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#1
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Scientia et conscientia
in Düsteres und Trübsinniges 07.01.2007 14:47von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Scientia et conscientia
Mein Enthusiasmus ist verebbt,
genauso wie die Zuversicht
zerschlagen am Gesamtkonzept,
das letztlich dann auch mich zerbricht.
Na toll, das hatte ich mir einst
ganz anders vorgestellt. Die Welt,
die Du beharrlich nun verneinst,
lässt mir nur Platz als Antiheld.
Du meinst, das ist für mich genug
und mehr als je von Dir gedacht:
der Rest war immer Selbstbetrug -
stets one - night - stand, nie Liebesnacht.
(c) Don Carvalho
- November 2006
Mein Enthusiasmus ist verebbt,
genauso wie die Zuversicht
zerschlagen am Gesamtkonzept,
das letztlich dann auch mich zerbricht.
Na toll, das hatte ich mir einst
ganz anders vorgestellt. Die Welt,
die Du beharrlich nun verneinst,
lässt mir nur Platz als Antiheld.
Du meinst, das ist für mich genug
und mehr als je von Dir gedacht:
der Rest war immer Selbstbetrug -
stets one - night - stand, nie Liebesnacht.
(c) Don Carvalho
- November 2006
Hallolli!
Enttäuschte, zurückgewiesene Liebe, das ist wahrlich düster und trübsinnig. Noch schlimmer wird es, wenn das lyrDu nicht nur Objekt der Begierde, sondern auch noch Ideal und verklärter Hoffnungsträger ist und mit der Erkenntnis der Zurückweisung auch ein gesamtes Weltbild einstürzt. Um nicht weniger scheint es hier zu gehen und bevor ich es etwa vergesse möchte ich darauf hinweisen, dass ich neben dem Gesamtgefallen insbesondere das „Na toll“ hinreißend bis genial finde. Ebenso schnodderig wie der en-thu-sjas-tische Einstieg, ist es an schlichter Größe nicht mehr zu überbieten: Da geht so ziemlich alles flöten, was dem lyrI wichtig ist und der kommentiert das mit „Na toll“. Spitze.
Wissen(schaft) und Gewissen, um welche Liebe geht es hier? Das mag austausch-/übertragbar sein, meiner Interpretation nach geht es um die Liebe zu Gott, die mit zunehmender Erkenntnis abnimmt und das lyrI, welches anfänglich (als Kind?) enthusiastisch und zuversichtlich war, beim zunehmenden Verlust der Omnipotenz und dem Abstieg vom Mit-Gott zum Menschen am Gesamtkonzept verzweifeln und letzten Endes sterben muss. Das Wissen um die Dinge steht im Widerspruch und Gegensatz zum Glauben und an das Gewissen Gottes wird appelliert: Einst schuf er die Welt, nun wendet er sich von ihr ab.
Wie komme ich darauf? Nun, der Titel einerseits, dann das Zerbrechen am Konzept, die Wandlung/Abwendung des lyrDus als Held/Schöpfer der Welt zur Verneinung derselben, das Verzweifeln des lyrI am Gewissen dieses (Gott)Vaters, der seine Kinder verlässt und schließlich die Position als Antiheld, eine Begrifflichkeit, die durch den Binnenreim noch besonders hervorgehoben wird. Was aber ist ein Antiheld? Nun, im Allgemeinen handelt es sich im Gegensatz zum meist übermenschlichen Protagonisten um die Figur mit erheblich schärferen Konturen, interessanteren Kontrasten und Brüchen, Charaktertiefe, die gerade durch ihre Schwächen zutiefst menschlich wirkt und wird.
Also ist diese Abwendung von Gott eine Hinwendung zum Menschen. Religion kann nur ein one-night-stand sein, Opium für das Volk. Wer an Gott glaubt, der wird irgendwann von ihm gef... enttäuscht.
Gefällt mir gut, gefällt mir sehr gut. Lass andere noch rätseln aber irgendwann wünsche ich mir Offenbarung, ob es nicht doch eher um irgendeine andere (Irr-)Lehre oder am Ende doch um die fleischlichen Triebe geht. Auf jeden Fall ist da genügend Fleisch an den Knochen, mir hat es gemundet.
Digitale Grüße
P.S.: Hast du gedacht, du kommst ohne Rüge weg? Nicht wirklich, oder? S1Z4: „letztlich dann“, das ist die alte Kinderkrankheit, gelle?
