#1

Tangoland

in Diverse 31.08.2007 17:52
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Tangoland

Das Feld ist satt und weit, es duftet frisch
und flüsternd stehen wilde Weidenbäume
in dieser gartengrünen Finsternis,
ein großer Park aus dunklen Rindentürmen
mit reichlich dicht erlaubten Lampenschirmen,
an denen baumelnd ihre Fransensäume
rascheln in der schwarzen Luft der Nacht.
Wir Wesen tanzen schwirrend ohne Mühen
dazwischen, köstlich fein zurechtgemacht,
und wollen wie Johanneskäfer glühen.

Aber nichts im Lande spendet Licht -
außer jenen zwei verspielten Greisen,
alten Gauklern - sie, das Mondgesicht
und er, der Klang von alten Tangoweisen -
welche für uns spielen, und mit feuchten
Augen voller Geigen zärtlich heulen
und so lange auf uns Wesen leuchten
bis wir alle schließlich unsre braven
Augen schließen, gleichsam müden Eulen
früh am Morgen, und in Frieden schlafen.

_____________________________________
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#2

Tangoland

in Diverse 31.08.2007 18:26
von roux (gelöscht)
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Lieber GW,

es lässt sich gut und flüssig lesen, hat, laut vorgetragen, einen schöne Sprachmelodie und die vielen kleinen Formulierungsschmankerln wie "gartengrüne Finsternis", "Rindentürme", "dicht erlaubte Lampenschirme" u.s.w. habe ich sehr genossen.

Die Form ist ungewöhnlich, und das, obwohl deine Verse durchgehend fünf Hebungen aufweisen.

In der ersten Strophe herrscht Jambus vor, außer in V7, wo sich ein einsamer Trochäus eingeschlichen hat, die zweite Strophe haben dann die Trochäen fast ganz erobert.

Das Reimschema, falls man es so nennen kann, ist sehr ... eigen, sagen wir einmal individuell, ohne dass es den Lesegenuss mindern würde.

Reimschema
S1:
abceebfgfg

S2:
ababcdcede


Tangoland

Das Feld ist satt und weit, es duftet frisch (a)
und flüsternd stehen wilde Weidenbäume (b)
in dieser gartengrünen Finsternis, (c)
ein großer Park aus dunklen Rindentürmen (e)
mit reichlich dicht erlaubten Lampenschirmen, (e?)
an denen baumelnd ihre Fransensäume (b)
rascheln in der schwarzen Luft der Nacht. (f) Trochäus,
Wir Wesen tanzen schwirrend ohne Mühen (g)
dazwischen, köstlich fein zurechtgemacht, (f)
und wollen wie Johanneskäfer glühen. (g)

Aber nichts im Lande spendet Licht - (a)
außer jenen zwei verspielten Greisen, (b)
alten Gauklern - sie, das Mondgesicht (a)
und er, der Klang von alten Tangoweisen – (b) Jambus
welche für uns spielen, und mit feuchten (c)
Augen voller Geigen zärtlich heulen (d)
und so lange auf uns Wesen leuchten (c)
bis wir alle schließlich unsre braven (e)
Augen schließen, gleichsam müden Eulen (d)
früh am Morgen, und in Frieden schlafen.(e)

Insgesamt ist die Stimmung sehr schön in romantischen Bildern eingefangen, denen auch der etwas weniger romantische Sprachgebrauch wie z.B. S2,V2 Greisen oder S2,V6 heulen nichts anhaben kann.
Die "braven" Augen gefallen mir hier - rein subjektiv - inhaltlich nicht ganz so gut, auch die Augendopplung S2, V6 und V9 müsste sich eigentlich umgehen lassen.

Ich mag dein Gedicht. Ein gelungenes Stimmungsbild.

Liebe Grüße,
roux


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#3

Tangoland

in Diverse 31.08.2007 18:38
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo roux,

Du hast recht. Die Augendopplung ist mir entgangen. Da findet sich bestimmt was. Ich schlaf nochmal ganz brav drüber.

Vilen Dank für Deinen Kommentar!

Schöne Grüße,
GW

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#4

Tangoland

in Diverse 31.08.2007 20:11
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Tag, GerateWohl!

Ich will mir eventuell vorhandene Sympathien nicht verscherzen, kann aber nicht über meinen Schatten springen und ins Lob mit einstimmen.

Entweder kapiere ich hier etwas nicht oder es ist tatsächlich
nicht mein Fall; keine der beiden Möglichkeiten wären Dir anzulasten.

In der Meldung aus meiner Sicht, weiß ich nicht, ob ich es als ein Experiment oder als teils überkombiniert betrachten soll.
Es beginnt schon bei den mir wenig konkreten Rindentürmen,
bei 'erlaubt' den Doppelsinn erkennend, und dem Vergleich von Lampenschirmen.

Dann stellt sich mir die Frage, wer sich hier als 'Wir Wesen'
bezeichnet; fast glaube ich, etwas übersehen zu haben oder mißverstanden, was ja durchaus möglich ist.
Bei den Gauklern und den feuchten Augen, wo Geigen zärtlich
heulen, muß ich fast nachsehen, ob ich noch im richtigen Forum bin.

Bitte nicht böse sein, ich kann hier einfach nicht folgen,
hoffe nur, andere mögen es können.
S1,Z7 und mit S2,Z4 wurde z. Teil bereits angesprochen, würde mich stören.

