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Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 06.08.2010 18:31von Ame&Umi (gelöscht)
Die leise säuselnde Stimme des Moderators beruhigte sie. Nachdem sie fertig war mit frühstücken, schaltete sie das Radio ab und warf sich im Wohnzimmer aufs Sofa. Wieder ein Sonntag, den sie mit ausspannen verbringen würde. Sie griff sich ein Magazin vom Stapel auf dem Couchtisch. Auf dem Rücken liegend, versuchte sie sich in einen Artikel über die aktuellen Herbsttrends zu vertiefen.
Als sie ihre innere Unruhe nicht länger leugnen konnte, warf sie das Heft mit einem Seufzer wieder auf den Tisch und setzte sich auf. Ihr Blick wanderte ziellos durch das Zimmer. Über die komischen Bilder mit den nichtssagenden weißen und orangen Flächen, die sie für eine gute Stange Geld in einer Gallerie erworben hatte. Den teuren, kaum genutzen Designeresstisch mit passenden Stühlen. Durch die Beförderung hatte sie eh kaum Zeit, Freunde zum Essen einzuladen. Schließlich verfing sich ihr Blick in dem unregelmäßigen Muster von Daisys Fell. Diese schlief ruhig in ihrem Korb. Bald würde sie ausgewachsen sein, aber der Korb war jetzt schon fast zu klein für sie.
Eine Erinnerung schob sich energisch vor ihr inneres Auge. Ein einfacher, langer Tisch aus Massivholz mit zwei langen Bänken an den Seiten auf einer Wiese mit ungebändigten Gras. Im Hintergrund ein altes Bauernhaus, die Wiese umrandet von einem Kornfeld in voller Blüte. Auf den Bänken rings um den Tisch haben sich Kinder, Eltern, Großeltern und das Nachbarspaar versammelt. Sie unterhalten sich rege. Die Mutter bringt einen großen Krug Milch. Sie lachen viel. Alle wirken glücklich.
Das Bild lößte sich auf und verschwand ins Nichts.Sie öffnete die Augen wieder. Ein Anruf bei ihrer Mutter war schon längst fällig. Die Stille legte sich wie ein Mantel unangenehm über sie, drückte sie runter mit ihrem Gewicht. Eigentlich empfand sie diese Ruhe als entspannend, denn sie hatte es ja selbst so gewählt. Doch nun drohte die Leere sie zu verschlingen. Sie schlug die Tür hinter sich zu, verließ den Wohnblock fluchtartig. Hundepfoten auf Teerstraßen. Weißes Fell und schwarze Flecken anstatt Kinder, Mann und Familie. Sie bog aus ihrer Straße.
Herbst ist schön. Die gelben und roten Blätter auf den Boden leuchten noch. Ihre Farben kaschieren den Asphalt. Wie ein Teppich legt sich das Laub über die Stadt und federt die Schritte der Geplagten. Bis sie ihn tot getrampelt haben, dann sind nur noch braune Leichen übrig. So kenne ich die Stadt.
Nieselregen setzt ein. Natürlich hat keiner einen Regenschirm dabei. So nutzen sie den schnell stärker werdenden Regen als Entschuldigung, sich dicht an dicht unter jeden schutzverheißenden Platz zu drängen, auf der Suche nach ein wenig menschlicher Nähe. Hier sind sie plötzlich alle gleich. Der Geschäftsmann neben der sozial schwachen Familie, unter den Schirmen der Sonderangebotsständer bei Kik. Der glatzköpfige Jugendliche in Springerstiefeln, der indische Lieferjunge und das alte Ehepaar vor dem Reformhaus. In den Pfützen spiegeln sich ihre Gesichter. Gestresst, ausgelaugt, aggressiv, müde. Nicht mehr lange, und ich reihe mich bei ihnen ein.
Das unermüdliche Lächeln einer Floristin, ein Bouquet aus weißen Callas. Der Duft von vielen Blumen. In diesen Läden ist immer Frühling, hier hält die Liebe ewig. Ein wunderschöner Brautstrauß, schmeichelt die Verkäuferin, aber unmögliches Wetter.