Enttäuschte, zurückgewiesene Liebe, das ist wahrlich düster und trübsinnig. Noch schlimmer wird es, wenn das lyrDu nicht nur Objekt der Begierde, sondern auch noch Ideal und verklärter Hoffnungsträger ist und mit der Erkenntnis der Zurückweisung auch ein gesamtes Weltbild einstürzt. Um nicht weniger scheint es hier zu gehen und bevor ich es etwa vergesse möchte ich darauf hinweisen, dass ich neben dem Gesamtgefallen insbesondere das „Na toll“ hinreißend bis genial finde. Ebenso schnodderig wie der en-thu-sjas-tische Einstieg, ist es an schlichter Größe nicht mehr zu überbieten: Da geht so ziemlich alles flöten, was dem lyrI wichtig ist und der kommentiert das mit „Na toll“. Spitze.
Wissen(schaft) und Gewissen, um welche Liebe geht es hier? Das mag austausch-/übertragbar sein, meiner Interpretation nach geht es um die Liebe zu Gott, die mit zunehmender Erkenntnis abnimmt und das lyrI, welches anfänglich (als Kind?) enthusiastisch und zuversichtlich war, beim zunehmenden Verlust der Omnipotenz und dem Abstieg vom Mit-Gott zum Menschen am Gesamtkonzept verzweifeln und letzten Endes sterben muss. Das Wissen um die Dinge steht im Widerspruch und Gegensatz zum Glauben und an das Gewissen Gottes wird appelliert: Einst schuf er die Welt, nun wendet er sich von ihr ab.
Wie komme ich darauf? Nun, der Titel einerseits, dann das Zerbrechen am Konzept, die Wandlung/Abwendung des lyrDus als Held/Schöpfer der Welt zur Verneinung derselben, das Verzweifeln des lyrI am Gewissen dieses (Gott)Vaters, der seine Kinder verlässt und schließlich die Position als Antiheld, eine Begrifflichkeit, die durch den Binnenreim noch besonders hervorgehoben wird. Was aber ist ein Antiheld? Nun, im Allgemeinen handelt es sich im Gegensatz zum meist übermenschlichen Protagonisten um die Figur mit erheblich schärferen Konturen, interessanteren Kontrasten und Brüchen, Charaktertiefe, die gerade durch ihre Schwächen zutiefst menschlich wirkt und wird.
Also ist diese Abwendung von Gott eine Hinwendung zum Menschen. Religion kann nur ein one-night-stand sein, Opium für das Volk. Wer an Gott glaubt, der wird irgendwann von ihm gef... enttäuscht.
Gefällt mir gut, gefällt mir sehr gut. Lass andere noch rätseln aber irgendwann wünsche ich mir Offenbarung, ob es nicht doch eher um irgendeine andere (Irr-)Lehre oder am Ende doch um die fleischlichen Triebe geht. Auf jeden Fall ist da genügend Fleisch an den Knochen, mir hat es gemundet.
Digitale Grüße
P.S.: Hast du gedacht, du kommst ohne Rüge weg? Nicht wirklich, oder? S1Z4: „letztlich dann“, das ist die alte Kinderkrankheit, gelle?
#3
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Scientia et conscientia
in Düsteres und Trübsinniges 16.01.2007 18:03von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Hi Don!
Also ich habe beim Lesen nicht an die Liebe zu Gott gedacht, sondern an die zu einer Frau, die im Gegensatz zum lyrIch vor allem ihren Spaß sucht und das intime Verhältnis – zum Leid des Antihelden – oberflächlich betrachtet. Das zerschlagene Gesamtkonzept verstehe ich als den gescheiterten Zukunftsplan des lyrIchs, welches das Leben mit dem Du verbringen wollte und beabsichtigte, mit ihm alt zu werden. Doch ist die Frau nicht (mehr) dazu bereit.
Strophe 2 zeigt nun, wie unterschiedlich die beiden über die Beziehung denken – ein Liebesroman mit Held wird nicht mehr draus, weil die Frau keine engere Beziehung eingehen möchte. Vielleicht ist dieses Verhältnis nur eine Art Abenteuer für sie, während ihr Ehemann, der wahre Held, daheim am Küchentisch sitzt.
Das "nun" in Z3 lässt aber darauf schließen, dass die Frau mal anders dachte, sich letztlich aber doch gegen ein gemeinsames Leben mit dem Protagonisten entschieden hat.
