#1

Alter, wehe!

in Liebe und Leidenschaft 21.08.2010 16:59
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Alter, wehe Du stirbst!

Du wirst doch jetzt nicht schwächeln, meine
Worte sollten Dich mal wieder aufregen, wie so
oft, wenn wir über Alles überbordend gemeinsam
schwiegen, nur Blicke reichten so oft
schon aus.

Schon aus?

Wehe, wenn Du stirbst!

Dein schalkhaftes Lächeln, rück es heraus, nur
so, damit ich es erwidern kann, wie im Zug
damals, als wir nichts zu fressen hatten
außer vertrocknetem Weißbrot und uns
an aqua gassata betranken, ohne
je zu schlafen, weil der Magen
knurrte.

Knurrte:

Wehe, Du stirbst, Alter!

So wie ich oft knurrte, wenn Deine Logik
meine Argumente zerfetzte, mich aufheulen ließ
Deine scharfe Zunge, und doch genoss ich
jeden Streit mit Dir, wie mit niemandem
sonst.

Sonst?

Ich hau Dich, wenn Du stirbst!

Ich klaue Dir sonst die Kamera unten
aus Deinem Schlafsack, wie damals im Park
in der heiligen Stadt, mit den Fiats, die
unheilig schwankten, als das Licht
ausging, bis morgens über uns der Schatten
knapp wurde und wir uns im Brunnen
wuschen.

wuschen?

Alter, wehe, wenn Du stirbst

vor mir.

zuletzt bearbeitet 01.09.2010 16:28 | nach oben

#2

RE: Alter, wehe!

in Liebe und Leidenschaft 25.08.2010 14:06
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Lieber der.hannes,

...............................ja das mag ich wohl leiden.
Mit dieser Strophenaufteilung der Prosateile eigentlich ein Mischtext, macht sich in diesem Forum aber gut.

Manchmal ist die Prosa etwas mühsam zu lesen und würde gekürzt nicht verlieren:
...meine Worte sollen Dich aufregen, wie so oft, wenn wir gemeinsam überbordend schwiegen:
Alles im Blick.

Diese wiederholte Hervorhebung letzter Worte der Prosateile läßt nach einer Bedeutung suchen, die ich in:
"schon aus", "knurrte", "sonst", "wuschen" und "vor mir" - nicht fand.
Dagegen dieses wiederholte biblische: wehe, wehe, weh mir, weh dir, - weder der Autor noch der Leser
scheinen zu wissen, ob sie lachen oder weinen sollen, - funkioniert voll bei mir. - Aber vllt nicht bei jedem.

Grammatik S3Z4: wie mit niemandem sonst.

Eine Formulierung gefällt mir besonders: "Ich hau Dich, wenn Du stirbst."
Es mag nicht neu sein, dieser hilflose Ausdruck schmerzlicher Verlustangst des herangewachsenen Jungen.
Die Liebe zu den Eltern ist angeboren, archaisch, unterhalb einer kompletten Katastrophe unerschütterlich.
Man ahnt, daß der Alte streng war, woher sonst die Idee, konstruktive Anteile aber die Oberhand behielten.

Die letzte Strophe erschließt sich mir inhaltlich nur bedingt. Ließ auf einer Realebene, deren Stimmigkeit sonst
durchgehalten wurde, erlöschendes Laternenlicht diese Autos unheilig schwanken?
Fiat: 3.Person Konjunktiv von "fieri" geschaffen werden.
Lustige Wortzerstörung, das: "aqua gassata". In lyrischen Texten suche ich nach einer versteckten Bedeutung.

Der Ausklang: das Alter darf nicht vor mir sterben, ließe sich auf eine allgemeingültige Ebene heben, wenn ein
klarer Bezug zu Eigenschaften des Alters hergestellt wird. So bleibt die Aussage in der emotionalen Verfassung
kindlicher Anklammerungswünsche hängen, was aber auch sein darf.

Das sind nur ein paar Anmerkungen. Für heute so viel. LG mcberry

zuletzt bearbeitet 25.08.2010 14:08 | nach oben

#3

RE: Alter, wehe!

in Liebe und Leidenschaft 01.09.2010 16:51
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Lieber mcberry,

Zitat von mcberry
Lieber der.hannes,
...............................ja das mag ich wohl leiden.


das freut mich :)

Zitat von mcberry

Mit dieser Strophenaufteilung der Prosateile eigentlich ein Mischtext, macht sich in diesem Forum aber gut.
Manchmal ist die Prosa etwas mühsam zu lesen und würde gekürzt nicht verlieren:
...meine Worte sollen Dich aufregen, wie so oft, wenn wir gemeinsam überbordend schwiegen:
Alles im Blick.


