#1

im steigen begriffen

in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2010 13:19
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

im steigen begriffen

vierzehn stockwerke, spiegelnd verglast und du bist allein
in der chromverschalten kabine. noch einmal durchatmen,
bevor der knopf gedrückt, die seile stoßgedämpft anrucken.
der zuckende blick zur leuchtanzeige entspannt sich erst,
als es aufwärts geht. kellergeschosse beklemmen dich,
du kennst das gewicht von beton in seiner kantigen höhe.
mit leichtem ziehen im magen, der schwerkraft entfliehend,
geht es nach oben, vom schacht geführt wie eine rakete.
einmal die erde von oben sehen, hochhäuser degradiert
zu statistiksäulen, die gegen unerheblich tendieren.
vom einsetzen der bremsdüsen wachgerüttelt, suchst du
halt an der wand, während dein gehirn noch weiter steigt,
bis es sanft an die schädeldecke stößt, die türen sich
pagenlächelnd öffnen, um dich schwankend auszuspeien.
für den weg nach unten nimmst du die treppe.

zuletzt bearbeitet 06.07.2010 13:19 | nach oben

#2

RE: im steigen begriffen

in Philosophisches und Grübeleien 12.07.2010 19:04
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hi Perry

den Text habe ich zweimal lesen müssen auf der Suche nach einem Haltegriff. Worum es eigentlich geht, wird dem geneigten Leser nicht mitgeteilt. Du beschreibst eine leichte claustrophobische Anwandlung. Warum auch nicht.

An dieser Stelle möchte ich auf Ralph Waldo Emerson verweisen.
Der taugte nicht nur zum Frontmann des amerikanischen Transzendentalismus, - aber deswegen flog er 1838 aus Harvard raus, nicht wahr, das macht ihn sympathischer - sondern dichtete auch.
Die philosophische Kernaussage habe ich so verstanden: die Natur, unsere alltägliche Umgebung, ist voller Geheimnisse.
Wir brauchen uns nicht auf den Weg zu machen, das Außergewöhnliche zu suchen, wir verstehen schon da, wo wir uns gerade befinden, die Welt nicht mehr.

Kunst und Literatur befassen sich mit einer jenseitigen Wahrheit hinter den äußeren Erscheinungen. Das ist unsere Aufgabe und das hast du getan. Ab und zu muß sich ein Dichter dann mal verteidigen. Aber das kennst du ja auch schon zu Genüge. Sincerely mcberry

zuletzt bearbeitet 16.07.2010 11:52 | nach oben

#3

RE: im steigen begriffen

in Philosophisches und Grübeleien 12.07.2010 19:24
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo mcberry,
dann geht es dir ähnlich wie dem Li, dass während der Fahrt nach Oben den Halt, sprich Realitätsbezug verliert und seine anfänglich Angst vor der Tiefe und dem Gewicht über ihm verliert und sogar euphorisch in eine Umlaufbahn steigt und die Winzigkeit des Gebäudes und seiner Existenz erkennt, um schließlich angekommen ernüchtert wieder Angst verspürt und lieber die Treppe für den Abstieg benutzt.
Letztlich geht es also um ein Reflektieren der Umgebung, das uns mehr oder weniger ständig zwischen Urängsten und Fortschrittseuphorie pendeln lässt.
Danke für dein Interesse und dass du die 14 Zeilen bis zum obersten Stockwerk geschafft hast.
LG
Perry

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