wieder seinem Computer gewidmet, hat wieder irgendwas an den Einstellungen seines Computers verändert, um ihn letztlich erneut zum Abstürzen zu bringen, sein Freund Anton hat immer nur mit den Schwächen seines Computers gespielt, mit den Grenzen der Möglichkeiten seines Computers, bis sich sein alter Computer nicht mehr hat anstarten lassen, und er sich einen neuen Computer hat anschaffen müssen, „spielen wir doch einmal ein Spiel auf deinem Computer“, hat Franz seinen Freund Anton rund ein halbes Jahr nach ihrer Matura gebeten, aber sein Freund Anton hat nur seinen Kopf geschüttelt und Franz gefragt, „wozu soll ich ein Spiel spielen, von dem ich weiß, wie es ausgeht?“, „um es zu spielen“, hat ihm Franz daraufhin erwidert, aber sein Freund Anton war daran nicht interessiert gewesen, „der Weg sei das Ziel“, hat Franz dann zitiert, „nicht wenn das Ziel vorbestimmt ist“, hat ihm Anton entgegnet, und Franz hat daraufhin nichts mehr zu sagen gewusst, Franz hat daraufhin auch nicht mehr gewusst, was er noch unternehmen sollte mit seinem Freund Anton, es hat Franz einfach nicht interessiert, seinem Freund Anton dabei zusehen zu müssen, wie er seinen Computer zum Abstürzen brachte, wie er ihm die Grenzen des Möglichen zu beschreiben versuchte, wo Franz doch nicht einmal das Mögliche wirklich beherrscht hat, wo Franz froh gewesen wäre, wenn es ihm möglich gewesen wäre, den Computer ganz normal zu bedienen, um auf ihm schreiben zu können, mehr hat Franz gar nicht gewollt, um mit ihm spielen zu können, Spiele die das Leben simulierten hat Franz immer am liebsten gespielt, aber das Abstürzen von Computern und die Grenzen des Möglichen haben Franz nicht interessiert, und so hat sich Franz bei seinem Freund Anton nicht mehr gemeldet, und so hat Franz seinen Freund Anton danach nur mehr einmal getroffen, als ihn sein Freund Anton zu sich eingeladen hat, um gemeinsam mit Franz seinen Geburtstag zu feiern, jede Menge Bier haben sie an jenem Abend getrunken, grußlos hat Franz in jener Nacht die Wohnung seines Freundes Anton mit dem Gefühl, sich dringend übergeben zu müssen, verlassen, und danach hat Franz eine Zeitlang keinen Alkohol mehr getrunken, endgültig das Interesse hat Franz an jenem Abend verloren, seinen Freund Anton wieder zu treffen, und so hat Franz seinen Freund Anton nach diesem letzten Treffen nie mehr gesehen, denn auch beim Begräbnis hat Franz seinen Freund Anton nicht mehr gesehen, denn Antons Gesicht hat nicht mehr getaugt für einen offenen Sarg, war völlig zerstört gewesen vom Sturz auf die Gleise und von der Schwere des Zuges, und Franz war losgezogen, um Journalist zu werden und vielleicht auch Berater, den Schmährufen seines Vaters und seiner Schwester und seiner Onkeln und Tanten zum Trotz, auch dem hysterischen Lachen seines kleinen Bruders zum Trotz, Franz wollte es ihnen trotzdem allen beweisen, Franz versuchte über das Publizistikstudium zu Doktorwürden zu gelangen, um zumindest ebenso Doktor zu sein wie die meisten anderen in seiner Familie auch, und um den Magister und dann den Doktortitel verliehen zu bekommen, besuchte Franz Bibliotheken und las, was er sich eben für den Erwerb der notwendigen Scheine anzueignen hatte, und auf einer dieser Bibliotheken traf Franz an einem sonnigen Wintertag Iris, Iris war attraktiv, Iris war älter als Franz, nicht viel älter als Franz, aber in jenem Alter, in dem Franz damals war, waren es doch durchaus spürbare viereinhalb Jahre, und Iris händigte den Besuchern der Bibliothek die Bücher aus, an fast jedem der Tage, an denen Franz in die Bibliothek kam, stand Iris hinter dem Schalter und gab Franz lächelnd die Bücher, Franz mochte das Lächeln von Iris, etwas Neugieriges, beinahe Forderndes schien sich für Franz hinter diesem Lächeln von Iris zu verbergen, und es gefielen Franz auch die Finger von Iris, mit denen sie die Bestellzettel zwischen den Bücherseiten herauszog, und an einem verregneten Spätwintertag fasste Franz all seinen Mut zusammen, ließ es nicht dabei bewenden, sich von Iris die gewünschten Bücher geben zu lassen, sondern Franz rannte schnurstracks auf sie zu, begann vor ihr auf der Stelle zu treten, das Regenwasser tropfte ihm noch von seiner Kapuze, und laufend auf der Stelle tretend fragte Franz die in seinen Augen so manches begehrende Iris, ob es nicht ihr Begehr wäre, mit ihm ins Kino zu gehen, und laufend auf der Stelle tretend hörte Franz, wie Iris „ja“ zu ihm sagte, und laufend auf der Stelle tretend spürte Franz hinter einem auf seiner Nasenspitze kitzelnden Regentropen ein großes Glücksgefühl in sich aufsteigen, und im Windschatten dieses Glücksgefühl kroch diese Angst in Franz hoch, die Angst wieder eine neue Haustüre kennenzulernen, eine Haustüre, hinter der Iris verschwand, während Franz alleine weiterlaufen musste auf irgendeine Toiletteanlage und dann weiter nach Hause oder noch einmal ins Kino, doch wer nichts wagt, der nichts gewinnt, sagte sich Franz laufend auf der Stelle tretend, und Franz wählte gemeinsam mit Iris den Film aus, und sie verabredeten Zeit und Ort, und Franz entfernte sich mit den Büchern von Iris, und mit seinem Glücksgefühl und seiner Angst und einer Vielzahl an wirren Gedanken lief Franz hinaus in den Regen, und durch den Regen laufend überlegte sich Franz, wie das wohl sein würde, wenn er Iris küsste, wie das wohl sein würde, wenn er sie berührte, an den Schultern, am Hals, auf ihren Brüsten, wie sie sich anfühlen würde, und vor allen Dingen ob sie es überhaupt zulassen würde, geküsst zu werden von Franz, umarmt zu werden von Franz, ausgezogen zu werden von Franz, und allein der Gedanke an die Möglichkeiten machten Franz schwindlig, und Franz beschleunigte ein wenig das Tempo, schneller lief Franz dem Zeitpunkt entgegen, zu dem sie ausgemacht hatten, sich vor dem Kino zu treffen, ein warmer Wind blies die Regenwolken vom Himmel, die Sonne brach zwischen letzten Wolkenfetzen hervor und begann die Mauern und Menschen zu wärmen, und an dem Tag, den sie sich ausgemacht hatten, begab sich Franz schon viel früher zum Kino, als er es vereinbart hatte mit Iris, Franz wollte nicht unpünktlich sein, eine Stunde früher war Franz schon zum Kino gekommen, obwohl Franz am Weg zu dem Kino von mehreren Magenkrämpfen gepeinigt seinen Darm auf mehreren öffentlichen Toiletten restlos entleert hatte, einen wunden Po hatte Franz, als er beim Kino ankam, aber keine