#1

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 21.08.2005 15:54
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Nachtwache

Wieder eine Nacht hab bangend ich durchwacht
an Deinem Bett, die Schatten sind Dir Decke,
die nicht wärmt, obwohl das Feuer mich umschwärmt.
Ich schleiche nur aus Angst, dass ich erwecke
Deinen Fiebertraum, den ich schon hab gebracht.

Wieder stehe ich in Schemenhaftigkeit
vor Deinem Bett, oh wie sich alles gleicht in
allen bittren Zügen. Glaube meinen Lügen!
Doch wischtest Du sie unbedacht und leichthin
fort, welch trostlose Gedankenlosigkeit.

Und während Du verlangsamt mir entgleitest,
spüre ich den wohlbekannten Schmerz, der mich
durchdringt. Ich grüße ihn, den Du bestreitest
-jetzt noch!-, während Deine Zeit verrinnt...

(c) Don Carvalho
- August 2005

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#2

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 21.08.2005 22:25
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
na Don das ist doch schwere Kost zur Nacht. Ja die Situation habe ich auch schon erlebt.
LG
Knud

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#3

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 22.08.2005 12:41
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte

Zitat:

Knud Knudsen schrieb am 21.08.2005 22:25 Uhr:
na Don das ist doch schwere Kost zur Nacht.


Meine Frau sagt mir auch immer, ich solle nicht so schwer am späten Abend essen...^^

Hab Dank für Deinen Kommentar, auch wenn ich nicht weiß, ob Dir meine Zeilen nun gefallen haben oder nicht Aber Zurkenntnisnahme ist ja auch schon etwas !


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#4

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 22.08.2005 13:08
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Ja Don gern gelesen
LG
Knud

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#5

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 22.08.2005 13:14
von muh-q wahn (gelöscht)
avatar
Der erste Rap unter Dons Texten und das finde ich ungewöhnlich scharf. Deine Enjambements sind so hart, dass ich unwillkürlich in Sprechgesang verfallen muss, um dir noch folgen zu können. Das steht in eigentümlichem Gegensatz zum Inhalt und zur leicht altmodischen Sprache.
Formal wird das Ganze wunderbar unterstützt durch den umarmenden Reim plus Mittelvers mit Binnenreim; eine sehr schöne Idee. Auch wenn ich inhaltlich den Bruch in Strophe 3 zu kapieren glaube, bin ich etwas unfroh, dass du das Schema nicht volle drei Strophen durchgehalten hast.
Inhaltlich könnte das lyrisch Ich Morpheus selbst sein, wobei ich zum Ende hin so meine Probleme habe. Wen grüßt das lyrische Ich, dessen Existenz das lyrische Du bestreitet? Den Morgen, den Tod...? Ich hab's noch nicht. Aber dein Werk ist reizvoll, weil es Ecken und Kanten hat, ohne ungeschlacht zu sein.
Gern gelesen, mio padrone.

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#6

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 22.08.2005 13:58
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Don,

einen schönen Abgrund voll Trauer, Schuld, Reue, Leiden und Tod hast Du da ausgehoben. Wenn ich sowas schreibe fühle ich mich danach meistens besser, bei anderen schlägt mir das offensichtlich auf den Magen. Passt so gar nicht zu meinem Vorsatz, mich jetzt lyrisch eher den positiven Seiten des Lebens zu widmen. Hoffentlich schaff ich das.

Das Reimschema gefällt mir jedenfalls auch. Jedoch drückt die zweite Strophe inhaltlich für mich gegen Ende eine derartige Trostlosigkeit aus, die den Text schwer erträglich macht für mich. Ich suche verzweifelt nach dem rettenden Lichtstrahl in Deinen Zeilen, der das ein wenig aufwiegte.
Dafür vermittelt der Text bei allem Negativen eine gewisse Erkenntnis und Aufrichtigkeit und keinen reinen Zynismus. Das gefällt mir wiederum. Trotzdem gerade nicht so meins (aber ich habe auch ein schlechtes Gewissen dabei ).

Schöne Grüße
GerateWohl

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#7

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 22.08.2005 16:45
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Vielen Dank für Eure Kritiken, Geratewohl und muh-q wahn (und nun auch vielen Dank fürs Gefallen an Knud ).

Das Schema unterscheidet sich auch hinsichtlich 1. und 2. Strophe, wenn auch nur marginal (die 3. Zeile endet einmal mit weiblicher, das andere mal mit männlicher Kadenz), aber durchaus beabsichtigt. Die letzte Strophe dagegen sollte sich aufgrund des Inhalts deutlicher unterscheiden und die vorangegangene Struktur quasi auflösen.

Abgesehen vom inhaltlichen, was die Struktur mitgestaltet hat, wollte ich auch rein formal an ein Sonett erinnern - auch wenn es hinsichtlich der Form eine eher freie Interpretation eines Sonetts ist.

