#1

Ideale, here Ziele - kleine Gedanken... Fiktives Tagebuch

in Zwischenwelten 14.01.2010 21:38
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

HAITI - oder Idealismus


Wir bleiben wieder ein bisschen fassungslos bei uns, hinter Scheuklappen.
Irgendwo sind gerade bebend ein, zwei Welten eingestürzt, ein Inselreich.

"Will ich das überhaupt sehen?" fragst du dich, und "Na, wenn es unbedingt sein muss, aber was kann ich denn dafür? Was geht mich das an? Zum Glück ist es ziemlich fern!"
Nur selten schafft es in die Alltagsflucht ein zuerst distanciertes "Was kann man tun?" einzubrechen.

Es ist die Masse, die, an der du nicht vorbeikommst, die du nicht zu ignorieren in der Lage bist, und dann, danach, wenn Du - vielleicht sogar heulend - vor dem Radio lauschst - weil du schon soviel hörtest, es dich nicht mehr kalt lassen kann - Berichterstattungen, Augenzeugen und nun auch noch der Präsident aus dem >Chaos in Port-au-Prince< seine eigene Hilflosigkeit und sein obdachloses Sein kundtut, nicht jammervoll, nein, bittend für andere und besorgt, spätestens dann fragst du dich ehrlich "Wie soll ich nur helfen?" und sagst "Ich will etwas tun. Ja, das will ich!"
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesc...ben-fotostrecke

Dann denkst du weiter, um deine Ecken, stellst fest, dass du keine Lust hast, dein Geld wieder nur - als ob du es schon so oft getan hättest - in Spendenkassen zu investieren, da du nicht nachvollziehen kannst, was davon überhaupt ankommt. Und wo. So nährst du deine Zweifel mit dem schlußbringenden Ergebnis, dass du eh nichts Sinnvolles beitragen kannst.
Die zu brechende Hilflosigkeit und den entstandenen Willen hast du mit deiner inneren Diskussion plattgeschwafelt, so dass kaum mehr etwas übrig bleibt, als Gleichgültigkeit.
Die Nachrichten der Todeszahlen werden schließlich auch, nach zuerst mutmaßlich 100.000 Todesopfern, auf maximal 30.000 vom eigenen Botschafter der Organisation Amerikanischer Staaten reduziert. Es ist also nicht so schlimm. Mach einfach weiter mit dem, was dir wichtig erscheint, mit deinem Leben.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesc...os-hilfseinsatz

Und nebenan läuft gerade die Werbung vom ClubMed, alles herrlich heile, jetzt buchen und bis zu 200,--€ pro Person sparen auf den schönsten Plätzen der Welt. Mauritius, Indonesien, Martinique, Mexiko, Gouadeloupe, Malaysia, Malediven - heil und erschlossen. 200,--€ pro Nase, wofür man die dann wieder ausgeben kann!? Für was anderes? Du bist eindeutig urlaubsreif, das merkst du, denn sonst würdest du dir nicht solche Gedanken über alltäglich Fernes machen. Es ist nicht deins.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesc...ilfe-opfer-leid

Gebotene Alternative:
Mach es einfach, denn, nur daran zu denken hilft nicht. Beistand jedweder Form kann etwas bewirken... schicke Care-Pakete, sammle Spenden, tue irgendetwas, aber ziemlich schnell, denn das Zertrümmerte, Verschüttete, auch das Gestorbene, mitsamt der riesigen, stillen, wie auch hektischen Bestürztheit bedarf deiner! Sei verrückt, tue etwas gegen dein geglaubtes besseres Wissen.
Was du kannst? Frag es! Frag dich! Rede mit anderen und nicht es tot. Mach es! Jetzt!
http://www.tagesschau.de/ausland/erdbebenhaiti110.html


©
14.o1.2oo9


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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#2

RE: Ideale, here Ziele - kleine Gedanken... Fiktives Tagebuch

in Zwischenwelten 17.01.2010 20:00
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Gedichtbandage,

erst habe ich gedacht, vllt grenzwertig off topic, dann wieder, nein, sie hat damit
absolut Recht. Auch glaube ich nicht, daß alles nur veruntreut wird, was wir mit
unserem bescheidenen Einsatz - wir gehen für Geld ja auch arbeiten - versuchen
vor Ort möglich zu machen.
Gerade lese ich John Murray: A Few Short Notes of Tropical Butterflies. NY 2003
Nach jahrelangem Einsatz für Ärzte ohne Grenzen gewähren die Kurzgeschichten
den einen oder anderen Einblick in Anforderungen vor Ort.
Hoffen wir, daß so unsagbares Leiden für Haiti eine Wendung bringt. Für irgend
etwas muß das alles einfach gut sein, Vllt eröffnet es Überlebenden eine neue
politische, soziale, ökonomische Chance. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt,
deshalb will ich sie verteidigen. LG mcberry

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