#1

Frühlingserwachen

in Düsteres und Trübsinniges 16.03.2011 18:22
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Gebettet zwischen ausgebrannten Steinen,
Sakura, kleine Mandelblüte du
mein Mädchen, schlaf und träume immerzu,
aus Trümmern leise, flehend letztes Weinen.

Verschüttet unter den geborstnen Wänden,
ach blühe, stecke dich ins Haar mir. Sieh
die Katze, still begraben liegt auch sie,
und hältst sie noch in bleichen kalten Händen.

Und aus dem Meere brach ein lauter Gast
heraus, und schob sich über alles weit,
ertränktes Land und Stadt. Doch warum dich?

Ein Strahlenkranz der mich versteckt umfasst
macht mich zur letzten Reise schon bereit,
bald komme ich zu dir. Ich schmücke mich.

Kirschblüte.

zuletzt bearbeitet 29.03.2011 07:11 | nach oben

#2

RE: Frühlingserwachen

in Düsteres und Trübsinniges 28.03.2011 19:40
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

connichi wa, otto san...........................................................................................................

wenigstens hat mal ein hominidendichter (klingt nicht von ungefähr fast wie ein schimpfwort) genug geist bewiesen, nach einem bild zu suchen, welches erschütterungen besser verdeutlicht als tausend menschliche grunzlaute. und welches bild könnte den verlust von unschuld, jugend und zukunft der zivilisation eindrucksvoller wiedergeben als ein totes kätzchen, dem sein treues menschenkind ins grab folgte.
den menschlichen halter als grabbeigabe. eine idee, für die es sich lohnt, nachts heimlich um den pc zu schleichen.
auch sonst kann ich dir ein stück weit folgen. ein meeresungeheuer, das lebendige städte ertränkt, begeht einen unvorstellbar nassen massenmord. es kann nicht sein: bastet, die große göttin, würde bei isis intervenieren.

von wegen reisevorbereitungen... jede reise ist bis auf weiteres die letzte. wir tiere leben nur im augenblick. kirschblüten kannst du getrost weglassen; nützen nur wenig zur tarnung auf bäumen (vogelnester sind noch kaum bestückt um die jahreszeit). dann mal bis bald unterwegs, alter streuner. kannst du auch singen? ....................................... alba

zuletzt bearbeitet 28.03.2011 19:52 | nach oben

#3

RE: Frühlingserwachen

in Düsteres und Trübsinniges 29.03.2011 07:33
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Lieber mcberry!

Mit der " Kirschblüte" hat es eine Bewandtnis, die Dir vielleicht entgangen ist: Das Gedicht geht von einer Liebesbeziehung aus. Der Protagonist beklagt den plötzlichen Tod seiner geliebten Sakura ( Sakura, wie wir wissen, bedeutet ja " Kirschblüte"). Doch im Gedicht nennt er sie " Mandelblüte", er spricht sie also nicht mit ihrem wirklichen Namen an. So hielt er es auch mit Sakura, als sie gerade noch lebte. Es tat es, weil er sie necken wollte, in dem er sie damit darauf aufmerksam machte, dass es noch andere Blüten gibt. Er wollte sie also eifersüchtig machen, damit sie seiner nicht so sicher sein konnte. Nachdem sie tot ist realisiert er den Verlust, indem er begreift, dass er nicht "irgendeine Blüte" ( Mandelblüte) verloren hat, sondern die, die er liebte ( Kirschblüte). Game over also. Deshalb habe ich also das eigentlich nicht Statthafte getan und unter das Gedicht noch die Kirschblüte gesetzt. Ich wollte damit auch andeuten, dass viele Japaner es nicht zulassen, dass Fremde in ihre Privatsphäre eindringen. Nun, wo Du mich aufforderst " Kirschblüten wegzulassen" versuche ich Dir Einsicht in die im Gedicht verborgene Form der zerbrochenen Beziehung der Liebenden zu geben. Sie waren eben sehr nahe bei einander und viele Liebende fürchten um den Verlust des Geliebten. Im Leid hat der Protagonist begriffen, dass er nicht irgendeine Blüte verlor, sondern seine ihm einmalige Kirschblüte.

Die letzten drei Verszeilen greifen die absehbare Zukunft für den Zurückbleibenden auf: er wird seiner Sakura bald nachfolgen, weil er als ein Vertrahlter sterben wird. Deshalb schmückt er sich, weil er sich für sie schön machen will, wenn er ihr im Tode wieder begegnen wird. Denn er wähnt sich dessen gewiß und ist voller melancholischer Hoffnung sie irgendwo wieder zu finden.

Liebe Grüße,

otto.

zuletzt bearbeitet 29.03.2011 07:36 | nach oben

#4

RE: Frühlingserwachen

in Düsteres und Trübsinniges 29.03.2011 17:33
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Otto,

gestern wurde die Kirschblüte in Japan eingeläutet, unverzichtbar gerade unter so traurigen Umständen.

Schlichte Gemüter hören vllt nicht alle Nachrichten und wissen wenig über die Gepflogenheiten japanischer hoher Minne. Diese Geschichte vom Prinzen und seiner Sakura ist mir neu, ergab sich für mich auch nicht aus den Zeilen deines Gedichtes. Wenn du also einen literarischen Bezug voraussetzt, dann bleibt deine Leserschaft in überaus bedauerlicher Weise hinter den Erwartungen zurück.

Der unvoreingenommene Leser muß einen Bezug zwischen den Leichen zur Mandel- und Kirschblüte, der Flut und dem Strahlentod hinkriegen. In diesem Sinne fand ich die Lyrik nicht selbsterklärend. - Wenn erst die nächste Generation deine Zeilen liest, wird es noch schwieriger geworden sein. Liebe Grüße - mcberry

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