Inhaltlich ist es ansonsten wohl eher schwere Kost, wie ja Knud auch schon feststellte, in der ich etwas interpretatorischen Spielraum lassen wollte.

@muh: Rap? Warum nicht, ich hätte Dich gerne mal beim Vortragen gehört !

@Geratewohl: Dann können wir jetzt ja beide im schlechten Gewissen schwelgen !

Nochmals Danke,



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#8

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 31.08.2005 10:44
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Don

Über die Form wurde ja schon alles gesagt und ich wollte „lediglich“ eine Interpretation wagen. Bin etwas spät, weil ich’s wieder vergessen habe ... ja, ja ... das Alter.... keine Bemerkungen, bitte!


Zitat:

Wieder eine Nacht hab bangend ich durchwacht
an Deinem Bett, die Schatten sind Dir Decke,
die nicht wärmt, obwohl das Feuer mich umschwärmt.
Ich schleiche nur aus Angst, dass ich erwecke
Deinen Fiebertraum, den ich schon hab gebracht.



Hier spricht ein lyr. ich zu einer Person, die wohl nahe des Todes ist. Etwas unklar ist, weshalb das Feuer lediglich das lyr. Ich umschwärmt und nicht beide. Denn wenn es so wäre müsste es ‚uns umschwärmt’ heissen. Ist vielleicht das Du bereits tot und das lyr. Ich erinnert sich „nur“ noch an selbiges? Aber warum schleicht es dann? Und weshalb hat es den Fiebertraum gebracht?


Zitat:


Wieder stehe ich in Schemenhaftigkeit
vor Deinem Bett, oh wie sich alles gleicht in
allen bittren Zügen. Glaube meinen Lügen!
Doch wischtest Du sie unbedacht und leichthin
fort, welch trostlose Gedankenlosigkeit.



Wieder steht das lyr. Ich vor dem Bett, wieder gleicht sich die Szenerie (es ist also alles schon einmal geschehen). Welche Lügen soll das Du glauben? Liebesschwüre? Verneinen des Unabdingbaren, evtl. Krebs? Hat das lyr. Ich den Tod vielleicht selber gebracht; durch eine Gewalttat, eine ansteckende Krankheit, Verrat?


Zitat:


Und während Du verlangsamt mir entgleitest,
spüre ich den wohlbekannten Schmerz, der mich
durchdringt. Ich grüße ihn, den Du bestreitest
-jetzt noch!-, während Deine Zeit verrinnt...


Aber hallo! Jetzt wird das lyr. Ich aber mächtig unsympathisch. Es freut sich über das Ableben des lyr. Dus? So kommt’s mir fast vor, wobei das ja gar nicht so steht. Wohlbekannt ... hm ... also ist das Ableben eines Menschen nichts Neues für das lyr. Ich. Arzt? Krankenschwester? Und weshalb bestreitet das lyr. Du das Sterben? Oder bestreitet es die Lügen? Schwierig, schwierig ..... Auch das ‚verlangsamt’ ist für mich kryptisch. Das klingt so nach Medikamente, die den Tod hinauszögern. Evtl. doch Krebs.

Nun, insgesamt gefällt mir der Text, jedoch kann ich ihn nicht schlüssig interpretieren, das stört mich ein wenig. Aber mir kann auch etwas gefallen, das ich nicht ganz begreife.

Gruss
Margot


P.S. Merke grade, dass meine Interpretationen immer noch so konfus sind. *g


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#9

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 02.09.2005 12:11
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Margot,

das ist ja eine ungewöhnlich lange Interpretation von Dir... dankeschön!

Ich stelle immer mehr fest, der der Text ziemlich schwer zu erfassen ist, ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ich ihn noch so recht verstehe^^...

Das nur das lyrIch umschwärmende Feuer soll deutlich machen, dass vom lyrIch im gewissen Sinne Gefahr ausgeht, die sich im lyrDu verwirklicht hat. Zudem zehrt es auch an ihm selbst... leicht denkt man jedoch an das Feuer der Emotionen, das ja auch beide einhüllen könnte, was insofern etwas verwirrt. Würde ich das lyrDu jedoch in das Feuer einbeziehen, wäre der Gegensatz, nämlich dass das lyrIch letztlich nur Kälte bringt, obwohl es nicht unbedingt sein Ziel ist, weniger deutlich.

Die Lügen halte ich nicht für die Verneinung des Todes, das würde meines Erachtens nicht mit der letzten Strophe in Einklang zu bringen sein. Denn dort sehe ich den Tod, den das lyrIch schon längst als unvermeidbar erkennt, gegen den sich das lyrDu jedoch noch stemmt, obwohl zu diesem Zeitpunkt keine Hoffnung mehr zu geben scheint.