Angst mehr, an diesem Abend noch einmal auf die Toilette zu müssen, „ausgeschissen habe ich“, dachte sich Franz und musste über sein Wortspiel kurz schmunzeln, doch trotz der vielen Toilettenbesuche war Franz noch immer eine Stunde zu früh, Franz lief vor den Fotos, die in den Vitrinen des Kinos aufgehängt waren, auf und ab, sah auf die Uhr, lief die Gasse entlang, an den Auslagen von irgendwelchen Geschäften vorbei, und immer und immer wieder stellte Franz sich vor, wie das nun sein würde in 45 Minuten, ob er sie küssen würde gleich zur Begrüßung in 44 Minuten, ob er sie einladen sollte auf ein Getränk in 43 Minuten und 30 Sekunden, die Zeit stand Franz entgegen, aber Franz ließ sich von der scheinbar stehenden Zeit nicht beirren, lief ihr hartnäckig weiter entgegen, bald waren es nur mehr 40 Minuten, dann 39 und dann nur mehr 30, noch einen Kaugummi steckte sich Franz in den Mund wegen dem Atem, und noch einmal betrachtete Franz im Vorbeilaufen die Bilder in den Vitrinen, „guter Film könnte das werden“, dachte sich Franz, und er überlegte, was er Iris alles über den Regisseur sagen könnte, über die Hauptdarstellerin, über die Nebendarsteller, über die anderen Adaptionen des Themas, die Franz schon gesehen hat, Iris sollte gleich merken, dass Franz sich auskannte in Sachen Kino, vom Leben verstand Franz vielleicht noch nicht sonderlich viel, was hat er schließlich erlebt, er war immer nur in der Stadt rumgelaufen, zum Verreisen sparte er noch, und das restliche Geld, das er hatte, brauchte Franz, um zu wohnen, und um sich die vielen Kinokarten leisten zu können, aber von Kinofilmen verstand er sehr viel, kaum einen Filmstar den Franz nicht kannte, Franz sagte sich noch schnell die wichtigsten Filmstars auf und ihre wichtigsten Szenen, lief im Geiste noch einmal die wichtigsten Filme durch, die er gesehen hat, nur noch 25 Minuten hatte Franz vor dem Kino zu warten, der Frühling war schon ganz deutlich zu spüren und zu riechen, nur die Bäume schienen den Sonnenstrahlen noch nicht richtig zu trauen, aber auf den Wiesen schimmerte bereits ein helleres Grün, „wie schön“, dachte sich Franz, und lief noch ein Stück in einen nahe gelegenen Park, lief über den Kies, und an den grün gestrichenen Bänken vorbei aus dem Augenwinkel schmusende Paare betrachtend und sich überlegend, ob er nachher mit Iris auch in diesen Park hineinlaufen sollte, nur mehr zehn Minuten, umkehren musste Franz und wieder zurück zu dem Kino und zu den Bildern in den Vitrinen, ihm entgegen stechende letzte Sonnenstrahlen machten Franz beinahe blind, Franz schloss die Augen und lief mit geschlossenen Augen über den Kies, „das Leben, man müsste es einfach erobern“, sagte sich Franz, und er fühlte sich auf dem richtigen Weg, dem Kiesweg hin zu dem Kino und hin zu Iris, mit der er sein Leben durchstarten wollte, alles bislang wäre dann nur ein Irrtum gewesen, aber mit Iris, fünf Minuten vor der verabredeten Zeit lief Franz wieder vor dem Kinoeingang auf und ab, sah auf die Uhr, alle zehn Sekunden sah Franz auf die Uhr, lief an den Bildern in den Vitrinen vorbei, sah auf die Uhr, überlegte noch kurz, ob er nicht doch noch einmal die Toilette aufsuchen sollte, ob sich da nicht doch noch ein Rest an Scheiße in seinem Dickdarm verbarg, aber dann stand mit einem Mal Iris vor ihm, zwei Minuten vor der verabredeten Zeit, „wie gut, dass ich rechtzeitig da war“, dachte sich Franz, „so hat sie nicht warten müssen auf mich“, überlegte sich Franz, „das macht bestimmt einen guten Eindruck“, machte sich Franz etwas Mut und vergaß den möglichen Rest an Scheiße in seinem Dickdarm, und alles weitere verlief völlig unkompliziert, Franz lief mit Iris in den Kinosaal und neben ihr sitzend durchlief Franz den Film, und nach dem Film lief Franz an ihrer Seite nicht in den Park, dessen Tore ohnehin schon seit Einbruch der Dunkelheit zugesperrt waren, Franz lief mit Iris in ein Lokal, und schon bald brachte Franz Iris mit seinen lustigen Geschichten zu lachen, und Iris streichelte Franz auch über die Hände, als er eine seiner traurigen Geschichten erzählte, und Iris lächelte häufig, was Franz sehr gefiel, und wenn sie nicht lächelte, dann nickte Iris verständig, Franz umkreiste Iris mit seinen Geschichten, die zwar gut erzählte aber inhaltlich im Grunde keine besonderen waren, die Geschichten eines kleinen Jungen eben, eines jungen Studenten, der noch nicht viel gesehen hat von dieser Welt, der die Welt von Filmen her kannte, und Franz sprach auch die meiste Zeit über Filme, und dazwischen sprach Franz von seinen Eltern, von seinen Geschwistern, von seinen Cousins und Cousinen, von seiner Wildheit, weil er nicht tat, was alle in der Familie taten, von seinem Willen, etwas in seinem Leben zu schaffen, reich wollte er werden, so erklärte er Iris, und erfolgreich wollte er werden, und er würde es schaffen, so versicherte er Iris, und sie erfreute Franz mit ihrem Lächeln, hinter dem sich für Franz ein Wollen verbarg, „Sie will mich“, hoffte Franz, immer wieder lächelte Iris, wohl weil ihr der Enthusiasmus gefiel, mit dem Franz ihr all das erzählte, nicht Arzt wolle er werden und nicht Jurist, betonte Franz immer wieder, sondern etwas ganz eigenes wolle er werden, ganz eigenes wolle er schaffen, und dann sprach Franz wieder von Filmen, und im Vorbeilaufen sah Franz Iris immer wieder in ihre Augen, in braune Augen blickte Franz in diesen kurzen Momenten, kurz geriet Franz ins Stocken, wenn ihre Blicke sich kreuzten, doch dann erzählte Franz sofort weiter, Western, Eastern, Horror, Action, und über die Großmeister des Kinos, von einem Schachspiel gegen den Tod erzählte Franz Iris gerade, als Iris Franz unterbrach, als Iris Franz fragte, ob Franz nicht in eine Diskothek gehen wolle mit ihr, und Franz wusste in diesem Moment nicht so recht, was er antworten sollte auf ihre Frage, denn natürlich wollte Franz gerne tanzen mit Iris, aber Franz hat noch nie in seinem Leben getanzt, es haben immer nur die andern getanzt, seine Schulkollegen zum Beispiel, während Franz am Rand gestanden und zugesehen hat, wie die anderen tanzten, sein Freund Anton und er haben bestenfalls das Geschehen kommentiert, all die Verrenkungen und die anderen körperlichen Bemühungen, die sie auf der Tanzfläche beobachten konnten, aber während sich Franz nie getraut hat, selber zu tanzen, hatte sein Freund Anton einfach keine Lust gehabt, sich gemeinsam