#1

Ich säte den Wind

in Düsteres und Trübsinniges 12.03.2005 11:22
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Ich säte den Wind

Nächtliche Ruhe umfängt mein Gemüt
und dringt in mein Fühlen, mein Denken.
Alt ist mein Schoße von edlem Geblüt,
mein Schicksal kann ich nicht mehr lenken.

Lege mich nieder in mein stilles Grab,
das Du hast so schön mir bereitet.
Nimm nun mein Leben und all meine Hab
und sieh, welchen Weg es Dich leitet.

Manchmal, so ist es, wünsch ich mich zurück,
schließe die Augen und komme ein Stück
in Zeiten die längst sind vergangen.

Damals, welch Schauder, als jung ich noch war,
geistvoll und doch schon von Eigensinn starr,
ich pflanzte in Dir mein Verlangen.

Don Carvalho

nach oben

#2

Ich säte den Wind

in Düsteres und Trübsinniges 12.03.2005 15:16
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Mein erster Eindruck: Der Vater spricht zu seinem Kind.

Nächtliche Ruhe umfängt mein Gemüt
und dringt in mein Fühlen, mein Denken.
Alt ist mein Schoße von edlem Geblüt,
mein Schicksal kann ich nicht mehr lenken.


Der nahende Tod beherrscht ihn. Es scheint ein (gläubiger?) Adliger zu sein. Die letzte Zeile bleibt noch etwas unklar, der Rest scheint mir deutlich.

Lege mich nieder in mein stilles Grab,
das Du hast so schön mir bereitet.
Nimm nun mein Leben und all meine Hab
und sieh, welchen Weg es Dich leitet.

Er spricht mit (Resignation?) zu seinem Sohn. Der will ihn wohl abservieren, hat Komplotte geschmiedet, will ihn ermorden, hat ihn vergiftet... etwas in der Richtung. Der letzte Vers deutet wieder auf den letzten der ersten Strophe. Wieder kommt Schicksal ins Spiel. Denn das Hab wird das Leben des Mörders bestimmen.


Manchmal, so ist es, wünsch ich mich zurück,
schließe die Augen und komme ein Stück
in Zeiten die längst sind vergangen.

Hier muss man scheinends nichts deuten.

Damals, welch Schauder, als jung ich noch war,
geistvoll und doch schon von Eigensinn starr,
ich pflanzte in Dir mein Verlangen.


Er hat das Monster erschaffen ... und bereut es. Er gibt sich selbst die Schuld, da er sein "Verlangen" (nach Macht?) in ihn pflanzte. Jetzt, zu spät, erkennt er es. Dieser Eigensinn wird wohl durch das Hab bestimmt, deshalb nahm seines und wird das Leben seines Sohnes einen starren Verlauf nehmen.

Eine interessante Sonettähnlcihe Umsetzung, solche Wechsel von Daktylus und Anäpäst sind ja wirklich nicht alltäglich
Hat mir gut gefallen, wenig kryptisch diesmal, mit der Einschränkung allerdings, dass es, zumindest für die Aussage die ich da mal rausgezogen habe, teilweise etwas blutarm ist. Vor allem Strophe 3 ist hinsichtlich dessen ein bisschen zu lang. Und blutarm ist es auch in wörtlicher Sicht, schade, dass die Ermordung selbst der Phantasie des Lesers überlassen bleibt, wenn du sie doch viel schöner schildern könntest


nach oben

#3

Ich säte den Wind

in Düsteres und Trübsinniges 18.03.2005 14:25
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Wilhelm,

verzeih mein langes Schweigen. Ich habe wieder einmal vergessen, die E-Mail-Benachrichtigung einzuschalten und hatte zu wenig Zeit, um regelmäßig einfach mal so im Tümpel zu baden...

Zunächst einmal vielen Dank für Deine Kritik, Inhaltlich hast Du eigentlich das mir Wichtige herausgezogen, die Deutung in Vater/Sohn ist dabei eine Möglichkeit. Aber Du hast ja das Thema der selbsterschaffenen Kreatur auch grundsätzlich gesehen, denn natürlich lässt sich diese Grundidee auch auf andere Sachverhalte übertragen.

Den Hinweis auf die Blutarmut kann ich wohl in keiner Hinsicht gänzlich verneinen. Womöglich liegt es daran, dass ich in der inhaltlichen Gestaltung bewusst nicht zu konkret werden wollte und mehr ein gewisses Grundgefühl vermitteln wollte. So mag das vorliegend aber etwas blutleer daherkommen.
Die zudem fehlenden Splattereffekte überlasse ich einfach Deiner Phantasie, ich kann ja nicht immer zwischen Moorleichen umhertümpeln! Aber keine Sorge, Du wirst sicher noch Gelegenheit bekommen, mit mir der einen oder anderen Leichenschau beizuwohnen...

Dein Gefallen freut mich ebenso wie Deine Kritik, Danke Dir,


nach oben


Besucher
0 Mitglieder und 3 Gäste sind Online

Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220 Themen und 61619 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online:

Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53).