#1

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in Liebe und Leidenschaft 27.02.2005 22:14
von DOCC (gelöscht)
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die nacht reisst meine augen auf.
das schwarz will weiss zerbrechen.
mein atem rüttelt an der tür,
kann doch nicht weg: in meine hand
erbricht sich mein versprechen:

nachdem du gestern von mir gingst,
war hier noch wildes treiben.
verträge boten teufel, gott
und einer, der gerecht mir schien -
der durfte bei mir bleiben...

der tag reisst meine augen auf.
dein duft ist auch geblieben.
mein atem rührt ein rotes haar,
ich halt es fest und atme durch:
noch ist nichts unterschrieben!

(c) U. Würsig

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#2

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in Liebe und Leidenschaft 28.02.2005 12:00
von muh-q wahn (gelöscht)
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Hallo DOCC !

Du versaust hier die Preise, wenn du gleich mit so einem Kracher hier beginnst und man nicht einmal formal meckern kann, was häufig die einzige Möglichkeit ist, dem Neid auf die Idee halbwegs zivilisierten Anstrich zu geben.

Ich finde dein Gedicht sehr gelungen, insbesondere Strophe 1 hat es mir angetan. Wohl selten ist Masturbation so poetisch umschrieben worden. Mitten in der Nacht, die Verlobte ist nicht da, wird das lyr. Ich von seinem Trieb, seiner Gier überwältigt: Auch wenn er es sehr gerne wollte, so zügelt sein Verstand seine Lust und gebietet ihm, sehr zu seinem Unwillen, Hand an sich selbst zu legen. In dieser Strophe erreichst du einen Verdichtungsgrad und eine Virtuosität der Sprache, die für mich keine Wünsche offen lässt. Großartig.

Strophe 2 kann dem nicht standhalten, was dem Gedicht insgesamt aber nur wenig schadet. Einerseits tut eine Ruhepause gut, andererseits sind ein paar Informationen erforderlich, um den Kreis nachher perfekt schließen zu können (Teufel, Vertrag). Wenig gelungen erscheinen mir Zeile 3 und 4: Ohne Reimzwang gäbe es hier andere Möglichkeiten, als die zu große Verdichtung in 3 und die im Vergleich dazu geringe in 4, die dafür aber inhaltlich klasse ist: einer, der gerecht mir schien mit der Pointe dann in Strophe 3.

Strophe 3 schließt dann den Kreis, weshalb du analog Strophe 1 beginnst und ich muss neidvoll eingestehen, dass das gerade durch die Wiederholung nur mit der nacht/tag-Unterscheidung eine gute, weil einfache Idee ist oder vice versa Dann erfolgt die Auflösung, wer bei dem lyr. Ich geblieben ist: Der Trieb hat gesiegt. Zumindest in dieser Nacht. Großartig finde ich, dass du in der conclusio zwar deutlich machst, wer gerechter erschien aber die weitere Entwicklung doch offen lässt. Ich neige zwar dazu, dass das Durchatmen des lyr. Ich quasi ein Seufzer der Erleichterung ist , dass er mit dem lyr. Du bislang nur verlobt ist (siehe Versprechen in S1) und noch zum Teufel wechseln kann, da er das rote Haar festhält (!) aber es sind beide Lesarten möglich. Auch der Vertrag mit dem Teufel ist ja noch nicht unterschrieben, was auch Grund für Erleichterung sein kann. Metrisch liegt eine Abweichung vor, die vermutlich gewollt ist.

Respekt !

Digitally Yours

Muh-q wahn

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#3

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in Liebe und Leidenschaft 28.02.2005 13:02
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi DOCC

Hier geht's echt um Masturbation? Huch, da habe ich etwas ganz anderes gelesen.... *g

Nun ja, Du hast ja noch nichts zum Kommentar von muh gesagt, deshalb erhalte ich mir meine Illusionen. ich sehe es "einfach" als schönes Gedicht an, das über den Abschied der Geliebten trauert, die ihm vielleicht ein 'Lebewohl' sagte, jedoch eventuell nur ein 'Auf Wiedersehen' meinte. Vorallem stellt sich das lyr. Ich das so vor.


Zitat:

nachdem du gestern von mir gingst,
war hier noch wildes treiben.
verträge boten teufel, gott
und einer, der gerecht mir schien -
der durfte bei mir bleiben...




Hier blicke ich nicht recht durch. Verträge boten Teufel (?), da stehe ich auf dem Schlauch.

