#1

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 19.11.2007 10:48
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Kaninchen

Ich spazierte wie so oft am See, auf dem Weg der sich ganz heimlich unter den Weiden am Ufern entlangschlängelte. Es war ein schöner Sommernachmittag auch wenn am westlichen Himmel ein schwarzgraues Band begann, das Himmelszelt düster aufzurollen. Mein Blick schweifte hinüber ans andere Ufer und da sah ich plötzlich ein Engelchen.

Ein kleines Mädchen, flachsblond mit neckischen Zöpfen und wohl fünf Jahre alt, hockte am gegenüberliegenden Ufer wo auch der Spielplatz lag. Sie hockte vor dem Käfig in dem ihre Brüder Fußball mit einer handvoll Jungs, ja fast schon jungen Kerlen, spielten.
Hin und wieder klatschte sie in die Hände und das Wasser des Sees trug ihr Stimmchen bis zu mir. Sie rief Marius, der war ihr ältester Bruder und sie rief ihn an, denn sie bewunderte und liebte ihn. Ob er auch gut Fußball spielte, ihr Marius? Der Kleinen wird es egal gewesen sein. Hin und wieder klatschte sie auch, wenn Raphael das Leder trat, denn der war ihr nächst älterer Bruder. Vielleicht bewunderte sie ja Raphael nicht so sehr wie Marius? Die Jungs werden sieben, fast neun Jahre älter als ihre Schwester gewesen sein und hin und wieder machten sie Gesten, zu ihrer Schwester, dass sie die Mannschaft ihrer Brüder und natürlich die Brüder selbst noch mehr anfeuern sollte. Dabei plusterten sie sich auf und schnitten ihr freundliche Grimassen und dann lachten sie alle herzensgut. Sie liebten sich ganz offensichtlich.

Ein leichter Wind kam jetzt doch auf und mich fröstelte. Die Kleine hatte auch nicht soviel an, dass ihr warm sein konnte. Das sorgte mich doch sehr. Ein dünnes Hemd und ein kurzes Röckchen, dass sie ein ums andere mal hochziehen musste, dass es ihr nicht runterrutschte. Sie war nicht dick, vielleicht etwas pummelig, was sie nur noch niedlicher für mich machte. Sie freute sich und war beseelt. Ihre Welt war unschuldig und bevölkert von Helden wie Marius.

Ich starrte ganz versunken auf ihre kleine Gestalt und achtete nicht auf den Weg am Ufer. So hörte ich, noch sah ich unglücklicherweise die dicke Kröte, die meinen Weg kreuzte und die ich zu meinem und ihrem Schaden unter meinen viel zu blanken Sohlen knapp begrub.
Wie auf eisigem Grund rutschte ich da weg und eh ich mich recht versah, schlitterte ich die Uferböschung hinab und rutschte geradewegs in eine tückische Untiefe des Sees. Brusthoch stand ich mitten mal im Wasser. Vielleicht hätte ich geschimpft und geflucht und mich gleich aus dem See wieder raus geflüchtet, aber wie magisch zog es meinen Blick, wobei mir die tief ins Wasser hängenden Zweige der Weiden die Sicht erschwerten, zu meinem blonden Engelchen und sah sie zu meinem eigenen Entsetzen nicht mehr.

Fort schien sie! Wie durch Geisterhand verschwunden. Die Brüder aber spielten immer noch und hatten anscheinend genauso wenig bemerkt, dass ihre Schwester nicht mehr am alten Platze war. Verzweifelt suchte ich sie mit meinem Blick am anderen Ufer und fand sie endlich an der Seite eines Mannes und war beruhigt.

Ein netterer, älterer Herr in meinem Alter hielt sie an der Hand und führte sie vom Spielplatz weg in Richtung Bahndamm. Dort gab es doch immer noch die Kaninchenställe und sichere Überdachung auch bei heftigem Sturm? Sicherlich hat die Kleine dem Mann leid getan, denn sie wird gefroren haben. Der Himmel kündete schon von nahem Wolkenbruch und hin und wieder ging eine unangenehm kalte Brise. Ihre Zöpfchen und ihre Unschuld wird ihn angerührt haben und nun führte er den kleinen Engel in sichere Gefilde vor dem drohenden Gewitter.

