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Landschaft mit Unfall
in Diverse 19.10.2010 10:15von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Landschaft mit Unfall
Mich trägt dein Gepäckträger
in voller Fahrt über das Blatt.
Ich halte mich
fest wie ein dringend notierter Gedanke,
und fürchte trotzdem,
übermalt zu werden.
Mein Schritt in die verwischten Speichen
schlägt plötzlich einen Berg
in die Linien,
den Schatten,
die unterbrochene Fahrt.
Deine Iris hält mich kurz,
wie das Hinterrad
meinen Fuß lange.
Eine gelöste Wimper mit
schmerzendem Knöchel
wischst du
aus dem Hinterauge heraus.
Ihr folgt der Berg,
das Auge,
die Schatten,
und auch der Rest wird Notiz
bis er verschwindet.
_____________________________________
hallo geratewohl
schön zum höhepunkt hingetrieben und dann ausgeklungen;
klangtechnisch finde ich bei:
aus dem Hinterauge heraus.
das heraus nicht passend; es bildet mmn ein tal zuviel; (mag am au liegen, ich bin mir aber nicht sicher)
ansonsten gerne gelesen, vor allem weil inhalt und form wirklich prima zusammenarbeiten; der wichtige gedanke zwischendurch, die nebensächlichkeit, die einen gemahnt stehenzubleiben, die dringlichkeit, die einem, noch während man ihn festzuhalten versucht, entfleucht; während das drumherum eigentlich halb so wichtig wäre;
mfg
erik
RE: Landschaft mit Unfall
in Diverse 20.10.2010 08:42von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
RE: Landschaft mit Unfall
in Diverse 20.10.2010 13:00von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
Hallo Geratewohl,
es hat mich auf Grund deiner etwas anderen Lesart meine Textes "Einfallwinkel" natürlich gereizt, auch mal zu lesen, was und wie du dich lyrisch so artikulierst.
Jetzt wundert mich das nicht mehr, denn deine Bildkollagen sind ja dermaßen vertrackt, dass ich mich als Leser frage, was will er mir eigentlich sagen und vor allem wer ist der Eigner des Gepäckträgers und der Iris, bzw. des Auges. Nichts gegen dein durchaus anspruchsvolles Verschachteln von Momenten und Gefühlen, aber einen Unfall beim Radeln durch eine Landschaft kann ich hier nur schwer herauslesen, was aber vermutlich, da nebensächlich, gar nicht von dir gewollt ist. Es geht denke ich, mehr um das "Verunfallen" einer Beziehung (LI versucht dies schriftlich festzuhalten).
Ich denke mir bei dererlei lyrischen Konstruktionen immer, ob es tatsächlich so ist, dass die Kunstfertigkeit mit der Kompliziertheit linear wächst.
LG
Perry
PS: Konstruktiv vielleicht nur:
"Mein Schritt in die verwischten Speichen
schlägt plötzlich einen Berg
in die Linien,"
das kann ich mir beim besten Willen nicht bildlich vorstellen.
RE: Landschaft mit Unfall
in Diverse 20.10.2010 13:21von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Perry,
danke Dir. Ich finde übrigens auch Deinen einleitenden Kommentar konstruktiv.
Die Verschachtelung ist gewollt und ist gewiss nicht jedermanns Sache.
Ob der Text kunstfertig ist oder nicht, will ich selbst nciht beurteilen, aber ich verstehe, wenn es auf Dich nur kompliziert wirkt. Es ist ja auch kompliziert. Aber letztlich schreibt ja jeder im Idealfall Texte, die er auch gerne lesen würde. Ich mag es kompliziert solange es auch mein ästhetisches Empfinden fordert.
Das mag mir bei Lsern nicht gelingen und vielleicht ist der Text misslungen.
Doch Dein Interpretationsansatz gefällt mir. Diese Beziehungsebene zwischen dem lyrischen Ich und dem Du ist natürlich vorhanden. Das Verunfallen der Beziehung als solches war zwar so nicht intendiert (mir ging es eher um Abhängigkeit und die schmerzliche Befreiung), aber ist eine interessante Lesart.
Danke für Deinen Kommentar.
Viele Grüße,
GerateWohl
_____________________________________
hi geratewohl,
mir gefällt dein dingens, bin ich doch auch manchmal landschaftsradler.
besonders dieses, kann aber nicht erklären warum:
Mein Schritt in die verwischten Speichen
schlägt plötzlich einen Berg
in die Linien,
den Schatten,
die unterbrochene Fahrt.
diese idee, mein schritt in die verwischte speichen / schlägt plötzlich ein berg finde ich einfach famos. so entsteht ein blickwinkel auf eine landschaft, die man normaler weise im alltagsradeln gar nicht mehr wahrnimmt.
gern gelesen.
grüße, mm
Hallo zusammen,
viel interessanter als mögliche Beziehungsfragen erschien mir eine Interpretation, die das Gedicht als poetologische Lyrik versteht. Ich denke, das Gedicht hat eine ausgeprägte poetologische Qualität: Schließlich wird hier auf einem "Blatt" geradelt, es geht um "notierte Gedanken", die Erkenntnis das ein Fuß in der Speiche (aua!) einen Ausschlag auf dem Blatt gibt und letztlich darum, dass alles - auch das Notierte - am Ende verschwindet.
Die großen Themen sind damit für mich: Was schreibt man eigentlich? (In diesem Fall über eine Beziehung.) Wozu schreibt man es? (Hier wohl um etwas festzuhalten, was am Ende jedoch trotzdem verschwindet.) Und dergleichen mehr...
Grüße und so,
atti
RE: Landschaft mit Unfall
in Diverse 21.10.2010 23:17von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Tag, GerateWohl!
Du weißt, daß ich kein begeisterter Anhänger der Art bist, die Du bevorzugst. Natürlich las ich schon vieles von Dir, hielt mich meistens mit Kommentaren zurück, da ich sicher nichts Brauchbares dazu hätte schreiben können.
Auch dieses Stück von Dir ist mir in ungefähr klar. Es beansprucht die Vorstellung und wirkt durch seinen Eindruck, was gewollt ist.
Zitat
Eine gelöste Wimper mit
schmerzendem Knöchel
wischst du
aus dem Hinterauge heraus.
Diesen Ausschnit sollte man sich nicht anatomisch vorstellen, das wäre schlimm.
Gruß
Joame
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