#1

Vor unserer Tür

in Philosophisches und Grübeleien 04.08.2015 12:17
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Vor unserer Tür Prijedor°

Die Hauptstraße säumen in mondloser Nacht
noch schwärzer die Schatten der niedrigen Häuser.
Kein Ton, kein Licht oder wärmender Rauch
verraten dem Späher die Gegenwart.

Und doch sind dort drinnen die Frauen hellwach.
Ein Hund heult hell auf und verstummt röchelnd heiser,
als spürt’ er angsthechelnd die Spannung auch,
die Kindern das Schlafen unmöglich macht.

Die Frauen sind stark, haben Tüten gepackt,
das Geld und den Pass, denn sie denken halt weiser
als Männer in Furcht, die sind abgetaucht,
denn wer wird geschnappt, wird gleich umgebracht.

Das schreckliche Heer ist bereit für die Schlacht.
Ein Vorhutsbandit zwingt cool serbische Weiber,
zu zeigen aufs nächste türkische* Haus
und hält mit der Waffe die Leute in Schach.

So siegen die Schlächter der Hausreihe nach
mit Spaß und Gelächter. Der Terror stimmt heiter
und tobt sich an kindlichen Mädchen aus.
Sechs Tage bezeugen noch Leichen die Schmach.**

Laut dröhnen die Ketten der eisernen Macht.
Der nächtliche Schreckwurm rückt todbringend weiter.
Zurück bleiben Nachbarn entgangen dem Graus.
Vom Panzer ein Tschetnik siegtrunken lacht.


°nordbosnische Kleinstadt mit ehem. multi-ethnischer Bevölkerung
* die Tschetniks schimpfen moslemische Bosnier ‚Türken’.
** Eine Woche lang mußten die Leichen auf den Straßen liegen bleiben


Hastanirwana
GHEG
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#2

RE: Vor unserer Tür

in Philosophisches und Grübeleien 05.08.2015 13:12
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Zitat
Die Hauptstraße säumen in mondloser Nacht //- X - - X - - X - - X
nur Schatten der niedrigen Häuser. // - X - - X - - X -.
Kein Ton oder Licht und kein wärmender Rauch // - X - - X - - X - - X
verraten nur einen verborgenen Schacht. // - X - - X - - X-- X .


Hi Gheggrun,

diesmal sogar dreisilbige Hebungen, ein bekannter Erzählmodus für ein episches Werk.

Es finden sich noch ein paar metrische Stolperstellen. Die Wortneuschöpfungen ("nächtlicher Schreckwurm")
muten eher interessant an. Dennoch bleibt es eine Gradwanderung zur unfreiwilligen Komik. Man muß wohl
sehr sicher in einer Sprache stehen, um darin dichten zu können. - Ich finde, du hältst dich gut. HG - mcberry

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#3

RE: Vor unserer Tür

in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2015 07:41
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Hey gheggrun,

über den Inhalt äußere ich mich nicht, der sich in seiner Konformität dem politischen Mainstream andient. So gesehen, kann man natürlich fragen, was dieses Gedicht überhaupt soll, wenn es nicht eindeutig und unzweifelhaft den Überfall der NATO auf Jugoslawien verurteilt. Und das tut es eben nicht.

Was die Metrik angeht, so hat man auf den ersten Blick den Eindruck, es handle sich um Daktylen (so die korrekte Bezeichnung). Dass dir da ab und zu ein Spondeus untergerät, gut, da will ich nicht allzu kritisch sein.
Du hast brav gereimt, öfter mal holpert es wie auf einem Kopfsteinpflaster, aber man liest verständnisvoll drüberweg.

Insgesamt, so meine Ansicht, ist das ein überflüssiges Gedicht. Du solltest deine Energien vielleicht eher in Texte legen, die den humanistischen Menschheitsgedanken befördern helfen.

Elektra


woerterwelt.jimdo.com
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#4

.

in Philosophisches und Grübeleien 07.08.2015 02:17
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

.

zuletzt bearbeitet 14.01.2019 10:35 | nach oben

#5

RE: Vor unserer Tür

in Philosophisches und Grübeleien 07.08.2015 05:07
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Seid gegrüßt, werte Kommentatoren!
mcberry, ich dachte immer: 1 Silbe=1 Hebung(oder keine), aber 1Silbe 3-hebig, -geht das?
Spaß beiseite, ich hab Dich schon verstanden. Z1+2 sollen so eine Einleitung-Einstimmung
sein wie das bekannte "Es war einmal ... ..", nach der es los geht. Mit dem "Schreclwurm"
hast Du Recht, steht aber in Zusammenhang mit "Der Terror stimmt heiter" & "siegtrunken
lacht" Thanks 4 comment.
Hallo, Elektra! Hier handelt es sich m.E.nicht um Agitprop,-eher um einen Bericht von einem
Ereignis, das für ähnliche Situationen stehen mag, in denen Menschen gezwungen werden
schuldig zu werden. Es handelt sich um ein älteres Gedicht, das ich ein gestellt habe, weil
GeminII in seinem Werk "Flüchtlinge" die Frage stellt, wie er reagieren würde, wenn Familie
und "sein" Land bedroht sind -dies zur Überflüssigkeit des Gedichtes.
Was das 'Kopsteinpflastergeholper' angeht, muß ich eingestehen, daß ich den eheren Grund-
satz, die erste Silbe bzw. die Wortstammsilbe zu betonen, manchmal vernachlässige, um z.B
einen inhaltlich leeren Artickel im Sinne der Verdichtung durch eine Beiwortsilbe zu ersetzen,
was dann oft eine unübliche Akzentverschiebung zur Folge hat. Das ist kritisierbar, wie z.B:
S2Z3: " als spürt er angsthechelnd die Spannung auch", wo die Betonung nicht wie üblich
auf "angst-" liegt. Solche Abweichungen erscheinen mir, nicht aber jedem, immer noch besser.
als syntaxmäßige Zerbröckelungen, auf welche (Lyrik-)Leser oft mit Abwendung reagieren.
Überhaupt nicht gefällt mir Dein unerbetener Ratschlag, womit ich mich beschäftigen soll und
ich hoffe, Du gehörst nicht zu den intellektuellen Wegbereitern derer, die eine neue bessere
Menschheit heran(er-)ziehen wollen. Die Ergebnisse solcher Versuche sind alle negativ.
Trotzdem danke ich für die Ehre, eines Kommentars für würdig befunden worden zu sein.
FG
Guten Morgen,Joame Plebis!
Das 'Lob' Elekras betreffs der Reime fasse ich als leicht ironisch auf, denke aber , weil Reime
nur Verzierungen an Versen sind, daß sie mir sooo rein auch nicht gelungen sind. Ob die da
und dort 'untergeratenen' Spondeen alle einen Tadel verdienen, interessiert mich mehr.
Danke für deine unterstützende Haltung


Hastanirwana
GHEG
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