#1

In manchen Nächten

in Gesellschaft 13.03.2007 10:42
von Fabian Probst (gelöscht)
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In manchen Nächten

Kennst du das, wenn alles ruht,
und du wach liegst in den Nächten,
weil aus tiefen Kellerschächten
etwas steigt zu dir ins Blut?

Wie ein Wort, das dich beschleicht,
und du kannst es kaum verstehen,
dieses Flüstern, wie ein Flehen,
dass kein Atem dir entweicht.

Angst zerfrisst dich, denn der Geist,
der dich einst an sich gebunden,
sucht und hat dich hier gefunden,
geifert, als er dich umkreist.

Es ist Zahltag, deine Zeit
ist verraten, totgeschlagen,
und man greift dir an den Kragen,
„gleich!“, denkst du, „es ist soweit.“

All die Lügen, all das Gift
pocht und puckert in den Venen,
reißt die Haut auf, Knochen, Sehnen,
wie ein Axtschlag, der dich trifft.

Zweifel haben dich entstellt.
Und aus Scharen von Dämonen
tritt, sich fürstlich zu belohnen,
jener Sohn der Unterwelt.

Hitze schneidet deinen Blick,
Blut spritzt aus den Augenbrauen,
gottverdammte Riesenklauen
brechen grinsend dein Genick!

Doch es tut nie lange weh!
Denn du hörst den Wecker läuten,
schälst dich aus den alten Häuten -
Aspirin schwimmt im Kaffee.
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#2

In manchen Nächten

in Gesellschaft 13.03.2007 13:35
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Fabian,

ich finde das sehr gut verdichtet und sprachlich gekonnt umgesetzt. Der Alp und Nachtmar, das Rumpelstilzchen, das am Bettpfost' nagt - ich bin ein Powerschläfer und mir wuchs nur eine solche Nacht zu, an die ich mich allerdings noch nach über zwanzig Jahren gut erinnere.

Ich empfinde Dein Gedicht als etwas lang, thematisch nahe beisammen liegende Aspekte werden -zwar mit immer neuen Bildern -aber dennoch redundant, ausgeführt.

Tendenziell beginnt die Schilderung es bei einem Wort, etwas, das "ins Blut" steigt und steigert sich zu monströser Größe und Gefräßigkeit. Währenddessen vollzog sich unbemerkt ein Einschlummern - ich bin unschlüssig, ob ich nicht einen Hinweis darauf bräuchte: auffällig ist das Fehlen.

Ausserdem hat das nächtliche Strafgericht noch eine moralische Instanz. Es ist eine Art Grund für den Albdruck vorhanden, er ist scheinbar gerecht, nicht bloßes Widerfahrnis.

Ich habe aber den Eindruck, es geht eher um das Phänomen des Albtraums, als um den Zweifel über ein eigenes Verfehlen.
Merkwürdig ist in meinen Augen, so wie so, die Rubrik.
Als Conclusio rettet sich das leidende Individuum in Aspirin und Erfahrungswerte.

Lieber Gruß

Ulrich
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#3

In manchen Nächten

in Gesellschaft 13.03.2007 14:31
von Krabü2 (gelöscht)
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Hallo Fabian,
ich mochte dieses Gedicht auch gern - mehrmals sogar - lesen. Mir allerdings kam diese nächtliche Horrorvision eher wie das Abklingen eines 'Trips' vor, irgendeiner Suchtflucht, über die sich das lyrI wohl auch klar ist - eigentlich. In dieser Nacht geht's ihm nun ultradreckig - etwas zu aufgetragen wirkt mir das Spritzblut aus den Augenbrauen, aber... egal, es wirkt ja schrill, und bei Kopfschmerz und Hitzeerschütterungen mag das Gefühl aufkommen können. Die Panik, die das lyrI ergreift, sehe ich als Gratwanderung (im Traum?) zwischen Sterbensangst und Lebenskampf und evtl. dem Versprechen an sich selbst, solcherlei Eskapaden fortan zu unterlassen.
Die Sucht allerdings ist stark und ... naja, verlacht die x-te Einsicht. Übrig bleibt ein anderes Ritual: Morgendliches Aspirin. Und weiter geht's.
Daher scheint's mir unter Gesellschaft richtig zu stehen...
(frei nach Uschimanier interpretiert *lach*)
Sprachlich finde ich es - bis auf die eine Stelle - klasse!
Grüße
Uschi
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#4

In manchen Nächten

in Gesellschaft 13.03.2007 14:44
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
hi Fab,
der Alp, die Ängste der unverarbeiteten Themen. Hab auch, schon länger her, darüber getextet. Ein gelungener Text, gefällt, wenn mir auch etwas mehr Bild und Spannung gefehlt haben.(lang genug ist der Text doch ) Gern gelesen.
Gruss
Knud
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#5

In manchen Nächten

in Gesellschaft 16.03.2007 17:08
von Fabian Probst (gelöscht)
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@Erebus: Es muss kein Alptraum sein. Soas kann auch im wachen zustand passieren, denke ich. Deswegen bleibt auch der Hinweis aus. Es ist ein Reflektieren der eigenen Schwächen, oder sollte es jedenfalls werden.
Deswegen bleibt deine erste Einschätzung natürlich richtig. Ich glaube auch nicht, dass man grundlos träumt. Ob die Deutung allerdings im wachen Zustand gelingt, ist etwas Anderes. aber das hier ist ja im Sinn nicht zweideutig.

