#1

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 20.11.2006 16:53
von Fabian Probst (gelöscht)
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Am Meer

Wie sehr sie wünschte, dass es immer bliebe,
was sie zusammen brachte und versprach.
Sie wollte gar nicht viel, nur etwas Glück.

Doch fragst du mich: „Wie war es mit der Liebe?“
So will ich ehrlich sprechen: sie zerbrach,
denn er ging fort und ließ sie hier zurück.

So bleich gezeichnet kauert sie am Strand
auf ihren Schultern klaffen tiefe Wunden
verzweifelt klammert sie sich schon seit Stunden
an die Erinnerung, die sie hier fand.

Gebrochen steht sie auf, geht an den Rand
der See. Nur ihr fühlt sie sich jetzt verbunden.
Sie steigt ins Wasser; dann ist sie verschwunden;
die Brandung spült die Spuren aus dem Sand.


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#2

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 20.11.2006 17:28
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hallo Fabian!

Die Geschichte kommt mir irgendwie bekannt vor, ähnliche Handlungen kommen ja auch leider immer wieder vor.

Du hast es gut ausgedrückt und gut gereimt.
Eine Stelle fiel mir auf, wo nicht unbedingt Kritik
hingehörte, doch ich schreibe einfach meine Gedanken dazu.

Zitat:

Gebrochen steht sie auf, geht an den Rand
der See. Nur ihr fühlt sie sich jetzt verbunden.


Nach meinem Gefühl eine ganz unbedeutende Kleinigkeit, wenn
ich empfinde, das 'Nur' am Satzanfang stopt ein wenig.
Meines Dafürhaltens hätte ich anders begonnen und das 'nur'
später im Satz gebracht. - denke ich, ist aber nur eine Bagatelle.

Traurig und schön!
Gruß von Joame

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#3

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 23.11.2006 09:58
von Fabian Probst (gelöscht)
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Wie würde das dann aussehen? Ich kann mir das "nur" später im Satz gar nicht vorstellen, ohne dass es ungelenk zu lesen wäre.
Gib mal ein Beispiel, wie du es formuliert hättest, vielleicht gefällt es mir ja auch besser, obwohl ich es so, wie es ist, gut finde.

Danke dir für deinen Kommentar.

Gruß, Fabian

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#4

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 23.11.2006 10:20
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
hi Fab,
Du auch? ein Sonett traverse. Schön. Diese moritätische Geschichte passt gut zu der Gedichtsform.
Gruss
Knud

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#5

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 23.11.2006 10:54
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Mit einigen Tagen Abstand las ich es nochmals und bin mit meinem obigen Kommentar nicht mehr zufrieden. Weiß der Teufel, welche Laus mich da geritten hat und was ich da wieder überkombiniert habe.
'Sie fühlt sich jetzt nur ihr verbunden' - möglicherweise meinte ich das. Ich bin mir aber nicht sicher.
Vergiß es!

Freundlichen Gruß
Joame

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#6

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 24.11.2006 10:45
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Fabian

Ich stelle mir immer vor, wie das wäre, wenn man beschliesst, sich zu ertränken. Da ich sehr gut schwimmen kann, ist es für mich quasi unvorstellbar, dass nicht automatisch der Schwimmreflex einsetzt, wenn das Wasser tief wird. Deshalb bin ich auch immer etwas skeptisch, wenn ich so etwas lese. Natürlich kann das Wasser eiskalt sein, dann wäre es möglich ... Jack von der Titanic lässt grüssen ...*g. Aber das nur nebenbei.

Wo ich kurz stockte, ist die 2. Str. Plötzlich spricht da der Erzähler mit einer weiteren Person (der Leser?). Ich fand das recht ungewöhnlich, freunde mich aber - nach mehrmaligem Lesen - mit dieser Perspektive an.

Du vermittelst recht gut, die Stimmung, obwohl für meinen persönlichen Geschmack etwas wenig Bildhaftigkeit im Text ist. Bei den Spuren im Sand muss ich unweigerlich an Howard Carpendale denken - lach - sorry, aber diese Wendung ist doch schon recht verbraucht.

