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Zum Schinderhannes - Der falsche Räuber

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.06.2014 10:40
von klaasen • Mitglied | 74 Beiträge | 74 Punkte

Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, war ein deutscher Räuber, dem heute 130 Straftaten, zumeist Diebstähle, Erpressungen und Raubüberfälle nachgewiesen werden können. Die Gesamtzahl seiner Mittäter betrug 93. Carl Zuckmayer umschrieb den Hunsrückräuber in seinem Schinderhanneslied mit den Worten:
„Das ist der Schinderhannes, Der Lumpenhund, der Galgenstrick, Der Schrecken jedes Mannes, Und auch der Weiber Stück …“
Das hörte ich schon zu meiner Schulzeit. In Mainz ist der Schinderhannes bekannt wie ein bunter Hund. Als ich mit 17 Jahren den Hennes kennen lernte, wusste ich noch nicht, dass sein Vater und seine Mutter das Gasthaus 'Zum Schinderhannes' in der Holzstrasse in Mainz führten. Nach und nach freundeten wir uns an. Bis dass ich mehr oder weniger zur Familie gehörte. So verkehrte ich mehrmals in der Woche im ´Schinderhannes´. Ich hatte immer das Gefühl, sobald ich den ´Schinderhannes´ betrat, dass jemand um mich herum sei. Wie ein Schatten, der mir nicht gehörte. Die Geschichte selbst über den Räuber Schinderhannes war mir nicht in allen Details bekannt und doch schien es so als wäre ich mit ihm verbunden wenn ich die Gaststube 'Zum Schinderhannes' aufsuchte. Angst hatte ich nicht. Und doch kribbelte es mich wenn ich so allein am Tisch saß. Manchmal saß ich stundenlang alleine am Tisch und schaute mir jedes einzelne Möbelstück, jeden Bilderrahmen, die schon einige hundert Jahre alt zu sein schienen, an. Dachte darüber nach, ob der Schinderhannnes am selben Tisch, an dem ich jetzt saß, gesessen hatte. Versuchte in die Zeit einzutauchen und mir vorzustellen, das er jetzt zur Tür herein käme, gefolgt von seinen engsten Freunden dem Hassinger, Scheeler, Müllerhannes, Husarenphillip, Schwarzer Jonas, Schlechter Freier und seinem Julchen.
Und als ich so in meinen Gedanken in eine frühere Zeit rein spazierte, saß er mir plötzlich gegenüber: Der Schinderhannes und lachte mich lauthals an. Nun hatte ich es geschafft. Ich war angekommen. War nun ein Räuber und schunkelte mit der Bande und trank und sang das Lied: ”Doann ging seu Räuwerlewe, zu Enn’ im schäijne Mainz am Rhein und wir hier in de Krone, gedenke heuer sein.
Das war der Schinderhannes, der Lumpenhund, der Galgenstrick. Der Schrecken jedes Mannes und auch der Weiberstück!”
Jahre vergingen und ich hatte das eine oder andere Land besucht und kam für eine Weile zurück nach Mainz . Es zog mich sofort 'Zum Schinderhannes'. Nein, ich war süchtig nach der Gemütlichkeit und dem Schrecken, den es in mir auslöste, wenn ich im ´Schinderhannes´ saß. Doch den Hennes, meinen Freund, gab es nicht mehr. Er und seine Familie waren spurlos verschwunden. Es gab nun eine neue Besitzerin, die das Gasthaus 'Zum Schinderhannes' führte. Der ´Schinderhannes´ war Bums voll. Ich hatte aber Glück und mein Platz, auf dem ich immer saß wenn ich zu Gast im Schinderhannes´ war, war nicht besetzt. Im ersten Moment fand ich das sehr seltsam. Kein einziger Stuhl bis auf meinen Stuhl, auf dem ich immer saß, war nicht besetzt. Zufall? Oder war der Schinderhannes im Raum und hielt mir all die Jahre meinen Stuhl frei? Denn als die neue Wirtin auf mich zu kam, fiel sie fast auf die Knie, fuchtelte wild mit den Armen herum und sagte: ”So viele Jahre, so viele Jahre, so viele Jahre.”

Ich sah in die vielen Gesichter, die mich anschauten und hob die Schulter. Dann stand ich auf und wollte gehen. Das mit der neuen Wirtin war mir dann doch etwas unheimlich. Dann drückte der Nachbarn mich an den Schultern herunter und sagte: „Nehmen sie Platz und nehmen sie es der Wirtin nicht krumm. Ich denke sie hat gerade den Schinderhannes gesehen. Wissen sie, in all den Jahren hat kein Gast auf diesem Stuhl gesessen. Und sie denkt, dass dies der Stuhl vom Schinderhannes gewesen ist. Dass er verflucht ist, der Stuhl.

© klaas klaasen

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