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Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 09.10.2005 16:27von Richard III • | 868 Beiträge | 871 Punkte
Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben
Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen
Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf !
Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!
(Hugo von Hofmannsthal)
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 09.10.2005 16:29von Richard III • | 868 Beiträge | 871 Punkte
Sie trug den Becher in der Hand
- Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.
So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.
Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.
(Hugo von Hofmannsthal)
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 09.10.2005 16:30von Richard III • | 868 Beiträge | 871 Punkte
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 09.10.2005 16:33von Richard III • | 868 Beiträge | 871 Punkte
Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen,
alle Lust und alle Qual,
alles kann ein Herz ertragen
einmal um das andere Mal.
Aber weder Lust noch Schmerzen,
abgestorben auch der Pein,
das ist tödlich deinem Herzen,
und so darfst du mir nicht sein !
Mußt dich aus dem Dunkel heben,
wär' es auch um neue Qual,
leben mußt du, liebes Leben,
leben noch dies eine Mal !
(Hugo von Hofmannsthal)
RE: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 04.03.2009 22:23von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Siehst du die Stadt?
Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht,
Sich flüsternd schmieget in das Kleid der Nacht?
Es gießt der Mond der Silberseide Flut
Auf sie herab in zauberischer Pracht.
Der laue Nachtwind weht ihr Atmen her,
So geisterhaft, verlöschend leisen Klang:
Sie weint im Traum, sie atmet tief und schwer,
Sie lispelt, rätselvoll, verlockend, bang ...
Die dunkle Stadt, sie schläft im Herzen mein
Mit Glanz und Glut, mit qualvoll bunter Pracht:
Doch schmeichelnd schwebt um dich ihr Wiederschein,
Gedämpft zum Flüstern, gleitend durch die Nacht.
Hugo von Hofmannsthal
RE: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 04.03.2009 22:25von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Spaziergang
Ich ging durch nächtige Gassen
Bis zum verstaubten Rand
Der großen Stadt. Da kam ich
An eine Bretterwand
Auf einem öden Wall von Lehm.
Ich konnt nicht weiter gehen
Noch auch im klaren vollen Licht
Des Monds hinüber spähen.
Dahinter war die ganze Welt
Verschwunden und versunken
Und nur der Himmel aufgerollt
Mit seinen vielen Funken.
Der Himmel war so dunkelblau,
So glanz- und wunderschwer,
Als rollte ruhig unter ihm
Ein leuchtend feuchtes Meer.
Die Sterne glommen, als schauten sie
In einen hohen Hain
Mit rieselnden dunklen Wassern
Und rauschenden Wipfeln hinein.
Ich weiß nicht, was dort drüben war,
Doch wars wohl fort und fort
Nur öde Gruben Sand und Lehm
Und Disteln halbverdorrt.
Sag, meine Seele, gibt es wo
Ein Glück, so groß und still,
Als liegend hinterm Bretterzaun
Zu träumen wie Gott will,
Wenn über Schutt und Staub und Qualm
Sich solche Pracht enthüllt,
Daß sie das Herz mit Orgelklang
Und großem Schauer füllt?
Hugo von Hofmannsthal
Weltgeheimnis
Der tiefe Brunnen weiß es wohl,
Eins waren alle tief und stumm,
Und alle wußten drum.
Wie Zauberworte, nachgelallt
Und nicht begriffen in den Grund,
So geht es jetzt von Mund zu Mund.
Der tiefe Brunnen weiß es wohl;
In den gebückt, begriffs ein Mann,
Begriff es und verlor es dann.
Und redet' irr und sang ein Lied -
Auf dessen dunklen Spiegel bückt
Sich einst ein Kind und wird entrückt.
Und wächst und weiß nichts von sich selbst
Und wird ein Weib, das einer liebt
Und - wunderbar wie Liebe gibt!
Wie Liebe tiefe Kunde gibt! -
Da wird an Dinge, dumpf geahnt,
In ihren Küssen tief gemahnt...
In unsern Worten liegt es drin,
So tritt des Bettlers Fuß den Kies,
Der eines Edelsteins Verlies.
Der tiefe Brunnen weiß es wohl,
Einst aber wußten alle drum,
Nun zuckt im Kreis ein Traum herum.
RE: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
in Rumpelkammer 29.12.2009 15:56von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
»Sunt animae rerum«
(gewidmet Thomas von Aquino)
Ein gutes Wort mußt du im Herzen tragen,
und seinen Wert enthüllt dir eine Stunde:
stets dringt dein Aug nicht nach des Meeres Grunde,
an trüben tiefer als an hellen Tagen.
Zuweilen gibt ein lichter Blick dir Kunde
von Herzen, die in toten Dingen schlagen,
und wenn du nur verstehest recht zu fragen,
erfährst du manches auch aus stummem Munde.
Drum flieh aus deinem Selbst, dem starren, kalten,
des Weltalls Seele dafür einzutauschen,
laß dir des Lebens wogende Gewalten,
Genuß und Qualen, durch die Seele rauschen,
und kannst du eine Melodie erlauschen,
so strebe, ihren Nachhall festzuhalten!
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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