#1

Verdorrt

in Düsteres und Trübsinniges 14.05.2006 23:46
von kein Name angegeben • ( Gast )

Uns trieb der Durst durch harte Winkelgassen,
Und blendend weißer Kalk hat uns den Blick verätzt
Im Neumond jener toten, brachen Marmornacht.

Dein Klopfen an nur einer der passierten Türen
Hätt endlich Lachen und entbehrtes Licht gemacht
Gleich einem Trunk aus amornen Karaffen.

Zu viel Stolz und zu viel Gier für einen Halt.

Und was nach beißend-kalter Flucht noch uns gehört,
Hat Deine eigne Hand gewohnt gekonnt zerzählt.
So bleibt vom kühlen Morgentau nur glühendgrau
Der Staub in trocknen Rissen unsres Munds.


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#2

Verdorrt

in Düsteres und Trübsinniges 15.05.2006 11:47
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Schau an, der Flam! Schön, dass du dich mal wieder blicken lässt.

Wie hat sich dein Schreibstil – in der Zeit, da du nicht hier warst – geändert! Ich bin ganz .... ehm ... überrascht? Ich finde ein Stilwechsel immer gut. Nichts ist so langweilig, als wenn einer sein Leben lang das selbe dichtet.

Also, zu deinem Gedicht. Inhaltlich sehe ich eine Anklage an das lyr. Du, das atemlos und gierig durch eine Beziehung läuft. Viel nimmt, wenig gibt und das Wenige wird vom Lyr. Ich sogar noch als Staub tituliert. Hm ... das kann’s also nicht wirklich gewesen sein, diese Verbindung.
Wo ich hängen bleibe, sind die Winkelgassen. An sich ein schönes Wort, aber ich wahrscheinlich pottergeschädigt und kann es nicht mehr frei assoziieren. Mist!
Daneben fällt mir der Nacht/macht Reim unangenehm auf, er ist mir schlichtweg zu platt und ich würde ihn weg lassen. Hingegen gefällt mir der Binnenreim tau/grau .... da blitzt etwas deine alte Schreibe hervor .
Erkläre mir doch bitte ‚amornen’, das kenne ich nicht und will natürlich marmornen oder amorphen lesen. Oder kommt’s von amore? Keine Ahnung.

Ich kann nicht sagen, dass mich das Gedicht persönlich anspricht. Für mich ist es so ein Zwitter zwischen Klassik und Moderne und das liegt mir nicht so besonders. Wenn ich wählen könnte, würde ich es stark kürzen und alle Füllwörter entfernen. Damit die Verzweiflung und das Leiden auch in der Knappheit der Worte ersichtlich ist. Die adäquaten Metaphern dazu hast du ja bereits.

Soweit von mir.
Liebe Grüsse
Margot



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#3

Verdorrt

in Düsteres und Trübsinniges 21.05.2006 19:23
von kein Name angegeben • ( Gast )
Liebe Margot,

vielen Dank für's immer noch den Flam lesen. Was den Stil anbelangt so fürchte ich beinahe, zur Zeit schlecht an meiner Schreibe zu identifizieren zu sein. Geradezu stillos!

Der Nacht/Macht-Reim liegt auch mir schwer im Magen und ich hadere noch mit mir, nicht vielleicht doch wieder zur ursprünglichen Variante, die "gebracht" statt "gemacht" verwendet, zurückzukehren. Mich hat nur die konsonantische Nähe zu "brachen" so gestört. Aber mittlerweile glaube auch ich, dass es das geringere Übel war.

Und amore ist genau richtig. Und das trotz der klanglichen Anlehnung an den kalten Marmor.

Außerdem weißt Du doch, wie sehr ich an den Füllworten hänge. Warum in einem Wort alles sagen, wenn man einen Aufsatz drüber schreiben kann?

Ich danke für Deine Anregungen und Denkanstöße. Ich werde sie mir durch die Federn gehen lassen.

alles liebe,
Flam

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#4

Verdorrt

in Düsteres und Trübsinniges 23.05.2006 09:19
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Flam,

schön, dass Du mal wieder durch unseren Tümpel watest, ich fürchtete schon, ich hätte Dich mit meiner letzten Kritik vertrieben... danach warst Du für ein 3/4 Jahr nicht mehr gesehen - oder warst Du etwa schwanger ? Vielleicht ja mit Texten, ich bin gespannt.

