#1

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 17.03.2005 15:57
von sEweil (gelöscht)
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Eine Zugfahrt

„Einer weiß es ganz genau, Inge du bist schlau!“
Blicke streifen die Frau am Fenstersitz, das ganze Zugabteil schmunzelt, sieht kurz hin, wendet sich wieder ab. „Die Irre.“ mögen sie wohl denken.
„Bei der Tür Nummer vier, da bringt einer hier. Die Polizei bringt vorbei ein Ei!“ singt die Frau vor sich hin, in sich selbst versunken, wobei sie aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Eschen blickt.
Im hinteren Abteil zücken die Passagiere bereits ihre Fahrscheine, als der Schaffner selbiges betritt. „Eins und eins macht zwei und wieder kommt ein Ei!“
Das erste Schmunzeln der Leute wechselt, sie scheinen nun nervös, ein junger Mann legt ein Buch beiseite und stöhnt auf. Das Gesinge der Irren geht weiter, schallt durch das Zugabteil.
Verärgerte Blicke streifen die Frau.
Der Schaffner tritt durch die Tür und mit einem lauten: „Die Fahrscheine, bitte!“ macht er auf sich aufmerksam.
Zuerst kontrolliert er zwei Damen - die Scheine hingehalten, abgestempelt, zurückgegeben, dreht er sich zur Irren um. „Ihren Fahrschein, bitte.“ fordert er sie höflich auf, den routinierten Gleichton versucht er zu überspielen.
Sie hält ihm einige Zettel hin. „Anzünden wollt er mich, aber die Polizei weiß ja bescheid.“
Der Schaffner blickt auf die Papiere, die Frau beginnt wieder zu singen.
„Bescheid die Polizei weiß, es wurde ihm zu heiß, der Trunkenbold sitzt jetzt im Scheiß.“
Abwechselnd sieht er auf die Papiere und wieder auf die abwesend scheinende Frau.
Plötzlich klingelt ein Handy. Es raschelt überall im Abteil, als die Leute ihr Handy zücken und es mit einer beinahe enttäuschten Miene wieder zurückstecken.
„Ach, mein Klingelphon!“ schreit die Frau auf und zieht ihr Handy, drückt beschwerlich auf die grüne Taste und hält es an das Ohr.
„Hallo Schatz…“ kommt von der anderen Seite, wird von ihr jedoch mit einem: „Polizei bringt ein Ei, kommt bei dir vorbei, jetzt ist’s aus und vorbei.“ unterbrochen.
Ein Seufzen auf der anderen Leitung ist zu vernehmen. „Wann wirst du das endlich lassen?“
„Zwei, drei vielerlei, jetzt kratz ich dir die Augen aus.“ sagt sie, mit dem Kopf hin und her wippend.
Der Schaffner kann sich selbst das Schmunzeln nicht mehr verkneifen und gibt ihr die Zettel zurück. Angesteckt erwidern die Passagiere sein Grinsen.
„Die Fahrscheine, bitte!“ ruft er im Weitergehen.
Die Frau kramt derweil in ihrer Tasche herum und holt ein kleines Büchlein heraus.
„Fünf, sechs, sieben, acht, hab vor dem bösen Mann Obacht.“
Als das Rufen des Schaffners nach den Fahrkarten in den weiteren Abteilen langsam verklingt lehnt sie sich an das Tischchen und beginnt mit einem Stift ins Buch zu schreiben.
Das Handy hält sie noch ans Ohr. „Ist er weg?“ kommt die elektronische Stimme daraus.
„Ja.“ erwidert sie. „Ich schreibe das Buch heute noch fertig.“
„Der Verlag hat mich vorhin angerufen, sie wollen die Auflagenzahl doch noch erhöhen.“
„Vom Nachsinnen oder der Kluft?“ spricht sie, während sie schreibt.
„Vom Zweiten, melde dich morgen bei Hermann.“
Ein Klicken unterbricht die Verbindung, der Zug schnellt durch einen Tunnel und das Abteil verdunkelt.
„Nicht schon wieder.“ flucht sie entnervt und legt den Stift zur Seite.

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#2

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 17.03.2005 20:10
von MrsMerian (gelöscht)
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Hallo sEweil.

Ich weiß nicht warum, aber den Anfang konnte ich schwer lesen, liegt vielleicht an mangelnder Konzentration.. keine Ahnung.
Am Edne wusste ich, was los ist. Aber wie sie am Telefon spricht, geil, ich finde es total witzig.
Wieso ist es witzig, wenn jemand einen kranken Menschen nachmacht? Ist es witzig, wenn einer krank ist? Doofe Gesellschaft, doofer Gruppenzwang, doofes Gefühl, wenn das Schmunzeln kommt obwohl es unangemessen ist.
Nun, ich fand sie durchschnittlich, den Anfang schwächer, wiel cih da noch nicht so interessiert lesen konnte, aber das geht mir oft so, dann fand ich sie toll, besser als Durchschnitt und dann dachte ich danach: Na ja, kommt mir fast vor, als kenne ich die schon. Und nun fang ich an zu grübeln und das ist doch gut. Deshalb von mir auf einer Skala von 1 bis 10 die 6,5.
Da Du meinen Bewertungsmßstab nicht kennt, bringt Dir das nichts, aber die Hälfte ist fünf und das sollte lesenswert sein.

genug geschwafelt
LG
Mrs.