Aus dem Blumenladen direkt in das Rotlichtviertel. Prostituierte vor von Neonstäben rot leuchtenden Fenstern, so nah an die Hauswand gedrückt wie möglich, ihre Schminke verwischt. Ich bleibe stehen und beobachte sie eine Weile. Sie begutachten ihre Gesichter im Schaufenster und müssen lachen. Mögliche Freier laufen an ihnen vorbei. Lustlos versuchen einige von ihnen, Männer in das Geschäft zu locken. Die schwarzen Spuren auf ihren Wangen nehmen ihnen ihre künstlichen Masken. Sie sahen noch nie so hübsch aus. Sie bemerken mich. Wegen meiner ungewöhnlichen Aufmachung halten sie mich wohl für eine von ihnen, denn sie winken mir zu. Ich winke zurück und gehe dann zügig weiter. Blinkende Lichter. Durch beschlagene Brillengläser verschwimmen sie zu einem Meer aus Farben. Rot, blau, weiß. Der immer stärker werdende Regen weicht die Stadt auf. Ihre Konturen lösen sich, harte Kanten verschwinden, Gebäude machen sich kleiner, neigen sich zum Boden. Alles wird unklar. Plötzlich finden sich alle zu recht. Plötzlich wissen alle wieder, wo sie hin wollen- nach Hause.
Im Park. Der frische Anstrich einer Parkbank läuft über den Gehsteig. Die Farbtöpfe stehen einsam unter einem nahegelegenen Baum. Von den Malern keine Spur. Ein grüner See. Ein Jogger umrundet ihn leichtfüßig. In dieser Atmosphäre ist die Stadt eine andre. In dieser neuen Stadt verabschiede ich mich von Emma, um neugeboren zu werden. Ohne mich noch einmal umzudrehen, verlasse ich den Park in eine mir unbekannte Richtung.
Jemand ruft einen Namen. Immer wieder, fast schon verzweifelt. Er trägt einen feinen Anzug. Er ruft und ruft, aber niemand antwortet. Diese Stadt kennt keine Emma. Ab heute bin ich jemand anderes. Nicht weil sich mein Nachnahme ändert, sondern weil alles sich heute verändert.
Der Mann gibt nicht auf. Er rennt weiter die ausgetretenen Wege entlang. Er begreift es nicht. Der Regen hat seinen Anzug ruiniert. Schlammspritzer zieren den Saum seiner Hose. Plötzlich bleibt er stehen und bückt sich. Vor ihm liegt eine weiße Calla.
Eine Passantin bleibt mit ihrem Dalmatiner neben ihm stehen. Ob sie helfen könne, erkundigt sie sich. Er sieht sie geistesabwesend an. Dann schenkt er ihr die Blume und dreht um. Er verschwindet in die Richtung, aus der er gekommen ist.
Sie wunderte sich. Über den Mann, seine Tränen und die Blume. Dann zuckte sie die Achseln, roch an der Blüte und lächelte stumm. Das war ihre Lieblingsblume. Mit einem guten Gefühl kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Während sie eine Vase mit Wasser präparierte, fiel ihr Blick aus dem Fenster. Der Regen hatte immer noch nicht aufgehört. Sie fragte sich wie lange er wohl noch anhalten würde. Auf dem Esstisch plazierte sie die Vase. Zufrieden betrachtete sie das Gesamtbild und kraulte Daisy hinterm Ohr, die zu ihr getrottet war. Beschwingt ging sie zum Telefon.
"Hallo Mama, ich bin's."
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 10.08.2010 11:36von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte
hallo und willkommen hier, Ame&Umi!
das ist eine schöne, sehr dicht erzählte Kürzestgeschichte, mit Poesie, vielen feinen Beobachtungen und einem für eine Frau versöhnlichen Schluss. Ich frage mich, wo du die Geschichte spielen lässt - hast du ein reales Vorbild? Du musst es nicht verraten. Die Szene wo sie alle unter dem KiK-Ständer stehen, könnte bei mir um die Ecke in Hamburg Sankt Georg sein. Auch hier gibt es Menschen vieler verschiedener Nationalitäten, Gesellschaftsschichten und Gesinnungen.
Danach aber misslingt die Verortung in der realen Welt, da du die Spaziergängerin erst durch Chinatwon gehen lässt und dann in ein Amüsierviertel, wo Konkubinen zu finden sind. Chinatown gab es hier mal, das ist aber schon bestimmt hundert Jahre her, und ich kenne keine Stadt, die sowohl KiK als auch ein Chinatwon ihr eigen nennt. Das spricht für eine fiktive Stadt. Über Konkubine stolpere ich. Bist du sicher, dass es äußere Erkennungsmerkmale für Frauen gibt, die in einer wilden Ehe leben? Du sprichst auch von potentiellen Kunden, die achtlos an ihnen vorbei gehen, das deutet darauf hin, dass du Professionelle meinst, Frauen, die ihr Geld mit Sexarbeit verdienen. Vllt Kurtisanen?