Tief atmete ich durch, wo ich nun sah, dass alles in der Ordnung war und fing erst jetzt an zu versuchen, mich aus meiner misslichen Lage zu befreien. Meine Füße standen auf keinem festen Grund. Wenn ich sie belastete, so schien es mir, drohte ich noch tiefer in den Schlick zu rutschen. Meine Arme aber konnte ich frei bewegen und suchte einen Weidenast zu erheischen, an dem, so hoffte ich, ich mich vielleicht herausziehen könnte. Nach wenigen Versuchen hatte ich einen ergreifen können und dennoch begann ich zu befürchten, dass die Lage brenzliger war als ich dachte. Denn der Ast schien nicht allzu viel auszuhalten. Bevor ich mein Glück versuchen wollte, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass der Spielplatz und der Käfig mit den Fußballspielern leer war. Von meinem eigenen Rettungsplan ließ ich augenblicklich wieder ab. Nicht weit vom Ort ihres Spieles entdeckte ich sie und verfolgte gebannt die junge Meute wie sie in ihrer Schar von acht, neun Jungen, den Weg zum Bahndamm entlang hetzten.

Etwas übel wurde mir, nicht nur weil eines meiner Beine unerklärlicherweise gegen einen Sog von unten arbeiten musste, als ob ich in Treibsand gefangen sei, sondern meine eigentliche Sorge und meine Übelkeit galt und rührte von der Tatsache her, dass die Jungen, die da ganz offensichtlich den beiden hinterher jagten, mir wie von Sinnen schienen. Gerade bei Raphael meinte ich einen besonderen Ausdruck des Zorns entdecken zu können.

Bald hatten sie das Pärchen eingeholt und eingekreist, just in dem Moment als der schwarze Himmel zwar bedrohlich wirkte, aber alles wie in Öl getaucht stillzustehen schien. Nur der nette ältere Herr schien mir vor Angst zu zittern. Doch für einen langen Moment tat sich nichts. Mein Engel immer noch ohne Sorge und rein im Herzen, löste sich plötzlich aus der Hand des Mannes, trat einen Schritt zu Marius vor und ihr Stimmchen trug über den See, dass der Onkel ihr Kaninchen zeigen wollte und einen Unterschlupf, wo es wärmer und trocken wäre. Augenblicklich zerrte der ältere Bruder grob seine Schwester an seine Seite, zischte etwas zu dem Mann und war so ernst und voller Zorn, dass seine Schwester augenblicklich zu heulen begann. Je nun, da begann es auch schon leicht zu regnen und ich durfte nun nicht mehr zögern mich zuvorderst um mein eigenes Heil zu kümmern. Aber ich scheute doch sehr, die Bande da drüben um Hilfe anzurufen, gerade weil ich meinte noch zu erkennen, dass der Raphael zwar die ganze Zeit geschwiegen hatte, aber ganz offensichtlich sich kaum noch beherrschen konnte. Ein jähzorniger Junge schien er mir, der vieles aber auch viele Dummheiten wohl im Kopf hatte.

Aber ich begann nun endgültig zu versuchen mich aus meinem eigenen Schlamassel zu ziehen und ich fühlte, an dem geringer werdenden Sog, dass mein Plan aufzugehen schien. Die Runde an der anderen Ufer Seite hatte sich auch aufgelöst und die Jungs mit ihrer Bande und der Kleinen gingen wieder Richtung Spielplatz und der alte Mann zu den Ställen.

