#1

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 09.06.2005 11:25
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Wenn man das zierlichste Näschen
Von seiner liebsten Braut
Durch ein Vergrößerungsgläschen
Näher beschaut,
Dann zeigen sich haarige Berge,
Daß einem graut.

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#2

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 09.06.2005 13:38
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
..... wunderbar, das Ringelnätzchen

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#3

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 09.06.2005 14:17
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
ja, nicht wahr?.....Ich liebe es.

Wenn man sich dann den Dichter persönlich noch vorstellt in dieser Situation, wie er, in seiner ungelenken Erscheinung über sein Liebchen gebeugt, ihr Näschen näher beschaut, muss ich jedesmal wenn ich es lese, wieder Lachen...herrlich.

Diesen Humor, an alltäglich-banalen Dingen festgemacht, macht ihm so schnell keiner nach. Er ist aber gleichzeitig immer mit einem feinen, tiefsinnigen Unterton und, was ich besonders mag, so nahe am Menschen.


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#4

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 17.03.2006 08:01
von Fabian Probst (gelöscht)
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Ja, das ist gut!


Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona, auf der Chaussee,
da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
dann auf den letzten Teil der Reise.


lg,Fabian

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#5

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 17.06.2006 01:47
von Maya (gelöscht)
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Kindergebetchen


Erstes

Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.

Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.

Zweites

Lieber Gott, recht gute Nacht,
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.

Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon so erwachsen bin.

Drittes

Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in der Not,

Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.

___________________________________________


Nie bist du ohne Nebendir


Eine Wiese singt.
Dein Ohr klingt.
Eine Telefonstange rauscht.

Ob du im Bettchen liegst
Oder über Frankfurt fliegst,
Du bist überall gesehn und belauscht.

Gonokokken kieken.
Kleine Morcheln horcheln.
Poren sind nur Ohren.
Alle Bläschen blicken.

Was du verschweigst,
Was du andern nicht zeigst,
Was dein Mund spricht
Und deine Hand tut,
Es kommt alles ans Licht.
Sei ohnedies gut.

_______________________________________


Ein Nagel saß in einem Stück Holz


Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

___________________________________


Stammbuchvers


So an ein Stammbuch hingezerrt
hat man Verdruß.
Man fühlt sich aufs Klosett gesperrt
Obwohl man gar nicht muß.

Denn mancher Gast will weitergehn
Und will nichts stehen lassen
Und seine Klexe ungesehen
Nur werfen, wo sie passen.

____________________________________________


Das Schlüsselloch


Das Schlüsselloch, das im Haupttor saß,
Erlaubte sich nachts einen Spaß.
Es nahten Studenten
Mit Schlüsseln in Händen.
Da dachte das listige Schlüsselloch:
Ich will mich verstecken,
Um sie zu necken!
Worauf es sich wirklich seitwärts verkroch.
Alsbald nun tasteten die Studenten
Suchend,
Fluchend;
Mit Händen
An Wänden.
Und weil sie nichts fanden, zogen sie weiter.
Schlüsselloch lachte heiter.

(Die Herren erreichten ihr Zimmer nimmer.
Eigentlich war die Sache noch schlimmer.
Ich selbst war nämlich bei den Studenten -
Doch lassen wir es dabei bewenden.)

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#6

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 31.07.2007 09:08
von bipontina (gelöscht)
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Werbespruch für die Seife Fa:

Mir ist der Name Fa ein Schreck -
ich bade nie: ich liebe Dreck!
Ich müßte nachgucken, wann der Natz das gemacht hat, kann es aus dem Gedächtnis nicht sagen.
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#7

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 25.12.2009 19:00
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

Vom Seemann Kuttel Daddeldu

Eine Bark lief ein in Le Haver,
von Sidnee kommend, nachts elf Uhr drei.
Es roch nach Himbeeressig am Kai,
und nach Hundekadaver.

Kuttel Daddeldu ging an Land.
Die Rü Albani war ihm bekannt.
Er kannte nahezu alle Hafenplätze.

