#1

Dämmerzustand

in Düsteres und Trübsinniges 03.09.2008 10:08
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Dämmerzustand


Kaum grauer ist ein Morgen möglich,
als Winters in die Stadt hinein.
Sie schluckt die Prozessionen täglich
und tilgt dann jenen Widerschein,
der blutorange und kaum erträglich
im Rückblick brennt als süße Pein.

Dann, kaum passiert man ihre Grenzen,
hört Licht auf, rot und warm zu sein.
Um diese Taubheit zu bekränzen,
taugt nur ein fahler, falscher Schein.
So lass mich diese Tage schwänzen,
fortan im Dämmerzustand sein.
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#2

Dämmerzustand

in Düsteres und Trübsinniges 03.09.2008 13:27
von Feo (gelöscht)
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Ich hadere hier noch ein wenig mit den Reimen.

Das unreine "möglich" gefällt mir in seiner frechen Krassheit, die Pein allerdings ist mir schon fast zu dick aufgetragen, das "kränzen" ebenso und auch wenn Schein und Sein betont werden sollen, finde ich diese Dopplung ziemlich auffällig und bin mir noch nicht ganz schlüssig, ob ich es als besonders kräftiges Stilmittel würdigen oder als "noch'n Zaunpfahl" abtun soll. Auf jeden Fall haben deine Verse überzeugende Bildkraft, so dass einem zum Schluss hin selbst das "Dämmern" als logische und erstrebenswerte Konsequenz erscheint.

LG, Feo
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#3

Dämmerzustand

in Düsteres und Trübsinniges 03.09.2008 13:41
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Hallo Feo,

ich kann die Kritik gut verstehen und habe da so recht auch nichts gegenzuhalten. Ein süßer Schmerz wäre sicher noch übler gewesen, dachte ich mir, und vor allem hätte ich dann auf Herz reimen müssen und das wäre es dann ja wohl endgültig gewesen. Vermutlich hatte ich das englische "pain is close to pleasure" im Schädel und daher ist es eben die Pein geworden.

Unreine Reime sind Standardmittel, ich finde das nicht einmal mehr sonderlich erwähnenswert. Die gesamte Literatur ist voll davon. Ich habe gerade den Raven von Poe hier eingestellt: Was ausgerechnet dem recht war, ist mir billig.

Nicht jeder ist so aufmerksam wie du, daher sind Zaunpfähle meiner Meinung nach nicht nur in Ordnung, sondern mitunter erforderlich. Mir zum Beispiel ist das komplett entgangen, muss also un(ter)bewusste Genialität gewesen s(ch)ein.

Das Kränzen fand ich gerade schön, schade. Wenn aber insgesamt eine gewisse Bildkraft bestätigt würde, wäre ich hochzufrieden, denn es war ja eine gewisse Impression, die dieses Gedicht auslöste.

Hadere nicht länger, lies das nächste Gedicht!

Beste Grüße
Mattes
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#4

Dämmerzustand

in Düsteres und Trübsinniges 06.09.2008 07:11
von axolotl
Hallo Mattes,

für mich werfen sich noch ein, zwei Fragen auf:

Ich weiß nicht, aus welchem Grunde Du von "Taubheit" sprichst, wenn es um eine augenscheinlich gedämpfte Wahrnehmung im optischen Sinne geht. Nun, vornehmlich, ja, ja, das mag sein. Eben dieses eine Defizit an Empfindung kann auch nur der Oberflächenschorf einer in Wirklichkeit tiefer liegenden oder generellen Empfindungstrübung sein, aber durch "diese" ist mir der Bezug zur Optik allzu deutlich gesetzt, so dass für mich eine Diskrepanz aufkommt, da Taubheit vornehmlich auditiven oder taktilen Charakter hat, der hier jedoch über den konkreten Bezug (vgl. diese) unter den Tisch fällt und den optischen als gegeben andient.
Hier würde ich nach einem Synonym suchen oder eben die Bezüge anders bzw. lockerer gestalten, auf das man auch wieder willens ist, die Taubheit anderweitig zu attestieren.

Was weiter auffällt, ist, dass "süße Pein" und die Umschreibung des Lichtes als "rot und warm" wie Platzhalter wirken. Ansonsten ist das Gedicht für mich bestrebt, zwar schon oft Beschriebenes aufzunehmen, aber eben neu aufzuziehen. Das gelingt durch die Blickführung und die Wortwahl (bis auf obige Ausnahmen) sehr gut und ist eine kreative und unverbrauchte Umsetzung einer schon oft skizzierten Szenerie.
Begrifflichkeiten wie "süße Pein" oder die Adjetivierung des Lichts aber fallen diesbezüglich heraus. Beides wundgeschrieben und beliebig, ein Baukastensatz alteingesessener Formulierung und Beschreibung und im Abgleich zum sonstigen Text herausstechend dröge. Das trübt für mich das Gesamtbild.

Mit den Reimen habe ich keinerlei Probleme und auch 'unreine' Klänge haben ihren Sinn, immanent, sind nicht schlechter als der fesche Gleichklang anderer Zeilen.

Soweit

Grüße
axo
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#5

Dämmerzustand

in Düsteres und Trübsinniges 06.09.2008 08:50
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Hallo axo,

was soll ich sagen? Touché! Vielen Dank für diese sehr konstruktive, hilfreiche Kritik, die mich genau da trifft, wo es mich am Härtesten trifft.

'Taubheit' würde ich - insbesondere in einem Gedicht - auch generalisiert akzeptieren, aber du hast insofern recht, als sie hier im Grunde sogar ohne Bezug bleibt und dennoch mit "diese" so eindeutig apostrophiert wird. Und ich muss zugeben, dass ich wohl eher die Taubheit der Stadt meinte und das kommt zu wenig heraus.

Wo das alles noch angehen mag, triffst du mit der "süßen Pein" und dem "roten, warmen Licht" ins Schwarze. Das ist schlicht banal. Da bin ich in meiner eigenen Sülze ersoffen, das hätte mehr Mühe verdient gehabt. Und damit bleibt das Gedicht leider auf einem eher flachen Niveau. So treffend erkannt, geniere ich mich jetzt sogar, weil ich mir einbilde, es besser gekonnt zu haben.

Nachdem das Ding bereits im Januar entstand, ist es mir nicht mehr nahe genug, um daran zu feilen. Sei aber gewiss, dass ich mir deine Anmerkung zu Herzen nehme. Und sei es nur, dass ich meine Erlebnisdichterei eher unterlasse.

Beste Grüße
Mattes

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