Trotz der kleinen Meckereien ist das Gedicht aber doch schön traurig und passt in den November. Ha, da hätten wir das kalte Wasser wieder!

Gruss
Margot

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#7

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 04.12.2006 13:16
von Albert Lau (gelöscht)
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Hallo Fabian!

Nein, das will mir nicht so recht gefallen, auch wenn du hier metrisch klangvoll dichtest. Die Reime bleiben dabei so „bleich gezeichnet“, wie die Geschichte selbst. Da wird eine Sie verlassen und geht deshalb ins Wasser. Ich will nicht verhehlen, dass du das nicht sprachlich gekonnt und daher auch rührend beschreibst. Für die hierorts erwähnten „Spuren im Sand“ kannst du nichts und mir stießen sie hier auch nicht auf. Allerdings bleibt auch nichts nach, da die handelnde Person ein substanzloses Vakuum bleibt. Sie scheint lediglich durch die Liebe dieses auch nicht weiter erklärten „Er“ definiert und erfüllt und geht deshalb geradezu zwangsläufig zuschanden, fällt in sich zusammen, wenn und als diese Liebe wegfällt.

Das kann mich nicht beeindrucken, ich fühle nicht mit bzw. in mir klingt nichts an, was es mich nachvollziehen lassen könnte. Höchstens bliebe die Möglichkeit eines Anti-Liebesgedichtes, wofür auch die gewählte Form der Sonettessa spräche: Das bedeutete, dass der interne Erzähler eher Distanz zur Protagonistin hielte und das erklärte auch, warum sie nicht näher charakterisiert wird. Dann würde eher gebrandmarkt werden, wer sich selbst in der Liebe so sehr verlöre, dass nichts von ihm/ihr bliebe. So würde es mir grundsätzlich zusagen und je länger ich darüber nachdenke, scheint es mir auch stichhaltig zu sein. Dann wären auch diese verwirrende, eingeschobene Frage in wörtlicher Rede, die Bleichzeichnung und die nachgerade persiflierenden klaffenden Wunden auf den Schultern erklärt.

Keine Ahnung, nur dass mehr darin ist, als auf den ersten Blick zu sehen ist und das merkt man nicht nur an dem auf den Kopf gestellten Sonett. Vermutlich bedarf es mehr Zeit und/oder eines gewitzteren Geistes, um die ausgewaschenen Spuren wieder sichtbar zu machen.

Ich korrigiere also: Es gefällt mir doch nicht so wenig, wie ich erst vermutete. Mir scheint, ich urteilte vorschnell, weil es mir nicht behagt, dass da mehr ist, als ich sehe.

Kwak, kwak.

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#8

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 04.12.2006 15:21
von Fabian Probst (gelöscht)
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@Margot: Tschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Mein Kopf ...

Deine Sichtweise kann ich soweit nachvollziehen. Ich kann mir das auch nicht vorstellen, dass man einfach untergeht und dann ertrinkt. Aber es gibt ja genug Beispiele, auch in der Literatur, das es scheinbar sehr gut möglich ist, wenn man abgeschlossen hat.

*g* Howie ist doch ein Klassetyp.

Danke dir für deinen Kommentar.

@Lau: Deine Sichtweise ist fast noch besser als die, die ich im Sinn hatte, aber vielleicht sind sie auch gar nicht so verschieden.
Nein, ich wollte nicht nur einfach von einer enttäuschten Liebe schreiben sondern hatte eine Doppeldeutigkeit im Sinn.

Oberflächlich geh es darum, was offensichtlich ist und angesprochen wurde. "Er" ist irgendein Scheißtyp oder wer auch immer, ist egal. Hauptsache ist, er hat die Alte enttäuscht (wieder mal die Männer... na Klasse).

