#1

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 18.10.2005 15:00
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
wo bin ich

"Ist es wirklich wahr, dass Du der Meinung bist, ich würd Dich hassen?
Ist es wirklich wahr, dass Du mir vorwirfst, ich würd unsre Liebe nur verprassen?
Kann es sein, dass meine Seele Deine lang schon nicht berührte
und ich nachts, wenn ich Dir überkam mechanisch Körpers Hülle nur verführte?

Stimmt es nicht, dass meine Worte schon seit langem keinen Zugang
mehr zu Deinem Innern haben? Warum antwortest Du nicht? Dein Schweigen ist mir
unerträglich! Shit, die schwitzendheiße Zeit als ich noch durchdrang
und noch irgendetwas zu bewirken in der Lage war - dahin! Was ist? Wir

sollten endlich ehrlich sein! Beginne doch mal zu erkennen
und sieh ein, dass es vorbei ist. Was soll das denn! Hör doch bitte auf zu flennen,
mir bringts nichts und Dir doch auch nicht!

(seufzt)

Komm her in meine Arme..."

Selbstaufgabe.
Glück für Dich und mir ein elend Fluch, dass ich mich stets erbarme.

(c) Don Carvalho
- Oktober 2005

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#2

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 18.10.2005 16:48
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Don,

formal finde ich die Kombination mit den sehr unterschiedlich langen Versen und den Paarreimen etwas unglücklich. Bei Kreuzreimen funktioniert das ganz gut, finde ich, aber bei Paaren klingt das etwas gezwungen. Daher funktioniert die zweite Strophe auch besser, obwohl der Wir-Reim am Ende schon etwas gezwungen wirkt, aber es funktioniert beim Lesen trotzdem ganz gut.

Inhaltlich fällt mir auf, dass das Ich die ganze Zeit über von der Selbstaufgabe des Gegenüber spricht, anstatt über seine eigenen Probleme damit, als wenn es dem Du versuchte weis zu machen, dass es ja nur dem Du zuliebe Schluss machen will. Sicherlich eine weit verbreitete Schlußmachtechnik. Auch dafür, dass es das im Endeffekt nicht tut, gibt es dem Gegenüber am Schluß noch die Schuld. Schon etwas feige das Ich. Aber es kann es sich ja offensichtlich leisten. Das Du ist ihm ja wohl trotz aller Probleme treu ergeben.

Interessantes Thema. Die Form mit den langen Versen passt durchaus dazu. Es ist auch gut dargestellt. Ich hätte mir irgendwie etwas mehr Distanz zu der Position des Ich gewünscht. Aber man kann ja nicht alles haben.

Schöne Grüße
GerateWohl

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#3

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 11:04
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo GW,

naja, soooo unterscheidlich lang sind die Zeilen ja nun auch nicht, schließlich sind es nur 2 Versfüße unterschied...

naja zurück, zumindest bei der dritten Strophe, die zudem durch Zeilenumbrüche in unterschiedlich lange Stücke gehauen wurde, sollte ich gar nicht erst versuchen mich herauszuwinden... es ist auf jeden Fall eine für mich ungewöhnliches Struktur. Schade, dass sie Dir nur zum Teil zusagt, aber ohne Risiko, kein Vergnügen (oder so ).

Inhaltlich hast Du es eigentlich ganz gut getroffen, das lyrIch macht es sich auch in meinen Augen sehr einfach. Ich hatte (vermutlich nach Deiner Kritik) noch Anführungszeichen hinzueditiert, wodurch m.E. deutlich wird, dass auch das lyrIch überzeugt ist, sich im Rahmen dieser Beziehung aufzugeben.

Aber warum hättest Du Dir mehr Distanz zum lyrIch gewünscht? Ich bin eigentlich ganz froh, wenn man keine empfindet, sollte man doch in die Argumentation und Gedanken des lyrIch hineingezogen werden...

Vielen Dank für Deine Kritik. Die Paarreime werde ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen (eigentlich mag ich diese Reimform ja eh nicht), befürchte aber, eine schwungvolle Änderung nicht hinzubekommen, ohne das Gedicht gänzlich demontieren zu müssen. Aber vielleicht kommt mir ja noch eine Idee.


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#4

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 11:13
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Inhaltlich habe ich nicht viel hinzuzufügen. Allerdings gebe ich Don recht, dass, wenn der Dichter als lyr. Ich spricht, eine Distanz zu sich selbst inhaltlich berechtigt sein müsste und das ist sie hier nicht.

Du magst keine Paarreime, okay, aber in einer Metrik wie der deinen mit so relativ langen Zeilen und diversen Sprechpausen bzw. echten Einschnitten ist das doch gar kein Paarreim mehr, sondern ein unechter Kreuzreim, weil du die Sprechpausen auch durch Zeilenschaltungen unterstreichen könntest.