Leider traute ich mir durch den anfänglichen Erfolg zu viel zu und wollte mich mit einem jähen Zug am Aste herausziehen. Aber es folgte ein Fiasko. Der Ast rutschte wie nichts durch meine Hände und schürfte sie unnötigerweise auf und ich rutschte noch mehr hinein, ja, war sogar für einen kurzen Moment mit meinem Kopf unter Wasser. Schnell tauchte ich wieder auf – und wenn mich so jemand gesehen hätte, er hätte mich wohl für den leibhaftigen Wassernöck gehalten – und schüttelte mich instinktiv. Dabei geschah es, dass ich sah, wie Raphael einen metallischen Gegenstand zugesteckt bekam von einem älteren Jungen und Raphael schnurrstracks wieder wendete und wie eine Katze sich an den Mann anschlich. Ich traute meinen Augen nicht und es traf mich wie ein Blitz. Der junge Kerl kam unbemerkt in den Rücken des Mannes und – ohne zu zögern, ohne jedwede Form von Moral oder Scham – stieß er das Ding, das Messer, das er bekommen hatte dem Mann hinten durch den Schritt. Als ob es mich selbst getroffen hätte, ging ich wieder unter vor Schreck. Den Schrei des alten Mannes hörte ich sogar noch unter Wasser.

Wild paddelnd schaffte ich es, meinen Kopf wieder über die Wasserlinie zu bringen und sah eine Traube Jungs, die sich um den Körper gestellt hatten und abwechselnd in ihn reinstießen oder mit Tritten misshandelten. Nur einer von ihnen, und es war nicht Marius, führte die Kleine vehement wieder zurück in Richtung Spielplatz. Hin und wieder aber blickte sich mein Engel um und dicke Tränen rannen ihre rosigen Wangen herunter. Ach, mein Engel, warum nur? Warum?

Als ich instinktiv Seewasser ausspie, begriff ich und ich hoffte nun endgültig begriffen zu haben, wie ernst meine Lage war. Aber da ich mittlerweile sehr tief gesunken war, fassten meine Hände immer nur ins Leere und verfehlten stets einen rettenden Zweig. Obendrein musste ich noch mitansehen, wie, angeführt von den Brüdern, die Jungenschar den Körper des Mannes die Böschung hinunterschleiften und mir genau gegenüber in den See stießen. Das Blut, das überall an ihm klebte, bildete einen unwirklichen Kontrast zu dem Gewitterhimmel. Es war so seltsam, dass auch ich an meinem entfernten Ort den Eindruck hatte, das Wasser um mich herum würde sich rot verfärben. Natürlich wusste ich, dass sich das Licht im Wasser wie im Prisma brach und nur so die rote Färbung zu erklären war.

Immer noch hatte ich keinen Ast erreicht und nachdem was ich beobachten musste, wagte ich nicht mehr, diese Mörder um Hilfe anzurufen. Der andere Mann war in die Tiefen des Sees gesunken und die Jungs waren abgezogen. Ich kämpfte noch verzweifelt, um einen Ast zu erwischen, kämpfte verzweifelt, meinen Kopf über Wasser zu halten und in dem nun starken Regen, gemischt mit Blitz und Donner, nicht vollends unterzugehen.

Wie weiß ich nicht mehr. Aber es war plötzlich alles ganz leicht und ich lag erschöpft aber glücklich, dem Tode entronnen zu sein, am Ufer wo die Weiden stehen.


So sucht mein Blick, wenn ich wie jeden Tag am See spazieren gehe, Dich.
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#2

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 19.11.2007 19:25
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Abend, Brotnic2um!

Was nicht uninteressant, aber sanft, fast feenhaft beginnt, wird zu einer Geschichte voller Handlung. Nicht aber unbedingt in die Richtung, die der Leser vermutet.
Genug Stoff, der auch für eine zweite Geschichte ausreichen würde.
Die Handlung ergibt sich nicht alleine aus der Erzählung, sondern der Leser selbst ist es, der mit seiner Erwartung und Interpretation, die Handlung mitzubestimmen scheint.