Über eventuelle Kürzungen werde ich nochmal nachdenken. Denn wie sich auch bei Deinem Vorschlag zeigt, sind fast immer Bedeutungsverschiebungen die Folge.

Zitat von mcberry

Diese wiederholte Hervorhebung letzter Worte der Prosateile läßt nach einer Bedeutung suchen, die ich in:
"schon aus", "knurrte", "sonst", "wuschen" und "vor mir" - nicht fand.
Dagegen dieses wiederholte biblische: wehe, wehe, weh mir, weh dir, - weder der Autor noch der Leser
scheinen zu wissen, ob sie lachen oder weinen sollen, - funkioniert voll bei mir. - Aber vllt nicht bei jedem.




Ich habe die Hervorhebung von "schon aus", "knurrte", "sonst", "wuschen" noch verstärkt durch Wiederholung. Ich hoffe, dass dadurch der Bezug auf den folgenden "Wehe"-Teil noch besser herauskommt. Beim "wuschen" mag die Assoziation zum Waschen eines Leichnams bzw. der Furcht davor deutlich werden. Beim "vor mir" denke ich, dass der Bezug zum vorherigen "Wehe" schon deutlich genug sein sollte.

Zitat von mcberry

Grammatik S3Z4: wie mit niemandem sonst.


Das habe ich selbstverständlich korrigiert.

Zitat von mcberry

Eine Formulierung gefällt mir besonders: "Ich hau Dich, wenn Du stirbst."
Es mag nicht neu sein, dieser hilflose Ausdruck schmerzlicher Verlustangst des herangewachsenen Jungen.
Die Liebe zu den Eltern ist angeboren, archaisch, unterhalb einer kompletten Katastrophe unerschütterlich.
Man ahnt, daß der Alte streng war, woher sonst die Idee, konstruktive Anteile aber die Oberhand behielten.

der Alte, das Alter, Alter (Freund), das sind sicherlich alles mögliche Deutungen. Beim Schreiben hatte ich einen Freund vor Augen.

Zitat von mcberry

Die letzte Strophe erschließt sich mir inhaltlich nur bedingt. Ließ auf einer Realebene, deren Stimmigkeit sonst
durchgehalten wurde, erlöschendes Laternenlicht diese Autos unheilig schwanken?
Fiat: 3.Person Konjunktiv von "fieri" geschaffen werden.
Lustige Wortzerstörung, das: "aqua gassata". In lyrischen Texten suche ich nach einer versteckten Bedeutung.
Der Ausklang: das Alter darf nicht vor mir sterben, ließe sich auf eine allgemeingültige Ebene heben, wenn ein
klarer Bezug zu Eigenschaften des Alters hergestellt wird. So bleibt die Aussage in der emotionalen Verfassung
kindlicher Anklammerungswünsche hängen, was aber auch sein darf.



Fiat ist hier tatsächlich ein Automobil. Schwanken ergab sich durch Aktivitäten der Insassen nach Ausschalten des Lichts. Man stelle sich vor, dass alles in einer sehr katholischen Stadt vor längerer Zeit stattfand. Die Aktivitäten galten also sicher als unheilig .... Anklänge an "fiat lux" sind eher zufällig, aber erschliessen durchaus eine weitere Bedeutungsebene.

Der Ausklang ist eher emotional zu verstehen, aber nicht kindlich.

Es ist immer wieder verblüffend, wie unterschiedlich Texte gelesen werden können. Aber das ist auch gut so.

Es grüßt
der.hannes

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#4

RE: Alter, wehe!

in Liebe und Leidenschaft 12.09.2010 17:03
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Zitat
Ich habe die Hervorhebung von "schon aus", "knurrte", "sonst", "wuschen" noch verstärkt durch Wiederholung.



Klappt so viel besser für mich. Vorher habe ich ergebnislos versucht, die Schlußworte untereinander zu vernetzen.

Die Automarke ist mir auch bekannt. Meine ungenügende Auffassung unheiliger Schwankungen führe ich auf eine Freudsche Fehlleistung bzw. Verdrängung zurück. Als Beziehung des LI zur Elterngeneration gelesen, war mir der Bogen wohl zu weit gespannt. Das schreibe ich nur als Feedback noch mal. An besserem Verständnis kryptischer Werke arbeite ich ernsthaft...

Ansonsten sendet der Text auf meiner Wellenlänge. LG mcberry

zuletzt bearbeitet 13.09.2010 21:11 | nach oben

#5

RE: Alter, wehe!

in Liebe und Leidenschaft 19.09.2010 01:41
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

hallo mcberry,

unheilige Schwankungen gibt es eben nicht nur derzeit in München oder auch an den Finanzbörsen ...

Es grüßt
der.hannes

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