Aber sehr gelungene, poetische Beschreibungen an dieser Stelle. Ich bin manchmal ganz ähnlich unterwegs wie die Frau in deiner Geschichte, schweigend durch Straßen gehen und Bilder finden, um sich an ihnen satt zu sehen.
Sind in der Geschichte nicht sogar drei Frauen? Die Spaziergängerin mit dem Dalmatiner, Emma, und die neu geborene Frau, zu der Emma wird. Die Atmosphäre der Geschichte erinnert mich mit den vielen Natur- und Stadtbetrachtungen, den poetischen Gedanken, an japanische Literatur oder Filme. Auch Emmas Verhalten finde ich typisch merkwürdig und undurchschaubar, du skizzierst sie nur und überlässt dem Leser viel freien Raum für eigene Vorstellung.
Interessant finde ich auch die Aufteilung: Die beiden obersten und untersten Zeilen gehören der Dalmatinerfrau allein. Die Mitte ist besonders spannend, da die Ich-Erzählerin erst gegen Ende kurz auftritt, davor stellte ich mir ein Kamera-Auge vor, das durch die Straßen fliegt und Impressionen wiedergibt.
Gefällt mir ausgezeichnet, ich nominiere sie für unseren Sommerprosawettbewerb.
Grüße
Kjub
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 10.08.2010 17:31von Ralfchen (gelöscht)
1. Wie ein Teppich legt sich das Laub über die Stadt und federt die Schritte der Geplagten. Bis sie 2. ihn tot getrampelt haben, dann sind nur noch braune Leichen übrig.
1. unmöglich
2. wer ist IHN?
3. Leichter Nieselregen...ist ein überflüssiger doppelmopel, denn nieselregen ist eine leichte sache. und niemand hat da ein problem ohne schirm. der text insinuiert in der folge schweres runterwascheln.
4. In den Pfützen spiegeln sich ihre Gesichter. einfach unmöglich, denn man müsste über einer pfütze waagrecht positioniert sein um diesen effekt wahrnehmen zu können.
5. Potentielle Kunden laufen achtlos an ihnen vorbei. wie eine unmögliche beschreibung. potentielle kunden bleiben stehen und verhandeln. oder sie sind nur walker-by, dann sind sie nicht potentiell.
6. calla riechen nicht.
es gäbe da noch einiges was den text zu einem inkonsistenzium macht. ich frage mich in solchen momenten immer: liest niemand einen text genau? und wo ist die authentizität? warum springt der author in szenerien, die keinerlei textgeografische zusammenhänge aufweisen (chinatown etc.)?
dieser text ist nicht surreal, sondern eine ziemlich eng gepferchte durcheinander-erzählung, daher treten solche manki in erscheinung.
für mich ein sehr schwacher text.
ps.: und wo zum uhu sind die zwei frauen? so ein palawatsch!
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 10.08.2010 23:48von Ame&Umi (gelöscht)
Moin!
Na, das sind ja mal zwei komplett unterschiedliche Kommentare, interessant. Auf jedenfall bedanke ich mich erst Mal für beide! :-)
An Kjub:
Vielen Dank für die aufrichtigen Worte. Wieso ich plötzlich Chinatown mit in die Geschichte eingeflochten habe, daran kann ich mich selbst nicht mehr erinnern... manchmal schreibe ich einfach, ohne im logischen Zusammenhang zu denken.
Witzig ist, dass du Hamburg erwähnst, weil ich die Geschichte nach einem einwöchigen Aufenthalt eben da geschrieben habe. Und natürlich hast d recht, ich meinte die Kurtisanen, wie gesagt, mein Kopf, selten verläßlich.
Die Idee, die neue Emma als dritte Person zu zählen, passt wunderbar zu diesem Text, danke dafür ;)
An Ralfchen:
Danke auch für deine ehrlichen Worte, obwohl ich nciht mit allem übereinstimme
1. Das ist eine Metapher, natürlich ist es unmöglich.
2. ``ihn´´= den Teppich. Er besteht aus Blättern, Blätter wachsen, sind lebendig, können daher auch totgetrampelt werden.
