#1

Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 18.01.2014 07:57
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Da fährst du fort im Eilzug ohne mich.
Ich auf dem Bahnsteig fühl mich schon allein.
Du rufst am Fenster: „Du, ich liebe dich!“
Ich lächle bloß hinauf und bin ganz klein.

Gesagt ist, was zu sagen uns noch blieb.
Der große Rest blieb leider ungesagt.
Ach, irgendwie hab ich dich ja noch lieb,
doch hast du mich danach nur nicht gefragt.

Du schickst mir eine Ansichtskarte her,
als kleinen Trost fürs Herz, hast du gemeint.
Denn schließlich sei ich ja nicht irgendwer
und du, wie fabelhaft, auch nicht mein Feind.

Der Bahnhof ist schon lange menschenleer,
und wie betäubt steh ich am selben Fleck.
Ich weiß, es bringt kein Zug dich wieder her.
Der Zug ist abgefahren, der ist weg.


woerterwelt.jimdo.com
zuletzt bearbeitet 18.01.2014 08:28 | nach oben

#2

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 18.01.2014 16:16
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Elektra,

gegen traditionelle Liebeslyrik ist nichts einzuwenden. Darf ich zur Form Anmerkungen einbringen?
Die Szene beginnt und endet am Bahnhof jeweils in der Gegenwart. Dazwischen ist in S3 von einer Ansichtskarte die Rede, die nur vorher oder nachher eingetroffen sein kann.
S1 könnte in die Vergangenheit geschoben werden, um den Zeitverlauf zu wahren.
Oder LI bleibt alle vier Strophen lang auf dem Bahnsteig stehen und ergeht sich in Vermutungen:
Bestimmt schickst du ... Der Leser traut es diesem reisefreudigen LD jederzeit zu. HG - mcberry

zuletzt bearbeitet 18.01.2014 16:21 | nach oben

#3

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 19.01.2014 15:44
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Hallo McBerry,

danke dir herzlich für den Kommentar. Da du schreibst, dass es nichts einzuwenden gebe gegen traditionelle Liebeslyrik, eine Frage: Was verstehst du denn unter nicht-traditioneller Liebeslyrik? Willst du mir zu verstehen geben, dass mein Text nicht zeitgemäß geschrieben sei? Dazu eine kleine Anmerkung: Die Gegenwartsliteratur gestattet jede literarische Form bis zur Beliebigkeit, der Dilettantismus treibt die schönsten Blüten im Namen des literarischen Fortschritts, was von ernst zu nehmenden Leuten als Ausdruck des Niedergangs der Literatur angesehen wird. Insofern ist der Begriff "traditionelle Liebeslyrik" selbst schon ein Anachronismus.

Was die Zeitformen der einzelnen Strophen angeht: Strophe 1 und 4 sind im Präsens geschrieben, Strophe 2, weil sie Vorgänge vor der Bahnhofsszene behandelt, in der literarischen Vergangenheit (Präteritum), während Strophe 3 im Perfekt geschrieben ist. Für meine Begriffe sehr logisch und absolut korrekt.

Schöne Grüße, Elektra


woerterwelt.jimdo.com
zuletzt bearbeitet 19.01.2014 15:46 | nach oben

#4

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 19.01.2014 16:18
von alba | 645 Beiträge | 720 Punkte

Zitat
Ach, irgendwie hab ich dich ja noch lieb, ...
...Du schickst mir eine Ansichtskarte her,


ist präteritum und perfekt ach du liebe zeit ich kriege das niemals geregelt niemals ob modern oder wie
sollte niemand so genau nehmen weil das auch sonst kein schwein mehr tut und schon gar keine mieze. miau alba

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#5

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 20.01.2014 09:05
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Echt nicht, Elektra,

zeitgemäß ist, was gefällt. Unter traditioneller Lyrik verstehe ich metrisch getaktete Zeilen mit einem
Endreim. Gebrauchslyrik meinerseits sieht genau so aus. Wir haben also keine Differenzen. HG - mcberry

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#6

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 20.01.2014 09:08
von ugressmann | 942 Beiträge | 929 Punkte

Liebe Elektra,
"Der Zug ist abgefahren - der ist weg" - welch schmerzliche Einsicht.
Konnte ich gut nachempfinden bei der Lektüre deines Gedichtes.
MfG
Uschi

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#7

RE: Ansichtskartenglück

in Liebe und Leidenschaft 21.01.2014 08:10
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Hallo McBerry,

naja, eigentlich hatte ich ja gefragt, was du unter nicht-traditioneller Lyrik verstehst und nicht unter traditioneller.
Würde es dich überraschen, wenn auch die nichtgereimte Lyrik zur traditionellen Lyrik gezählt wird? Denn wenn man bedenkt, dass Klopstock vor mehr als 250 Jahren in seinen Oden die nichtgereimte Lyrik in die gehobene deutsche Lyrik eingeführt hat, dass die Dichter des Sturm und Drang in freien Rhythmen schrieben, darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass 250 Jahre ausreichen, um von Tradition sprechen zu können.

Das Problem liegt aber ganz woanders. Ob es dich interessiert, weiß ich nicht, trotzdem: Das Gereimte hat dadurch, dass Hinz und Kunz glauben, wenn sie nicht reimen, dann schrieben sie moderne Lyrik, einen Ruch des Überholten, des schon halb Verstaubten bekommen - eben weil das Gros nicht reimen kann. Da muss man nämlich was lernen, aber als geborenes Genie braucht man das offensichtlich nicht. Trotzdem halte ich am Reim fest. Denn ich bin der Ansicht, den Reim kann man aus gutem Grund nur verwerfen, wenn man ihn kennt und ihn beherrscht. Erst dann sollte man zu freien Rhythmen übergehen, erst dann ist man ja überhaupt urteilsfähig. Wie man sowieso, will man als Lyriker ernst genommen werden, praktischerweise und weil man beide zu schätzen weiß, beide Genres beherrschen und ausüben sollte.

Denn dadurch, dass so mancher glaubt, er sei ein begnadeter moderner Dichter, wenn er nicht reimt, hat sich ein schlimmer Dilettantismus breitgemacht, sowohl im gedruckten Buch als auch besonders im Internet. Wobei ich hier niemanden scharf ansehen will, es ist eine allgemeine Erscheinung der Zeit - ich meine den Dilettantismus, und zwar auf allen Gebieten, nicht nur der Literatur.

Insofern denke ich schon, dass wir da Differenzen haben. Du wirst mir meine kleine Abschweifung verzeihen müssen.

Elektra


woerterwelt.jimdo.com
zuletzt bearbeitet 21.01.2014 08:13 | nach oben


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