mit all den anderen Menschen auf die Tanzfläche zu bewegen, immer wieder waren die Mädchen zu Anton gekommen, um ihn zu fragen, ob er nicht tanzen wolle mit ihnen, jüngere Mädchen aber manchmal auch ältere Mädchen waren zu Anton gekommen, haben ihn förmlich darum gebeten, mit ihm tanzen zu dürfen, aber sein Freund Anton hat jedes Mal abgelehnt, wenn sein Freund Anton das Bedürfnis gehabt hat, ein Mädchen in seiner Nähe zu spüren, dann hat sich sein Freund Anton bloß eines der Mädchen zu schnappen gebraucht, da hat er nicht extra zu tanzen gebraucht mit diesem Mädchen, sein Freund Anton war schließlich ein Frauenschwarm gewesen, vielleicht weil er niemals irgendetwas verlangt hat, nie etwas erwartet hat von den Frauen, sein Freund Anton hat sich einfach in einen Raum begeben, und schon haben ihn alle Mädchen betrachtet, haben ihn alle Frauen umschwärmt, selbst die Lehrerinnen haben seinen Freund Anton umschwärmt, und Franz war fest davon überzeugt, dass sein Freund Anton mit der Deutschlehrerin „hatte“, obwohl die Deutschlehrerin verheiratet war, obwohl alle in der Klasse von Anton und Franz den Mann der Deutschlehrerin von einer Sportwoche her kannten, aber bei seinem Freund Anton war die verheiratete Deutschlehrerin schwach geworden, so war sich Franz sicher, hat den Verstand verloren in der Nähe von Anton, der kaum älter gewesen war als ihre älteste Tochter, aber die Jugend, die Augen, die Hände, der Leib und wieder die Augen, denn in die Augen hat die Deutschlehrerin seinem Freund Anton gesehen, so oft es ihr in den Unterrichtsstunden und in den Pausen am Gang und bei den gemeinsamen Klassenausflügen möglich gewesen war, und beim Begräbnis hat die Deutschlehrerin niemanden in die Augen gesehen, auch nicht ihrem Ehemann, von dem sie sich stützen hat lassen am Grab, hinab gestiert hat sie auf die hölzerne Kiste, als hätte sie noch durch die Bretter hindurch den Blickkontakt zu ihrem Geliebten gesucht, und die Deutschlehrerin hat auch ein wenig lauter geweint als die anderen Frauen, aber getanzt hat Anton mit der Deutschlehrerin sicher kein einziges Mal, und während sich die anderen Buben in der Klasse von Franz und seinem Freund Anton immer darum bemüht haben, Mädchen auf die Tanzfläche zu zwingen, um auf der Tanzfläche ihre ersteifenden Glieder an den Körpern der Mädchen zu reiben, um einen ersten erotischen Kitzel zu spüren, vielleicht auch einen Kuss zu erhaschen, vielleicht auch danach ein wenig mehr zu bekommen, die Erlaubnis, ihre Brüste zu streicheln oder, wenn es wirklich optimal lief, befriedigt zu werden von ihnen, haben Franz und sein Freund Anton immer im Abseits gestanden, doch während es seinem Freund Anton einfach zuwider war, gemeinsam mit all den andern zu tanzen, hat es Franz einfach nicht gewagt, mit einem Mädchen die Tanzfläche zu betreten, die Angst des Versagens hat Franz gezwungen, am Rand der Tanzfläche stehen zu bleiben, die Angst, nicht bestehen zu können zwischen den anderen Tänzern, die Angst, eine schlechte, eine lächerliche Figur zu machen auf dem Parkett, auf dem sich die anderen scheinbar so selbstsicher zu bewegen verstanden, Franz hat soviel gekonnt und gewollt und gewusst, aber am Rande der Tanzfläche war Franz immer versteinert gestanden, ob in Partykellern oder in Diskotheken, die anderen haben getanzt, haben sich und ihren Körper bewegt, während Franz nicht einmal mit einem Fuß gewippt hat, die Bässe haben Franz in die Magengrube geschlagen, haben versucht, seinen Körper weich zu prügeln, haben versucht, ihn zu zwingen, sich zu bewegen, aber sein Körper bewegte sich nicht, sein Körper hat sich nur noch mehr verkrampft, bis Franz irgendwann hat aufspringen und auf’s Klo rennen müssen, um den ganzen Krampf mit einem durch sein Gedärm jagenden Dünnschiss zu lösen, und als Iris fragte, ob Franz nicht tanzen gehen wolle mit ihr, da wusste Franz im ersten Augenblick nicht so recht, was er antworten sollte, doch dann sagte Franz „ja“, denn Franz wollte es schließlich wissen, Franz wollte nicht wieder vor irgendeiner Haustüre stehen, Franz wollte es wissen, Franz wollte Iris an diesem Abend, wollte sie küssen, umarmen, entkleiden, wollte all das, wonach er sich schon so lange Zeit gesehnt hat, wie viele Jahre hat Franz onaniert und hat dabei an das Küssen, Umarmen und Entkleiden von Frauen gedacht?, Franz konnte sich nicht mehr erinnern, „zu lange“ war Franz überzeugt, höchste Zeit war es für Franz, diesem Sehnen ein Ende zu setzen, und so verließen sie das Lokal, und Iris ging und Franz lief neben ihr her in eine Diskothek, in die Iris immer schon einmal tanzen gehen wollte, die Bässe schlugen Franz bereits beim Eingang entgegen, sein Körper drohte sich zu verkrampfen, aber Franz blieb in Bewegung, solange war Franz nun gelaufen, da konnte er doch nicht gerade in diesem Moment inne halten, Franz warf sich den Bässen entgegen, stürmte sofort auf das Parkett, wartete gar nicht auf Iris, „scheiß auf die Angst“, rief er sich zu, „scheiß auf die Blamage“, und am Parkett lief Franz erst einmal einige Runde, und irgendwann lief er dann auch im Takt der Musik, warf dabei seine Arme von sich, sein Oberkörper fing an zu zucken, während er lief, und Iris beobachtete Franz, wie er tanzte, und Iris bewegte sich selbst so wie sich fast alle in dieser Disko bewegten, leicht wippend, die Arme am Körper, jede größere Geste vermeidend, nur manchmal warf Iris den Kopf in den Nacken oder sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse, aber gleich darauf reduzierte sie ihre Bewegungen wieder auf ein rhythmisches Wippen des Körpers, während Franz mit ausladenden Verrenkungen seines Körpers wie in Trance um sie kreiste, wie ein tanzender Derwisch drehte Franz seine Runden um Iris, und mit seinem Körper schien Franz Iris Geschichten erzählen zu wollen, Geschichten von Liebe und Sehnsucht und von Verzweiflung, von Einsamkeit und von Stille, von sich und von seinem Leben, dem er davonlief, „entgegen lief“, Franz korrigierte sich in seiner Trance, wie konnte er nur „davonlaufen“ denken, entgegen lief Franz diesem Leben, diesem prachtvollen Leben, das er mit seinen Armen mit seinem ganzen Körper tanzend zu beschreiben versuchte, und Iris sah Franz, sah die Kraft seines Ausdrucks, und von einer gemeinsamen Bekannten hörte Franz einige Jahre danach, dass Iris ihrem späteren Ehemann erzählt hat, dass sie die Kraft seines Ausdrucks