3. Das stimmt. Ich werde das ändern.
4. Wenn man das komplette Gesicht genau von vorne betrachtet sehen will, dann ja, aber auch aus anderen Blickwinkeln, ist es möglich, Gesichter, z.B aus einer Ansicht von unten, in Pfützen zu sehen. Aber in diesem Fall habe ich es mehr im Übertragenen Sinne gemeint. Die Gesichter in den Pfützen sind ein Bild für den Spiegel der Gesellschaft.
5. Wie definierst du potentielle Kunden? Für mich sind es Menschen, die durch Merkmale wie z.B. Alter, Stil, Geschmack, Kaufkraft etc. auf den allgemeinen Kundentyp des Betriebs passen. Es ist nicht klar, ob sie kaufen werden, aber die Wahrschienlichkeit, dass sie es tun, ist größer, als bei anderen. Da es aber nur eine Wahrscheinlichkeit ist, können sie auch achtlos an dem Geschäft vorbei gehen, ohne Interesse zu zeigen. Es waren dann ``potentielle´´ Kunden.
6. Aha. Ich habe öfter welche in meiner Wohnung und sie riechen immer irgendwie süßlich, und wenn es nur der adaptierte Geruch von den anderen Blumen aus dem Blumengeschäft ist. Ich werde es so lassen.
Liest niemand einen Text genau? An die eigene Nase: tust du es? Wenn ja, wieso spricht Kjub dann von Frauen, die er/sie in dem Text findet und du bestreitest, das sie da sind?
Ich habe den Eindruck, du bist zu sehr auf die Realistik einer Geschichte fixiert, dass du die Metaphern und Andeutungen, die das Herz, die Stimmung, Gefühle etc. vieler und auch dieser Geschichte m.M.n. zum Ausdruck bringen, übersiehst, und sich dir so folglich auch der Sinn verschließt.
LG Umi
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 09:15von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte
guten morgen Landloper,
kurtisane ist hier nicht der falsche begriff. du solltest nicht nur dem erstbesten wiki-artikel vertrauen, auf den verwiesen wird. wenn du geschichten für zeitschriften schreibt, solltest du das wissen. kurtisane ist ein stehender begriff, mit dem westler die verschiedenen klassen japanischer prostituierter und unterhaltungskünstlerinnen bezeichnen.
das beispiel ist gut, der sich entwickelnde regen wäre der atmosphäre der geschichte sicher zuträglich.
hallo Umi,
Zitat
Wieso ich plötzlich Chinatown mit in die Geschichte eingeflochten habe, daran kann ich mich selbst nicht mehr erinnern... manchmal schreibe ich einfach, ohne im logischen Zusammenhang zu denken.
wie geschrieben, du als autorin hast das recht ein fiktives setting zu wählen.
Zitat
Die Idee, die neue Emma als dritte Person zu zählen, passt wunderbar zu diesem Text, danke dafür ;)
ich überlege, ob das nicht vllt verwirrend ist. vorher konnte man die dritte frau sehen, jetzt suchen möglicherweise welche nach ihr und wundern sich.
grüße
Kjub
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:02von Ralfchen (gelöscht)
alles das geschrieben, liebe freunde, ist dennoch zu sagen: entweder ich schreibe surreal oder in metaphern, dann muss der text in der entsprechenden rubrik eingestellt werde. Ame&Umi ihr seid ein team von zwei damen, die hier schreiben? liege ich da richtig? nun wenn ja umsofeiner sollte es gehen einen text klar zu frauifestieren. wenn du in wasserlacken blickst, die durch nen riesler kaum entstehen können, dann - um des argumentes willen - siehst du in der pfütze nix, denn sie ist von den tropfen zerträllert und kann bestenfalls ein zerrbild wiedergeben. und: nichtmal an einem öligglattem see siehst du dein bild, wenn du am ufer herumlungerst. erst wenn du dich über das wasser vorbeugst.
gefallene blätter SIND TOT! und du hüpfst von einem widerspruch zum anderen, was aus dem einen text einige unterschiedliche macht.
man kann inkonsistenzialisches natürlich immer damit erklären, dass man als aut-tor wortende freiheit hat. ich seh das begrenzt, denn selbst in der metapher versteckt sich ein bild, das, wenns nicht entzifferbar iss völlig im labyrinth der synclesen untertaucht und sich einnebelt. dein sprung nach chinatown iss netamal dir selber klar. daher frage: was ist dir klar an dem text, wenns dem ralfelchen unklar iss?
man kann aus dem text sicher was machen, ohne das er seine komprimatie verliert. nur so iss&bleibta ein kuddel-di-muddel.
