#1

Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 02.12.2009 17:04
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Die Foren können sich einfach nicht entscheiden, ob sie nun Diktaturen oder Demokratien sein wollen. Diktaturen verbieten sich von selbst, so wird häufig zu kurz gedacht, aber Demokratien funktionieren online nicht: Die Foren sind in der bedauernswerten Situation, dass im Zweifel lediglich der Domaininhaber haftbar gemacht werden kann und auch wird, sobald irgendein Arschloch solches auch genannt wird und sich dagegen wehrt. Wenn aber jede Äußerung wie seine eigene behandelt wird, dann muss er auf jede Äußerung auch achten und muss das Recht haben, die Äußerung gar nicht erst zu tätigen, den Mund zu schließen, sprich: das in Frage stehende Posting schlicht und mindestens vorläufig zu tilgen.

Das ansonsten elementare Recht auf freie Meinungsäußerung kann hier also nicht bestehen, nicht einmal ansatzweise. Es versteht sich von selbst, dass der oder die Admins eine Tilgung nicht einmal begründen müssen. Und daher verzichte ich auch auf Mitteilungen, ob oder wie viele Stimmen dafür oder dagegen waren. Ich kann es ohnehin nicht überprüfen. Die hoffentlich weise und gerechte Administratorin hat entschieden und wenn sie das wirklich ist, dann ist die Diktatur auch die beste Staatsform.

Nun werden vielleicht ein paar Leute zucken und sich fragen, wieso ich dann immer wieder solche Entscheidungen hinterfragte. Ganz einfach: Sobald eine Forenleitung für sich in Anspruch nehmen möchte, gerecht und demokratisch und transparent zu handeln, muss sie sich auch hinterfragen lassen. Und dazu bedarf es mindestens der späteren Offenlegung der Unterlagen. Wenn man nun den Entscheidungsprozess nicht bereits öffentlich machen will, wofür es den einen oder anderen vernünftigen Grund geben mag, dann sollte man wenigstens die Strukturen denen der ordentlichen Gerichtsbarkeit in einer Demokratie nachempfinden.

Und wenn man derzeit hierher schaut, dann ist man ja auch auf dem Weg dahin: Immerhin gibt es offenbar so etwas wie einen Beirat: Ein paar User – ohne moderatorische Rechte – stimmen mit ab. Das sollte man jedoch konsequenter verfolgen. Ich plädiere für die Mods als Exekutive: Der oder die Admins müssen sich darauf verlassen können, dass schnell eingegriffen und im Zweifel erst einmal zensiert wird. Danach legen diese Mods der Jurisdiktion, nämlich diesen Ehren-Mods den Fall zur Begutachtung und vorläufigen Entscheidung vor. Und deren Urteil wird dann – und da muss der Unterschied bleiben – der obersten Instanz zur Prüfung vorgelegt, denn deren Veto-Recht muss unantastbar bleiben.

Wenn und solange jedoch die Exekutive gleichzeitig urteilende Macht hat, weil es nach der Einschätzung des Betreibers nicht anders geht, dann sollte man dazu auch stehen. Dann sollte man klar sagen, dass einzig der Wille und die Entscheidung der Administration zählen und diese sich vertrauensvolle und in ihrem Sinn vorgehende Handlanger aussucht. Ich ertrage diese Willkür besser, als die Heuchelei, denn ich wollte auch nicht für ralfelchens Geschmacklosigkeiten in Beugehaft kommen.

Ganz besonders schwierig wird es, wenn es nicht um einzelne Diskussionsbeiträge geht, sondern um echte und vermeintliche Kunstwerke. Wir alle bedauern ganz sicher, wenn Staatsanwälte und Richter entscheiden sollen, was Kunst ist und was nicht. Zur Ehrenrettung dieses Staatswesens sei angemerkt, dass solche Entscheidung häufiger zur Freiheit der Kunst und der Meinung ausgehen. In den Foren kann man sich aber auch in diesen Entscheidungen nicht mehr, sondern eher weniger Liberalität leisten. Allerdings würde ich empfehlen, auch hierbei den beschriebenen Weg zu gehen, wobei ich bei der Urteilsbegründung immer dafür plädierte, nach künstlerischen Kriterien vorzugehen. Schließlich wird hier ja kein Werk verboten, sondern nur nicht ausgestellt. Das ist also eher eine verlegerische Entscheidung oder die eines Museums, weniger eine juristische.

Aber auch hierbei sollte man den Mut haben, zur eigenen Willkür zu stehen.





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#2

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 02.12.2009 18:44
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

gut gebrüllt, Löwe.
ja, und Satire darf übrigens fast alles. in einem Land, wie unserem, darf Merkel auf der Titelseite der Titanic den Hebel umlegen um Kohl auf dem elektrischen Stuhl zu grillen. geschenkt. und Maya darf die Fassade der taz in Berlin bewundern, welche mit einer hübschen Skulptur den Springer-Diekmann beprahlt. und sie, die Exekutive, darf dann über Willkür nachdenken, wie die taz-Chefredakteurin, welche ihr Fahrrad nicht mehr jeden Morgen unter dem langen Pimmel parken möchte.

Gruß
Alcedo



e-Gut
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#3

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 03.12.2009 09:42
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Luzifer&Mammon haben in der Hölle die Demokratie installiert-
wie Adenauer&Ehrhard in Deutschland.
Sie kann nicht so lange währen wie z.B. die Gesellschaftsformen
"von Gottes Gnaden".