Weil vor dem ersten Hause ein Mädchen stand,
holte er sich im ersten Haus von dem Mädchen die Krätze.

Weil er das aber natürlich nicht gleich empfand,
ging er weiter, – kreuzte topplastig auf wilder Fahrt.
Achtzehn Monate Heuer hatte er sich zusammengespart.

In Nr. 6 traktierte er Eiwie und Kätchen,
in 8 besoff ihn ein neues, straff lederbusiges Weib.
Nebenan bei Pierre sind allein sieben gediegene Mädchen,
ohne die mit dem Zelluloid-Unterleib.

Daddeldu, the old Seelerbeu Kuttel,
verschenkte den Albatrosknochen,
das Haifischrückgrat, die Schals,
den Elefanten und die Saragossabuttel.
Das hatte er eigentlich alles der Mary versprochen,
der anderen Mary; das war seine feste Braut.

Daddeldu – Hallo! Daddeldu,
Daddeldu wurde fröhlich und laut.

Er wollte mit höchster Verzerrung seines Gesichts
partu einen Niggersong singen
und » Blu beus blu«.
Aber es entrang sich ihm nichts.

Daddeldu war nicht auf die Wache zu bringen.
Daddeldu Duddel Kuttelmuttel, Katteldu
erwachte erstaunt und singend morgens um vier
zwischen Nasenbluten und Pomm de Schwall auf der Pier.

Daddeldu bedrohte zwecks Vorschuß den Steuermann,
schwitzte den Spiritus aus. Und wusch sich dann.

Daddeldu ging nachmittags wieder an Land,
wo er ein Renntiergeweih, eine Schlangenhaut,
zwei Fächerpalmen und Eskimoschuhe erstand.
Das brachte er aus Australien seiner Braut.


_________________________________________________________
>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#8

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 25.12.2009 19:00
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

Daddeldus Lied an die feste Braut


Lat man goot sin, lütte seute Marie.
Mi no ssavi!
Ich habe deine Photographie
in der Meditteriniensi
weit draußen auf dem Meere
damals verloren,
als ich bei den Azoren
mit der Bulldog beinah versoffen wäre. –

Bulldog aheu!

Swiethart! Manilahaariges Kitty-Anny-Pipi –
oder wie du heißt –
Bulldog aheu!
Bei Jesus Chreist
ich war – seit Konstantinopel – dir immer treu.

Scheek hends! Ehrlich und offen:
ich bin gar nicht besoffen.

Giff öß e Whisky, du, ach du! Jesus Christ!

Skool! bleddi Sanofebitsch – Ohne Spott:
ich glaube, dich hat der liebe Gott
an einem Sonntag zusammengespleist.
Weißt du, was du bist: Weißt?
Hör mich einmal ernsthaft auf mich.
Du – du bist – mein zweites Ich.
Du mußt mir mal deinen Namen ausbuchstabieren,
Hein soll mir das auf den Arm tätowieren.

Mary, mach mal deinem Daddeldu
die Hosentür zu.

Ich habe noch immer die graue Salbe von dir,
das ist ganz egal; das ist auch ein Souvenir.
Wer mir die Salbe nimmt –
ich bin der gutmütigste Kerl, glaub es mir;
ich habe noch keinem Catfisch ein Haar gekrümmt –
wenn ich zurück bin aus Schangei,
wie Gott will hoffen, –
wer mir die Salbe nimmt,
dem hau ik die Kiemen entzwei.

Bulldog aheu! Ich bin nicht besoffen.
Wirklich nicht!
Wirklich nicht!
Wer mir die Salbe krümmt,
dem renn ich die Klüsen dicht. –
Komm her, Deesy, wir schlagen die Bulldog entzwei.
Wenn ich aus Kiatschu, Kiatschau –
Porko dio Madonna!
Mary, du alte Sau,
wer dir die Salbe stiehlt aus Schangei,
der wird einmal Kapitän Daddeldus Frau.