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:08von Ralfchen (gelöscht)
Die Wohnung ist klein, beinahe gemütlich, umdrängt in diesem Moment jedoch erdrückend. Die Tür wird zugeschlagen, die Mietskaserne fluchtartig verlassen. Hundepfotenspuren auf glänziger Teerstraße. Weißes Fell schwarz gefleckt als Kind-Mann-Familienersatz.
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:30von Ralfchen (gelöscht)
Die Wohnung ist klein. Eigentlich gemütlich, aber genau in diesem Moment erdrückend. Die Tür wird zugeschlagen, der Wohnblock fluchtartig verlassen. Hundepfoten auf Teerstraßen. Weißes Fell und schwarze Flecken anstatt Kinder, Mann und Familie.
Herbst ist schön. Die gelben und roten Blätter auf den Boden leuchten noch. Ihre Farben kaschieren den Asphalt. Wie ein Teppich legt sich das Laub über die Stadt und federt die Schritte der Geplagten. Bis sie ihn tot getrampelt haben, dann sind nur noch braune Leichen übrig.
Regen setzt ein. Natürlich hat keiner einen Regenschirm dabei. So nutzen sie den Regen als Entschuldigung, sich dicht an dicht unter jeden schutzverheißenden Platz zu drängen, auf der Suche nach ein wenig menschlicher Nähe. Hier sind sie plötzlich alle gleich. Der Geschäftsmann neben der sozial schwachen Familie, unter den Schirmen der Sonderangebotsständer bei Kik. Der glatzköpfige Jugendliche in Springerstiefeln, der indische Lieferjunge und das alte Ehepaar vor dem Reformhaus. In den Pfützen spiegeln sich ihre Gesichter. Gestresst, ausgelaugt, aggressiv, müde.
Das unermüdliche Lächeln einer Floristin, ein Bouquet aus weißen Callas. Der Duft von vielen Blumen. In diesen Läden ist immer Frühling, hier hält die Liebe ewig. Ein wunderschöner Brautstrauß, schmeichelt die Verkäuferin, aber unmögliches Wetter.
Aus dem Blumeladen direkt in das Vergnügungsviertel. Kurtisanen unter bunten Regenschirmen, ihre Schminke verwischt. Sie begutachten ihre Gesichter im Schaufenster und müssen lachen. Potentielle Kunden laufen achtlos an ihnen vorbei. Die schwarzen Spuren auf ihren (den kundenwangen??????Wangen nehmen ihnen ihre künstlichen Masken (gibts natürliche?????). Sie sahen noch nie so hübsch aus. Blinkende Lichter. Durch beschlagene Brillengläser verschwimmen sie zu einem Meer aus Farben. Rot, blau, weiß. Der Regen weicht die Stadt auf. Ihre Konturen lösen sich, harte Kanten verschwinden, Gebäude machen sich kleiner, alles wird unklar.(wie oft noch?????) Plötzlich finden sich alle zu recht.
Im Park. Der frische Anstrich einer Parkbank läuft über den Gehsteig. Ein grüner See. Ein Jogger umrundet ihn leichtfüßig.
In dieser Atmosphäre wird die Stadt neugeboren. In dieser Atmosphäre finde ich mich in einer völlig neuen Stadt. In einer neuen Stadt ist man ein anderer Mensch. Jemand ruft einen Namen. Immer wieder, fast schon verzweifelt. Er trägt einen feinen Anzug.
Er ruft und ruft. Aber niemand antwortet. Diese neue Stadt kennt keine Emma. Heute bin ich jemand anderes. Nicht weil sich mein Nachnahme ändert, sondern weil alle sich heute verändern.
Der Mann gibt nicht auf. Er rennt weiter die ausgetretenen Wege entlang. Der Regen hat seinen Anzug ruiniert. Er begreift es nicht. Plötzlich bleibt er stehen und bückt sich. Vor ihm liegt ein weiße Calla.
Eine Passantin bleibt mit ihrem Dalmatiner neben ihm stehen. Ob sie helfen könne, erkundigt sie sich. Er sieht sie geistesabwesend an. Dann schenkt er ihr die Blume und dreht um.