gemocht hat, die Leidenschaft, die sich in der Kraft dieses Ausdrucks verbarg, nie, so erzählte sie ihrem Ehemann, hätte sie jemals wieder einen Menschen so tanzen gesehen wie Franz, worauf ihr Ehemann zwei Wochen, nachdem Iris ihm das erzählt hat, bei einer Hochzeit von Freunden einen Abend lang zum Gaudium der anderen Gäste, unter denen sich auch die gemeinsame Bekannte von Iris und Franz befand, und zum Ärger von Iris wie ein Karnickel über die Tanzfläche gehopst ist, aber das war fünf Jahre nachdem Iris Franz beim Tanzen zugesehen hatte, Franz tanzte damals das erste Mal in seinem Leben, erstarrte nicht sondern löste sich völlig, löste sich auf in der Musik, und die Bässe schlugen Franz nicht sondern durchfuhren seinen Körper wie Blitze, Franz tanzte sich in einen Rausch, in dessen Zentrum sich Iris bewegte, nicht weiter auffallend, weil sich bewegend so wie die andern, und doch immer nur auf ihn blickend, sich wundernd und gleichzeitig Franz auch bewundernd, Franz war so toll von seiner Bewegung, dass er zuerst gar nicht bemerkte, als die Musik langsamer wurde, dass sich Pärchen auf der Tanzfläche formierten, sich umschlangen und zu küssen begannen, Franz bewegte sich immer noch wie ein Verrückter auf der Suche nach den ihn durchdringenden Bässen, auf der Suche nach den ihn durchzuckenden Blitzen, doch irgendwann verlangsamte Franz seine Bewegung, irgendwann blickte er auf, Iris war immer noch da, geschmeidig schmiegte sich ihr Körper an die nun ruhigeren Rhythmen, Franz schloss seine Augen, „es muss jetzt geschehen“, und dann wiederholte Franz immer wieder „es muss, es muss, es muss“, und auf diese Weise voll motiviert lief Franz auf sie zu, schwer atmend mit seinem dampfenden, schwitzenden Körper, legte seine Hände auf ihre Hüften, sie legte die ihren auf seine, und so fingen sie an, sich langsam im Takt zu bewegen, oder zumindest versuchten sie es, denn Iris bewegte sich zwar langsam im Takt, aber Franz war nicht fähig, sich im selben Takt zu bewegen, Franz bewegte sich nur irgendwie, bewegte sich, um nicht zur Ruhe zu kommen, um nicht zu versteifen, um nicht das Tanzlokal verlassen zu müssen, ohne Iris geküsst zu haben, so bewegten sich die beiden im Kreis, Iris im Takt und Franz irgendwie, und ihre Körper rückten ganz langsam näher, und dann spürte Franz den schlanken Leib an dem seinen, und alles in Franz fing an zu pulsieren, schwindlig wurde Franz, fast schwarz vor den Augen, doch Franz bewegte sich weiter, irgendwie nicht zum Takt der Musik aber doch so, dass er nicht den Körperkontakt zu Iris verlor, bewegte sich weiter, spürte ihr Haar auf seiner Wange, bewegte sich weiter, spürte ihre Nasenspitze auf seinem Kinn, bewegte sich weiter, sah ihre Augen, ganz nah sah Franz ihre Augen, Franz öffnete seine Lippen, trocken waren seine Lippen, ganz automatisch befeuchtete Franz seine Lippen mit seiner Zunge, und dann küsste Franz mit den frisch befeuchteten Lippen die Nasenspitze von Iris, vorsichtig, jederzeit bereit, sich zu entschuldigen bei der Geküssten, und so wartete Franz auch nach der ersten Berührung seiner Lippen mit der Haut von Iris einen Augenblick ab, sich weiterhin irgendwie bewegend, wartete ab, was sie tun würde nach dieser Berührung, Iris schloss ihre Augen, es schien in Ordnung zu sein, und es schien Iris auch nicht weiter zu stören, dass die Lippen von Franz fast ein wenig zu feucht waren für kleine Küsse auf Nasenspitzen und andere Stellen in ihrem Gesicht, und in seinem Handeln bestätigt setzte Franz seine Liebkosungen fort, den rechten Nasenflügel von Iris küsste Franz dann als nächstes, Franz spürte das ihm „fordernd“ und „wollend“ erscheinende Lächeln von Iris, als könnte man spüren, wenn andere lächeln, aber in diesem Augenblick meinte Franz, das Lächeln von Iris spüren zu können, das Lächeln das seinem Hals entgegenstrahlte, und Franz küsste Iris auf ihr rechtes Auge, dann ein Stück weiter unten, die Lippen von Franz hatten ihr zuviel an Feuchtigkeit nun verloren und alles war richtig und gut, und Franz küsste Iris auf den rechten Rand ihres Mundes, und Iris öffnete ihre Lippen, Iris öffnete auch wieder die Augen, strahlte, so schien es Franz, glücklich, so schien es Franz, und dann berührten sich ihre Münder und bald darauf berührten sich auch ihre Zungen, und bald darauf griff ihr Franz auf den Hintern, hielt Franz ihren Hintern mit seinen Händen ganz fest umfangen, und bald darauf pochte sein Glied ihrem Körper entgegen, Franz wusste, Iris würde es spüren, sein gegen ihren Körper pochendes Glied, aber das war ihm egal, und es schien auch Iris nicht weiter zu stören, denn Iris ließ nicht ab von seinen Lippen, und Franz genoss es, das erste Mal, „wenn sie das wüsste“, so dachte sich Franz, „wenn sie das wüsste, das erste Mal mit einer Frau, wenn sie das wüsste“, und in Franz stieg das Verlangen nach mehr, und irgendwann brach er dann ab, irgendwann zog er Iris dann aus dem Lokal, es war Vollmond, und es war kalt, zu kalt für die Jahreszeit, aber das spielte in diesem Moment keine Rolle, Franz hielt Iris ganz fest umfangen, Franz lief mit Iris in ihre Wohnung, das Haustor, vor dem sich Franz einige Stunden zuvor gefürchtet hat, gar nicht bemerkend, Franz lief mit Iris zu ihrem Bett, und Franz warf sich mit all seinem Verlangen auf Iris, riss Iris die Kleider vom Leib, und das Lächeln von Iris erstarrte, Iris erschrak vor der Gier, erschrak vor seinem Verlangen, wie Iris noch in der selben Nacht in ihr Tagebuch schrieb, in dem Franz einige Wochen später heimlich aus Eifersucht las, „ein seltsamer Mensch, irgendwie anders als alle anderen Männer, die ich so kenne“, notierte Iris, „fast hätte ich mit ihm geschlafen“, Franz gefiel einige Wochen später die Beschreibung seiner Person, und Franz fand auch die Situation von Iris sehr gut beschrieben, „aber seine Gier hat mir Angst gemacht“, so erklärte Iris ihrem Tagebuch ihren plötzlichen Widerwillen in jener Nacht, „nein“, sagte Iris, und Franz wich zurück, wie ein Boxer, den der Ringrichter verwarnt, ließ Franz von Iris ab, tänzelte in ein Eck ihres Zimmers, doch er blieb dabei in Bewegung, es war schließlich nur eine Unterbrechung des Kampfes und noch lang nicht sein Ende, blieb in Bewegung und beobachtete sie, und Iris sagte, ihr ginge das alles zu schnell, und Iris meinte, er könne doch nicht einfach so ohne Kondom, und Iris erklärte-, und Franz tänzelte in seiner