Das lyrIch soll nur auf den ersten Blick sympathisch wirken. Das Leid und den Schmerz, den es verspürt, lässt einen mitfühlen, doch lassen sich genügen Anhaltspunkte finden, die vermuten lassen, dass das lyrIch sogar Verursacher dieser Situation ist - und das nicht zum ersten Mal. Gewalttaten passen jedoch, wie ich finde, nicht unbedingt in das psychologische Profil des lyrIchs...

Vielleicht habe ich ein wenig erklärt oder zumindest Interpretationsansätze aufgezeigt. Auf jeden Fall freut mich, dass es Dir trotz der Wirrungen zusagt.

Und entschuldige die späte Antwort,


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#10

Nachtwache

in Düsteres und Trübsinniges 09.10.2005 15:54
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Dann werde ich mich mal wagen. Zu allererst sehe ich hier nirgendwo einen physischen Tod, eher ein psychisches Dahinsiechen und fast ist es mir, als würde das lyr. Ich über sich selbst sprechen und wäre demnach selbst das lyr. Du. Ich halte dies jedoch für eine sehr gewagte Interpretation und lasse es erstmal außer acht.
Formal wurde ja schon analysiert und ich will mich nicht einmischen – ich kann deine Zeilen wunderbar fließend und harmonisch lesen – das reicht mir vollauf!

„Wieder eine Nacht hab bangend ich durchwacht
an Deinem Bett, die Schatten sind Dir Decke,
die nicht wärmt, obwohl das Feuer mich umschwärmt.
Ich schleiche nur aus Angst, dass ich erwecke
Deinen Fiebertraum, den ich schon hab gebracht.“

Ich sehe hier ein lyr. Ich das über einem lyr. Du wacht, weil es fühlt, daß nichts mehr ist, wie es war oder vielleicht auch nie gewesen ist. Das lyr. Ich sieht die Schatten, das Unglück, die bitteren Gedanken und Träume, die dem lyr. Du den Schlaf stören, die es überdeckt. Das lyr. Ich fürchtet, daß das lyr. Du noch mehr leidet, wenn es bemerken würde, daß das lyr. Ich um diese Schatten weiß, deshalb schleicht es, um nicht noch mehr Schaden zu bringen, denn aus seiner Sicht ist er schuldig an den Schatten des lyr. Dus.

“Wieder stehe ich in Schemenhaftigkeit
vor Deinem Bett, oh wie sich alles gleicht in
allen bittren Zügen. Glaube meinen Lügen!
Doch wischtest Du sie unbedacht und leichthin
fort, welch trostlose Gedankenlosigkeit.“

Das lyrische Ich erkennt, daß jedes Leid, jede Bitterkeit Ähnlichkeit beinhaltet und das das lyr. Du keine Ausnahme darstellt. Dennoch versuchte es sich zu verstellen, versuchte dem lyrischen Du etwas vorzumachen, in dem Irrglauben, daß sich dadurch etwas ändern würde, daß es seine Schuld mit Trug mildern könnte. Doch das lyr. Du ist nicht so leicht zu täuschen. Das lyr. Ich hätte es gern gesehen, hätte das lyr. Du ihm geglaubt, denn dann wären die Schatten zumindest vom lyr. Du gewichen und das Lyr. Ich hätte ruhig schlafen können. Ja trostlos ist es für das lyr. Ich, denn es wäre ja so einfach gewesen, hätte das lyr. Du ihm einfach naiv abgenommen, was er versuchte zu bemänteln. Unbedachtheit, Gedankenlosigkeit wirft er – und da wird er erst unsymphatisch – dem zu recht zweifelnden lyr. Du vor – oh – welch egozentrische Überheblichkeit!

“Und während Du verlangsamt mir entgleitest,
spüre ich den wohlbekannten Schmerz, der mich
durchdringt. Ich grüße ihn, den Du bestreitest
-jetzt noch!-, während Deine Zeit verrinnt...“

Nun, das lyr. Du ist geblieben, vielleicht weil es den Lügen nicht glaubt, weil es nicht anders kann, als in seinem Schmerz langsam dahinzusiechen, doch es entgleitet, denn die Schatten, die das lyr. Ich brachte, zehren es auf und das lyr. Ich sieht dem zu anstatt zu handeln. Ja, fast ist es als ergötzt er sich daran. Doch das tut er nicht – auch er fühlt den gleichen Schmerz, den Schmerz des selbstgebrachten Verlustes. Er nimmt den Schmerz an, anders als das lyr. Du, daß versucht den Schmerz zu verdrängen und im Schatten lebt.
Er begrüßt ihn, während er zusieht, wie das lyr. Du daran krepiert. Er nimmt es hin, wie er alles hinnimmt, was ihm passiert.

Sehr traurig, Don – sehr resignierend und sehr ergreifend…

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