Die Frau wundert sich. Über den Mann, seine Tränen und die Blume. Dann zuckt sie die Achseln, riecht an der Calla und lächelt stumm. Das ist ihre Lieblingsblume. Mit einem guten Gefühl kehrt sie in ihre Wohnung zurück, die plötzlich wieder groß und geräumig ist. (sinnloser doppelmoppel und: was iss sie nun: klein und eng oder g&g????)
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also wo sinn die zwei frauen?
nun es wird lesbarer im sinne eines bildes Landloper, denn die hundepfotenasphaltphase der beiden damen iss völlig nichtig, weil sie kein bild malt. je öfter ich den text lese, desto mehr sehe ich dass er ein eingepferchtes wissi-wassi ist. für mich.
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:30von Ame&Umi (gelöscht)
Oh ha, diese ganzen Meinungsverschiedenheiten und Auffassungen sind verwirrend. Ich werde mir den Text jetzt einfach noch einmal gnaz genau vornehmen, mir ein paar Gedanken machen was ich wie aussagen will und es dann nach diesen Kriterien mit Einbezug eurer Einwände überarbeiten. Ob die Kurtisan jetzt eine Kurtisan bleibt oder zu einer Prostituierten wird weiß ich noch nicht. Ich glaube, bei dieser Version wird es dann auch vorerst bleiben.
An Kjub, danke für die Nominierung (hatte ich vollkommen überlesen)
An Ralf: Mit dieser Überarbeitung kann ich nun wirklich gar nichts anfangen. Das ist nicht mein Stil.
Ansonsten bin ich übrigens nur eine Person, der Nick Ame&Umi bedeutet nichts weiter als Regen&Meer. Das ich immer zwischen den beiden wechsel, bei der Unterschrift meiner Kommentare, ist pure Faulheit. Ich werde aber jetzt immer dan ganzen Nick verwenden, um solche Eindrücke auszuschließen.
Trotz allen vielen Dank für die rege Diskussion :-)
LG Ame&Umi
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:41von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte
ja, Landloper, ich habe mich geärgert, dass du den Kurtisanenbegriff so nebenher abfertigtest, und da ich ziemlich sicher war, dass Kurtisane eben nicht nur ein Synonym von Mätresse ist, hab ich die Wiki-Erklärung gelesen und da so ziemlich alles gefunden, was du in deinem Beitrag schreibst, von der Beischläferfunktion der Konkubine bis zu der Verortung der Kurtisane nach Frankreich. Die Erklärung, dass die Wiki-Autoren vom Brockhaus abgeschrieben haben, ist aber plausibel und es tröstet mich, dass es mit dir noch Menschen zu geben scheint, die mit redaktionell geprüften Nachschlagewerken arbeiten. Leider rettet das den Brockhaus nicht mehr. Mein Duden kennt die Kurtisane auch als Geliebte am französischen Fürstenhof.
Ja, so ganz passt es nicht zusammen. Erstens gab es im alten Japan sicher kein Chinatown und zweitens glaube ich nicht, dass Prostituierte gleich welcher Klasse auf der Straße standen. Soweit ich weiß, waren die ausschließlich in Bordellen untergebracht. Aber hey, da um die Ecke steht KiK und eine Dame spaziert mit nem Fleckenhund durch das Viertel - es ist halt ein fiktives Setting, bisschen Patchwork.
auch wenn ich ralf prinzipiell zustimme, dass auf der metaphorischen ebene rechts vor links gilt, wenn man bilder bricht oder die bildebene verlässt, sollte das immer durch etwas inhaltliches motiviert sein. und das argument der künstlerischen freiheit zieht bei mir nur, wenn der autor bewiesen hat, dass er die regeln des handwerks beherrscht, die er bricht, aye. Trotzdem halte ich die vorliegende für die fantasie- und gedankenreiche Geschichte einer jungen Autorin, da muss man nicht ganz so hart urteilen, denke ich. komm schon ralf, gib deinem herz nen ruck, eh?
und die zwei frauen: eine ist die mit dem dalmatiner, sie handelt im ersten und letzten absatz und wird kurz vorm letzten absatz passantin genant. die andere ist emma, genau. die floristin ist doch nur eine nebenfigur.