Ecke und sah auf Iris herab, und sagte „okay“, völlig benebelt sagte er immer wieder „okay“, und mit einem „okay“ auf den Lippen tänzelte Franz auch aus der Wohnung von Iris, und mit einem „okay“ auf den Lippen rannte Franz durch die Nacht, die schon bald Tag war, aber Franz wusste, es würde jetzt nicht mehr lang dauern, Franz wusste, jetzt würde er bald von sich behaupten können, dass er schon einmal „habe“, ein Mädchen „habe“, Franz wusste, er würde bald von seiner Freundin erzählen, von Iris, die in der Bibliothek irgendwas tat, und die eigentlich auf Lehramt studierte, die eigentlich bald eine Professorin sein würde, Franz wusste all das, und mit diesem Wissen schwebte Franz wie auf Wolken in seine Wohnung, und mit diesem Wissen rief er Iris am nächsten Tag von seiner Wohnung aus an, und dann traf er sie wieder, und erneut lief Franz mit Iris ins Kino, und dieses Mal berührten sich ihre Hände im Dunkeln, und dieses Mal berührten sich auch ihre Münder im Dunkeln, und dieses Mal glitt auch seine Hand im Dunkeln zwischen ihre Schenkel, „ich wollte wissen, wie es mit ihm ist“, gestand Iris ihrem Tagebuch, um dann noch von dem einen oder anderen Detail zu berichten, so hielt sie auch fest, dass sie nach dem Kino ohne Umwege zu ihr nach Hause liefen, und dort setzten sie sich nicht an den Tisch, um noch zu plaudern und ein Gläschen zu trinken, sie kuschelten auch nicht auf der Couch, sofort stürzten sich die beiden auf’s Bett, und dieses Mal hatte Franz Kondome dabei, und dieses Mal ließ ihn Iris gewähren, ließ sich entkleiden von ihm, knöpfte ihm sogar seine Jeans auf, das erste Mal war es für Franz, und Franz gluckste beinahe vor Freude und vor Vergnügen, als er mit Iris viele der Stellungen ausprobierte, die er sich beim Betrachten von Filmen angeeignet hatte, das erste Mal!, Franz konnte gar nicht genug bekommen von ihrem Körper, immer und immer wieder begann er von Neuem, als wolle er beim ersten Mal all die Male nachholen, wo er alleine vor irgendwelchen Haustüren zurückgeblieben war, und so war es dann auch an den folgenden Tagen, „kannst du eigentlich auch irgendwann mit mir reden?“, fragte Iris Franz nach drei Wochen, in denen Franz alle Gesprächsansätze in wilden Küssen erstickt hatte, „lass dich doch ein einziges Mal gehen“, bat Iris Franz, als er schwitzend unter ihr lag und stöhnend und keuchend wie ein wilder Stier unter ihrem Becken rotierte, „du behandelst mich wie eine Hure“, beschuldigte Iris Franz ein anderes Mal, nachdem sich Franz gegen den Willen von Iris durchgesetzt hat, eine neue Stellung auszuprobieren, die er in irgendeinem erotischen Thriller gesehen hatte, Franz bat Iris sofort um Verzeihung, „nein“, sagte Franz, und dass er das doch nicht wolle, dass er eben nur wolle, und dass er wolle, dass sie zusammen möglichst viel sexuelles Vergnügen haben, sie hätte doch Vergnügen daran, fragte Franz Iris und behauptete es zur selben Zeit, begann ihren Hals, ihren Rücken, ihren Po zu liebkosen, und zehn Minuten später drang er erneut in sie ein, eine weitere Stellung mit Iris erprobend, erste Male sammelte Franz in diesen Tagen aber nicht nur im Bett, so versuchte Franz zum Beispiel das erste Mal in seinem Leben, eine Zigarette zu rauchen, das erste Mal in seinem Leben lief Franz alleine mit einer Freundin in ein feines Lokal richtig gut essen, in ein Unterwäschegeschäft für Damen lief Franz ebenfalls zum ersten Mal in seinem Leben, um Iris etwas Nettes zum Geburtstag zu kaufen, auch wenn er dann nur mit einem nicht sonderlich schön gestalteten Gutschein den Laden verließ, „ich liebe dich“, glaubte Franz Iris erklären zu müssen, als sie einmal nicht mit Franz am Abend ins Kino gehen wollte, nicht, dass Franz diese Liebe zu Iris tatsächlich empfand, schön fand er Iris, Franz genoss ihre Nähe, genoss den Sex, den sie hatten, genoss das Bewusstsein, eine Freundin zu haben, aber im Grunde war Iris für Franz vor allem „die erste“, und dieser ersten sollten für Franz in seiner Planung noch einige andere folgen, bis er dann bereit sein würde, sich mit der einen, besonderen Frau zu verbinden, aber trotz alle dem, Franz wollte immer schon einmal einer Frau seine Liebe erklären, es galt ein weiteres lang gehegtes Vorhaben, in die Tat umzusetzen, und nachdem er an jenem Abend schon keinen Film im Kino gesehen hatte, so wollte Franz zumindest diesen Punkt abgehakt wissen, „ich liebe dich“, und Iris flüchtete sich in eine Umarmung, und die Erklärung verlor sich irgendwo zwischen den Leibern der beiden, komisch fühlte sich Franz irgendwie, er hatte gelogen, aber gleichzeitig hatte Franz auch wieder etwas in seinem Leben erledigt, und damit war für Franz alles in Ordnung, und die Komik der Gefühle, die einen bitteren Beigeschmack hatte, wurde nach ein paar heftigen Stößen von einem Gefühl der Befriedigung überlagert, und nach drei Monaten täglichen Treffens erklärte ihm Iris, sie bräuchte ein klein wenig Ruhe, sie wolle Franz nicht jeden Tag sehen, nicht jeden Tag mit ihm ins Kino oder durch die Weinberge am Rande der Stadt laufen, und Franz sagte „okay“, was blieb Franz anderes über, Franz tänzelte zurück in seine Ecke und sagte „okay“, lief wieder öfter alleine ins Kino und durch die Weinberge am Rande der Stadt, und während Iris einmal länger im Bad war, suchte Franz in ihrem Tagebuch nach Eintragungen andere Männer betreffend, denn vielleicht hatte sie ja jemand anders getroffen, aber in ihren Tagebüchern las Franz nur über sich, und auf den letzten Seiten waren für Franz nur Nebensächlichkeiten notiert, Erlebnisse, die Iris während ihres Studiums hatte und ein paar Notizen über ihre Eltern und einen Onkel, der kurz zuvor verstorben war an einem Gehirnschlag, und als Iris aus dem Bad kam, hätte sie Franz fast vergewaltigt vor Freude darüber, dass es offensichtlich keinen anderen Mann gab in ihrem Leben, „spinnst du?!