Der tote Baum vor mir ist, wie ich erfahre, ein Denkmal.
Ein Denkmal für den verstorbenen Klosterjäger.
Gut sichtbar, mindestens fünf Meter hoch, steht der Baum am Seeufer.
Verborgen zwischen den winklig abgeschnittenen Ästen sitzt der Klosterjäger und hat einen guten Ausblick auf sein früheres Jagdrevier. Sein Körper ist aus Holz geschnitzt und bemalt. Einige seiner Opfer leisten ihm Gesellschaft. Sie sind in ihrer natürlichen Gestalt anwesend.
Ich kann mir vorstellen, dass die Geister seiner früheren Jagdbeute auch hin und wieder vorbei kommen. Wahrscheinlich erinnern sie sich nicht gerne an ihn. Das Gasthaus Metzgerwirt, dort sind sie oft gelandet, liegt in der Nähe. Auf Grund seines Namens wird er, der Klosterjäger, ebenfalls für das Kloster gejagt haben. Das Ergebnis füllte dann den Vorratsraum des Klosters oder lag knusprig braun gebraten auf der Tischplatte im Speisesaal der Mönche.
Fasziniert und zugleich schaudernd erblicke ich eine vielfältige Tierwelt. Einträglich versammelt sind hier Wiesel, Marder, Rebhühner, Hamster, Mäuse, Enten, Ratten, Gänse und Krähen – jede Menge Krähen. Neben dem Klosterjäger hockt, ich mag es kaum glauben, ein Dackel. Ich nehme an, er ist auch aus Holz geschnitzt. Hoffentlich.
Malerisch sieht der Baum mit seiner grausigen Fracht am nächsten Tag aus. Schnee ist gefallen und bedeckt, verdeckt, die Kadaver. Schwingen, die noch mit einigen Sehnen am jeweiligen Körper gehalten werden, sehen jetzt sogar flugfähig aus.
Wie wird das Denkmal für den Klosterjäger in einigen Wochen aussehen? Federn werden ohne Erlaubnis des Körpers fortgeflogen sein. Und die Knochen, jetzt durchscheinend weiß, sind dann nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden, um einen Körper zu formen.
Nur der Klosterjäger wird unbeschädigt sein, vielleicht ein wenig verblichen.