Gut und spannend erzählt, kleine Flüchtigkeitsfehler, nur einige als Beispiel aufgeführt:schlitterte
Ein netterer, älterer Herr in meinem Alter ( das auch unbekannt ist)
Fort schien sie.(ich glaube dieser Satz verträgt ein Ausrufzeichen)

endlich an der Hand eines Mannes (eine Hand würde ich ersetzen z. B.: an der Seite)
hielt sie an der Hand und führte

Richtung Bahndamm. Da gab es doch immer noch die Kaninchenställe (Dort)

wo es wärmer ist und trocken sei. (wo es wärmer und trocken wäre)

Sicherlich hat dem Mann die Kleine leid getan (Wortstellung: Sicherlich hat die Kleine dem Mann leid getan)
Weidenast zu heischen (ungewöhnlicher Ausdruck, ev. erfassen, ergreiffen, wenn unbedingt heischen, dann erheischen)
nicht nur weil mein eines Bein (weil mein Bein, weil eines meiner Beine)

unerklärlicher weise (unerklärlicherweise, auf unerklärliche Weise)
Je nun, da begann es auch schon leicht zu regnen (Je nun ?)
Leider vertraute ich durch den anfänglichen Erfolg mir zu viel zu (ich traue mir zu, ich traute mir zu, ich (ge)traue mich)

Der Ast rutschte wie nix (umgangssprachlich verständlich, aber schriftlich besser: nichts)

Nicht ganz klare Satzstellung(?):
So sucht mein Blick noch heute, wenn ich jeden Tag aufs Neue (Kleinschreibung) am See spazieren geh, Dich, mein Engelchen
aufs neue ( überflüssig) am See spazieren gehe, ...
Ist hier gemeint aufs neue spazierengehen oder aufs neue sucht der Blick
[eventuell: Noch heute, wenn ich (täglich) am See spazieren gehe, sucht mein Blick Dich, mein Engelchen, ... ]
---------------------
Die sicher noch nicht voll überarbeitete Geschichte sehe ich gelungen;
mit 'denn' und 'aber' mehr sparen, das 'unschuldige' am Engelchen ist zwar überbetont, doch soll es bestimmt nicht überlesen werden.

Ich sehe die Geschicht als noch nicht druckreif, aber gut und die Gedanken und Phantasie anregend.

Es war mir eine Ehre
mit Gruß
Joame
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#3

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 19.11.2007 20:46
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte

Zitat:

Was nicht uninteressant, aber sanft, fast feenhaft beginnt, wird zu einer Geschichte voller Handlung. Nicht aber unbedingt in die Richtung, die der Leser vermutet.



Zweimal danke. Denn unwirklich soll es wirken und die Erwartungshaltung will ich auch täuschen. Deshalb würde mich Deine Erwartungshaltung und das Bild dass Du vom Ich Erzähler gewonnen hast interessieren.

Ich habe Dir zu danken.

Gruß
Brot

PS: Die Hinweise und Korrekturen werde ich noch einarbeiten, weitere "aber" ersetzen und deutlicher machen, dass der Blick des Erzählers jeden Tag immer wieder auf der Suche ist.
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#4

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 19.11.2007 23:28
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hi, nochmals guten Abend!

Auf so eine schnelle Reaktion gar nicht gefasst, knappe ich nur herein 1. Ganz zu Beginn dachte ich es entwickle sich ein 'Feenmärchen', dann inhaltlich hingelenkt, vermutete ich als unbefangener Leser eine Weiterentwicklung in die Richtung Pädophilie. (War es auch, aber nur am Rande als Motiv zu erahnen). Genügend gesetzte Anzeichen
(Beschreibung der Kleinen) wiesen deutlich genug in die Richtung.
Durch die Darstellung des jähzornigen wilden Bruders (zu verstehen), der die Grenzen seiner Schutzfunktion überschreitet und zum Mörder wird (samt seiner Kumpanen), wird ein weiteres sehr problematisches aktuelles Thema ins Spiel gebracht.
Enttäuschung gab es bei mir nicht, da ich mich von Erzählen prinzipiell führen lasse und keine feste Erwartungshaltung einnehme, außer den Vermutungen und Ahnungen, die der Schreiber als Hinweise liefert.
Der eher besinnliche melancholische Ausklang weist auf eher einen inaktiven Romantiker unter den Pädophilen hin, den man charakterlich in dieser kurzen Geschichte nicht kennen lernte; er war ja ganze Zeit beschäftigt, sich selbst über Wasser zu halten. Er nahm trotz seiner Selbstrettungsaktion eigentlich nur eine passive Rolle ein. Außer seiner träumerischen Übersteigerung wurde von ihm nicht viel bekannt; er könnte genausogut an religiösem Wahn laboriert haben.
Kindesentführung - Gruppenmord - ein Verunglückter, der sich noch retten kann, als ein nach Unschuld Begehrender dargestellt, der die Grundzüge der Welt erkannt hat, sich aber vom Gesetz her auch strafbar gemacht hat.