Die Anfangszeilen der dritten Strophe bestätigen mir diese Sicht, das lyrIch ist lediglich Lückenfüller, Randfigur und sollte sich nach Meinung der Frau damit zufrieden geben. Vor allem die zweite Zeile klingt nach Standesunterschieden, so, als könnte der Mann froh sein, überhaupt an ihrem Leben Anteil genommen zu haben. Bei den letzten beiden Zeilen bin ich mir unsicher, wem ich diese Worte in den Mund legen soll, aber wenn das anfängliche „Du meinst“ sich noch darauf bezieht, sind sie der Frau zuzuordnen, die für sich in Anspruch nimmt, besser darüber Bescheid zu wissen, was der Mann wollte, als er selbst. Ich habe das Gefühl, dass sie ihm einreden möchte, selbst nicht mehr gewollt zu haben als diese ONS, um die Sache nicht unnötig kompliziert zu machen.
Nun habe ich gegoogelt, um den Titel zu verstehen. Demnach bedeutet scientia soviel wie Wissen, wobei der Schatz an Erkenntnissen über die Welt und ihre Gesetze gemeint ist und conscientia Bewusstsein, das sich in "ein Wissen als Inhalt" und "ein Wissen als Tätigkeit" unterteilen lässt. Was heißt das nun textbezogen? Vielleicht, dass der Mann den Schatz an Erkenntnis über das Gesetz dieser Beziehung zur der Frau längst in sich trug, ihm die Tragweite des Ganzen aber erst jetzt bewusst geworden ist und auch, dass er damit nicht glücklich werden kann. Mag sein, dass die Frau gar nicht so falsch damit lag, dem lyrIch Selbstbetrug vorzuwerfen, er hatte die Augen vor der Wahrheit verschlossen. So in etwa.
Dem Lob schließe ich mich an, mir gefällt es.
Gruß, Maya
Also ich habe beim Lesen nicht an die Liebe zu Gott gedacht, sondern an die zu einer Frau, die im Gegensatz zum lyrIch vor allem ihren Spaß sucht und das intime Verhältnis – zum Leid des Antihelden – oberflächlich betrachtet. Das zerschlagene Gesamtkonzept verstehe ich als den gescheiterten Zukunftsplan des lyrIchs, welches das Leben mit dem Du verbringen wollte und beabsichtigte, mit ihm alt zu werden. Doch ist die Frau nicht (mehr) dazu bereit.
Strophe 2 zeigt nun, wie unterschiedlich die beiden über die Beziehung denken – ein Liebesroman mit Held wird nicht mehr draus, weil die Frau keine engere Beziehung eingehen möchte. Vielleicht ist dieses Verhältnis nur eine Art Abenteuer für sie, während ihr Ehemann, der wahre Held, daheim am Küchentisch sitzt.
Das "nun" in Z3 lässt aber darauf schließen, dass die Frau mal anders dachte, sich letztlich aber doch gegen ein gemeinsames Leben mit dem Protagonisten entschieden hat.
Die Anfangszeilen der dritten Strophe bestätigen mir diese Sicht, das lyrIch ist lediglich Lückenfüller, Randfigur und sollte sich nach Meinung der Frau damit zufrieden geben. Vor allem die zweite Zeile klingt nach Standesunterschieden, so, als könnte der Mann froh sein, überhaupt an ihrem Leben Anteil genommen zu haben. Bei den letzten beiden Zeilen bin ich mir unsicher, wem ich diese Worte in den Mund legen soll, aber wenn das anfängliche „Du meinst“ sich noch darauf bezieht, sind sie der Frau zuzuordnen, die für sich in Anspruch nimmt, besser darüber Bescheid zu wissen, was der Mann wollte, als er selbst. Ich habe das Gefühl, dass sie ihm einreden möchte, selbst nicht mehr gewollt zu haben als diese ONS, um die Sache nicht unnötig kompliziert zu machen.
Nun habe ich gegoogelt, um den Titel zu verstehen. Demnach bedeutet scientia soviel wie Wissen, wobei der Schatz an Erkenntnissen über die Welt und ihre Gesetze gemeint ist und conscientia Bewusstsein, das sich in "ein Wissen als Inhalt" und "ein Wissen als Tätigkeit" unterteilen lässt. Was heißt das nun textbezogen? Vielleicht, dass der Mann den Schatz an Erkenntnis über das Gesetz dieser Beziehung zur der Frau längst in sich trug, ihm die Tragweite des Ganzen aber erst jetzt bewusst geworden ist und auch, dass er damit nicht glücklich werden kann. Mag sein, dass die Frau gar nicht so falsch damit lag, dem lyrIch Selbstbetrug vorzuwerfen, er hatte die Augen vor der Wahrheit verschlossen. So in etwa.
Dem Lob schließe ich mich an, mir gefällt es.