Die andere Ebene ist eine Art überzogen pathetische. Hier spricht der Erzähler über die Liebe selbst (was sie zusammen brachte und versprach)! "Er" ist dann logischerweise der Mensch, der auch keiner weiteren Charakterisierung bedarf.
Es gibt einen weiteren Hinweis: "wie war es mit der Liebe?... sie zerbrach..." und dann im zweiten (oder ersten, wenn man es dreht) Quartett: "Gebrochen steht sie auf".

Liest man es mit dieser Perspektive, wird es auch hoffentlich etwas persifliert und distanziert.
Der Rest erklärt sich dann selbst, hoffe ich.

Dein Ansatz hat aber auch etwas und deckt sich durchaus mit meiner Herangehensweise.

Interessanterweise gab es in anderen Foren bisher nur Kommentare über das schön traurige Liebesgedicht. Das ist auch Ok, wenn man es nur auf der Oberfläche sieht und mag.

Danke auch dir. Du hast als Einziger die andere Ebene gesehen. Wenn auch mit Verspätung, aber das ist auch gut so. *oink, oink*

Gruß, Fabian

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#9

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 04.12.2006 15:45
von Krabü2 (gelöscht)
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Hi Fabian,

*Wie sehr sie wünschte, dass es immer bliebe,
was sie zusammen brachte und versprach.*

hier fällt mir ein Doppelbezug auf, das ES (Liebe? Anziehung?) brachte sie zusammen, gut, könnte sie, gaaaanz poetisch gesprochen, auch 'versprechen' als Paar mit Zukunft, ich denke aber eher, Du meinst die Frau, die dort Versprechungen gab, um für ihr Glück zu sorgen, oder?
*(Sie wollte gar nicht viel, nur etwas Glück.)*
Sie wollte gar nicht viel (Glück?)

*Doch fragst du mich: „Wie war es mit der Liebe?“
So will ich ehrlich sprechen: sie zerbrach,
denn er ging fort und ließ sie hier zurück.*
Hier wieder eine Doppelbedeutung? Erst die 'Liebe', die zerbrauch, dann die zurückgelassene Frau.

*So bleich gezeichnet kauert sie am Strand*
hört sich danach an, als würde ihr diese Beschreibung nicht gerecht, als würde ihre Persönlichkeit/Reichhaltigkeit geschmälert.
*auf ihren Schultern klaffen tiefe Wunden*
Hier habe ich einen verwegenen Gedanken, nämlich den, dass er ihren Versprechungen, Dingen, die sie auf ihre Schulter nahm(?), aufgesessen ist und sein 'Abspringen' die tief klaffenden Wunden offenlegt?!

*verzweifelt klammert sie sich schon seit Stunden
an die Erinnerung, die sie hier fand.*

Hier wird's knifflig, weil Du wechselst - aus dem Präsens in den Imperfekt. Da denke ich fast, die Erinnerung war schon 'er' für sie, als er erschien, damals, und dass jene davorliegenden Erinnerungen gemeint sind - eine allgemeine Enttäuschung, die ihr immer wieder 'auflauert' im Leben?

*Gebrochen steht sie auf, geht an den Rand
der See. Nur ihr fühlt sie sich jetzt verbunden.*
Wenn etwas zerbrochen ist, dann versucht man es - die Scherben - bei Reparatur wieder zusammenzusetzen, zu verbinden, das leuchtet mir ein. Dann aber geht sie an den Rand, an welchen Rand? Jaja, der See, aber sich auch an den Rand ihrer Verzweiflung, Kräfte... etc.? Du hast Dir sicher was dabei gedacht, wie ich Dich kenne genauso wie hier:
Sie steigt ins Wasser; dann ist sie verschwunden;
Eigentlich impliziert das Wort 'steigen' eine Aufwärtsbewegung, die See ist aber nicht über dem St(Rand). Da bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich Dein Bild verstehe. Auf jeden Fall glaube ich, dass hier was zu suchen/finden ist, was der Auflösung nahe kommt.
die Brandung spült die Spuren aus dem Sand.

