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Krisenbewältigung auf Kulturpolitisch

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 01.05.2009 18:18
von Karl Feldkamp • Mitglied | 194 Beiträge | 194 Punkte

Krisen (wie unsere derzeitige) gefährden immer wieder die kommunale Kunst- und Kulturförderung. Öffnungszeiten von kommunalen Kunstgalerien, Museen und Büchereien drohen eingeschränkt, manche „Kulturtempel“ gar geschlossen zu werden. Örtliche Kulturpolitiker glauben, sich in Krisenzeiten keinen kulturellen Luxus leisten zu können.
Die Kunst der Politik ist die des Möglichen und damit die des jeweils bestmöglichen Kompromisses. Dahingegen können Künstler kaum Kompromisse eingehen. Nehmen sie doch den künstlerischen Aussagen ihrer Bilder, Bücher und Darstellungen das Provozierende. An Kunst muss man sich reiben, Kompromisse sind bereits glatt geschliffen.
Kulturpolitik muss Kompromissloses durch Kompromisse realisieren.
So ist auch das Zitat Theodor Heuss' von der Schwierigkeit, mit Kultur Politik zu machen, zu verstehen. Allerdings fügte Heuss hinzu, Politik ohne Kultur sei nicht möglich.
Die in Demokratien gewählte Form der Kunstförderung sollte daher folgerichtig auch auf die Freiheit der Kunst und des Künstlers und nicht vor allem auf die Freiheit des Marktes setzen, damit kompromisslos frei bleiben kann, was kompromisslos frei sein muss.
Der durch quotenabhängige Massenmedien beeinflusste Geschmack der Massen bestimmt, was sich an Kunst (den Marktgesetzen folgend) massenhaft an Massen verkaufen lässt. Immer weniger Wohlhabende können sich immer mehr exquisite Kunst leisten.
Durch Einsparungen in der Bildungs- und Kulturpolitik sowie in der Kunst- und Künstlerförderung werden immer weniger Menschen immer weniger an anspruchsvolle Kunst und kulturelle Bildung herangeführt. Künstler unterwerfen sich, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, dem Markt und dem (billigen) Massengeschmack und/oder den Erwartungen reicher Kunstsammler.
Kompromisslos frei können Künstler unter solchen Bedingungen kaum arbeiten und Kunst kann somit der Gesellschaft immer seltener den notwendigen Spiegel vorhalten, um gesellschaftliche Reflexion anzuregen.
Politik ist Umgang mit Macht. Veränderungen bedeuten Machtverluste für jene, die im sicheren Besitz der Macht bleiben wollen. Kreative Kunstideen wirken subversiv subtil und folgen kaum jener Logik, die zwecks Machterhalt zu (machtpoltischer) Vernunft erklärt werden. Demokratie soll Macht nur auf Zeit zuteilen und kann daher auch nicht eine immer stärkere Anhäufung des Machtmittels Geld bei immer weniger Reichen zulassen.
Nicht von ungefähr waren einst machthungrige Kriegsfürsten selten der Kunst und Kultur zugetan, taten sich aber als Plünderer und Eroberer von Kunstschätzen hervor, da sie ausschließlich der materielle Wert dieser Schätze interessierte.
Auch heute sind Kunstwerke eine sichere Wertanlage, sicherer als Aktien.
Betriebswirte, Stadtmarketing, Wirtschaftssoziologen und Kulturpolitiker streiten darüber, ob Kultur nun harter oder weicher Standortfaktor sei. Zum Glück sehen manche Manager in höheren Etagen größerer Unternehmen bei allem Ökonomismus Kunst nicht nur als finanzielle Wertanlage sondern haben auch ideele Ansprüche an die Kunstszene. Und die Kommunen brauchen für Unternehmensansiedlungen sogenanntes hochwertiges Humankapital, sprich qualifizertes Personal. Und das hat kulturelle Ansprüche. Daher gilt dem kommunalen Wirtschafts und Kulturpolitiker Kunst und Kultur wenigstens als weicher Standortfaktor. Dass im Bereich Kunst auch Arbeitsplätze (als harter Standortfaktor) zu vergeben sind, spricht sich erst langsam herum. Künstler und kunstnah Tätige sollten lieber das Klischee weltfremder Idealisten bedienen. Als solche können sie kaum Einfluss auf die harte Realität nehmen.
Doch der Kapitalismus gerät gerade immer mehr in Verruf, inhuman zu sein und soll daher plötzlich ein menschliches Anlitz zeigen. Das eröffnet Chancen. Gerade Kunst- und Kulturpolitik könnte der gescheiterten Wirtschafts- und Finanzpolitik ein hilfreiches Gegengewicht entgegensetzen.
Unsere derzeitige Krise ist nur vordergründig eine finanzielle, eigentlich aber eine kulturelle.
Beim Geld dürfen Menschlichkeit und die Freundschaft gerade nicht aufhören. Und wenn, dann nur, weil sie mit Geld ohnehin nicht zu bezahlen sind.
Doch nicht Geld ist unmoralisch, aber die Art damit umzugehen kann höchst inhuman sein. Kunst und Kultur sind gefragt, menschliche Werte zu vermitteln, die offenbar an Börsen und in Banken verspielt wurden. Eine entsprechend gezielte kommunale Kulturpolitik wäre somit ein nicht unwesentlicher Beitrag zur humanen und demokratischen Bewältigung der Krise.