Ja, etwas zu lang ist es vielleicht. Ursprünglich hatte es sogar noch eine Strophe mehr, eine Art Nachhall. Aber ich hielt sie für den Tümpel zu aufgesetzt:

Kennst du das, wenn alles spricht,
und du kannst es nicht mehr hören,
dieses Lallen, Schreien, Schwören,
wo ein Wort ein andres bricht?

Mit de Rubrik habe ich immer Schwierigkeiten. Das wurde mir schon oft gesagt.

Danke dir für deine Worte.

@Uschi: Gar keine schlechte Idee. Ich hatte das mit dem Trip gar nicht im Sinn, um ehrlich zu sein, aber du hast Recht. Das würde richtig gut passen. Und es kommt auf dasselbe hinaus, denke ich.
Vielen Dank für diese Erweiterung des Horizontes.

@Knud: Dir haben Bild und Spannung gefehlt??? Ach du lieber Gott, dann habe ich mich total verhauen. Danke dir für die Erkenntnis.

Gruß, Fabian
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#6

In manchen Nächten

in Gesellschaft 27.03.2007 08:52
von Klopfstock (gelöscht)
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Lieber Fabian, als ich Dein Gedicht las, dachte ich ganz spontan: "Da hat einer irgendwo bis in die Nacht durchgemacht, gefeiert, ist vielleicht auch fremgegangen und nun liegt er im Bett und sein Gewissen plat ihn enorm,
verstärkt durch den Kater, die Dunkelheit, die friedlich schlummernde "bessere Hälfte". Derjenige kann nicht einschlafen, verfällt quasi in einen leichten Schlaf, mehr ein Dösen und dann folgen die vielen Bilder - ein HalbschlafAlp in welchem sich alles in einem mischt und ganz besonders die "Vergehen" insgesamt die das Gewissen plagen und einen Höllenzustand schaffen, daß man froh ist letztendlich, daß der Wecker schellt und daß es Aspirin und Kaffee und den neuen Morgen gibt.
Sehr gut geschrieben übrigens, aber das ist man ja von
Dir gewohnt
Herzliche Grüße, Irene

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#7

In manchen Nächten

in Gesellschaft 27.03.2007 09:47
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Guten Morgen,

während ich Dein Gedicht las, wusste ich nicht so recht, ob der Dichter wusste was er wollte. Wollte er dem Leser einen Schrecken einjagen, durch die Schilderung einer alptraumhaften Nacht als memento mori? Oder, wenn ich nur an das Ende sehe:

Doch es tut nie lange weh!
ach so. na dann ist es auch nicht schlimm
Denn du hörst den Wecker läuten,
Wecker läutet, d.h. es ist morgens und die Sonne scheint, nicht?
schälst dich aus den alten Häuten
klingt auch nicht anstrengender, als eine Banane zu schälen
Aspirin schwimmt im Kaffee.
Aspirin im Kaffee ist ekliger als warmes Bier, aber hier löst sich wohl der Schmerz der vorangegangen Nacht auf und die Lebensgeister werden wieder erweckt.

Soll dem Leser nach all den vorangegangenen Schrecknissen mit einem Augenzwinkern zu verstehen gegeben werden: alles nix von wahr, ich wollte nur spielen? Glaube ich nicht.

In der letzten Strophe hallt für mich aber nicht nach, dass der LIghtsleeper eben noch von der Hölle verschlungen, vom furchtbaren Axtmörder verfolgt. ihm das Blut aus allen Poren spritzte, der Atem gefror und sein Genick zu brechen drohte.

Wobei mir die vorangegangenen Strophen auch zu künstlich, blutleer sind. So als wären sie dem Wörterbuch des Grauens entliehen. Sie berühren mich nicht und gruseln mich wie ein Zombie, der am Glockenseil hängt. Das geht gleich los, wenn mir was ins Blut steigen soll. Das kenne ich nicht und auch nicht, dass Wörter mich beschleichen, höchstens dringen die durch mein stumpfes Gemüt durch und dann beschleicht mich vielleicht so ein Gefühl.
Der restliche Nachtmahr riss es für mich auch nicht mehr. Erst recht nicht als an der dramatischsten Stelle des Gedichts, wo sich die Pforten der Hölle öffneten und ich eigentlich bibbernden Herzens sein sollte, dann aber nur als der Qualm sich legte, las:

jener Sohn der Unterwelt.

Und wieso nicht der Andere?, fragte ich mich unwillkürlich. Wieso jener an dieser Stelle, wo es auf der Bühne blitzt und kracht und Donnergrollen über uns erschallen. Wieso jener ?

Nein, das passt m.E. alles nicht zueinander. Schmeckt mir wie Aspirin im Kaffee.

Das ist sicherlich eine Außenseiterposition bedingt durch jahrelangen Konsum fürchterlichster Horror-, Schnitter- Splatter und guter Suspensefilme.
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