#1

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 10:04
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Sommerfreuden

Siebenunddreißig Grad im Schatten. Kein Furz will dieser Stadt entweichen. Schon die oberflächliche Betrachtung der Menschen ist klebrig. Will nicht über nässende, schwelende Furchen und Rinnen nachdenken, kann aber nicht ständig Werbeplakatsmenschen ansehen. Wie eklig muss ich eigentlich für die Anderen sein? Will ich das wissen? Muss an die Wellnessmenschen in den Wellnessoasen denken. Obwohl eine Innere Station im Hochsommer tags wie nächtens lang genossen und gerochen mir eigentlich nicht menschliches mehr fremd sein sollte, erschienen die Menschen mir dort von völlig anderer Art. Sehen völlig anders aus, als auf den Plakaten. Völlig. So wie ich. Aber splitterfasernackt und meistens deutlich älter. Bauchfalten gibt es: Sagenhaft. Fast erwartete ich dort nur Ken und Barbies zu erblicken, so dass ich fürchtete mich und meine Fleischsäcke nur mit schamgesenktem Haupt zu zeigen. Aber weit gefehlt. Es war wie auf einem FKK Strand wo du alles erblicken kannst, aber nichts davon sehen, geschweige denn behalten willst. Es gibt so wenig schöne Menschen. Meistens sehe ich nur Backfischspeckfalten, die sich über Hosenbünde quälen, oder taschentuchgestopfte Hühnerbrüstchen die vor spitzen Schulterknochen präsentiert werden. Zwangsläufig muss ich an den Vorteil arabischer Kluft denken. Alles wallend, die Gestalt, fast komplett auch die hässliche Visage, alles, zu- und eingehüllt. Siebenunddreißig Grad im Schatten. Was machen da eigentlich die Huren dieser Stadt? Küssen – bei Sympathie - und schmusen, französisches Vorspiel auch total am verschwitzten Unterleib – gegenseitig? - ohne Kondom, mit Körper- und Gesichtsbesamung, oder Anal oder doch gleich gegenseitig anpissen? Wie sich das anfühlen muss bei diesem Wetter und wie häufig dort die Laken und die Tücher wohl gewechselt werden? Ob die gemeine Bettwanze dorten gut entwickelt ist? Ein Treibhaus der Körpersäfte. Aber nun denke ich ja doch über die fleckigen, feuchten, nässenden oder verkrumten Körperstellen bei großer Hitze nach. Pathologisch. Pathologisch wie an diesem Samstagnachmittag auf der Lunge. Die meisten Perückenträger waren lange fort auf Wochenendurlaub vom Krebs. Der lange Flur wie ausgestorben und vor allem still. Eine Pille oder dergleichen musste verabreicht werden. Die Dame nicht gleich auffindbar. Schließlich die Toilette. Heiß und lichtdurchflutet und vor allem still. Nichts los. Doch da hockt sie ja und qualmt eine nach der anderen. Was soll Sie auch sonst machen? Froh wieder im Schwesternzimmer zu sein. Die Tür steht offen. Der Linoleumflur gähnt mich an. Weit hinten am anderen Ufer des Flures scharrt Sie noch Ihre Zigaretten. Siebenunddreißig Grad im Schatten.

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#2

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 10:40
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Erst der Kommentar in der Süddeutschen, der u.a. Folgendes aussagte:

„So, als würde man komplett austrocknen wie ein toter Salamander, sobald man ohne Volvic aus dem Schatten tritt. Als bräche unmittelbar nach dem Aufstehen der Kreislauf zusammen, wenn man nachts nicht auf zwei eisgekühlten Gelkissen lagert. Wer zu kalte Getränke hinunterstürzt, stirbt. Wer bei dreißig Grad am heißen Computer sitzt, wird dagegen nie mehr richtig abkühlen.“

Dann an gleicher Stelle der Verweis auf das Sommergedicht Georg Brittings, in dem es u.a. heißt:

