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Überfahrt
Nur selten, beim Lesen, Erinnern und Sinnen,
beginnen die Augen von Neuem das Alte
zu sehen, und Feuchte erzwingt sich ein Rinnen:
Bestrichen vom Winde erneut sich das Kalte.
Vergangen, verloren, gewonnen, begraben,
warum nur vergehen nicht Jahre im Fluge?
Wer möchte die Fragen nicht stellen, nicht laben
sich daran, nicht Herzschmerz empfinden? Im Zuge
der Tage verschwindet nur langsam die Trauer.
Wie viele versuchen, sie ewig zu halten -
errichten, um sie zu beschützen, die Mauer
um ihre Gefühle, die dennoch erkalten.
Der Fährmann will Geld vor dem Lösen der Leine:
Gib erst nach der Querung dem Alten die Scheine.
RE: Überfahrt
in Diverse 10.03.2017 20:18von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Es ist phänomenal, lieber Hannes,
kein einziger Kommentar, aber super platziert. Du bist mit dem Sieger doch nahezu punktgleich.
Was sollen wir davon halten? Sind E-literaten zu bequem zu kommentieren oder wie haben wir das?
Deine Zeilen liefern eine traditionsreiche und mythologisch verankerte Thematik mit aktuellem Schwung.
Anscheinend las ein jeder sie gerne, amüsierte sich und zog weiter, ohne sich zu äußern.
Das könnte aber noch nachgeholt werden. Gratulation zum silbernen Treppchen! - HG - mcberry
Zitat von der.hannes im Beitrag #1
Überfahrt
Nur selten, beim Lesen, Erinnern und Sinnen,
beginnen die Augen von Neuem das Alte
zu sehen, und Feuchte erzwingt sich ein Rinnen:
Bestrichen vom Winde erneut sich das Kalte.
Vergangen, verloren, gewonnen, begraben,
warum nur vergehen nicht Jahre im Fluge?
Wer möchte die Fragen nicht stellen, nicht laben
sich daran, nicht Herzschmerz empfinden? Im Zuge
der Tage verschwindet nur langsam die Trauer.
Wie viele versuchen, sie ewig zu halten -
errichten, um sie zu beschützen, die Mauer
um ihre Gefühle, die dennoch erkalten.
Der Fährmann will Geld vor dem Lösen der Leine:
Gib erst nach der Querung dem Alten die Scheine.
hallo Hannes
für die Nominierung hatte es gereicht, den Kommentar dazu habe ich aber schriftlich nur begonnen gehabt mit diesen drei Worten:
Großes Tennis, Hannes,
Tischtennis, meinte ich und war es gedanklich seither mehrfach durchgegangen. diese Sätze, diese langen Ballwechsel gehen sehr dynamisch über der Tischkante Sonett hin und her und beschleunigen zu abgewehrten Schmetterbällen über die Zeilensprünge hinweg, dass es eine wahre Freude ist!
das Alte / zu sehen
nicht laben / sich daran,
und das Strophenenjambement war mir das absolute Schmankerl, optisch wie klanglich bei dieser Partie:
(…) Im Zuge
der Tage verschwindet nur langsam die Trauer.
ich weiß nicht wo ich mehr Spaß hatte, bei welchem Ballwechsel, als Timo Boll vielfach gegen die Chinesen ankämpfte, aber doch nicht mehr als olympisches Silber schaffte, oder hier bei dieser Partie. ich schätze - beides gleichauf.
inhaltlich hast du mich beim starken Couplet gekriegt, Hannes: da war ich mir plötzlich mit einem Schlag nicht mehr sicher, ob der eigentlich unbestechliche Charon, der doch sonst immer nur die eine Münze, den einen Obolus annimmt, deine Scheine, Hannes, nicht doch entgegen nehmen würde. diese, deine letzte Aufforderung quittierte ich beim Lesen mit einem breiten Grinsen, das lange anhielt.
Chapeau!
Alcedo
Lieber Alcedo, tausend Dank für die Nominierung und den ausführlichen und gedankenreichen Kommentar. Enjambements im Sonett, das ist für Verfechter des klassischen Sonetts ein rotes Tuch, es gibt aber inzwischen auch ganz andere Meinungen, die wir beide teilen:-) … Ob die Scheine genommen würden? Griechenland ist doch noch in der € Zone, das sollte auch Charon wissen. Obwohl … sicher bin ich mir da nicht ;-)
Herzliche Grüße
Hannes
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