_________________________________________________________
>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#9

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 25.12.2009 19:01
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

Ich raffe mich auf

(Einem Freund zum Dreißigsten gewidmet)


............................... Der Nachttopf klirrt. Ich bin entschlossen!
Der Doornkaat hat mich umgestimmt.
Wenn jetzt auch alles in der Stube schwimmt,
ist doch noch lang kein Blut vergossen.

Der Spiegel kracht. Was will das heißen?
Was er uns spiegelt, ist verkehrt.
Ritz-Ratsch – ich muß mein Federbett zerreißen.
Denn Eigentum ist Dreck, der nur beschwert.

Hei, Wind gemacht! Die Federn stieben.
Den deutschen Seemann schreckt der Seesturm nicht.
Er denkt, den Tod vor Augen, seiner Lieben. –
Ach was – Quatsch: Lieben –. Bums! – ein Schrank zerbricht.

Der Schrank ist mein, und ich bin frei.
Und wenn er mir auch nicht gehörte – –
wie wär's, wenn ich das Fenster mal zerstörte?
Päng! – schlitterkläng – – Es ist entzwei!

Plautz – liegt mein Ofen. Er wog tausend Kilos.
Wo ist mein Frack? – ich habe Blut geleckt. –
Zu lange war ich schwach und energielos.
Dein Doornkaat Rosie, hat mein Blut geweckt.


_________________________________________________________
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Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#10

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 05.05.2011 23:02
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

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Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#11

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 05.05.2011 23:34
von munk (gelöscht)
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ICH WERDE NICHT ENDEN ZU SAGEN

Ich werde nicht enden zu sagen:
Meine Gedichte sind schlecht.
Ich werde Gedanken tragen
Als Knecht.
Ich werde sie niemals meistern
Und doch nicht ruhn.
Soll mich der Wunsch begeistern:
Es besser zu tun.

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#12

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 06.05.2011 22:38
von munk (gelöscht)
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ZU DIR

Sie sprangen aus rasender Eisenbahn
Und haben sich gar nicht weh getan.

Sie wanderten über Geleise,
Und wenn ein Zug sie überfuhr,
Dann knirschte nichts. Sie lachten nur.
Und weiter ging die Reise.

Sie schritten durch eine steinerne Wand.
Durch Stacheldrähte und Wüstenbrand,
Durch Grenzverbote und Schranken
Und durch ein vorgehaltenes Gewehr,
Durchzogen viele Meilen Meer. -

Meine Gedanken. -

Ihr Kurs ging durch, ging nie vorbei.
Und als sie dich erreichten,
Da zitterten sie und erbleichten
Und fühlten sich doch unsagbar frei.

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#13

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 07.05.2011 23:17
von munk (gelöscht)
avatar

LOGIE

Die Nacht war kalt und sternenklar,
Da trieb im Meer bei Norderney
Ein Suahelischnurrbarthaar. -
Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.

Mir scheint da mancherlei nicht klar,
Man fragt doch, wenn man Logik hat,
Was sucht ein Suahelihaar
Denn nachts um drei am Kattegatt?

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#14

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 15.05.2011 09:55
von munk (gelöscht)
avatar

Lebensabschnitt

Ich mache eine Amnestie
Aus herzlichem Verlangen.
Und sei auch du und sein auch Sie
Zu mir ganz unbefangen.

Das Leben ist ein Rutsch-Vorbei.
Nur das, was echt gewesen,
Nährt weiterhin. - Ein Besen,
Zu wild geschwenkt, schlägt viel entzwei.

Seid gut zu mir und macht Radau,
Verzeihend und aus Reue!
Wollt ihr? Wer reist aufs neue
Mit mir ins Himmelblau?

zuletzt bearbeitet 15.05.2011 14:01 | nach oben

#15

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 15.05.2011 13:33
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Zitat
Wollt ihr? Wer resit aufs neue

der will mit uns reisen, oder? - mcberry

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#16

RE: Joachim Ringelnatz (1883-1934)

in Rumpelkammer 15.05.2011 14:00
von munk (gelöscht)
avatar

ja, grins u. ja ;)

danke für deinen reiseblick

munkel

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