Freundlichen Gruß!
Joame
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#5

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 20.11.2007 11:51
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hi Brot,

ich weiß ja nicht so recht.
Ich sage gleich, ich mag das Thema nicht und mir wird in Deiner Geschichte zu schnell Schwubdiwipp darüber geflupt.

In gewisser Weise hat man das Gefühl, dass die Geschichte von der Idee dort ansetzt, wo Deine Aktionspotentiale aufhören. Der Protagonist sieht sich selbst von außen. So las ich die Geschichte so, als wenn der Erzähler, während er den älteren Herrn gleichen Alters mit der kleinen weggehen sieht, im Sumpf seiner schlammigen Gedanken versinkt. Dann drängt sich mir nach dem Schluss bei seiner Rettung das Szenario auf, als spiele sich die komplette Szenerie nur in seinen Gedanken ab. Für einen äußeren Beobachter weiß er ziemlich viel über die Familie der Akteure. Der alte Mann scheint ihm am fremdesten zu sein, was auch an der Verdrängung dessen unreiner Gedanken liegen kann.
Die Situation an sich, dass ein älterer Herr ein Kleines Mädchen vor der Nase von einer Gruppe kräftiger junger Männer fortführt, erscheint mir recht unrealistisch, was auch für die Schizo-Version spricht. Die Kleine als Verführung, die Jungs als eine Art Kontrollinstanz, der Alte die verbotene Lust, die durch die Kontrollinstanzen regelrecht hingerichtet wird, was einerseits einer Heilung gleichkommen könnte vom unerlaubten Begehren, aber durch die Verklärung und die Ungewissheit am Schluss wieder relativiert wird.
Soweit ein interessantes Szenario, was mich an Filme wie "Identity" oder "A beautiful Mind" denken lässt. Nur, wie gesagt, dieses Missbrauchsthema liegt mir quer im Magen.

So viel erstmal von mir.

Viele Grüße,
GW

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#6

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 20.11.2007 16:18
von Pog Mo Thon (gelöscht)
avatar
Ich mag die Geschichte sehr, finde sie spannend und farbig erzählt. Natürlich ist es insbesondere der Blickwinkel, der faszinieren und Übelkeit auslösen kann, spätestens dann, wenn man Mitleid mit dem alten Mann in sich aufkeimen spürt. Gerade wegen des Kaninchengedankens (prima Idee) hätte ich aber den letzten Absatz weggelassen. der scheint mir auch ein Fremdkörper zu sein, mir entlockte er jedenfalls nur ein Magengrummeln. Der Önologe würde sagen: Super Aroma, aber etwas fad im Abgang. Ernsthaft, die letzten beiden Sätze sind super-abgeschmackt!
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#7

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 20.11.2007 23:36
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Brot

die Hinweise sind eindeutig. beim Eintauchen ins Wasser werden weiterhin vor allem visuelle Stimuli beschrieben, ein wenig Stimmen und überhaupt keine körperlichen Empfindungen wie doch naheliegende Nässe, Kälte oder Wasserschlucken - da wird also kein realer Handlungsablauf geschildert, sondern es handelt sich um eine allegorische Komposition. beidseitig eines allegorisch-metaphorischen Wasserspiegels wird der innere Konflikt eines Pädophilen ausgeleuchtet angesichts seines - wie nennt man das? - Auslösers oder Objektes seiner großen Begierde, der Unschuld in Person: ein Kind.