Hastanirwana
GHEG
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#4

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 03.12.2009 10:23
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Ja, Danke für die Kommentare oder auch nicht. Ich hatte es ernst gemeint, bin aber offenbar unfähig, mich auszudrücken. Vielleicht interessiert es ja auch einfach niemanden, dann ist das halt so.





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#5

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in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 03.12.2009 13:41
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

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zuletzt bearbeitet 21.12.2021 19:49 | nach oben

#6

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 05.12.2009 10:58
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Mattes, wenn der "Tümpel" keine Demokratie wäre, dann würdest du schon lange am Stuhl sitzen.


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#7

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 06.12.2009 07:07
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Lernt lesen, Leute!





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#8

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 06.12.2009 11:51
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Die sogenannte 'Kunst' ist ein Sonderfall. So viele Kunstwerke es geben kann, so viele Ansichten in verschiedensten Schattierungen gibt es auch. Es wird nahezu jedes undefinierbare Werk, das keinen oder noch so kleinen Eindruck hinterlassen, kann als Kunst bezeichnet. Mir scheint, es wird sehr rasch und gerne von Kunst gesprochen - bei jeder individuellen Ausdrucksform. Es gibt keinen Raster, keine Schablone, mit der bestimmt werden kann, ob es sich tatsächlich um Kunst handelt. Die entscheidende Bestimmung darüber liegt in der Allgmeinheit, ihrer Kritikfähigkeit, ob sie nun eine gewisse Bildung und Verständnis dafür besitzt oder auch nicht. Selten ist ein Begriff so dehnbar wie der von Kunst. Deshalb ja auch der gewaltige Zustrom von Künstlern; jeder will einer sein. Wer auf allen Gebieten versagt hat, hat hier die Möglichkeit, plötzlich im Rampenlicht zu stehen, wenn ein spleeniger Typ, der gesellschaftlichen 'Sagen' hat, behauptet 'das ist Kunst'. Kritiklos wird so etwas übernommen und wie ein Lauffeuer verbreiten sich Meinungen, wurden sie nur von genügend repräsentativen Personen getätigt. Markt- und Börsenpreise werden dadurch beeinflußt. Das nächste Dilemma ist schon vorgegeben mit der Frage, wer ist repräsentativ. Sogenannte Kunst, denn über 90% von allem auf dem Markt Befindlichen halte ich nicht dafür. ist keine Kunst. Der Faktor Geld und Werbung spielen eine ganz wesentliche Rolle, dazu kommen die vielen Ansichten und das Dafür- oder Dagegenhalten. So kann es auch kommen, daß über Nacht ein kleiner brauner Fliegenschiss, der lackiert wurde schlagartig zu unbezahlbarer Kunst wird. Das gute ist, es kann zwar versucht werden, aber zwingen kann man uns nicht, es tatsächlich als Kunst anzuerkennen.

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#9

RE: Die Vorzüge der Willkürherrschaft

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 06.12.2009 12:32
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte

Hi Mattes

Menschen entscheiden immer willkürlich, das ist so und kann gar nicht anders sein. Das tut eine Forenleitung und das tut ein Richter. Beide haben einen Rahmen, in dem diese Entscheidungen ablaufen, Forenregeln, Gesetze und natürlich auch einen Rahmen den sie sich selbst gesetzt haben, ihre ganz persönlichen Grenzen. Innerhalb dieses Rahmens entscheiden sie willkürlich, aber – im besten Fall – so neutral wie möglich und nach bestem Wissen und Gewissen. Mehr ist für einen Menschen nicht machbar und mehr kann man auch nicht verlangen.

Wir machen uns solche Entscheidungen hier nicht leicht und könnten auch gut darauf verzichten, solche zu treffen, treffen zu müssen, aber wir müssen uns an die gegebenen Rahmen halten, an die der Gesetze, aber auch an unsere ganz persönlichen, so wie jeder andere Mensch das auch tun muss. Das mag aus anderen Blickwinkeln nicht immer richtig oder gerecht sein, aber ohne solche Rahmen wäre ein Miteinander in der Realität nicht möglich und schon gar nicht in einem virtuellen Raum, wo die persönlichen Grenzen meist sehr weit, oft auch zu weit, gesteckt sind, weil man unter dem Schutzmäntelchen der Anonymität agieren kann und sein Gegenüber eben nicht gegenüber sitzt.

Also Danke, dass du uns dieses Lob hier lässt, unser Bestes zu tun und innerhalb unserer Rahmen bestmöglich zu handeln. Hilfreich ist dabei auch immer, wenn man möglichst viele Meinungen hören kann, aber leider müssen wir uns auf die beschränken, die zur Verfügung stehen. Die Aufteilung der Kompetenzen, wie du sie vorschlägst, wäre hier so nicht machbar, dafür sind es einfach zu wenige user hier, als dass man alles in verschiedene Hände legen könnte. Aber überdenkenswert ist es auf jeden Fall.

Gruß
Simone

zuletzt bearbeitet 06.12.2009 13:10 | nach oben

#10

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in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 06.12.2009 12:51
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

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zuletzt bearbeitet 20.12.2021 00:47 | nach oben


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