Gruß, Maya
#5
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Scientia et conscientia
in Düsteres und Trübsinniges 18.01.2007 10:38von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Ihr Drei,
ich habe hier versucht, mehr als eine Sinnebene hineinzuweben, und offensichtlich hat es soweit funktioniert, dass die Gedanken auch in verschiedene Richtungen angeregt wurden. Das hat mich sehr gefreut.
Für mich der vordergründige Gedanke war tatsächlich eine Liebesbeziehung, in der - wie Maya es ausführte - die höheren Erwartungen an ein gemeinsames Lebenskonzept der einen Seite an den eher kürzeren Planungen der anderen Seite zerbrechen. Dabei sollten nicht Schuldzuweisungen im Zentrum stehen, sondern eine womöglich von vornherein nicht komatible Herangehensweise, bei der aber dennoch nur eine Seite auf der Strecke bleibt.
Zum anderen wollte ich hier aber schon anregen, über noch grundlegendere Lebenskonzepte nachzudenken, aus diesem Grund auch der Titel. Bekannt ist er zB als Wahlspruch der Universität Augsburg (daher wohl auch Knuds Assoziation von Studium und Glauben) und heißt wörtlich übersetzt Wissen und Mitwissen, wobei "scientia" die vollendete, abgeschlossene und sichere Erkenntnis ist, während "conscientia" das Bewusstsein, aber auch das Gewissen (der ewige Mitwisser ) darstellt bzw. das Bewusstsein um das Pflichtgemäße. Dies unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer ganz einfach, sowohl auf menschlicher Ebene als auch auf zB der von Albert angesprochenen religiösen Ebene. Ob ich diese tatsächlich im Sinn hatte, werde ich jetzt (noch) nicht verraten, falls tatsächlich noch jemand rätseln möchte. Auf jeden Fall ist dieser Bereich ziemlich weitläufig (man denke nur zB an den Szientismus im Rahmen der philosophischen Wissenschaftstheorie), und die Tür für verschiedene Denkansätze wollte ich gerne - auch wenn das emotionale Liebeskonzept im Vordergrund stand - bei diesen Zeilen offenhalten.
Wie Alberts Interpretation zeigt, hat das funktioniert, während Mayas Interpretation verdeutlicht, dass das Grundthema nicht untergegangen ist. Fein.
Vielen Dank für Eure Gedanken und Eure Wohlgefallen, hat mich gefreut.
Gruß,
Don
ich habe hier versucht, mehr als eine Sinnebene hineinzuweben, und offensichtlich hat es soweit funktioniert, dass die Gedanken auch in verschiedene Richtungen angeregt wurden. Das hat mich sehr gefreut.
Für mich der vordergründige Gedanke war tatsächlich eine Liebesbeziehung, in der - wie Maya es ausführte - die höheren Erwartungen an ein gemeinsames Lebenskonzept der einen Seite an den eher kürzeren Planungen der anderen Seite zerbrechen. Dabei sollten nicht Schuldzuweisungen im Zentrum stehen, sondern eine womöglich von vornherein nicht komatible Herangehensweise, bei der aber dennoch nur eine Seite auf der Strecke bleibt.
Zum anderen wollte ich hier aber schon anregen, über noch grundlegendere Lebenskonzepte nachzudenken, aus diesem Grund auch der Titel. Bekannt ist er zB als Wahlspruch der Universität Augsburg (daher wohl auch Knuds Assoziation von Studium und Glauben) und heißt wörtlich übersetzt Wissen und Mitwissen, wobei "scientia" die vollendete, abgeschlossene und sichere Erkenntnis ist, während "conscientia" das Bewusstsein, aber auch das Gewissen (der ewige Mitwisser ) darstellt bzw. das Bewusstsein um das Pflichtgemäße. Dies unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer ganz einfach, sowohl auf menschlicher Ebene als auch auf zB der von Albert angesprochenen religiösen Ebene. Ob ich diese tatsächlich im Sinn hatte, werde ich jetzt (noch) nicht verraten, falls tatsächlich noch jemand rätseln möchte. Auf jeden Fall ist dieser Bereich ziemlich weitläufig (man denke nur zB an den Szientismus im Rahmen der philosophischen Wissenschaftstheorie), und die Tür für verschiedene Denkansätze wollte ich gerne - auch wenn das emotionale Liebeskonzept im Vordergrund stand - bei diesen Zeilen offenhalten.
Wie Alberts Interpretation zeigt, hat das funktioniert, während Mayas Interpretation verdeutlicht, dass das Grundthema nicht untergegangen ist. Fein.
Vielen Dank für Eure Gedanken und Eure Wohlgefallen, hat mich gefreut.
Gruß,
Don
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