Viele Grüße
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:50von Ralfchen (gelöscht)
was nützt phantasie und gedankenreichtum, wenn man beide nicht kompakt frauifestieren kann? und dazu ist unsere neue freundin absolut nicht in der lage. sie schreibt ein spontanes gewirr aus gedankenfetzen, die sie nicht zuende gedacht hat, resp. zerriss und dann vor den leser hängt, wie eben fetzen auf ner wäschleine in der morgensonne. ich sagte schon: je mehr man den text liest, um so mehr sieht man ihn als versuch einer texterin, die vielleicht schon andere (versuche) hinter sich hat, aber nicht mit sich selbst zurechtkommt - es aber glaubt. das erkennt man an der einerseits (real beschrieben) kleinen und andererseits detto großen wohnung. diesen text unter die besten zu setzen, oder als den besten vorzuschlagen, ist gelinde gesagt eine völlige fehlinterpretation seines inhaltes.
mein vorschlag zum ersten absatz war nur der, ein verständliches bild des ablaufes in einzelne phasen/szenen zu reduzieren. und das eben ist es, was der texterin völlig misslungen ist. mal sehen was sie daraus macht. emma resp. die hundeführerin sehe ich als die einzige protagonistin. denn sie geht mit dem dalmatiner initial aus der wohnung.
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 11:56von Ralfchen (gelöscht)
von mir aus. wenn du den gut findest ist das o.k. ungeachtet dessen finde ich ihn als letztqualifiziert. jedem seine meinung.
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.08.2010 17:35von Alexa (gelöscht)
Hallo Ame&Umi, und auch Hallo an die Anderen hier
hier ist ja viel geschrieben worden. Ich lese mir jetzt aber nicht alles durch, sondern möchte nur mal kurz erklären, warum mir diese Art vonText nicht so wirklich gefällt.
Ich kann das am Besten, indem ich dabei konkrete Textstellen aufzeige. Wobei ich mich aber jetzt nur auf den ersten Absatz beschränken möchte, sonst führt das ins unermessliche.
Geschichten leben ja mehr oder weniger von Bildern, die sich beim Leser einstellen. Vll. ist es deshalb besser, wenn man direkt Bildstark in eine Geschichte einsteigt, damit der Leser sich sofort dabei- anstatt danebenstehend fühlt.
Zitat
Die Wohnung ist nicht besonders groß, bietet aber ausreichend Platz für eine Person plus Hund.
Nicht besonders groß ist mir persönlich zu schwammig. Die Beifügung, dass sie aber ausreichend Platz für Mensch (liegend/stehend?) und Hund (ein großer/Kleiner/ Bernhardiner oder Pudel?) bietet, macht es nicht besser. Vll. wäre es hier angebracht einzelne, allgemein bekannte Gegenstände einzuflechten. So z.B. die Badezimmertür, die sich nicht ganz öffnen lässt, weil … Möbelstücke ect. direkt dahinter stehen … usw.
Zitat
Morgens mochte sie nicht frühstücken, ohne das Radio nebenbei laufen zu haben. Irgendwie beruhigte die leise säuselnde Stimme der Moderatorin sie. Nachdem sie fertig war, schaltete sie das Radio ab und setzte sich ins Wohnzimmer.
Hier irritierte mich das – Morgens nicht Frühstücken- Natürlich heißt es hier: sie mochte nicht Frühstücken, ohne das Radio laufen zu haben, aber das – nicht- sprang mich da direkt an und ich hatte im ersten Moment den Eindruck, sie würde nicht Frühstücken. Ich musste tatsächlich an der Stelle: Nachdem sie fertig war … zurückspringen, um nachzusehen, womit sie eigentlich fertig war. Aber gut, das mag jetzt irgendwie an mir liegen. Ich würde den Satz aber ohne "Morgens" (denn Frühstück ist meistens am Morgen) schreiben und ihn auch umstellen. Ohne die beruhigende Stimme aus dem Radio, mochte sie nicht frühstücken oder so.
Im weiteren Verlauf wäre es aber m.E. wieder wesentlich bildstärker, eine genauere Bezeichnung dessen, wo sie sich hinsetzt, einzubauen. Nur Wohnzimmer ist mir auch da einfach zu weit, zumal hier ja die Enge der Wohnung noch verdeutlicht werden könnte und auch sollte.
Zitat
Die Stille legte sich unangenehm über sie und ließ sie sich schwer und träge fühlen. Eigentlich empfindet sie diese Ruhe als entspannend, aber genau in diesem Moment scheinen die Wände sie zu erdrücken. Die Leere droht sie zu verschlingen.
