#1

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 07.10.2005 09:43
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Kinder, Kinder

Die Mutter badet das Kind bis ans Ende ihrer Dankbarkeit, und es schreit in vielen Lagen, eingewickelt schon vor Tagen oder Wochen, weich wie Seide, weich die Knochen, in das Zelt ihrer Welt. Und Windeln bündeln die kleinen Mündel bis zur Reinheit des öffentlichen Lebens und Strebens nach Sinn und Gesundheit, oder nur bis zur Wundheit des Popos der reifenden Scheißenden. Im gleißenden Mondlicht, da geschieht nicht viel für Kinderaugen und -ohren. Sie sind noch nicht so unverfroren und kennen nicht die Sünden ihrer Mütter und der Väter, dieser Verräter an dem Segen der Elternschaft, schon oft durch Frauen- und Manneskraft dahingerafft, weil er sein Ding reinsteckt, wo immer ihre Wunde klafft und sie im Rauch des Fadenschein' behauptet, anders drauf zu sein, doch nicht in Worte fassen kann, was wirklich anders ist am Mann, ohne bei jedem Jucken bitter auszuspucken, und er sich peinlich sucht zu ducken.

Der Vater trägt das Kind bis ans Ende seiner Überheblichkeit und denkt, jetzt ist es aber Zeit geschwind ins Bett zu gehn für die Kleinen, und ganz nett für den, der seinen Abend, sauer, süßlich oder scharf, dann selbst bestimmen darf, auch wenn die Seinen nicht mehr essen, schlafen oder weinen können. Und er denkt, Hauptsache, dass alle alles heutzutage noch erleben dürfen, die Proleten Austern schlürfen, alle Menschen gleichermaßen sich am Lebensspiel bespaßen, auch wenn Kinder nicht mehr richtig sprechen können, weil's die Eltern ihnen gönnen, und in großen Menschenmengen Leute sich in Stücke sprengen. So scharrt sich jeder um sich selbst, und hat sich dümmlich eingruppiert in die unteilbare Menge eigener Gedankenstränge. Da hat wer nicht aufgepasst, und die Familie wird erfasst. Wenn geschürte Glut dann nicht mehr ruht und böses Blut bald Böses tut, dann wird nach Leibeskraft gehasst.

Auch wenn so manche feuchte Aussprache das Paar wieder vereint bis dann einer mit klappernden Zähnen wieder weint – ob ohne Tränen oder mit ist einerlei - so geht's doch niemals ganz vorbei, egal wie dumm und schlau der eine Kerl, die andre Frau. Und wenn sie zu dem Kind hingucken, sehn sie es so komisch zucken und sagen, „Hör jetzt damit auf!“, doch dabei lernt es gerade Runterschlucken.

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#2

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 07.10.2005 13:02
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hi GW!

Schade, schade, jetzt hast du es doch in eine Art Gedichtform gebracht. Das war meiner Meinung nach überflüssig und stört auch ein wenig mein Vergnügen an dem Text, weil bei mir automatisch die metrische Messlatte aufklappt und ich dann ein paar Brüche eben als solche empfinde.

Dennoch ist das natürlich sprachlich gekonnt, inhaltlich facettenreich und trotz der deprimierenden Botschaft ein kurzweiliges Vergnügen. Sehr gern gelesen.

Digitally Yours
Mattes


P.S.: Da hat sich doch ganz unverfroren ein H in das Wort geschlichen. Kannst du das noch tilgen? Danke.

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#3

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 07.10.2005 13:10
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Mattes,

ich hab's etwa 20 mal umgebrochen und dann wieder nicht. Ich weiß nicht. Daher finde ich Deinen Hinweis sehr hilfreich.

Ich überleg nochmal kurz und werde es wohlmöglich noch ein 21. Mal wieder zurück ändern.

Danke für den Korrekturhinweis. Jaja, meine Rechtschreibung.

Schöne Grüße
GerateWohl

Entschieden: Volle Kraft zurück. Danke nochmal.

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#4

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 07.10.2005 13:18
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ja, so ist das stark: Als Fließtext entwickelt dein Werk die Geschwindigkeit, die es nach meinem Ermessen benötigt. Gleichzeitig wird durch die Vielzahl der Reime (auch an den unmöglichsten Stellen) insgesamt eine Kaltschnäuzigkeit, eine Rotzigkeit entwickelt, die Inhalt und Autor frommt. Merke: Reimen kann echt jeder Abc-Schütze, auf Melodie und Inhalt kommt es (beim Gesang) an!

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#5

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 09.10.2005 08:33
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Da läuft es mir mehr als eiskalt den Rücken hinunter und der bittere Nachgeschmack auf der Zunge, der als Einziges bleibt, ist auch nicht zu verachten.
Du hast es scheinbar drauf die Wahrheit zu sagen – ob der Leser sie auch lesen will ist eine andere Frage.

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#6

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 09.10.2005 09:09
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hallo GerateWohl,

wirklich ziemlich krass geschrieben, diese gedichtliche Geschichte!!! Wie meinst Du das mit dem "Jucken" und "Ausspucken"? Ist es das, was ich vermute? Dann aber *bähhhh igitt igitt*. Ist schon ein wenig krass. Ich würde da gerne das ganze gerne von der anderen Seite erklären und deutlich machen, dass Kinder (egal wie blöd, schweinisch oder oberflächlich ihre Eltern sind) gut aus schlechten Lebensumständen lernen können. Nicht jeder wird ein Massenmörder, manche gehen auch die soziale Schiene und tun genau das Gegenteil ihrer Eltern. Denn, Gott sei Dank, lernen Kids nicht nur von ihren Verwandten, sondern haben auch eine eigene Umwelt für sich geschaffen.

Hier einer meiner liebsten Sprüche:

FREUNDE sind
Gottes Entschuldigung
für Verwandte

(Irisches Sprichwort)

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#7

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 10.10.2005 09:39
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Ric, Süßchen,

vielen Dank für Eure Kommentare.
Ja, es ist nicht gerade einer meiner sonnigsten Texte.

@Ric: Ich bin geschmeichelt, dass mein Text sowas bewirken kann.
@Süßchen: Ich finde Deine Denke in dem Zusammenhang sehr gut. Dem widerspreche ich in dem Text ja auch gar nicht.

Schöne Grüße
GerateWohl

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#8

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 12.10.2005 13:29
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Hi GW,

gefällt mir auch.

Einzig der letzte Satz stört mich, weil er so unrund am Ende steht.
Ich hörte ihn lieber etwas weniger holprig, da gerade am Ende doch der Nachhall bleiben sollte.

Lange Rede, kurzer Sinn . meine Vorschläge:

'dabei lernt’s doch nur Runterschlucken'
'dabei lernt’s nur das Runterschlucken'
'dabei lernt es nur Runterschlucken.'

so in etwa vielleicht, wäre etwas rhythmischer, wie ich finde,
und würde dem Ausgangssatz sicher zu Gute kommen.

LG, Vel

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#9

Kinder, Kinder

in Zwischenwelten 12.10.2005 13:50
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Danke Vel.
Ich betone den Schlusssatz aber ganz anders beim Lesen:

'doch dabei lernt es gerade Runterschlucken.'
xXxXxXxXxXx

wobei ich 'gerade' wie g'rade ausspreche.

Aber der Text ist ja eh kein rein lyrischer Text. Daher ist die Metrik hier auch nicht so im Fokus.
Aber völlig unrhytmisch soll es natürlich auch nicht unbedingt sein. Hm.

Danke jedenfalls für den Hinweis und das Feedback.

Schöne Grüße
GW

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