ich kann sie allesamt nicht ausstehen, die Pädophilen und Päderasten von Stefan George und seinen Jüngern bis zu den Pfaffen unter den Päpsten, insofern begann ich schon ab Satzpunkt drei dieser Story Antipathien zu entwickeln. man fragt sich ja manchmal schon, was in solchen Typen vor sich geht und die Story scheint dafür eine wertfreie Antwort bieten zu wollen. umso mehr vermisst man am Ende den moralischen Arschtritt in gezielter Richtung.

andererseits wird aber erst durch diese wertungsfreie Erzählweise, der Leser selbst gefordert individuelle Maßstäbe anzulegen um die eigene Toleranzschwelle auszuloten. ein pädophiles Individuum, wie dieser Protagonist, bleibt ja nämlich so lange unbehelligtes Mitglied einer Gesellschaft, so lange er seine Zuneigungen und "Philien" im Zaum zu halten vermag. Vorurteilen und Verdächtigungen sind Tür und Tor geöffnet, doch die bleiben zahnlose Tiger. es wäre demnach ja auch zu erwarten dass jeder vernünftige Betroffene die Versuchung meidet, sich zurückzieht und nur noch als Eremit sein Dasein fristet. aber nein, was geschieht da in den letzen Sätzen? da wird mir vermittelt, dass so ein Typ täglich ein Kind für seinen auflodernden seelischen Konflikt braucht, wie ein Junkie seinen Stoff. und an der Stelle hab ich genug. ach ja das war ja dann auch der Schluss. aber ich schieße darüber hinaus und wünsche dem Pack nurmehr den geeigneten Therapeuten: einen gesund bezahnten Armin Meiwes zum Beispiel. der könnte dann doch mit einem liebevollen Biss (gerne auch mit staatlichem Segen) das achsoschwöre Leid beenden. Eunuchen und Kastraten haben doch auch ein schönes Leben (wann schreibt denn eigentlich darüber jemand?) vor allem ein zwang- und sorgenloseres. und sie brauchen dann keine Angst mehr zu haben - niemand wird mehr mit einem scharfen Taschenmesser ihre Prostata herauspulen wollen, bloß weil sie mal die Unschuld in totgesagten Parks ausführen um ihr Kaninchen zu zeigen.

Halleluja
Alcedo

e-Gut
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#8

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.11.2007 21:20
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
@Joame

Hi Joame, ich habe einige Verbesserungsvorschläge und Korrekturen übernommen und nur weniges blieb. Wie das „Je nun“. Es ist mir so fremd wie Dir und deshalb will ich es behalten. Aber vieles was du anmerktest habe ich berücksichtigt. Es steckt zu viel von aber, denn, noch und ganz in diesem Text und doch – das Wort habe ich glatt vergessen – hoffe ich, es etwas geschmeidiger gemacht zu haben. Vielen Dank für Deine Hinweise.

Ich bohrte bei Dir nach, wie Du was empfunden hattest, weil ich zum einen wegen des Ich-Erzählers sehr unsicher war und zum anderen probiert habe, bewusst gegen die von mir vermutete Erwartungshaltung zu erzählen.
Die feenhafte Stimmung, die Du herausgelesen hast, ging mir runter wie Öl, weil wie GW schon richtig geahnt hat, der Erzähler und der alte Mann ein und dieselbe Person sind, bzw. als solche gelesen werden sollten. Ich vermute, dass Nizza diese Deckungsgleichheit auch erkannt hat, weil ich sonst seine totale Ablehnung der Schlusssätze nicht nachvollziehen könnte.
Der Erzähler, sein Ambiente sollte also unwirklich oder gespenstisch wirken. Die Deutung Feenhaft zeigt mir, dass der gewählte Ton in die von mir gedachte Richtung ging. Sicherlich war es auch kein Volltreffer.