Mit gefallen Deine Zeilen, auch finde ich sie gar nicht so viel anders, womöglich kenne ich aber dann doch zuwenig von Dir. Diejenigen Gedichte, mit denen ich mich bislang z.T. recht intensiv auseinandergesetzt habe, waren allerdings alle von dieser gewissen inhaltlichen, fordernden Sperrigkeit gekennzeichnet, wie ich sie auch hier empfinde.

Die Beziehung zwischen zwei Personen sehe ich ebenfalls als Thema, allerdings mit (so glaube ich) etwas anderem Schwerpunkt als Margot, denn ich habe eher die Assoziation, dass das Verhalten des lyrDu das Entstehen einer echten, emotionalen Beziehung von vornherein nicht zugelassen hat. Mir erscheint das wie ein One-Night-Stand, bei dem sich das lyrIch mehr erhoffte...


Zitat:

Uns trieb der Durst durch harte Winkelgassen,
Und blendend weißer Kalk hat uns den Blick verätzt
Im Neumond jener toten, brachen Marmornacht.


Natürlich ist die Winkelgasse heutzutage durch Potter belegt, sie aber deshalb nicht nutzen zu dürfen, wäre ja Unsinn (wer kennt in hundert Jahren schon noch Potter, wenn Flam in der Schule durchgenommen wird ). Die Protagonisten sind auf jeden Fall nicht in der Lage, den direkten Weg zu gehen, sondern verzetteln sich ein wenig, auch wenn sie der Durst - den ich als Durst nach Nähe verstehe - vorwärts treibt. Der (Lösch-?) Kalk, den sie gegen die Einsamkeit einzusetzen versuchten, trübt jedoch ihre Sinne.


Zitat:

Dein Klopfen an nur einer der passierten Türen
Hätt endlich Lachen und entbehrtes Licht gemacht
Gleich einem Trunk aus amornen Karaffen
Zu viel Stolz und zu viel Gier für einen Halt.


Offenbar hat das lyrDu die Geschicke in der Hand. Ein Zeichen von ihm hätte vieles anders werden lassen, die Spannung gelöst und den (amorösen?) Funken überspringen lassen.
(" amore ist genau richtig. Und das trotz der klanglichen Anlehnung" Trotz? Ich gehe doch davon aus, dass diese Formulierung eben gerade wegen dieser klanglichen Nähe benutzt wurde, oder?)
Letztlich war das lyrDu jedoch nicht dazu in der Lage und ist an all den (geradezu offenstehenden) Türen vorbeimarschiert. Es wollte mehr und sah nicht das, was ihm zur Verfügung stand.


Zitat:

Und was nach beißend-kalter Flucht noch uns gehört,
Hat Deine eigne Hand gewohnt gekonnt zerzählt.
So bleibt vom kühlen Morgentau nur glühendgrau
Der Staub in trocknen Rissen unsres Munds.


Also irgendwie werde ich den One-Night-Stand nicht los ... nach dieser (ekstatischen?) Flucht nach vorne, die so viele Chancen ausließ, zählt das lyrDu die Gründe auf, warum ein "mehr" nicht gehen kann, dass zuviel dagegen spricht und insofern eine gemeinsame Zukunft nicht möglich ist. Der Versuch der letzten Nacht, den Durst zu löschen, bleibt ein unvollendeter und hinterlässt Spuren, die womöglich die Sache grundlegend entschieden haben.

Meinen Libidogedanken einmal beiseite gelassen, scheint mir schon die Aussichtslosigkeit einer Beziehung thematisiert, der deshalb nie eine Chance gegeben wurde. Dabei scheint nicht nur das lyrIch eigentlich mehr zu fühlen, doch zumindest das lyrDu sieht sich nicht in der Lage, die bestehenden Hindernisse zu überwinden ? passen würden bspw. eine Beziehung/ Ehe, die nicht ohne Weiteres aufgegeben werden will.

An den vorhandenen Reimen störe ich mich nicht unbedingt, frage mich allerdings schon, warum Du überhaupt Reime mit eingeflochten hast? Es hätte ja auch ein metrisches, reimloses Gedicht sein können... ich bin aber, was dies angeht, eher leidenschaftslos.

Insgesamt mag ich Deine Zeilen, da sie einen grübeln, aber zu Ergebnissen kommen lassen. Vermutlich liege ich mit meinem Interpretationsansatz zwar Deiner Intention so fern wie die Merkel Steuersenkungen, dennoch konnte ich mir etwas Stimmiges zusammenbasteln.

Gern gelesen,

Don

P.S.: Wenn Du jetzt wieder 9 Monate nicht hier bist, dann schreibe ich Dir - keine Sorge - keine Kritiken mehr .

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