#1

Lecken

in Philosophisches und Grübeleien 06.04.2006 17:28
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Vor lauter Fischfutter,

lieber Mattes,

das du hier in den Tümpel streust, sehe ich nicht nur meine eigenen Gedichte nicht mehr... Was noch schlimmer ist, da ich auch ein langsamer Verdauer bin, verschlucke ich mich allmählich an den vielen durchaus schmackhaften Happen, die du hier reinwirfst.

Das klassische griechische Versmaß beißt sich so allerliebst mit dem Straßenjargon (z.B. in Strophe 3), dass mir dieser Brocken wirklich fast im Halse stecken bleibt. Und das ist natürlich beabsichtigt. Es kommt mir vor wie rheinischer Sauerbraten in grünem Thai-Curry. Aber wenn es der Erkenntnis dient, warum nicht...?

Was könnte die Erkenntnis sein? Dass der "Zeitgeist"ein Schönredner ist, der die Augen vor dem Schmutzigen verschließt? Ich sehe das etwas anders: Fernsehen und Internet bieten reichlich Verrecken und steckende Schwänze. Oder sind die Tümplerdichter mit dem "hier" gemeint? Alles nur Schöngeister, Moralisten, Krokodilstränenweiner, mildgestimmte Herbergsmütter?

Und wo ist der Tyrann? Wer hat die Eier auf ihn zu zeigen? Und schon den Dolch im Gewande? Das klingt stark nach der Apologie des Mukrates.

Man kann das Böse, Vulgäre, Obszöne auch in ästhetisch ansprechender Form präsentieren. Das beweist du mit diesem Gedicht. Aber es wird nicht dadurch schon "wahrer" "mutiger" oder "authentischer" als Gedichte, die das "Unschöne" nicht so ausdrücklich benennen. "Schön" oder "Nichtschön" - das ist nicht die Frage. Für mich ist das wichtigste Kriterium eines Textes die Tiefenschärfe: der achtsame Blick für das Schillernde und Gebrochene einer Situation. - und diese Achtsamkeit fehlt mir hier entschieden. Als Provokation oder polemische Replik, wie sie im "circus lyricus" geübt wird (ich weiss nicht wozu oder wogegen), liest sie sich prima. Aber im Ergebnis ist dieses grobe Benennen des Groben genauso "als ob" wie das feine Augenverschließen.

Sorry, Mattes, das ich das mal so grob sagen muss. Du hast ja genug andere Köder ausgestreut, an denen ich sicher Nahrhafteres finde.

Melde mich dann nach Verzehr umgehend zurück.

Leck mich nicht, Ulli




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#2

Lecken

in Philosophisches und Grübeleien 06.04.2006 18:34
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

Ulli Nois schrieb am 06.04.2006 17:28 Uhr:
"Schön" oder "Nichtschön" - das ist nicht die Frage.


Weder werde ich dich lecken, noch lecken lassen und grob finde ich deinen Kommentar auch nicht, sondern sehr schön.

Nein, ernsthaft, ich freue mich, durchschaut und entlarvt zu sein. Deine von mir jetzt zitierte Kernaussage ist das Wesentliche der Trilogie. Gut, man hätte das auch kürzer und natürlich auch sehr viel "schöner" machen können aber erstens hätte es mir nicht so viel Spaß bereitet und zweitens gehört auf grobe Klötze manchmal auch ein grober Keil. Der macht die zwar nicht sehend, zeigt mir aber, wie blind manche von denen sind.

Du bist es nicht und das überrascht mich nicht. Du bist ja auch gar nicht mein Zielpublikum. An so einem Klotz verhebe ich mich glatt.

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