Hier ist die Erzählzeit stellenweise etwas durcheinander geraten. Die Stille legte sich, und ließ sie sich schwer … und dann empfindet sie diese Ruhe? scheinen die Wände? Die leere droht?
Kleinigkeiten, ja, aber das macht es mir als Leser etwas schwer, die Geschichte einfach nur mit zu erleben.
Zitat
aber genau in diesem Moment scheinen die Wände sie zu erdrücken. Die Leere droht sie zu verschlingen.
Auch hier habe ich Probleme mich bildlich da hinein zu finden.
Wände erdrücken = Enge.
Die Leere= Weite.
soweit von mir.
Inhaltlich konnte ich mich noch nicht richtig auf diese Geschichte einlassen, werde es aber heute Abend noch einmal versuchen. Mein erster Leseeindruck: die Geschichte scheint etwas verwirrend geschrieben zu sein, zumindest nicht so, dass der Inhalt sich beim ersten Lesen schon erschließen lässt.
Gruß
Alexa
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Edit:
ich habe den Text jetzt nochmal gelesen. Die einzelnen Bilder werden im weiteren Verlauf etwas deutlicher und stellenweise auch echt gut. Besonders die „auslaufende“ Parkbank finde ich gelungen beschrieben.
Irgendwie scheint es sich hier um eine geplatzte Hochzeit zu handeln. Der Brautstrauß, der Typ im Anzug, der andere Nachname. Emma wird neugeboren, das wird mir deutlich. Sehr schwierig wird es diese Frau mit dem Hund als neugeborene Emma zu erkennen, denn ich frage mich sofort, warum hat der Anzugtyp sie dann nicht erkannt? Hat sie sich auch äußerlich so verändert? Wahrscheinlich, denn diese Hundefrau als eine andere als Emma zu sehen, ergibt für mich keinen Sinn. Das ist ein und die selbe Person.
Die Enge der Wohnung sollte demnach den emotionalen Zustand Emmas verdeutlichen. Sie fühlte sich durch die geplante Hochzeit bereits eingeengt. Am Schluss ist sie erleichtert, befreit.
Du solltest diese Geschichte noch etwas ausarbeiten. Wie schon oben beschrieben- die Enge der Wohnung etwas bildlicher machen- denn wenn meine Interpretation deine Intention trifft, wäre m.E. gerade diese Enge mehr hervorzuheben.
Und vll. fällt dir noch was ein, wie diese zwei Frauen etwas erkenntlicher als eine Person zusammenrücken.
Vll. müsste die Sache mit dem Anzugtypen etwas geändert werden, denn ich finde an dieser Stelle wird deine Geschichte sehr irritierend.
nochmal Gruß
Alexa
Kommentare zusammengefügt, mit bestem Gruß Kjub
RE: Herbst, zwei Frauen, eine Stadt
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 12.08.2010 13:44von Ame&Umi (gelöscht)
Moin Alexa un danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dich mit der Geschichte zu befassen :-)
Wie du siehst sind hier schon einige Diskussionen in Gang gewesen und im Endeffekt und auch bei der Überarbeitung der Geschichte habe ich ein wenig die Orientierung verloren, was meine Aussageabsicht betrifft. Durch dein Kommentar habe ich mich nochmal mit der Geschichte und deinen Kritikpunkten auseinander gesetzt und wieder Fehler gefunden.
Die Grundidee war: Es sind zwei Frauen in einer Stadt, die eigentlich nichts verbindet, bis zu diesem Herbsttag, an dem die Taten der einen (Emma), Auswirkungen auf die andere (Hundebesitzerin) hat, ohne das sie sich persönlich begegnen. Als Vermittler zwischen beiden dient der Bräutigam von Emma, die, wie du richtig erkannt hast, ihre Hochzeit hat platzen lassen.
Der Fehler ist, das ich die Hundebesitzerin und ihr Problem, nicht genau genug definiert und sie so verschwommen bleibt. Also nicht klar als eigenständige Protagonistin erkennbar.
Ich werde mich jetzt hoffentlich ein letztes Mal an die Überarbeitung machen und alles noch drei Mal überdenken, was ich wie sagen will und ob es logisch verknüpfbar ist.
Vielen Dank auf jeden Fall und noch einen schönen Tag wünsch ich dir,
LG Ame&Umi
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