Insgesamt erinnert es mich an einen Märchenfilm über eine Nixe (hab den Titel vergessen), die einmal auf die Welt will, einem Schiffbrüchigen geholfen hatte (der sich als Prinz herausstellte). Sie war stumm, das war ihre Auflage, stumm zu sein und doch sein Herz zu gewinnen. Er entschied sich für eine Andere, weil er sich von ihr verlassen fühlte, wenn ich mich recht erinnere, und sie musste ins Meerreich zurück. Kennst Du den Film?

Ja. Soweit von mir.
Ich hab das gern gelesen, ich denke, darin (ver-)steckt (sich) doch Einiges. Ich finde es knifflig, aber (dadurch) sehr interessant.

Grüße
Uschi


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#10

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 04.12.2006 16:05
von Fabian Probst (gelöscht)
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Wow, da hast du dich aber sehr mit beschäftigt. Freut mich, dass es dich so interessiert.

Deine Ausführungen sind alle richtig bzw. ich kann nichts entdecken, was meiner Vorstellung widerspricht. Einzig das "steigen" sehe ich anders. Wenn steigen immer eine Abwärtsbewegung impliziert, was ist dann "absteigen" oder "herunter steigen"; "der absteigende Ast"; "in ein Loch steigen"? Das gibt es doch alles, oder bin ich da völlig blockiert?

Ja, vielleicht sucht sie dort etwas, auch das ist möglich. In erster Linie ist sie erst mal verschwunden.

Freut mich, dass du dich so mit dem Text auseinandergesetzt hast.

Du meinst "Arielle, die Meerjungfrau", nach dem Märchen von Hans Christian Andersen, welches übrigens mit dem Tod der Meerjungfrau endet.

Mal sehen, vielleicht kann ich diese Version da auch noch irgendwie reinkloppen. *g*
Nein, im Ernst, die Idee gefällt mir und ich finde sie gar nicht so abwegig, da eine Verbindung zu sehen. Klasse.

Ich danke dir sehr.

Gruß, Fabian

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#11

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 05.12.2006 14:27
von Krabü2 (gelöscht)
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Ich mag's, wenn Gedichte und Geschichten (und ach Menschen) nicht eindeutig sind. Dein Gedicht war es nicht, ist es nicht. Das ist spannend.

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#12

Am Meer

in Düsteres und Trübsinniges 15.09.2007 23:52
von Primel (gelöscht)
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Fabian,

Oft habe ich auch schon in dieser Richtung Kitsch verbrochen, da guter Kitsch auch richtig packend sein kann und gefällig! Dann aber gibt es auch Verstöße gegen die Denk– und die Sprachlogik:

S.1, Z.1 sie "hatte" es sich wohl "gewünscht…“
Z.2 „versprach“ wer oder was versprach?
S.2, Z.2 „ehrlich“ ist ein garstiges Füllwort in diesem Kontext.
Z.3 „hier“ unnötig und banal
S.3, Z.1 „bleich gezeichnet“, man spricht zwar „von etwas gezeichnet sein“, doch „bleich“ ist hier Adverb!
Z.1 und Z.2 sollten wohl jeweils am Ende ein Satzzeichen haben.
Z.2 „Wunden?“ wo kommen die her?
S.4 Z.1 „gebrochen“ nach dem Zerbrechen, der Verzweiflung, den schweren Verletzungen? „Rand der See“ ist eine Konzession an Vers und Reim, doch Meeresufer ist wohl klarer.
Z.3 man „steigt“ in eine Badewanne oder auch in ein Schwimmbecken, für das Meer ist der Ausdruck verfehlt.

Wenn du ein unbekannter Neuling wärst, hätte ich diese Kritik nicht vorgenommen, doch du brauchst ja nicht mehr eine derartige Schonzeit und bist hinreichend bekannt, daher sollte ein Ausrutscher als solcher identifiziert und auch wieder gleich verziehen werden.

Freundliche Grüße. Primel
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