„Der Sommer ist fürchterlich:
Seht ihn nur toben!
Wie kann man ihn loben,
Der seine Lanzen wirft,
Uns zu erstechen
Und daß sie aus Gold sind
Und nicht aus Eisen
Wie sonst die Messer,
Macht es nicht besser!“


Und nun das! Da sieht der Autor in der Wellness-Oase, was er nicht sehen will und beschreibt im nächsten Atemzug, was ich nicht lesen will! Aber was bleibt mir hier am heißen Computer übrig, unfähig, meinen jetzt schon schweißnassen Körper vom Stuhl zu heben? Ich lese also und leide. Leide mit dem Autoren, der mir nachfühlbar (leider) nahe bringt (kotz!), was ihn leiden lässt. O, mach diese Gedanken tot, du gnadenloser Sommer! Brenne mir das Hirn aus, damit ich diese Vorstellungen vergessen kann. Bitte! Wasser!!!

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#3

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 13:58
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Ist das widerlich! Ich finde den Sommer bestimmt nicht toll, aber um mal aller Neid zu erregen, bin ich zum Glück zumindest was Körpertemperatur angeht enorm kaltblütig und sitze in meinem Umweltschädigend Klimaanlagen bewährten Büro, um mich herum nur schöne Menschen, wenn man das alles mal mit anderen Augen betrachtet. Warum so negativ? Klar wollen wir es alle kühler und Fleischbeschau ist mir auch zu aufdringlich, aber mein Gott - sind wir denn langsam alle entartet zu klynisch-reinen Objekten?
Schaut euch die Situation ein paar Jahrhunderte früher an: Gestank ob Winter oder Sommer. Hygene gleich null. Man muß es ja nicht übertreiben, aber das Gegenteil zu tun ist nicht nur unmenschlich sondern dämlich. Wo sind die Zeiten geblieben, da ein schwitzig feuchter Körper noch schmutzige Phantasien hervorrief anstatt Ekel und der Moschusgeruch des Mannes geifernde Weiber?
Viva dem menschlichen Körper im Sommer und uns allen wird bewusst, dass wir zumindest in diesem Punkt alle gleich sind und was ekelt uns dann? Das wir uns nicht mehr göttlich erhaben fühlen können?
Arm ist das....

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#4

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 14:42
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

Richard III schrieb am 21.07.2006 13:58 Uhr:
Arm ist das....


Nein, w-arm! Zu warm.


edit: Fällt mir gerade ganz sinnfrei in dem Zusammenhang ein:

"Ich kenn einen Mann, arm an Geist,
der, wär er in die Hölle gereist,
nur sagen würde: Es war dort warm.
Oh, der Mann ist so arm."


Herman van Veen

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#5

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 16:54
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Seit einigen Morgen grinst mich Ben Wettervogel äußerst selbstzufrieden an und verkündet ohne Unterlaß mit Daumen hoch, daß das Wetter prima heiß ist und so ist wie es alle sich im Sommer wünschen. Meistens stehe ich da schon Nase an Nase mit ihm und brüll : Ich nicht!! Ja Kaltblüter wie Richard III. denen ist dies Wetter ein Fest, obgleich ich nicht glaube, daß in seiner vollklimatisierten Dichterzelle seine Kolleginnen und Kollegen nur mit Bade- oder Flip-kleb-Flopp-Latsch bekleidet an und neben ihm vorrüberhuschen, vielleicht auch mal nur, um noch mehr Moschuss zu verteilen. Glaub' ich nicht. Während ich - und dies allerdings ist wahr - einem Menschen gegenübersitze, den ich ohne Übertreibung als fleischgewordene Buddhastatue bezeichnen darf. Er ist natürlich ähnlich spärlich bekleidet. Das sind schon mal erhebliche Standortnachteile.
Aber jetzt noch mal zu:
Zitat:

aber mein Gott - sind wir denn langsam alle entartet zu klynisch-reinen Objekten?



EBEN NICHT!!!! Was aber auch nicht heißt, daß dies gewollt sei. Auch nicht. Plädiere nur des öfteren bei diesem Wetter auf mehr statt weniger.

