#1

Gespräche mit Pierrot (6)

in Diverse 08.01.2010 23:05
von Katerchen | 170 Beiträge | 170 Punkte

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Gespräche mit Pierrot (6)

Der täglich selbe Abendgram
verfolgt mich heut, mein liebes Kind;
Wand auf, Wand ab verfolgt mich heut dein Fehlen.
Der täglich selbe Menschenlärm
zerfetzt mir noch, mein liebes Kind,
Wand auf, Wand ab der Mäuse feines Zirpen,
das durch Tapetenwände huscht
als wie dein Lächeln so zum Trost -
Blick auf, Blick ab mit deinen schlauen Augen,
die schwarze Gassen sind im Kern -
im Drumherum wie blauer Frack;
Blick auf, Blick ab ist nichts zu sehn als Regen -
als Regen nur und seichter Spott,
im selben Trott, Blick auf, Wand ab;
im Wadenwinkel zuckt mir heut dein Fehlen.


.


->perhaps there is nothing in this universe but I self<-

zuletzt bearbeitet 09.01.2010 13:17 | nach oben

#2

RE: Gespräche mit Pierrot (6)

in Diverse 11.01.2010 18:51
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Zitat von Katerchen
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Gespräche mit Pierrot (6)

Der täglich selbe Abendgram
verfolgt mich heut, mein liebes Kind;
Wand auf, Wand ab verfolgt mich heut dein Fehlen.
Der täglich selbe Menschenlärm
zerfetzt mir noch, mein liebes Kind,
Wand auf, Wand ab der Mäuse feines Zirpen,
das durch Tapetenwände huscht
als wie dein Lächeln so zum Trost -
Blick auf, Blick ab mit deinen schlauen Augen,
die schwarze Gassen sind im Kern -
im Drumherum wie blauer Frack;
Blick auf, Blick ab ist nichts zu sehn als Regen -
als Regen nur und seichter Spott,
im selben Trott, Blick auf, Wand ab;
im Wadenwinkel zuckt mir heut dein Fehlen.


.

hallo K.

das stand doch vorher luftiger hier, oder? die vierzeiligen Strophen schienen mir angenehmer fürs Auge zu sein. die Blockform wirkt weniger einladend.
zwei mal "verfolgt" in Zeile 2+3?
schön wie die Mausgeräusche dazu verwendet werden Stille, Gram und vielleicht auch Einsamkeit zu untermalen. die Wandauf-Wandab-Blicke tragen zusätzlich zur Verlorenheit bei, weil sie verzweifelt wirken.
ich begreife aber auch hier zum Beispiel nicht, ob mit den "schlauen Augen" nun die (doch sichtbar gewordene) Maus gemeint wird, oder etwas anderes.

ich habe die gesamte Pierrot-Reihe verfolgt. bei Nummer 1 und 2 dachte ich es wäre ein Dialog mit einem Haustier, welches Pierrot heißt. dann kamen mir Zweifel auf. die Suchmaschine sagt
Pierrot wäre ein Bühnenfigur.das ist mir neu und mir fehlen konkrete Bezüge.ich kann deshalb nicht viel mit diesen Dialogen anfangen. sie sind mir über weite Strecken zu abstrakt und ich verstehe meist nicht worum es geht.
aber klanglich und rhythmisch war ich durchweg angetan.

Gruß
Alcedo


e-Gut
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#3

RE: Gespräche mit Pierrot (6)

in Diverse 12.01.2010 21:17
von Katerchen | 170 Beiträge | 170 Punkte

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Ob eine Gliederung angesichts der Kürze des Textes nötig ist?
Wäre der Text nun sehr viel länger, würde ich zumindest versuchen,
wie das üblicherweise Profis erledigen, in Strophe, Kapitel, Akt,
Szene, Auftritt usw. zu gliedern. Diese Zeilen umfassende
Verkleinerungsform eines Einakters, der, wenn möglich, ohne jeden
Einschnitt abrollt, dieser beinahe innere Monolog, der demnach ohne die
übliche dramatische Zuspitzung, während der dem Leser im finalen
Höhenunterschied ein Gewicht auf die Stirn brettert, auszukommen
versucht, steht dennoch kompakt in einer gewissen Traurigkeit,
wenn wohl auch gewollt komisch.

Die von dir bevorzugte flatterige Gliederung erübrigt sich vorerst für
diesen Text, wenngleich sie beim Einstellen durch meine Unachtsamkeit
noch vorhanden war, jetzt nicht mehr. Zöge ich den Text ferner
stelzenhaft auseinander, käme er womöglich vor äußerlicher Großartigkeit
nicht mehr durch die Tür – er ist aber nun mal nicht großartig - will es nicht
sein. Dennoch überlasse ich das Thema Struktur, strukturelle Gliederung,
Inhalt und Analyse den Profis, zumal ich davon keine Ahnung habe.

Ich weiß auch nicht genau, was ich mit deiner Bemerkung zur Abstraktion
anfangen kann, zumal du hier pauschal und recht oberflächlich - derlei
Pauschalisierung las ich bedauerlicherweise erst kürzlich in einer
Kritik zu einem anderen Text der Reihe - für die gesamte Reihe sprichst.
Hast du eine ungenaue Vorstellung, wie das bei mir ankommt:
Was, ihr habt kein Brot, dann eßt doch Kuchen.