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#2

RE: Krisenbewältigung auf Kulturpolitisch

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 27.10.2009 21:43
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Tag, Karl!
Auch wenn der Beitrag länger zurückliegt, wäre es möglich, irgendwann merkst Du, nicht in die gähnende Leere hineingeschreiben zu haben.
Ich greife nur einen Teil heraus, an dem mir gelegen ist, anzuknüpfen.

In Antwort auf:
Unsere derzeitige Krise ist nur vordergründig eine finanzielle, eigentlich aber eine kulturelle.
Beim Geld dürfen Menschlichkeit und die Freundschaft gerade nicht aufhören. Und wenn, dann nur, weil sie mit Geld ohnehin nicht zu bezahlen sind.
Doch nicht Geld ist unmoralisch, aber die Art damit umzugehen kann höchst inhuman sein. Kunst und Kultur sind gefragt, menschliche Werte zu vermitteln, die offenbar an Börsen und in Banken verspielt wurden.


Ist nicht die Frage 'was Kultur ist' eine Aufgabe an deren Beantwortung sich Philosophen versucht haben und noch immer wieder damit beschäftigt sind. Der Antworten hat es viele gegeben. Für mich in ungenügendem Ausmaß wurde der Aspekt des menschlichen Strebens und des Charakters in diesem Zusammenhang berücksichtigt. Nehmen wir Kultur als das, was sie Dir und mir in üblicher Weise darstellt. Schon die von Dir aufgeworfenen Gedanken, wo im Reigen zur Menschlichkeit und Geld die Kultur im Bunde ist, beherbergen reichlich Brennstoff für hitzige Gedanken, die geordnet sein wollen. Wobei ein oberflächlicher Überblick der Zusammenhänge schon ein Gewinn wäre.
Das Wunschdenken, Menschlichkeit und Freundschaft insbesondere bei Geld nicht aufhören zu lassen, ist tatsächlich ein Wunschdenken. Der Widerspruch liegt in der von Natur an die Menschen mitgegebenem Bestreben nach einem Mehr und nach Macht. Das Streben, das auch dann weiter abläuft, wenn kein Ziel mehr vorhanden ist, das es verfolgen könnte. Vernunft, das Einzige, das zügelnd wirken könnte wird von Machtbesessenheit, in anderer Form uns als Gier bekannt, die auch nichts anderes ist als Streben nach Besitztum ist. Vermehrter Besitz und mehr Macht unterscheiden von jenen, denen diese nicht zur Verfügung stehen. Sie unterscheiden Menschen, die an und für sich gleichwertig sein sollten. Das beständige Hinarbeiten, Hinstreben, sich von anderen zu unterscheiden ist uns eigen, soferne nicht das Wissen mit Einsicht durch Erfahrung und durch Denkprozesse erreicht wurde, das dem endlosen Raffen Grenzen setzt. Weil ich Kultur nicht nochmals oder neu definieren will, weise ich darauf hin, sie ist intensiv mit Verhalten und Intelligenz verbunden, schlichtweg mit dem, was wir Charakter nennen. Was meinst Du, in welche Richtung sich die Menschen, könnten wir sie global zusammenfassen, bewegen. In welche Richtung führt der Weg? Nach mehr Einsicht, nach besserem Charakter, nach Genügsamkeit?
Das muß entschieden verneint werden. Zugleich besteht vielerorts die Möglichkeit, sich auf Kosten anderer charakterlos zu verhalten, was sie zugleich ihrem Ziel nach dem Mehr näherbringt. Dieser Zugewinn für die eine Seite geht auf Kosten anderer; Klüfte verbreitern sich, die Distanze zur Menschlichkeit wird unüberbrückbar und Kunst als Teil der Kultur erscheint mir wie ein Schablonenguß im Spiel um Macht und Geld.

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#3

RE: Krisenbewältigung auf Kulturpolitisch

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 09.12.2009 14:38
von Karl Feldkamp • Mitglied | 194 Beiträge | 194 Punkte

Lieber Joame,
danke für deinen ausführlichen Kommentar, dem ich in allem gern zustimme. Gerade, weil der Mensch immer wieder dazu neigt, "tierisch" inhuman zu sein, braucht er als ständiges Korrektiv kulturelle Werte.
Selbstverständlich kann ich so kurzer Text nur bedingt differenziert sein. Außerdem wollte ich damit zur Diskussion anregen...
Herzliche Grüße
Karl

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#4

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in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 09.12.2009 16:34
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

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zuletzt bearbeitet 20.12.2021 00:48 | nach oben


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