"Ist es wirklich wahr, dass Du
der Meinung bist, ich würd Dich hassen?
Ist es wirklich wahr, dass Du
mir vorwirfst, ich würd unsre Liebe nur verprassen?

Kann es sein, dass meine Seele
Deine lang schon nicht berührte
und ich nachts, wenn ich Dir überkam
mechanisch Körpers Hülle nur verführte?


Strophe 2 allerdingens wirkt auf mich eher wie Fließtext, der an zufällig reimenden Stellen unterbrochen wurde. Tut mir leid, der Versuch ist aller Ehren wert aber das spricht mich überhaupt nicht an.

Was sagt denn deine Frau zu solchen Texten?

Digitally Yours
Mattes

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#5

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 12:27
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Zerhackt der mir doch glatt meine Strophen und erzählt, dass sei ein unechter Kreuzreim, tststs...

Schade, dass es Dich ebenfalls nicht anspricht, Mattes, aber (wie ich Geratewohl schon schrieb) wenn man rumprobiert, muss man so etwas eben in Kauf nehmen. Dieses fließtextartige der 2. Strophe gefällt mir eigentlich ganz gut, ich fand es reizvoll, dem Gedicht möglichst viel seines Gedichtcharakters zu nehmen und dennoch bezüglich Metrik und Reimen konsequent zu bleiben. Aber vermutlich habe ich es einfach übertrieben...

Ach ja, meine Frau weiß davon natürlich nichts. So sehr mag ich unsere Wohnzimmercouch dann doch nicht !

Hab Dank für Deine Kritik,

Don


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#6

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 13:39
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich meinte doch nur, dass der Paarreim als solcher gar nicht mehr zwingend wahrgenommen wird, wenn man nur lange genug auf den Reimpartner warten muss. Außerdem hasst du ja tatsächlich zumindest in der ersten Strophe mit deutlichen Zäsuren innerhalb der Zeilen gearbeitet, so dass es wirklich albern ist, den Paarreim überhaupt zu erwähnen.

Ich meine, Ricarda hatte mal ein Gedicht veröffentlicht, dass auch im Paar gedichtet war, dessen Zeilen aber so unendlich lang waren, dass der Paarreim das letzte gewesen wäre, was einen gestört hätte. Ich wollte das gerade nachschlagen, ob meine Erinnerung trügt aber siehe da: Essylt ist gelöscht. Von wem und weswegen?

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#7

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 14:11
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Ich erinnere mich auch, stimmt. Aber ihre Zeilen waren m.E. noch um einiges länger...

Von einer Löschung weiß ich nichts,ich wasche meine Hände in Unschuld.


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#8

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 14:17
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

Don Carvalho schrieb am 19.10.2005 14:11 Uhr:
Ich erinnere mich auch, stimmt. Aber ihre Zeilen waren m.E. noch um einiges länger...


Bei Strophe 1 könnte es knapp zugunsten Ric ausgehen aber mit deinen 20 Silben in S2Z2 schießt du wirklich den Vogel ab, Pontius!

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#9

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 14:35
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Hi Don,

kurze Anmerkung von mir:

Die Fragen werden vom lyr. Ich ans Lyr. Du gestellt. Ok.

Kann man dann fragen: 'Ist es wirklich wahr, dass du mir vorwirfst,(...)?'
Das scheint mir dann nicht logisch. Denn entweder wirft das lyr. Du dem lyr. Ich etwas vor, oder eben nicht. Oder doch anders? Im Sinne von 'ich kann es gar nicht fassen, dass du mir vorwirfst...'?

Irgendwie komme ich da ins Stocken an der Stelle.


Und ansonsten kann ich mich auch nicht wirklich wohlfühlen in der Form.

Aber ein nettes Experiment allemal.

Sorry für meinen Kurzkommentar ,

LG, Vel

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#10

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 14:43
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Schau an, Don, Vel ist unter Garantie nicht verheiratet, der kennt keine unausgesprochenen, aber sehr wohl existenten Vorwürfe.

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#11

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 14:47
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
*g...und ob ich die kenne...doch keine unausgesprochenen,
die mir sagen wollten, dass ich die Liebe nur verprasse.

Das konnte ich so explizit dann doch nicht deuten...

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#12

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 15:04
von MelenColia (gelöscht)
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Na, ob dieses "Erbarmen" so ein Glück ist für das lyr. Du? Ach, diese unglaubliche Großzügigkeit des lyr. Ich.... *pff*
Das ist ja ein endloses Schrecken in so einer Bez. gefangen zu sein...

Formal finde ich liest es sich gut, ein gutes Experiment, ich mag es. Gerade weil es sich nicht an die 'strengen' Formalia des hier so hochgehaltenen lyrischen Schaffens hält.
Gruß, MC

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#13

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 15:07
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

MelenColia schrieb am 19.10.2005 15:04 Uhr:
...des hier so hochgehaltenen lyrischen Schaffens hält.