Ich lese Deine Texte immer wieder gerne und mag, wie Du Situationen beschreibst. Aber dieses Kleinschreiben immer *brrrr*

Gruss
Margot

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#4

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in Liebe und Leidenschaft 28.02.2005 13:57
von muh-q wahn (gelöscht)
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Tja, Margot, das hätte mich ja nun interessiert, an welchen Stellen du deine Interpretation herausgelesen hast: Vielleicht kann ich meinen Beitrag ja noch löschen, bevor DOCC ihn sieht.

Die von dir zitierte Zeile bemängelte ich auch, nur verständlich finde ich sie dennoch. Gott und Teufel boten jeweils einen Vertrag an, wobei "Gott" hier für Treue und Einhaltung des Verlobungsversprechens und "Teufel" für das Lustprinzip steht. Und da ist wohl keine Frage, wofür der gute DOCC sich entscheidet.

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#5

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in Liebe und Leidenschaft 28.02.2005 18:51
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Strophe 1 ist tatsächlich klasse. Ich kann nur den Gedankengang des lyrischen DOCC's nicht verstehen, ist doch nichts schlimmes dabei in Notzeiten (nicht das ich das lyrische Ich mit dir in Verbindung brächte )
Wirklich ein tolles Gedicht, das pikante Thema wurde äusserst originell umgesetzt Hier wird tatsächlich noch ein kleines Tabu angesprochen, und Tabus sind selten geworden. Margots Interpretation allerdings kann ich nicht wirklich nachvollziehen, sie ist viel zu brav

Siehst du Muh diesmal hast du mir die Augen geöffnet, erst nach deiner Interpretation habe ich es verstanden

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#6

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in Liebe und Leidenschaft 13.03.2005 23:03
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hi, DOCC!

Hinreißend, dein Gedicht, wirklich ungewöhnlich bildstark. Allerdings bin ich mir nicht so sicher wie unser Milka-Lieferant, ob du wirklich jenes kleine Tabu (Ist es denn noch eines?) gemeint hast. Eigentlich neige ich eher Margots Sichtweise zu, nämlich dass du sehr fulminant eine leidenschaftliche Nacht beschrieben hast, nach deren Ende das lyrische Ich sich nicht im Klaren ist, wie es weitergeht. Sehr wahrscheinlich geht es um Sinnliches (das rote Haar könnte dafür stehen), aber ob man nun Treue Gott und Sex dem Teufel zusordnen kann, das erscheint mir zu eindeutig. Viel mehr steht hier doch auch die brennende Sehnsucht, das Begehren der Geliebten im Vordergrund, nicht? Belehre mich einmes Besseren, wenn mein Deutungsversuch ganz daneben lag. Ich grüße dich herzlich.

lg Angel of Berlin

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#7

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in Liebe und Leidenschaft 14.03.2005 08:51
von DOCC (gelöscht)
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Hallo erstmal,
zunächst muss ich mich entschuldigen, dass ich auf die bisher verfassten Erwiderungen nicht reagiert habe, aber ich hatte diese automatische Benachrichtigung nicht eingeschalten und da dachte ich, das Teil hat niemanden interessiert.
Aber nu:
ich glaube mu-q-wahn hat an anderer Stelle mal geschrieben, dass die Rezipienten eines Gedichtes immer mehr drauf haben, kunstvoller sind und manchmal mehr lyrischen Background abliefern als der Autor (naja sinngemäß). Es ist mir fast schon bissel peinlich und ich fühle mich so klein, muss aber der Ehrlichkeit halber zugestehen, dass die durchaus kunstfertige Interpretation von muh und Wilhelm beim Zustandekommen des Gedichtes eher keine Rolle gespielt hat. Sorry - so gut bin ich denn doch nicht.
Ich möchte auch nicht viel interpretieren, Euch nur den Hintergrund offenbaren. Um die Jahreswende hatte ich das "Vergnügen", längere Zeit in einem Krankenhaus zuzubringen. Das Zimmer teilte ich mir mit einem etwa 10 Jahre jüngeren Querschnittsgelähmten. Der wollte eigentlich nicht mehr weitermachen - hat nachts bisweilen seine Todeswünsche rausgeschrien... aber täglich kam seine Freundin und sie schmiedeten Pläne.
Tja, so profan geht die Story. Schade eigentlich.

Liebe Grüße von
DOCC

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