“ schrie Iris ihn an, als Franz versuchte, seinen Mittelfinger in ihrem Leib zu versenken, und Franz entschuldigte sich, und um sie abzulenken, erzählte ihr Franz von seinen Geschwistern, wie sie so wären, spießig und ganz anders als er, und Franz erkundigte sich nach dem Onkel, und als Franz Iris zu späterer Stunde dann doch ficken durfte, fing Iris nach nur wenigen Augenblicken an, heftig zu weinen, Tränen küsste ihr Franz von den Wangen, während er sich beieilte, zum Höhepunkt zu gelangen, und der Sommer kam und verging, und Franz traf sich mit Iris nur mehr zweimal die Woche, so hatte es Iris bestimmt, und so war es für Franz auch okay, auch wenn es für Franz im Grunde gar nicht okay war, schließlich wollte Franz immer und ununterbrochen, noch dazu, wo sie sich so nette Wäsche gekauft hatte um seinen Gutschein, aber „besser als gar nicht“ dachte sich Franz, und an einem dieser gemeinsamen Tage waren Franz und Iris an einem See, es war im Grunde schon viel zu spät im Jahr, um zu baden, aber die Temperaturen ließen es immer noch zu, und die Sonne ging unter, und Franz war der Sonne entgegengelaufen, er tänzelte nun in der Mitte des Sees, der sehr flach war, ein Steppensee in Mitten von Schilf, Franz drehte sich um, und er sah Iris weit hinter sich, gemeinsam waren sie aufgebrochen von der gemieteten Hütte, gemeinsam waren sie an den Strand, gemeinsam waren sie ins Wasser gelaufen, und doch war Iris mit einem Mal weit hinter Franz zurückgeblieben, von der Sonne beleuchtet, braun gebrannt und in einem gelben Bikini, schön war Iris aber eben sehr weit entfernt, Franz tänzelte, alleine in der Mitte des Sees, seine Füße wühlten im Schlamm, und kleine dunkle Partikel lösten sich und schwebten im Wasser empor, so dass sich Franz Unterleib bald in einer graubraunen Wolke befand, und ein kühler Wind blies durch das Schilf, und dieser kühle Wind umfing seinen Körper, und dieser kühle Wind kündete vom nahenden Winter, und Franz tauchte unter, tauchte ein in die graubraune Wolke und durch das schlammige Wasser hindurch, dunkel wurde es um ihn, und als er empor tauchte, war die Sonne untergegangen und Iris nicht mehr zu sehen, doch Franz schwamm weiter hinaus, denn er war schließlich an den See gekommen, um ein wenig zu schwimmen, und so durchschnitt Franz das Wasser mit kräftigen Tempi, bis ans gegenüberliegende Ufer schwamm Franz, still war es dort und beinahe schon finster, und Franz kehrte um, schwamm zurück, den Lichtern der hinter den Ufersträuchern befindlichen Hütten entgegen, und zufrieden den See in beide Richtungen durchschwommen zu haben lief Franz heraus aus dem Wasser, den schlammigen Grund des Sees mit seinen Füßen durchknetend, und Franz kam ans Ufer, der kühle Wind war mittlerweile schon kalt, und es fröstelte Franz, still war es, und weit und breit konnte Franz keinen Menschen erkennen, trotzdem lief Franz in sein Badehandtuch gehüllt den Kiesstrand entlang, während es immer finsterer wurde um ihn herum, Franz suchte Iris, während Franz gleichzeitig fasziniert war von der Einsamkeit und der Ruhe, die ihn umgab, und als er den See umrundet hatte lief Franz zurück zu der Hütte, doch Iris war nicht mehr dort, Iris hatte ihre Sachen gepackt und war zurück in die Stadt, keine Nachricht erklärte ihr Fortgehen, und Franz blieb allein in der Hütte, warf sich ins Bett, in der Bettwäsche hing noch ihr Duft, und Franz dachte an Iris und onanierte, und während er noch onanierte, dachte Franz schon an all die anderen Frauen, mit denen er noch Sex haben wollte, Iris war schließlich für Franz nur der Beginn, und als er dann kam, roch Franz nicht mehr Iris, da witterte Franz nur mehr die Chancen, die er nun hatte bei all den anderen Frauen, und erst am nächsten Morgen überkam Franz so etwas wie Trauer und Sehnsucht, und Franz lief zurück in die Stadt, und Franz lief zur Wohnung von Iris, und Iris machte ihm auf, und ein anderer Typ stand in ihrer Küche und sagte „hallo“, und Iris sagte, das wäre nun Walter, und Franz hatte schon viel über diesen Walter gehört, auch wenn Franz nichts im Tagebuch von Iris gelesen hatte von ihm, aber Franz hatte auch schon längere Zeit nicht mehr im Tagebuch von Iris geschmökert, ein Studienkollege von Iris war Walter und außerdem ein sehr wilder Kerl, zumindest hatte ihn Iris Franz so beschrieben, ein Tourengeher und Kletterer, ein Naturbursche, der schon einmal bis nach Marokko gefahren war auf seinem Fahrrad, Iris hatte schon den einen oder andern Abend mit Walter verbracht, wenn Franz alleine ins Kino laufen hat müssen, und Walter stand nun in der Küche von Iris, wo Franz auch schon öfters gestanden hatte, nicht wirklich oft, denn wie lange waren Iris und Franz schon zusammen gewesen, nicht sonderlich lange, aber doch lange genug, dass Franz ein paar Mal in dieser Küche stehen hatte können, an jenem Platz neben dem Herd, an dem Walter nun stand, Walter sagte „hallo“ und Franz erwiderte dieses „hallo“, und dann schwiegen sie und warteten bis Iris zurückkam und Franz das Handtuch gab und ein Buch und die Socken, und Franz verließ mit dem Handtuch, dem Buch und den Socken die Wohnung von Iris, eilte zurück auf die Straße, ohne eine Erklärung von ihr zu verlangen, warum sie ihn zurückgelassen hatte in dieser Hütte, warum sie nicht mehr zusammen sein wollte mit ihm, und warum nun Walter in ihrer Küche stehen durfte, Franz kam es gar nicht in den Sinn, sie nach all dem zu fragen, Franz akzeptierte, dass es nun aus war mit Iris, und Franz lief zurück in seine Wohnung, ein heftiger Wind trieb ihm fallende Blätter entgegen, Franz hatte nun seine erste Beziehung durchlaufen, Franz fand es gut, seine erste Beziehung durchlaufen zu haben, auch wenn sie ihm irgendwie abging, diese erste Beziehung, und Iris fehlte ihm auch, „aber so ist nun einmal das Leben“, dachte sich Franz, wer bleibt schon bei der ersten Frau, mit der er ins Bett geht, das ist eben nur eine erste Erfahrung, der andere folgen, bis man dann die eine und wahre und wirkliche Freundin findet, die, bis dass der Tod dann scheidet, die Frau des Lebens ist, so hatte Franz es schließlich geplant, und so ist es nun auch für’s erste gelaufen, die erste Beziehung war nun geschafft, und nun konnten andere folgen, Erfahrungen sammeln hieß es für Franz, und das Tor zum Reich der Erfahrungen stand nun offen für Franz, aber vorerst hatte Franz zu studieren, möglichst viele Vorlesungen und Übungen hatte Franz zu besuchen, „du kannst dich doch nicht mit einem Genügend zufrieden geben“, scholt ihn der Vater, als Franz drei Prüfungen an einem Tag positiv hinter sich gebracht hatte wenn auch mit eher mäßigen bis schlechten Zensuren, und dann sagte der Vater etwas von Wissen und Macht, und er sprach auch von Chancen, die man sich mit schlechten Zensuren vergibt, alle in seiner Familie, so erklärte der Vater dem Sohne, hätten in ihrer Ausbildung stets darauf geachtet, gute Zensuren nach Hause zu bringen, er