Ich hoffe, ich irre gewaltig; mir wäre am liebsten, mein Empfinden und Verständnis spielten mir einen Streich, so wird es wohl auch sein, hoffe ich. - Es liegt eventuell auch daran, daß ich zu selten Tango tanzte.

Jedenfalls ein starker verheissungsvoller Beginn für mich mit:

Zitat:

Das Feld ist satt und weit, es duftet frisch
und flüsternd stehen wilde Weidenbäume
in dieser gartengrünen Finsternis,



Freundlichen Gruß
Joame

p.s.: Ich verstehe nicht, warum ich nicht verstehe.
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#5

Tangoland

in Diverse 01.09.2007 10:59
von bipontina (gelöscht)
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haaallloo, GerateWohl,
von meiner Empathie her geht das Gedicht mir ein wie Honigseim. Die Eulen lassen leider nur ein vorheriges Heulen zu, ich hab mir den Kopf umsonst zerbrochen, welche andern Nachtvögel einen weniger schmerzlich-lauten Ausdruck zuließen.
Nur eins: sind die Lampenschirme nun er laubt (genehmigt, zugesagt, gestattet) oder d o c h (wie ich es will!!) belaubt ?
LG bipontina
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#6

Tangoland

in Diverse 01.09.2007 11:52
von bipontina (gelöscht)
avatar
noch einmal:
"::: Augen voller Geigen jubilieren.." Halt ohne das zärtlich, aber das ist vielleicht im Jubilieren drin,
und dann evtl:
"...gleichsam den Vampiren..." (denn Fledermäuse sind ja auch Nachtjäger )..?
ich brüte weiter, aber nur weil mir das "Heulen" nicht so schmeckt. Nach meinem Ermessen kommt es mit dem Versmaß hin.
LG bipontina
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#7

Tangoland

in Diverse 03.09.2007 16:08
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hi GW

So wirklich weiß ich nicht wie ich deine Ferse beschreiben soll.
Die Zeilen fließen wie ein Gebirgsbächlein vom Berg bis ins Tal stetig und gleichmäßig. Was ja eigentlich sehr schön ist, aber spätestens am Anfang der Zweiten Strophe habe ich mir irgendwie gewünscht es würde doch die ein oder andere Stromschnelle auf mich warten, weil ich Gedanklich abgedriftet bin und dem Ganzen nicht mehr folgen konnte.

Aber irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass das von dir beabsichtigt war. Denn die Beschreibungen, die märchenhaften Formulierungen erinnern an diesen halb träumenden Zustand während dem Einschlafen.

Teilweise gefällt es mir, aber im Ganzen ist es mir etwas zu Eintönig und auch hier und da zu dick aufgetragen.
zB "dicht erlaubten Lampenschirmen" oder "feuchten Augen voller Geigen zärtlich heulen"
ist mir dann doch etwas viel des Guten

Gruß Simone

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#8

Tangoland

in Diverse 03.09.2007 18:11
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Ich finde das alles gut und sehr berechtigt, weiß nach wie vor nicht, wann man von jambischen und wann von trochäischen Versen spricht aber genieße das Tangoland, welches ist, wie es heißt, auch wenn ich vom Tanzen so viel Ahnung habe, wie ein Schwein vom Flöten.

Ich mag dein Gedicht. Darf ich bitten?
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#9

Tangoland

in Diverse 25.09.2007 10:18
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo allerseits,

hier eine völlig verspätete Antwort von einem völlig verspäteten GerateWohl.
Ja, dick aufgetragen ist es. Ist der Tango ja im Allgemeinen auch. Ich muss zugeben, dass ich, da ich viel mit Tango eine Zeit lang zu tun hatte und teilweise immernoch habe, sehr Tango-Schwulst gewohnt bin, mir aber im Allgmeinen weder Tangotexte noch Lyrik um das Thema herum gefallen. Dies hier ist ein weiterer Versuch, dem Tangodings eine lyrische Form zu geben, die mir wenigstens selbst gefällt. Das habe ich zwar halbwegs geschafft, aber ich sehe auch jede Kritik daran berechtigt.

@Joame: Mach Dir keine Gedanken. Wahrscheinlich ist es einfach ein blöden Gedicht.

@ninniach: Ja, das träumerische ist durchaus beabsichtigt. Schwülstig und wenig gefühlvoll kann durchaus sein. Da fehlt mir der Abstand, daher nehme ich das mal so als gegeben. Allerdings kann ich es in diesem Fall leider nicht besser.

@bipontina: ich habe mir erlaubt, dem Wörtchen erlaubt hier eine weitere Bedeutungsfacette hinzuzufürgen, die meines Erachtens die Kombination der beiten Silben "er" und "laubt" in ihrer Grundbedeutung durchaus hergeben. Während "belaubt" für mich eher etwas von außen drangeklebten Blättern hat, bezeichnet "erlaubt" eher das von sich heraus Entsprungene, das ja eigentlich auch die Natur des Laubes ist. Die klangliche Ähnlichkeit zu "erlaucht" tut ein übriges, dass mir diese Wendung doch recht gut gefällt, weswegen ich sie hier einfach verwendete. Das mag etwas geschraubt und überkandidelt klingen, aber das passt in gewisser Weise ja vielleicht auch zum Thema.

Im übrigen bin ich noch nicht überzeugt, warum das Heulen hier stören sollte, aber lasst es mich in 'nem halben Jahr nochmal lesen.

@nizza: Aber gerne.

Danke Euch allen für die Kommentare.

Viele Grüße,
GerateWohl

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