@GW
Hi Geratewohl,


Zitat:

Ich sage gleich, ich mag das Thema nicht



Denkst Du ich? Wer mag das Thema eigentlich? Es stimmt aber, dass bei einer Geschichte über das Thema Kindesmissbrauch oder Verbrechen an Kindern niemand eine Geschichte braucht, bei der


Zitat:

zu schnell Schwubdiwipp darüber geflupt



wird. Verzeih, wenn ich diese Formulierung trotzdem klasse finde. Ich hoffe, dass Du mir abnimmst, dass ich exakt das nicht wollte. Weshalb ich auch hier ganz besonders interessiert an Rückmeldungen bin, denn der Unterschied zu den Aktionspotenzialen, wo die Aufladung der Geschichte, der Aps, zwar immer wieder durch Missbrauch, oder möglichen Missbrauch entsehen sollte aber dies, zumal am Ende, als eine von verschiedenen Möglichkeiten stehen sollte.
Im Vordergrund dieser Geschichte sehe ich den entscheidenden Unterschied darin, dass ich hier hoffentlich eindeutig – das gilt es zu beweisen - aus der Sicht des Wassernöcks, des Kinderschrecks, des Pädophilen, des Dämons erzähle – was bei der AP Geschichte nur eine mögliche Auslegung sein sollte – aber ich wollte den Wunsch des Lis hier Wunsch sein lassen und mich nicht in unsäglichen Beschreibungen versuchen. Die würde ich fad, abgeschmackt und eklig finden. Also passiert das, was da an den Ställen passieren könnte, wenn dann, nur im Kopf des Lesers. Der muss entscheiden, das ist der Nöck und niemand sonst. Wenn die Leser dem LI nicht trauen, dann hat das schon mal funktioniert.

Den Kindheitsschlachtern will ich beileibe keine Hymnen singen. Aber kastrieren ist gerne die Losung der Lynch Justiz Fraktion und die wollte ich aber auch nicht glorifizieren und eine Haltung bedienen, die gerne nach einem Strick wie nach Schlussstrich giert.

Die Geschichte ist aus zwei Gründen entstanden: erstens, das Bild des Ertrinkenden und zweitens aus dem Wollen gegen den Strich zu erzählen, weil ich gerade bei einer kürzlich gelesenen Geschichte daran denken musste, dass ein „Kurswechsel“ auf ausgetretenen Pfaden einen Reiz haben könnte. Wie gesagt: könnte.

Aber die Parallelität der Ereignisse, das Wegbrechen im Schlick der eigenen Gedanken, des eigenen Begehrens verdeckt von Weidenzweigen, - dazu noch was in meiner Antwort an Alcedo - wie Du das herausgelesen hast, finde ich klasse. Genau so war es beabsichtigt. Und ebenso klasse, dass Du den Verdrängungsmechanismus genau wie ich es gewollt habe, beschrieben hast.
Da ich nicht, wie oben gesagt, Schweinephantasien bedienen wollte, aber Erwartungshaltungen täuschen und wie nizza schreibt, Mitleid für den alten Mann erzeugen wollte, wählte ich diese Form und Plot und war gespannt wie es ankommt und ob es funktioniert, ohne peinlich oder unsäglich zu werden.

Deinen Kommentar verstehe ich so, dass Dich die Geschichte zwiespältig hinterlassen hat. Das ist kein Lob, aber angesichts der eingeschlagenen Perspektive, auch nicht die Aufforderung das Dingen zu löschen.


@Nizza
In Deinem Kommentar finde ich neben dem Kompliment für et janze, auch den Hinweis, dass das Rudel, das da Jagd aufnimmt den Spieß erfolgreich umgedreht, aber leider auch reingestoßen hat und dieser Kerl einem fest leid tun kann. Fast. Ja, die letzten beiden Sätze, schrieb ich , weil ich nicht wusste, ob das Bild bis dahin ausreichend angekommen ist und dann wollte ich diesen Ungeist, diesen Nöck, diesen versteckten Blick aus dem Gebüsch wie in einer Schauergeschichte immer an diesem See belassen. Ich habe nun einen, einen statt zweier, an den Schluss gesetzt. Wenn der auch Grotte ist und das Bild zerstört, dann bitte Kommentar. Die Kritik an den bisherigen habe ich ja verstanden. Hoffe ich...