habe sein Studium mit gutem Erfolg abgeschlossen, wie auch sein Bruder, und auch die Schwester von Franz hatte während ihres gesamten Studiums nur ein einziges Mal ein Befriedigend erhalten, und das auch nur, weil sie der Professor nicht mochte, und Franz wurde wütend, und Franz schrie seinen Vater an, er würde das nicht verstehen, er solle doch stolz sein auf ihn, dass er so schnell sein Studium absolviere, es ginge eben nicht mehr um Noten, es ginge einfach um mehr, aber dann erklärte Franz seinem Vater nicht mehr, worum es eigentlich ginge, sondern Franz lief aus der Wohnung der Eltern und schlug die Türe hinter sich zu und rannte ins Kino mit dem Vorsatz, es seinem Vater zu zeigen, und als sie sich das nächste Mal trafen, da sprachen sie nicht mehr darüber, da gab es auch nichts mehr zu sprechen, denn der Vater hatte alles gesagt, und der Vater war davon überzeugt, dass er im Recht war, und dass Franz sich irrte, und Franz war nicht daran interessiert, noch einmal auf Konfrontationskurs mit seinem Vater zu gehen, da ertrug er lieber dessen stumme Verachtung, und Franz erzählte seinem Vater auch nicht mehr, wie es ihm in seinem Studium ginge, und der Vater erklärte seinem Sohn auch nicht mehr, welche Ansprüche er an ein Mitglied seiner Familie stellte, sie sprachen im Grunde gar nicht mehr miteinander, „ich werde besser als er“, dachte sich Franz insgeheim, „wichtiger, mächtiger, reicher“, wer war sein Vater denn schon, ein unbedeutender Arzt, der gerade Mal bei seinen Patienten bekannt war, was bewirkte sein Vater denn schon, außer dass es ihm ab und zu gelang, einem seiner Patienten die richtige Medizin zu verschreiben, was verdiente sein Vater denn schon, grade genug, um sich ein Häuschen irgendwo in den Bergen zu leisten – und das war geerbt, von einem der genauso mittelmäßig war wie der Vater, mit der selben Verachtung, wünschte sich Franz, auf seinen Vater herabblicken zu können, mit der ihn sein Vater nun strafte, „du wirst dich noch einmal entschuldigen müssen bei mir“, schwor sich Franz, und Franz versuchte noch mehr Vorlesungen und Übungen gleichzeitig neben seinem Job als Journalist zu belegen, und überall holte sich Franz einen Schein ab, und zwischendurch hatte Franz alle Filme zu sehen, die es zu sehen gab, Franz lief ins Kino und auf die Universität, und dazwischen freundete er sich mit ein paar Studienkollegen an und konnte bald davon sprechen, einen Freundeskreis zu besitzen, gemeinsam durchliefen sie die Lokale, in die Studenten so gingen, Franz und der Kreis seiner Freunde, trinkfeste Männer, oder besser trinkfeste Buben, die sich gerne als Männer gebärdeten aber doch nichts weiter waren als Buben, und diese Buben waren auch nicht wirklich trinkfest, sie waren nur Buben, die eben viel tranken oder zumindest versuchten, viel Alkohol zu sich zu nehmen, was ihnen aber meistens gar nicht gelang, wenn man unter „viel“ mehr versteht als fünf Bier an einem Abend, denn beim sechsten Bier wurde ihnen meistens schon übel und beim siebenten Bier kotzten sie vor die Lokaltür, und nach dem achten Bier konnten sie sich an nichts mehr erinnern, aber sie übten sich eben gemeinsam im Trinken und durchliefen gemeinsam Lokale, und als die Kastanienbäume zu blühen anfingen, während Ungeziefer ihre gerade erst ergrünten Blätter wieder braun verfärben ließen, erwachte Franz nach so einer Nacht im Bett einer Kellnerin, und halbwegs ausgenüchtert fanden sie einander immer noch nett, und weil ihr Freund für eine Woche nicht in der Stadt war, blieb Franz mit ihr den ganzen Tag über zusammen, und am Abend gingen sie auseinander, die Frau in die Arbeit und Franz lief ins Kino, und somit hatte Franz seine zweite sexuelle Erfahrung gesammelt, und eine dritte folgte ein Monat später und erstreckte sich dann über ganze zwei Wochen, und danach sammelte Franz noch die eine oder andere Affäre, Franz sah schließlich gut aus, er war sportlich, hatte ein nettes Gesicht, Franz war auch stets gut gekleidet, und Franz war sehr eloquent und manchmal auch witzig, und vor allem war er charmant, wenngleich auch meistens sehr fordernd, aber wurde einer Frau sein Verlangen zuviel, dann lief Franz eben zu einer anderen Frau, es gibt ja so viele, und alle paar Wochen stimmte die Mischung aus Alkohol, Charme und Verlangen, und Franz konnte eine Frau mehr in die Kategorie „gehabt“ einsortieren, und Franz sammelte auch Räusche und durchzechte Nächte mit seinen Freunden, und Franz fing an zu rauchen, und überhaupt meinte Franz alles auskosten zu müssen, was das Leben so bot, und so torkelte Franz auch einmal mit zwei seiner Freunde in ein Bordell, und um die Kosten für das sexuelle Vergnügen in Grenzen zu halten, teilten sie sich eine der Damen, als dritter stolperte Franz in das Zimmer, zog sich aus und stieß der Dame sein Glied in ihre mit Gleitmittel behandelte Weite, kurz musste Franz daran denken, dass einige Minuten zuvor, auch seine Freunde ihren Schwanz in das selbe Loch gesteckt hatten, kurz ekelte es Franz bei diesem Gedanken, doch dann gewann die Erregung die Oberhand über sein Denken, und er stieß weiter zu, die Dame versuchte sich unter Franz zu bewegen, aber Franz überrannte sie mit seinem Verlangen, klammerte sich an ihre Brüste und beendete nach einem kurzen, unrhythmischen Gestocher mit einem zufriedenen Grunzen den Akt, und als Franz das Kondom von seinem Penis abstreifte, überkam ihm wieder der bereits wenige Augenblicke zuvor empfundene Ekel, und während Franz seine Finger und seinen Schwanz mit einem Handtuch abzuwischen versuchte, fragte ihn die sich bereits für die nächsten Freier schminkende Dame „kommst eh bald einmal wieder?