Ich liebe solche Äußerungen.

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#14

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 15:12
von MelenColia (gelöscht)
avatar
*Edit-das war doppelt gemoppelt, Inhalt siehe oben.

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#15

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 15:13
von MelenColia (gelöscht)
avatar
*hüpft auf und ab, um an das hoch gehaltene Dings zu kommen....*

Mist, bin einfach zu kurz geraten... *gg*

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#16

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 17:44
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Mattes, Don,

vielleicht habt ihr recht und es liegt gar nicht an dem Paarreim, oder verschlepptem Kreuzreim (Schnarch...Ups. Zeilenumbruch verpasst! )
Dann empfinde ich vielleicht bei dieser Form Reime an sich irgendwie unpassend. Ohne Reime würde es mir möglicherweise besser gefallen.

Und das mit der Distanz zum lyr. Ich... Hm.
Ich finde möglicherweise, dass diese Egoshooter-Sicht des Ich inhaltlich nicht so viel hergibt. Das Ich ist nicht besonders weise, handelt nicht wirklich, wechselt in keinem Moment seine Pespektive.
Ansonsten muss ich nach längerer Betrachtung sagen, dass, abgesehen von meinem Reimproblem die Form für mein Gefühl ganz erfrischend ist. Gefällt mir von daher ganz gut.

Grüße
GW

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#17

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 18:12
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
@Vel: Ich muss gestehen, ich habe keine Probleme damit, die Stelle "Ist es wirklich wahr, dass du mir vorwirfst..." im Sinne von "Kann es sein" oder "Ist es Dein ernst" zu verstehen. Abgesehen davon gibt es sicher auch außerhalb von Ehen diese unausgesprochenen Vorwürfe... dort aber vermutlich besonders (außer in meiner natürlich ).
Wegen des Kurzkommentars: kein Problem, ist schön, überhaupt eine Rückmeldung zu erhalten (also von Dir - Rückmeldungen gibts hier ja erstaunlich viele^^).

@Mel: Das lyrIch ist sicher nicht verteidigenswert. Ich vermute, letztlich haben beide nicht das große Los gezogen, nur glaubt sich das lyrIch dem lyrDu überlegen, weil es sich als Wohltäter sieht, der sich immer wieder breit schlagen lässt.

So experimentell finde ich diese Zeilen im Übrigen nun auch wieder nicht. Sicher, die Zeilen sind lang, aber konsequent mit trochäischen Versfüßen garniert. Und wenn man die letzten Zeilen zusammenfasst, fände sich auch eine dritte Strophe, die durchgehend dem Schema
XxXxXxXxXxXxXxXx
XxXxXxXxXxXxXxXxXxXx
XxXxXxXxXxXxXxXx
XxXxXxXxXxXxXxXxXxXx
folgt. Wie die Strophen 2 und 3 eben auch. Das Formgebundene ist hier aber anscheinend etwas versteckt^^...

@Mattes: & . So, und jetzt muss ich zu meinem Pilates-Training...

@Geratewohl: Du hast natürlich recht, dass man aus der Sicht des lyrIch nicht unbedingt Lehren ziehen kann - außer, es in eigenen Beziehungen vielleicht anders zu machen. Aber das lyrIch ist in seinem Denken letztlich auch gefangen und kommt nicht wirklich heraus, hier nun eine Wende im Bewusstsein der Protagonisten herbeizuführen hätte in meinen Augen irgendwie nicht gepasst. Vielleicht habe ich für diese Sitaution auch einfach keine Lösung anzubieten...
Schön, dass Du aber ansonsten so langsam Gefallen an den Zeilen findest.

Noch mal vielen Dank Euch allen für die Beschäftigung mit meinem Gedicht und Eure Kommentare, hat mich gefreut,



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#18

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 18:31
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Ok, formal mag ich es nun so akzeptieren, aber in der Zeilenlänge wirkt es dann ähnlich auf mich wie die eine Zeile deines Gedichtes, die so schön auf Augenhöhe mit deinem Avatar( )zu lesen ist und die mich so Grinsen macht:

(…) und ich nachts, wenn ich dir überkam(…)’

…zwing’ mich bitte nicht, mir DAS vorstellen zu müssen…


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#19

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 18:42
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte

Zitat:

Velazquez schrieb am 19.10.2005 18:31 Uhr:
?zwing? mich bitte nicht, mir DAS vorstellen zu müssen?



Könnte ich es, ich würde auch DAS tun !


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#20

wo bin ich

in Liebe und Leidenschaft 19.10.2005 18:56
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Brauchst du auch gar nicht, denn ich liebte diese Stelle ohnehin schon, ohne Zutun... .






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