@Alcedo

Ich glaube ich habe vieles schon gesagt, aber du hast die allegorische Ebene angesprochen und da will ich mich nicht lumpen lassen. Die Kröte, auf der ich schwerlich ausrutschen könnte, ist natürlich das Symbol des Bösen und in Wiki über ein Bosch Gemälde hieß es, sie sei auch als Symbol für die Kastration des Mannes zu sehen. Besser ging es ja gar nicht mehr, fand ich.
Die Weiden hatte ich gebraucht, weil mir die Trauerweiden als Symbol für den Tod im Gedächtnis waren und dann fand ich aber bei Wiki, dass die Weide in der chinesischen Symbolik als Symbol für Frühling, sexuelles Verlangen und Freudenmädchen stünde. Wenn also der Blick verhangen von den Zweigen der Weide ist, dann ist die Erregung so groß, dass der Blick nicht mehr klar ist. Der Nöck, der die Kinder entführt ist offensichtlich, das Gewitter als Unheilsbringer auch. Der Spielplatz ist die Kindheit aus dem die Kleine entführt werden sollte, der Fußballkäfig ein Mittelding zwischen Hundezwinger und Spielplatz. Aber wenn er sich öffnet, gibt es kein Weg mehr zurück. Der Dämon, der alte Isegrim wird von den jungen Wölfen besiegt, aber zu welchem Preis? Die Kleine wird zurückgezerrt zum Spielplatz, aber die heult und das Spiel wird wohl nicht mehr so sein wie vorher. Also hier auch der Verlust der Kindheit. Der See, oder besser die von Wasser getrennten Ufer, standen für mich für den Styx. Bzw. das eine Ufer war Leben, das andere Tot. Was mir nicht gefällt sind die Namen Marius und Raphael. Die wählte ich frei nach Schnauze und will jetzt auch nicht googeln um Bedeutung zu destillieren. Deshalb auch der märchenhafte Ton, denn in diesen Mären geht es ja recht häufig um den Verlust der Kindheit.

Den Arschtritt wollte ich aber nicht geben, weil ich das wieder für eine wohlfeile Bedienung der Erwartungshaltung halte.




Da keiner mir vorgeworfen hat, dass sich der Text böse im Ton vergreift und sich gemein mit Pädophilen macht, sondern sein Bemühen ernsthafte Fragen zu stellen, abgenommen wird, hoffe ich, dass er hier stehen bleiben kann mit den Änderungen, die ich mit Hilfe der Kritik von Joame eingebracht habe.

Danke für Euer Feedback.
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#9

Kaninchen

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.11.2007 22:00
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hallo Bronic2um!

Ich wollte mich, nachdem ich Alcedos Stellung gelesen hatte, nicht gleich anhängen, aber er hat es offensichtlich gründlich gemacht. Der Gedanke war mir auch gekommen, nur wußte ich nicht, wie sehr es in Deiner Absicht lag; hätte ja auch ein komischer Zufall sein können. Natürlich bin ich nicht so weit gegangen, die Weiden auch eine Symbolhaftigkeit zuzuweisen. Irgendwann wird man des Grübelns überdrüssig.
Aber soweit ich sehen konnte, ist Deine Rechnung voll aufgegangen - Du hast erreicht, was zu erreichen war.
Das Thema selbst, das nicht nur von Dir oder mir als ungut und widerlich bezeichnet wird, ist aber dennoch ein Thema, das schriftstellerisch sehr ergiebig ist; an dem sich ein Könner wirklich beweisen kann.
Wer hier meinte, Pädophile würden durch diese sanfte und korrekte Geschichte bedient, der hat womöglich nichts anderes getan, als sich selbst einen Spiegel vorgehalten.

Mit Gruß
Joame
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