“, „vielleicht“, log Franz, stürmte aus dem Zimmer der Dame hinaus und zu seinen, von der besonderen Liebestechnik der Dame schwärmenden Freunden, und Franz erklärte den Freunden, die Dame war sicher nicht schlecht, aber beim nächsten Mal wolle er wieder gratis und mit ganz gewöhnlichen Mädchen, „es interessiert mich nicht, einer von vielen zu sein“, erklärte Franz seinen Freunden, und in den Sommerferien fing Franz an zu reisen, denn das Reisen, so erklärte Franz gerne, erweitere besonders den Horizont eines Menschen, Franz wollte möglichst viel sehen von der Welt, und Franz fing mit der Wiege der ihm bekannten Zivilisation an, Franz fuhr das Land ab von Norden nach Süden und dann von Osten nach Westen, und im nächsten Sommer bereiste Franz einige Inseln, als „Inselhopping“ wurde diese Art des Reisens bezeichnet, die Reisenden selber nannten sich „Traveller“, egal aus welchen Ländern sie stammten, und die kurzen Besuche an den unterschiedlichsten Orten hatten auch etwas von einem Gehopse, nirgends verweilte Franz auf seinen Reisen länger als zwei, drei Tage, immer musste er weiter, auf andere Inseln „hoppen“, um andere Strände, um andere Dörfer, um andere Ausgrabungsstätten zu sehen, und an all diesen Plätzen begegnete Franz anderen reisenden Menschen, einige Burschen, mit denen er trank, einige Paare, mit denen er Karten spielte und sich Mietwagen teilte, einige Frauen, denen Franz versuchte ein wenig näher zu kommen, ab und zu blieb es nur bei Gesprächen, doch hin und wieder gab es auch tiefere Blicke, flüchtige Berührungen auch, und mit der einen oder anderen Frau hatte Franz die eine oder andere gefühlsbedingte Irritation, nichts Ernstes aber genug, um sich nach der Reise mit seinen Freunden darüber unterhalten zu können nach einigen Bieren und Schnäpsen und etlichen bis zum Filter hinunter gerauchten Zigaretten, in immer wieder kehrenden Nächten, deren Gleichförmigkeit niemand bemerkte, weil sie als eine einzige Eroberung des Lebens wahrgenommen wurden von den beteiligten Männern, die ihm Grunde trotz Reisen und Begegnungen unterschiedlicher Art immer noch Buben waren, ausgestattet mit größeren Rechten und Pflichten, wobei letztere nur erahnt wurden von diesen Buben und auch gerne einmal diskutiert, wahrgenommen wurden sie nie, meistens verdrängt und oft auch zwischen Bieren und Schnäpsen für ihr ganzes Leben vergessen und durch Grundsätze ersetzt, die grundsätzlich bedeutungslos waren und nur für deren Repräsentanten bedeutend, und all diese Buben meinten von sich, anders zu sein als die andern, weil sie viel tranken und rauchten und Diskussionen führten mit politischem und manchmal sogar philosophischem Inhalt, und ihr revolutionärer Geist entlud sich des Nächtens, wenn sie Türen von teuer wirkenden Autos anlullten oder deren Antennen verbogen, Seitenspiegel verstellten, einmal brach Franz im Vorbeilaufen bei einem dieser Wägen das auf der Motorhaube montierte Symbol ab und nagelte es zu Hause an seine Klotür, ein anderes Mal zerkratzte Franz im Vorbeilaufen bei einem roten Sportwagen das Dach, „scheiß Kapitalismus!“ hat Franz geschrieen, bevor er eilig davon lief, und alles ergab einen Sinn, alles ließ sich begründen, und alles war irgendwie gegen irgendwas gut, und „gut“ waren Franz und seine Freunde, ganz egal was sie taten, weil sie es besser wussten als alle anderen, und auf der Uni saßen sie brav in den Bänken, und bei ihren Eltern saßen sie brav bei den Tischen, und in den Fastfoodrestaurants zahlten sie brav ihre Burger, und um Geld zu verdienen verteilten sie Zettel, ohne weiter darauf zu achten, wofür sie mit dem Verteilen der Zettel warben, hüteten Kinder, indem sie die Kinder vor den Fernseher setzten, ganz egal was im Fernsehen gerade ausgestrahlt wurde, oder sie schrieben wie Franz Zeitungsartikel, ohne dabei eine eigene Meinung zu vertreten, nur die Meinung anderer gaben sie wieder, unreflektiert, höchstens der politischen Gesinnung des Chefredakteurs folgend, und nach einem weiteren Studienjahr, in dem Franz auf der Universität viel weitergebracht hatte, neben all den gesammelten Räuschen und gesehenen Filmen und der regelmäßigen journalistischen Arbeit hatte Franz mehr Scheine abholen können, als er es sich zu Beginn vorgenommen hatte, war Franz bereits fast fertiger Magister der Philosophie, nur mehr ein paar wenige Seiten seiner Diplomarbeit und eine Prüfung standen zwischen Franz und dem Erreichen dieser Etappe beinahe in der vom Staat als optimal vorgegebenen Zeit, und so beschloss Franz im Sommer auf eine Insel zu fliegen, die groß genug war, um nicht nach zwei, drei Tagen wieder weiter auf eine andere Insel reisen zu müssen, und auf dieser Insel lief Franz an weißen Säulen vorbei auf aus der Antike stammenden gepflasterten Wegen, Franz kletterte Berge hinauf, die Sonne genießend, die Hitze, erregt schweifte sein Blick über das türkis blaue Meer, bis sich seine Erregung entlud und weiß klebrig einige Staubkörner band, und immer noch kribblig und lüstern und alle Welt herausfordernd, begehrend, verlangend, am liebsten alle Frauen dieser Insel auf einmal umarmend rannte Franz weiter, keine der Frauen der Inseln umarmend, schließlich sprach er nicht ihre Sprache und außerdem schienen diese Frauen für Franz allesamt an die Orte gebunden zu sein, an denen er nur vorbeilief, und der Staub der Wege verfing sich in den Haaren auf seinen Beinen, wild fühlte sich Franz als er so lief über die Berge der Insel, viel wilder kam er sich vor als dieser Walter, der seine Wildheit verloren hatte, so hat es Franz zumindest von Iris gehört, die sich getrennt hatte von Walter, ihren zukünftigen Ehemann hatte Iris gefunden, einen netten und verlässlichen Kerl, so hat Iris Franz ihren zukünftigen Gatten beschrieben, bevor sie sich massieren hat lassen von Franz, bevor sie sich verführen hat lassen von Franz, bevor sie Franz erklären hat müssen, dass es besser wäre, sich nicht mehr zu sehen, ein „Niemand“, so war Franz überzeugt, war dieser Neue von Iris, denn dieser Neue von Iris hatte niemals so wie Franz alleine im Sommer laufend die Berge einer fremden Insel ohne viel Proviant überquert, und
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#2

Runner's high - Teil 2

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.12.2008 19:06
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo schreiberling,

meine Vermutungen über Franz-Anton litten ein wenig bis arg in diesem Part. Aber da Du mir Durchdringungshoheit über Dein Werk demütig eingeräumt hast, muss ich festellen, dass zwischen dem Funkeln mancher Perle, wie das Tanzen, das "Boxen" und sich gegenüber seiner Verwandten - vornehmlich Vatern - behaupten, sich der Gesamteindruck doch ins ge... . Vergiss es. Hau einfach den nächsten Teil rein. Weiterhin mit Genuss gelesen.

Gruß
Brotnic2um
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#3

Runner's high - Teil 2

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 16.12.2008 15:13
von Schreiberling (gelöscht)
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Für Brotnic2um nun Teil 3 online
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