Und


Zitat:

Viva dem menschlichen Körper im Sommer und uns allen wird bewusst, dass wir zumindest in diesem Punkt alle gleich sind und was ekelt uns dann? Das wir uns nicht mehr göttlich erhaben fühlen können?




Ja, das ist das FKK Credo. Aber dieses Vivat dem menschlichen Körper, diese Besoffenheit an der Körperlichkeit, die haben wir doch jetzt schon? Um Kleider- und Körperfreiheit, Sire, muß ich Euch in Eurem vollklimatisiertem Tempel des Schönen doch wohl nicht mehr bitten?

Arm ist das, meint Ihr? Aber ärmer, nein einfacher, erschien mir immer den Sommer als Fest des Lebens, der Körper und der Liebe zu beschreiben. Das krieg ich doch schon morgens von Benni einmassiert...

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#6

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 20:10
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Gut, sagen wir es anders, um es zu verdeutlichen: Nur weil ich nicht ganz so sehr von Hitze belastet, so vertreibts mich auch aus Fleischbeschau und Sonnengierde, weil ich eben Regen doch lieber mag und schon nach wenigen Minuten verbrenne wie die Hexe auf dem Scheiterhaufen.
Ebenso spucke auch ich Gift und Galle, wenn mal wieder der Wetteransage das tolle Sommerwetter in den ozonvereuchten Himmel lobt und schüttele unwillig den Kopf, wenn Lederverbranntgegerbtbraune 20jährige, die aussehen wie meine eigene Mutter meinen Weg kreuzen und wenig aufreizend mit dem Speckrand über der viel zu kleinen Jeans an mir vorrüber wackeln.
Keine Frage - aber das natürlich Menschliche so ins Lächerliche zu ziehen und zu verunglimpfen finde ich daneben - da trifft es das Falsche.
Darauf kam es mir an - die letzten Absätze. Fast tut mir dein Gegenüber leid, der gar nicht weiß wieviel Ekel du für ihn/sie empfindest.
Meine Kollegen sind tatsächlich auch mit schweißnassem Gesicht ästhetisch und weißt du auch warum? Weil es eben menschlich ist und jeder schwitzt und scheiß was drauf bei diesem Wetter will man eben auch nicht viel am Leibe tragen. Wer den Anblick nicht erträgt, soll dann halt zuhause bleiben.
Ich bin nicht für Sonnenanbeterei und Fleischbeschau, aber verdammt nochmal für Toleranz.
Leben und leben lassen und deshalb wäre ich tatsächlich, wie Mattes so schön rezitierte eben arm, denn ich käme wahrscheinlich wirklich nur aus der Hölle zurück und würde vermerken, es wäre einfach nur zu warm.

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#7

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 21:18
von Fabian Probst (gelöscht)
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komisch.

Im Winter jammern alle wegen der Kälte, und im Sommer stöhnen sie dann, wenn es mal heiß ist?

komisch.

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#8

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 21.07.2006 21:38
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Der Inhalt ist mir hier eigentlich egal. Der Text selbst ist schwach. Die Sichtweise eines Isolierten Individuums, ist wahrlich nichts Neues und so etwas hat jeder Schreiber hier im Tümpel drauf. Eigentlich wirkt der Aufsatz wie ein Übungstext. Ich weiß nicht wie oft ich schon Sätzue wie "nimmt sich Urlaub vom Krebs" gelesen habe, aber es wird nicht selten gewesen sein. Auch ist es ein alter Hut, dass wir alle nicht so aussehen wie es eben auf den Plakaten zu sehen ist. Was die Huren hierbei für einen Part spielen, außer sich anzuprunzen weiß ich auch nicht. Es steht ihnen nichts gegenüber, was Sinn machen würde. Außer die Speckfalten natürlich. Insgesamt ist dies ein schwacher Text, der in einem anderen Forum vielleicht zieht. Hier hat so etwas wohl jeder zur Übung schon einmal geschrieben.