Was bedeutet Abstraktion für dich. Ein halbes Gesicht, dem das zweite
Auge, die Nase und der Mund fehlen – im Vergleich beispielsweise zum
Surrealen, einer Verfremdung und Verzerrung – ein Gesicht also, das mit
drei Augen, zwei Nasen und einem vertikalen Maul ausgestattet ist, einer,
wenn du so willst, zähen, gezogenen Methode, die der Machart bei Kafka
und Dali entspricht.

Ich hoffe, Alcedo, daß mein Text nicht allzu sehr von überzähligen Details
oder vom Weglassen lebt, aber er lebt immerhin auch dadurch und eben
auch von den Wiederholungen. Um dir das vergleichsweise verständlich zu
machen; ich schreibe gerne Abendrot anstatt Partikeldichte. Partikeldichte
wäre zwar konkret, aber langweilig wie ein übersüßes Detail.

Dieser Text wohnt allerdings in einem alten Haus inklusive Concierge und stellt
sich dort an einem Winterabend wie heute nach alter Manier seiner Hausseele
vor, sonst nichts. Und, wenn du erlaubst, bringt der Text dabei ein wenig
Rhythmus und Klang auf.

LG
Katerchen

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->perhaps there is nothing in this universe but I self<-

zuletzt bearbeitet 12.01.2010 21:32 | nach oben

#4

RE: Gespräche mit Pierrot (6)

in Diverse 13.01.2010 20:00
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

ok. es war unfair den anderen Texten gegenüber, sie über einen Kamm zu scheren. es war mir zu mühselig, konkrete Beispiele herauszusuchen, und ich begann zu pauschalisieren. die letzten vier Sätze meines obigen Kommentars hätte ich lieber nicht geschrieben. entschuldige, K.

ab jetzt bleibe ich hier, bei diesem topic.
ich kann mir, zum Beispiel, Pierrot nicht vorstellen. es entsteht mir kein konkretes Bild. ich weiß nicht, ist er ein Tier, ein Mensch oder eine Clownspuppe. Pierrot bleibt mir abstrakt.
aber wenn du erlaubst: es ist gut möglich, dass nur ich damit Probleme habe und sonst niemand.

Rhythmus und Klang hatte ich vorher schon gelobt.
in schöner Harmonie wird der vierhebige Jambus in männlicher Kadenz, von jeder dritten Zeile mit Fünhebern weich endend durchbrochen und so darf das Gedicht auch angenehm verebben (übrigens mit meiner Lieblingszeile: "im Wadenwinkel zuckt mir heut dein Fehlen."), mit einem anatomisch lokalisierten, konkreten Gefühl.das gefällt mir.

dieses angenehme Verebben würde durch vier eingeschobene Leerzeilen, durch die Aufgliederung in Strophen klanglich verstärkt/wiederholt. nach meinem Empfinden wäre es ein Gewinn für den Text:

Der täglich selbe Abendgram
verfolgt mich heut, mein liebes Kind;
Wand auf, Wand ab verfolgt mich heut dein Fehlen.

Der täglich selbe Menschenlärm
zerfetzt mir noch, mein liebes Kind,
Wand auf, Wand ab der Mäuse feines Zirpen,

das durch Tapetenwände huscht
als wie dein Lächeln so zum Trost -
Blick auf, Blick ab mit deinen schlauen Augen,

die schwarze Gassen sind im Kern -
im Drumherum wie blauer Frack;
Blick auf, Blick ab ist nichts zu sehn als Regen -

als Regen nur und seichter Spott,
im selben Trott, Blick auf, Wand ab;
im Wadenwinkel zuckt mir heut dein Fehlen.


von allen Wiederholungen störte mich nur das "verfolgt". und zwar das erste der beiden. ich glaube auch zu wissen warum: Abendgram kann einen doch schlecht den ganzen Tag über verfolgen, morgens, mittags und so weiter ...
also würde ich hier einen Ersatz suchen. ein "befallen", ein "umfangen" fände ich treffender.

Gruß
Alcedo


e-Gut
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#5

RE: Gespräche mit Pierrot (6)

in Diverse 14.01.2010 20:51
von Katerchen | 170 Beiträge | 170 Punkte

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Zitat
von allen Wiederholungen störte mich nur das "verfolgt". und zwar das erste
der beiden. ich glaube auch zu wissen warum: Abendgram kann einen doch
schlecht den ganzen Tag über verfolgen, morgens, mittags und so weiter ...
also würde ich hier einen Ersatz suchen. ein "befallen", ein "umfangen" fände
ich treffender.



Alcedo, zunächst scheint konsequent zu sein, für zumindest dich,
befallen und umfangen zu bevorzugen, obwohl dem Ersatz, nach
weiterer Überlegung, die momentane/spontane Eigenheit abgeht,
insofern du sie an der Wortwörtlichkeit bzw., an deinem Verständnis
zum Abendgram festmachst.

Der tägliche Abendgram und das Fehlen verfolgen.

Der Abendgram kann durchaus ganztäglich verfolgen. Warum
sollte ausgerechnet das nicht üblich sein. Wenn dich etwas
spontan befällt oder umfängt, hat das zwar zunächst
nichts mit der Dauer des Zustandes tun, das ist wohl richtig.
Du machst deine Kritik allerdings am Abendgram fest.
Was übersehe ich, Alcedo.

Ferner interessiert mich, was das Verebben mit der Struktur des
Textes zu tun hat. Dein Empfinden - tut mir leid - kann ich nicht
nachvollziehen.


Katerchen


Nachtrag: Dein erstes, überraschendes Lob freute mich
insgeheim. Ich bedankte es nach alter Manier.




.


->perhaps there is nothing in this universe but I self<-

zuletzt bearbeitet 14.01.2010 20:52 | nach oben


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