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#3

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 25.03.2005 19:19
von sEweil (gelöscht)
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Hallo Mrs

Auf der Mrs'schen Skala eine 6,5 zu bekommen ist mehr als befriediegend für mich.

Ja, oft lachen wir über Sachen und im nächsten Moment schämen wir uns dafür, zu Recht.

Ich danke dir für deine Gedanken.

Lg sEweil.

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#4

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.03.2005 16:27
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Hm, die Idee ist gut, aber die Geschichte hat Fehler:

1. Unwichtig, aber ich erwähne es mal: Die Eschen stören mich, denn an Bahnstrecken wachsen kaum durchgängig dieselben Bäume... egal
2. Schaffner rufen heutzutage nicht mehr, sondern gehen direkt zu den Leuten hin und fordern höflich auf... (In BaWü jedenfalls)
3. Es scheint als hätte die Frau gar keinen Fahrschein gehabt, sie zeigte ja nur Papiere. Wenn es so von dir intendiert worden ist kommt dieser Ablenkungstrick nicht deutlich raus, ausser durch die Frage des Mannes am Telephon ("Ist er weg" ?).
Und so einfach lässt sich ein Schaffner sicher nicht reinlegen, der hat doch täglich mit Schwarzfahrern zu schaffen...
Für mich sind das Fehler die ich aber nur durch meine Bahnerfahrung begründen kann. Die Idee ist, wie gesagt gut...
Den Hinweis am Schluss, sie sei eine Autorin, kann ich leider nicht einordnen. Wenn das hier ein Seitenhieb auf eine reale Person sein sollte, dann kenne ich sie nicht Da wäre etwas Aufklärung nett.

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#5

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.03.2005 16:38
von sEweil (gelöscht)
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Hallo Wilhelm.

ad1: da hast du wahrscheinlich recht.
ad2: Bei uns ist das schon noch so, nicht immer, aber ich hab das ganze beobachtet, es ist im Prinzip passiert, was ich hier beschrieb, zusätzlich mit eigenen Gedanken gespickt.
ad3: Ja, das hätte ich wohl hervorheben sollen, etwas genauer, was auf dem Papier steht.

Dass es sich dabei um eine Autorin handelt ist ganz bewusst gewählt. Unbekannt, eine brotlose Angelegenheit - dieses Spielchen wurde erfunden. - "Bekannt", führt sie es dennoch weiter, warum?

Danke für deine Anmerkungen, sie sind mehr als gerechtfertigt, werde drüber nachdenken.

Lg sEweil.

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#6

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.03.2005 18:55
von MrsMerian (gelöscht)
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Also ich dachte mit der Sache mit dem Fahrschein, es soll einfach darstellen, wie die Tussi es ausnutzt und eine Behinderung mimt.
Der Schaffner hat da etwas Berührungsängste und deshalb lacht er nur verlegen und geht weg, statt sich mit einer Behinderten anzulegen.
Und das hat mir gefallen.
Was auf dem Zettel steht ist deshalb in meinen Gedanken überhaupt nicht wichtig gewesen, sondern nur, dass sie die anderen Fahrgäste nachmacht, wie es z.B. ein Kind machen würde. Und sich freut, dass der Schaffner bei ihr guckt.

Das hat mich zu m Nachdenken gebracht, wie diese Frau die Berührungsängste des Schaffners mit Behinderten Menschen zu ihreem Vorteil ausnutzt und sich dabei, dass sie eine Behinderung spielt obwohl sie kerngesund ist und froh sein sollte, nicht im Geringsten zu schämen scheint.

LG
Mrs.

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#7

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.03.2005 19:40
von sEweil (gelöscht)
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hach, ich bin hin und her gerissen.

Ich finde ihr habt beide recht mit dem was ihr da sagt.
Ein hartgesottener Schaffner hätte wohl nicht locker gelassen, egal was drauf steht.
Einer, wie ihn Mrs beschreibt, hätte das von ihr beschriebene Verhalten gewählt. (Wie es dann auch so war.)

Ich hatte, so muss ich gestehen, kaum einen Gedanken daran verschwendet was drauf steht. Ich dachte an Kinderzeichnungen, aber fand es nicht erwähnenswert.

Lg sEweil.

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#8

Eine Zugfahrt

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 27.03.2005 11:18
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Mrs, wie kommst du denn auf eine Behinderung ? Die spielt, wenn, verrückt...

Es ist doch eher ein allgemeines Ablenkungsmanöver... Eine gemimte Behinderung kann man da absolut nicht rauslesen meiner Meinung nach

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