Gruß

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#9

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.07.2006 11:38
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich nicht. Ich schreibe keine Prosa. Normalerweise beachte ich sie in den Foren nicht einmal. Dieser Text ist zumindest gut ge- und das Anliegen des Autoren gut be-schrieben:

In wesentlich heißeren Ländern, als dem unseren, ist keine Sau nur winzbekleidet unterwegs, es gibt weder die Notwendigkeit, ab 37 Grad eine Fleischbeschau durchzuführen, noch ist es besonders sinnvoll, bei großer Hitze besonders wenig anzuziehen. Und es ist eine Unhöflichkeit, eine Beleidigung des Auges, seine Haut derart zu Markte zu tragen, sich derart "zur Schau zu stellen" (=Prostitution), da eben tatsächlich die wenigstens von uns besonders angenehm anzusehen sind. Wie man sieht, ist der Bogen zu den Prostituierten sehr einfach zu spannen, hier wird er dann sicher auch überspannt, aber das soll in Glossen und Essays ja durchaus vorkommen, wie ich mir habe sagen lassen.

Das Ende zeigt für mich einerseits die Lösung, andererseits die relative Nichtigkeit auf. Bei großer Hitze ist wenig Bewegung ein viel höherer Trumpf, als nacktes Herumschwitzen. Die Lakonie dieses Abschlusses zeigt aber auch, dass dem Autoren durchaus bewusst ist, dass es wichtigere Themen gibt. Insofern ist das für eine derart exaltierte Glosse ein sehr versöhnlicher Schluss.

Das nur auf die Schnelle. Ich weiß natürlich nicht, ob das so gemeint war. Ich weiß nur, dass der Text, zumal wenn man den Inhalt als sekundär betrachtet, alles andere als schwach ist. Allerdings erinnert er (mich) an Max Goldt, sprachlich dem vielleicht etwas unterlegen, dafür weniger elegisch, sondern krasser und damit der Hitze angemessen! Aber in die Nähe von Goldt zu kommen, das schafft zumindest nicht jeder Tümpler.

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#10

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.07.2006 12:16
von sEweil (gelöscht)
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Sich zur Schau zu stellen ist doch nichts Unhöfliches.
Ich bin dafür verantwortlich was ich zeige, mein gegenüber ist dafür verantwortlich, was es sieht.
Vielleicht bin ich auch zu egoistisch, wenn ich sage, dass mir das egal ist, ob der sich ekelt oder nicht. Wenn er seinen Geist von Medienschönheiten so sehr einzwängen hat lassen in Schön/Hässlich, dann ist er zu bemitleiden und nicht ich, wenn ich Speck über die Hüften hängen habe.
Das ist nichts abartiges. (rein vom Visuellen.)

Essay, ja, Glosse, nein. Ich sehe hier keine Glosse.

Lg misch.

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#11

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.07.2006 15:26
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
ich habe letztens im radio gehört das irgendwo in bayern eine schule sportfest bei dem wetter gemacht hat. dabei ist ein mädchen tödlich umgekommen und 14 andere schüler mussten ins krankenhaus wegen zusammenbruchs gebracht werden. was sagt man dazu?

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#12

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.07.2006 16:43
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Stimme da sEweil voll und ganz zu. Vom rein textuellen würde ich mir nicht herausnehmen zu sagen, er sei schwach, auch nicht er sei besonders stark. Aber er provoziert zumindest Meinungsäusserungen und das ist doch nett!

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#13

Sommerfreuden

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.07.2006 22:02
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Also die Bierbäuchigen und überfütterten Durchschnittsmenschen die ihre unappetitlichen Leiber in den Badeanstalten wälzen mit Prostitution gleichzustellen finde ich doch etwas überspitzt. Klar sind wir nicht alle so wie es auf den Plakaten propagiert wird, aber bitte, das ist doch echt ein alter Hut. Mir ist die Gegenüberstellung von sich anpissenden Prostituierten zu Menschen die einfach im Bad liegen etwas zu überspitzt.

edit: Das habe ich vorige Ostern geschrieben. Wohl eher Richtung Bukowski.

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